Urteil vom Landgericht Aachen - 11 O 235/14
Tenor
Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Euskirchen vom 3. Juli 2014 (14-4447661-0-2) wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Die Erblasserin, Frau T1, erstellte am 3. November 2004 bei der T2 zugunsten der Klägerin eine „Verfügung zugunsten Dritter für den Todesfall“ (Anlage K11, Bl. 30 d.A.). Gegenstand der Verfügung waren die beiden Sparbücher mit den Endziffern XXX und XXX. Zur Errichtung der Verfügung verwandte die Erblasserin ein Formular der T2. Unter Ziffer 5 sieht das Formular drei Möglichkeiten für die „Unterrichtung des Begünstigten“ vor. Angekreuzt werden kann, dass der Begünstigte anwesend war, die Vereinbarung zur Kenntnis genommen und zugleich angenommen hat, oder, dass der Gläubiger den Begünstigten über die Vereinbarung bereits informiert hat, oder, dass die T2 den Begünstigten erst nach dem Tod des Gläubigers von dieser Vereinbarung unterrichten wird. Die Erblasserin hat (nur) die zweite Möglichkeit angekreuzt, wonach der Gläubiger dem Begünstigten über die Vereinbarung bereits informiert hat.
3Am 30. August 2013 verstarb die Erblasserin kinderlos. Ausweislich des gemeinschaftlichen Erbscheins vom 24. September 2013 wurde sie von den beiden Parteien und zwei weiteren Verwandten je zu einem Viertel beerbt (Anlage K1, Bl. 20 d.A.). Auf dem Sparbuch mit den Endziffern XXX befand sich ein Guthaben in Höhe von 42.291,55 € (Anlage K2, Bl. 21 d.A.) und auf denjenigen mit den Endziffern XXX ein Guthaben in Höhe von 110.833,16 €. In Unkenntnis der Verfügung zugunsten der Klägerin auf den Todesfall teilten die vier Miterben unter anderem auch diese beiden Sparbücher zu gleichen Teilen unter sich auf. Am 21. März 2014 erging gegenüber der Klägerin einen Bescheid des Finanzamtes B über Erbschaftssteuer, in dem auch ein Erwerb der Klägerin aufgrund von Verträgen zugunsten Dritter in Höhe von 153.500 € berücksichtigt worden ist (Anlage K10, Bl. 29 d.A.). Die Klägerin forschte daraufhin bei der T2 nach und informierte mit E-Mail vom 28. März 2014 die übrigen Miterben (Anlage B8, Bl. 56 d.A.). Die E-Mail der Klägerin enthält unter anderem folgende Sätze: „Auf den Formularen wurde angekreuzt, dass [die Erblasserin] mich über diese Vereinbarung informiert hat. Das hat sie nicht gemacht, kann mich jedenfalls nicht erinnern; ich hätte es auch nicht gewollt.“. Die Klägerin forderte schließlich von ihren drei Miterben und damit auch vom Beklagten jeweils einen Betrag in Höhe von 38.345 € (= 153.500 € / 4) zurück, den diese bei der Erbauseinandersetzung aus den beiden Sparbüchern erhalten hatten. Anders als die anderen beiden Miterben war der Beklagte nicht zur Rückzahlung bereit.
4Im von der Klägerin vor dem Amtsgericht Euskirchen eingeleiteten Mahnverfahren ist am 3. Juli 2014 ein Vollstreckungsbescheid gegen den Beklagten über den Betrag in Höhe von 38.345 € nebst Nebenkosten ergangen (Bl. 2 f. d.A.). Der Beklagte hat gegen den Vollstreckungsbescheid, der ihm am 9. Juli 2014 zugestellt worden ist, mit am 11. Juli 2014 eingegangenen Anwaltsschreiben Einspruch eingelegt (Bl. 10 d.A.).
