Urteil vom Landgericht Aachen - 10 O 103/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Kläger wenden sich gegen die Kündigung ihrer Bausparverträge durch die beklagte Bausparkasse.
3Die Eltern der Kläger als deren gesetzliche Vertreter schlossen für Klägerin und Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der I, drei Bausparverträge ab. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Verträge:
4- Bausparvertrag der Klägerin mit der Kontonummer: XXXXXXXX, Tarif WP O, Vertragsbeginn 04/2003, Bausparsumme EUR 13.000,00;
5- Bausparvertrag der Klägerin mit der Kontonummer: XXXXXXXX, Tarif 03.04, Vertragsbeginn 09/2005, Bausparsumme EUR 25.000,00,
6Bausparvertrag des Klägers mit der Kontonummer: XXXXXXXX, Tarif WP O, Vertragsbeginn 04/2003, Bausparsumme EUR 12.000,00.
7Die Verzinsung der Sparguthaben betrug 2,00 % jährlich. Hinsichtlich des erstgenannten Bausparvertrages der Klägerin und des Bausparvertrages des Klägers vereinbarten die Parteien die Anwendbarkeit der Allgemeinen Bausparbedingungen (im Folgenden: ABB) des Tarifes WP O (der wiederum dem Tarif W-Plus entspricht). Hinsichtlich des weiteren Vertrages der Klägerin galten die ABB des Tarifes 03.04.
8In den ABB heißt es u.a.:
9„ § 4 Zuteilung des Bausparvertrages
10(1) Die Zuteilung des Bausparvertrages ist eine Voraussetzung für die Auszahlung der Bausparsumme […] Die Bausparkasse befragt ihn, ob und wann er die Zuteilung annehmen will (Zuteilungsbefragung). Er wird aufgefordert, bis zum 15. des der gewünschten Zuteilung vorangehenden Monats die Annahme schriftlich zu erklären (Zuteilungsannahme).
11[…]
12§ 6 Bereitstellung von Bausparguthaben und Bauspardarlehen, Mehrzuteilung
13(1) Mit Zuteilung stellt die Bausparkasse dem Bausparer sein Bausparguthaben und das Bauspardarlehen bereit (Regelzuteilungssume).[…] Die Höhe des Bauspardarlehens errechnet sich aus dem Unterscheid zwischen Bausparsumme und Bausparguthaben.
14(2) Der Bausparer kann im Rahmen der Zuteilung (§ 4 Abs. 2c) ein um 25 % der Bausparsumme höheres Bauspardarlehen wählen (Mehrzuteilungssumme). In diesem Fall leistet er höhere Monatsraten gem. § 9 Abs.2
15[…]
16§ 11 Teilung, Zusammenlegung, Ermäßigung, Erhöhung von Bausparverträgen
17(1) Teilungen, Zusammenlegungen, Ermäßigungen oder Erhöhungen von Bausparverträgen bedürfen als Vertragsänderungen der Zustimmung der Bausparkasse. Die Bausparkasse wird Vertragsänderungen nur aus bauspartechnischen Gründen (z.B. bei Gefahr unangemessen langer Wartezeiten bei der Zuteilung) ablehnen.
18[…]“
19Die ABB der jeweiligen Tarife sahen kein Kündigungsrecht der Beklagten vor Zuteilung des Bausparvertrages vor.
20Mit Schreiben vom 28.03.2014 kündigte die Beklagte (als Rechtsnachfolgerin der I) gegenüber der Klägerin den Bausparvertrag Kto.Nr. XXXXXXX mit einer Frist von drei Monaten zum 30.06.2014 mit der Begründung, dass mittlerweile die vereinbarte Mindestansparsumme erreicht bzw. sogar überschritten und daher der Zweck des Bausparvertrages nunmehr erfüllt sei. Mit Schreiben vom 02.07.2014 rechnete die Beklagte das gekündigte Bausparkonto mit 15.597,85 € ab, erklärte das Konto für erloschen und buchte den Abrechnungsbetrag auf ein nicht verzinstes Konto um.
21Die Beklagte kündigte den Bausparvertrag Kto.Nr. XXXXXXXX gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 28.03.2014 mit einer dreimonatigen Frist zum 30.06.2014 unter gleicher Begründung, wie oben dargestellt. Mit Schreiben vom 02.07.2014 rechnete die Beklagte das Bausparkonto mit 27.670,02 € ab, erklärte das Konto für erloschen und buchte den Betrag auf ein zinsfreies Konto um.
22Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 28.03.2014 den Bausparvertrag Kto.Nr. XXXXXXX des Klägers. Mit Schreiben vom 02.07.2014 rechnete sie den Vertrag mit 14.585,50 € ab, erklärte das Bausparkonto für erloschen und buchte den Betrag auf ein zinsfreies Konto um.
23Die Kläger meinen, obwohl die vollständige Bausparsumme jeweils erreicht bzw. überschritten war, habe der Beklagten kein Kündigungsrecht zugestanden. Ein solches sei in den ABB nicht vorgesehen. Auch spreche der Sinn und Zweck des Bausparvertrages gegen die Wirksamkeit der Kündigungen. Eigentlicher Zweck des Bausparvertrages sei nämlich, einen Anspruch auf ein zinsgünstiges Bauspardarlehen ohne zeitliche Beschränkung zu erwerben.
24Gegen eine Kündigungsmöglichkeit der Beklagten spreche hier vor allem der Umstand, dass nach den ABB jeweils die Möglichkeit einer „Mehrzuteilung“ vereinbart (ein um 25 % erhöhtes Bauspardarlehen) vorgesehen gewesen sei sowie, dass die Möglichkeit von Tarifwechseln und damit verbundenen Zinsänderungen für sie bestanden habe. Beide Möglichkeiten bzw. Rechte würden ihnen durch die Kündigung der Beklagten genommen.
25Die Kläger beantragen,
261. festzustellen, dass der Bausparvertrag der Klägerin bei der Beklagten mit der Bausparkontennummer XXXXXXX, Tarif WP O, Vertragsbeginn 04/2003, Bausparsumme EUR 13.000,00 nicht durch Kündigung der Beklagten vom 28.03.2014 zum 30.06.2014 beendet wurde;
272. festzustellen, dass der Bausparvertrag der Klägerin bei der Beklagten mit der Bausparkontennummer XXXXXXXX, Tarif 03.04, Vertragsbeginn 09/2005, Bausparsumme EUR 25.000,00 nicht durch Kündigung der Beklagten vom 28.03.2014 zum 30.06.2014 beendet wurde;
283. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von EUR 1.706,94 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 18.02.2015 freizustellen;
294. festzustellen, dass der Bausparvertrag des Klägers bei der Beklagten mit der Bausparkontennummer XXXXXXXX, Tarif WP O, Vertragsbeginn 04/2003, Bausparsumme EUR 12.000,00 nicht durch Kündigung der Beklagten vom 28.03.2014 zum 30.06.2014 beendet wurde;
305. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von EUR 1.029,35 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 18.02.2015 freizustellen.
31Die Beklagte beantragt,
32die Klage abzuweisen.
33Sie hält die Kündigungen gemäß § 488 BGB für wirksam, weil die Bausparverträge vollständig bis zur Bausparsumme angespart gewesen seien. Unkündbar sei ein Bausparvertrag nur so lange, wie die Auszahlung des Tilgungsdarlehens möglich sei und der Bausparer seine hierfür erforderlichen Sparpflichten erfülle. Würden ein Bauspardarlehen nicht in Anspruch genommen, sondern stattdessen die Sparleistungen bis zur Bausparsumme erbracht, so verzichte der Bausparer faktisch auf das Bauspardarlehen. Dem stehe die Vereinbarung einer möglichen Mehrzuteilung nicht entgegen. Denn der Anspruch des Bausparers auf eine Mehrzuteilung sei wiederum abhängig davon, dass eine Zuteilung überhaupt noch erfolgen könne. Dies sei aber gerade dann nicht gegeben, wenn der Grad der Ansparung keinen Raum mehr für die Gewährung eines Bauspardarlehens lasse.
34Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Prozessbevollmächtigten der Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
35E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
36Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
37Die Beklagte hat die streitgegenständlichen Bausparverträge hier wirksam gekündigt. Ihr stand ein Kündigungsrecht gemäß § 488 Abs. 3 BGB zu.
38Die Darlehensvorschriften gelten auch für Bauspardarlehen. Die Kammer schließt sich der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur an, wonach ein Bausparvertrag einen einheitlichen Darlehensvertrag darstellt, bei dem die Parteien mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens ihre jeweiligen Rollen als Darlehensgeber und Darlehensnehmer tauschen. Es handelt es sich um einen einheitlichen Vertrag mit zwei Stufen. Zunächst wird vom Bausparer bis zur Zuteilungsreife ein Guthaben angespart. Hierfür erhält er die vereinbarte Guthabenverzinsung. Nach Zuteilung kann der Bausparer bestimmungsgemäß das Bauspardarlehen in Höhe der Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Bausparsumme und dem bis zur Zuteilung angesammelten Guthaben in Anspruch nehmen. Damit ist ein Bausparvertrag auch in der Ansparphase als Darlehensvertrag zu qualifizieren (OLG Stuttgart WM 2013, 508; LG Frankfurt, Urt. v. 22.02.2013, Az. 21 O 69/12, Rn. 17; Staudinger/ Freitag/Mülbert, BGB, Neubearbeitung 2011, § 488 Rn. 539 m.w.N. Palandt/ Weidenkaff, BGB, 73. Auflage 2014, vor § 488 Rn. 17).