5Die Klägerin behauptet, sie habe während des laufenden Prozesses auf dem Speicher des Hauses Ordner durchgesehen und dabei eine Kopie der Verfügung zugunsten Dritter vom 3. November 2004 (Anlage K23, Bl. 130 d.A.) gefunden, welche die von der T2 nachträglich hinzugefügten Vermerke noch nicht aufweise. Daraus folge, dass die Kopie der Klägerin noch zu Lebzeiten der Erblasserin zugegangen sein müsse. Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Beklagte ihr zumindest die steuerlichen Nachteile erstatten muss, welche ihr durch die Besteuerung des vom Beklagten einbehalten Teilbetrags in Höhe von 38.375 € entstanden sind. Wegen der Einzelheiten der Berechnung des hilfsweise geforderten Betrages in Höhe von 8.551 € wird auf Seite 2 des Schriftsatzes vom 8. Oktober 2014 (Bl. 69 d.A.) verwiesen.
6Die Klägerin beantragt,
71. den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Euskirchen (14-4447661-0-2) vom 3. Juli 2014 aufrecht zu erhalten und
82. hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 8.551 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2014 zu zahlen.
9Der Beklagte beantragt,
10den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Euskirchen (14-4447661-0-2) vom 3. Juli 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
11Er bestreitet mit Nichtwissen, dass die Klägerin die als Anlage K23 vorgelegte Kopie der Verfügung zugunsten Dritter vom 3. November 2004 während des laufenden Prozesses auf ihrem Speicher gefunden hat (Bl. 136 d.A.).
12Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
13Entscheidungsgründe
14I.
15Der Einspruch ist gemäß §§ 700 Abs. 1, 339 Abs. 1 ZPO innerhalb der Frist von zwei Wochen eingelegt worden.
16II.
17Der Vollstreckungsbescheid war gemäß § 343 Abs. 1 S. 2 ZPO aufzuheben und die Klage abzuweisen.
18Die Klage ist unbegründet.
191. Der Klägerin steht gegen den Beklagten weder aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Fall BGB noch aus einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Rückzahlung von 38.375 € zu.
20Die Klägerin kann die Geldbeträge, die von den Sparbüchern mit den Endziffern XXX und XXX stammen, und im Rahmen der Auseinandersetzung dem Beklagten zugewiesen worden sind, von diesem nur dann zurückfordern, wenn sie selbst durch Erlangung der Auszahlungsansprüche betreffen diese Sparbücher nicht ungerechtfertigt bereichert worden ist. Sie ist nur dann nicht ungerechtfertigt bereichert, wenn sie sich auf einen Behaltensgrund (Rechtsgrund) berufen kann. Bei einer Zuwendung auf den Todesfall im Sinne der §§ 328, 331 Abs. 1 BGB kommt als Behaltensgrund einer Schenkung in Betracht (BGH, Urteil vom 26.11.2003 - IV ZR 428/02, NJW 2004, 767 ff., juris Rn. 9). Das Zustandekommen eines zweiseitigen Schenkungsvertrages setzt ein zumindest konkludentes Angebot der Erblasserin voraus, dass der Klägerin zugegangen sein muss. Durch Annahme dieses Angebotes bzw. eine Willensbetätigung im Sinne des § 151 BGB kann der erforderliche Schenkungsvertrag zu Stande kommen. Im Hinblick auf den "Von-Selbst-Erwerb" des Begünstigten gemäß § 331 Abs. 1 BGB, der automatisch mit dem Todesfall eintritt, wäre dann der Formmangel wegen der für ein Schenkungsversprechen eigentlich erforderlichen notariellen Form gemäß § 518 Abs. 2 BGB geheilt (BGH, Urteil vom 26.11.2003 - IV ZR 438/02, NJW 2004, 767 ff., juris Rn. 9). Zwischen der Erblasserin und der Klägerin ist aber weder zu Lebzeiten der Erblasserin (aa) noch nach deren Tod (bb) ein Schenkungsvertrag zustande gekommen:
21aa) Allein durch Verweis auf die von der Erblasserin unterschriebene Verfügung zugunsten eines Dritten kann das Zustandekommen der Schenkung zu Lebzeiten durch die Klägerin nicht nachgewiesen werden. Eine Urkunde begründet gemäß § 416 ZPO nur vollen Beweis dafür, dass die in ihr enthaltenen Erklärungen von dem Aussteller abgegeben worden sind, aber nicht auch, dass die Erklärungen zutreffend waren. Der Umstand, dass die Erblasserin in dem Formular angekreuzt hat, sie habe die Begünstigte über die Vereinbarung bereits informiert, bedeutet nicht zwingend, dass dies tatsächlich auch geschehen ist. Zu beachten ist auch, dass das Formular nicht den formularmäßigen Eintrag vorsieht, dass der Gläubiger zu einem späteren Zeitpunkt dem Begünstigten selbst informiert, was dazu führen kann, dass auch in diesem Fall der nicht ganz zutreffende Eintrag angekreuzt wird, der Gläubiger habe bereits den Begünstigten informiert. Zweifel daran, dass die Klägerin von der Erblasserin zu Lebzeiten tatsächlich informiert worden ist, bestehen vor allem deshalb, weil der Klägerin während der Erbauseinandersetzung die Verfügung unstreitig nicht bekannt war und sie sich selbst dann nicht an die Verfügung erinnern konnte, als sie diese bei der T2 eingesehen hat. Immerhin repräsentieren die beiden Sparbücher einen ganz erheblichen Wert. Unabhängig davon, welche Schlüsse man überhaupt daraus ziehen kann, wenn die Klägerin in einem Ordner auf ihrem Speicher eine (ältere) Kopie der Verfügung gefunden hat, ist dieser Umstand vom Beklagten in zulässiger Weise mit Nichtwissen bestritten worden und die beweisbelastete Klägerin hat kein Beweismittel angeboten. Darüber hinaus genügt es aber auch nicht, dass die Klägerin lediglich zu Lebzeiten der Erblasserin Kenntnis von dem Schenkungsangebot erlangt hat, sondern sie müsste zumindest in Form einer Willensbestätigung im Sinne des § 151 BGB ihren Annahmewillen bekundet haben. Die Klägerin hat aber in der E-Mail vom 28. März 2014 ausdrücklich erklärt, dass sie eine solche Zuwendung nicht gewollt hätte (Anlage B8, Bl. 56 d.A.).
22bb) Zwar kann der Schenkungsvertrag auch nach dem Tode des Erblassers zustande kommen. Das setzt aber voraus, dass der Erblasser die Bank oder Sparkasse als Botin damit beauftragt, ein zu Lebzeiten vom Erblasser abgegebene Schenkungsangebot nach dem Tode an den Begünstigten weiterzuleiten (BGH, Urteil vom 21.5.2008 - IV ZR 238/06, NJW 2008, 2702 f., juris Rn. 21). Das für die "Verfügung zugunsten Dritter für den Todesfall" verwandte Formular sieht ausdrücklich diese Möglichkeit vor. Die entsprechende Klausel ist von der Erblasserin aber gerade nicht angekreuzt worden. Sie hat die T2 damit nicht beauftragt, als Botin nach ihrem Tode ein Schenkungsangebot an die Klägerin zu übermitteln.
232. Mangels Hauptanspruchs bestehen auch nicht die geltend gemachten Nebenansprüche auf Zinsen.
24III.
25Die Klägerin kann von dem Beklagten auch weder aus dem Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 670, 683, 677 BGB noch aus einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt hilfsweise Erstattung eines Teils der von ihr gezahlten Erbsteuer beanspruchen. Durch die Zahlung der Erbsteuer hat die Klägerin ein eigenes und nicht ein Geschäft des Beklagten geführt. Die Klägerin hat Steuern für ihren eigenen Erwerb durch die Verfügung zugunsten Dritter auf den Todesfall gezahlt. Hierdurch hat sie nicht den Beklagten von einer ihn treffenden Steuerschuld befreit. Wenn das Finanzamt im Hinblick darauf, dass der Beklagte den Betrag in Höhe von 38.375 € endgültig behalten kann, ihm gegenüber die Erbschaftssteuer neu festsetzt, wird er sich gegenüber dem Finanzamt nicht darauf berufen können, dass die Klägerin „für ihn“ bereits den Erhöhungsbetrag gezahlt hat. Er hat durch die Begleichung der Erbsteuer durch die Klägerin keinen Vermögensvorteil erlangt, welche die Klägerin herausverlangen könnte.
26IV.
27Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709, 108 ZPO.
28Streitwert: bis 40.000 € (§ 48 Abs. 1 S. 1, 45 Abs. 1 S. 2 GKG, §§ 3, 4 Abs. 1, 2. HS ZPO)
29Dr. C |
||
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.