39Die Parteien haben das ordentliche Kündigungsrecht der Beklagten nicht durch Einbeziehung der ABB W-Plus bzw. ABB Stand 03.04 ausgeschlossen. Die allgemeinen Bausparbedingungen schließen das Kündigungsrecht der Bausparkasse nicht ausdrücklich aus, wenn die Bausparsumme durch die Ansparungen vollständig erreicht wurde. Nichts anderes folgt aus § 5 ABB W – Plus (Nichtannahme der Zuteilung, Vertragsfortsetzung), wonach der Vertrag als nicht zugeteilt weiterläuft, wenn die Annahme der Zuteilung zurückgenommen oder widerrufen wird. Diese Vorschrift bezieht sich auf einen ungekündigten Vertrag (vor der Übersparung).
40Ein Ausschluss des Kündigungsrechts kann auch nicht aus Sinn und Zweck des Vertrages abgeleitet werden. Die ABB W-Plus bzw. ABB Stand 03.04 sehen zwar für den Fall der Zuteilungsreife kein Kündigungsrecht der Bausparkasse vor. Sie vermitteln aber auch nicht den Eindruck einer abschließenden Regelung, die keinen Raum mehr für das gesetzliche Kündigungsrecht lassen würde. Die Übersparung des Bausparvertrages liegt außerhalb des eigentlichen Vertragszwecks des Bausparvertrages und wird in den ABB gerade nicht abschließend geregelt. Der Bausparvertrag enthält für den Fall, dass die Regelbausparsumme überschritten worden ist, eine Lücke, die durch Rückgriff auf das dispositive Recht auszufüllen ist. Es besteht im Falle des Erreichens Bausparsumme kein Anspruch auf Zuteilung mehr, dem sich die Beklagte entziehen könnte. Zweck des Bausparvertrages ist die Erlangung eines Bauspardarlehens. Zwar ist der Bausparer nicht verpflichtet, nach Zuteilung das Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen. Spart der Bausparer, wie im vorliegenden Fall, die vertraglich vereinbarte Bausparsumme vollständig an, ist jedoch die Gewährung eines Bauspardarlehens nicht mehr möglich. Denn in diesem Fall besteht keine durch ein Darlehen zu überbrückende Lücke zwischen Bausparguthaben und Bausparsumme. Der eigentliche Vertragszweck ist damit nicht mehr gegeben (OLG Stuttgart WM 2013, 508; OLG Frankfurt, Beschluss v. 02.09.2013, Az. 19 U 106/13, Rn. 2; LG Frankfurt, Urt. v. 22.02.2013, Az. 21 O 69/12, Rn. 21; vgl. auch Staudinger/ Freitag/Mülbert, BGB, Neubearbeitung 2011, § 488 Rn. 548).
41Damit steht entgegen der Auffassung der Kläger auch die hier vereinbarte Möglichkeit einer Mehrzuteilung den Kündigungen nicht entgegen. Denn eine solche Mehrzuteilung würde ebenfalls die Möglichkeit einer Zuteilung voraussetzen. Nur im Falle der Zuteilung und Inanspruchnahme des Darlehens gewinnt das Recht auf Mehrzuteilung Bedeutung. Hier ist aber die Gewährung des Darlehens und damit und allein deshalb eine Mehrzuteilung nicht mehr möglich.
42Nach Auffassung der Kammer folgt auch nichts Abweichendes daraus, dass gemäß § 11 der ABB Vertragsänderungen möglich sein sollten. Denn entgegen der Ansicht der Kläger wäre die Beklagte im Falle, dass – wie hier – die Bausparsumme vollständig angespart worden und eine Darlehensgewährung nicht mehr möglich ist, nach § 11 ABB berechtigt, Vertragsänderungen abzulehnen. Anderenfalls könnte sich nämlich der Bausparer einseitig endgültig vom oben skizzierten Zweck des Bausparvertrages lösen und diesen beliebig als reine Sparanlage nutzen, ohne dass die Bausparkasse Einfluss auf die letztliche Höhe der Bausparsumme, die Vertragslaufzeit und die Tarife hätte. Nach Ansicht der Kammer kommt somit auch eine Vertragsänderung nach § 11 ABB nach vollständigem Ansparen der Bausparsumme nicht mehr in Betracht.
43Nachdem sich das Begehren der Kläger in der Hauptsache als unbegründet erweist, kommen auch keine Ansprüche auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Betracht.
44Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
45Streitwert: 57.853,37 €
46Rechtsbehelfsbelehrung:
47Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
481. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
492. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.
50Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Köln, Reichenspergerplatz 1, 50670 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
51Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Köln zu begründen.
52Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
53Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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Dr. Q |
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