Urteil vom Landgericht Aachen - 5 S 142/15
Tenor
Auf die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel das Urteil des Amtsgerichts Aachen vom 24.07.2015 - Az.: 101 C 461/14 - teilweise abgeändert und wie folgt insgesamt neu gefasst:
Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 1.635,88 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.609,51 € seit dem 11.10.2014 bis zum 12.11.2014, aus 1.117,94 € seit dem 13.11.2014 bis zum 27.02.2015, aus 1.635,88 € seit dem 28.02.2015 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche noch entstehenden Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 18.08.2014 mit einem Anteil von 2/3 auszugleichen.
Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, den Kläger von nicht anrechenbaren außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 95,73 € freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 38%, die Beklagten als Gesamtschuldner zu 62%. Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen der Kläger zu 66%, die Beklagten als Gesamtschuldner zu 34%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen
1
G r ü n d e
2I.
3Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 540 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
4Vorgerichtlich haben die Beklagten eine Haftung von 25%, mit Klageerwiderung eine solche in Höhe von 33% anerkannt. Insoweit hat das Amtsgericht am 25.02.2015 ein Teilanerkenntnisurteil erlassen, mit dem festgestellt wurde, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, sämtliche weitere Schäden, die dem Kläger aus dem Verkehrsunfall vom 18.08.2014 noch entstehen, mit einem Anteil von 33 % zu erstatten. Die Beklagte zu 2) hat sodann mit Zahlungseingang am 13.11.2014 auf den Klageantrag zu 1. einen Betrag in Höhe von 491,57 € und bezüglich des Klageantrages zu 3. einen Betrag in Höhe von 83,54 € bezahlt. Mit Schlussurteil des Amtsgerichts Aachen vom 24.07.2015 sind die Beklagten gesamtschuldnerisch verurteilt worden, an den Kläger 1.029,87 € nebst Zinsen zu zahlen. Das Amtsgericht hat insoweit bezüglich des Verkehrsunfalls vom 18.08.2014 eine Haftungsquote von 60% zu 40 % zu Lasten des Klägers angenommen. Darüber hinaus hat es bei der begehrten fiktiven Schadensersatzabrechnung UPE - Aufschläge in Abzug gebracht. Weitere Abzüge hinsichtlich geltend gemachter Beilackierung und Stundenverrechnungssätze hat es mit der Begründung der fehlenden Substantiierung nicht vorgenommen. Zudem hat es eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten in Höhe von 40% für noch entstehende Schäden festgestellt und den Kläger in Höhe von weiteren 118,06 € außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten freigestellt.
5Mit der Berufung verfolgt der Kläger die ursprünglichen Zahlungs- und Feststellungsanträge weiter. Insoweit rügt er die vom Amtsgericht vorgenommene Haftungsverteilung mit 60 % zu seinen Lasten. Seiner Ansicht nach haften die Beklagten zu 100 % aufgrund erhöhter Betriebsgefahr und Sorgfaltspflichtverletzung des gegnerischen Fahrers. Zudem sei ein Abzug für UPE-Aufschläge nicht vorzunehmen, da die Ersatzteile ausweislich der einführenden Erklärung des Sachverständigen in seinem Gutachten in Werkstätten und bei Händlern für Privatpersonen nicht anders zu erwerben seien.
6Der Kläger beantragt
71. die Beklagten unter Abänderung des am 24.07.2015 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Aachen - Az. 101 C 461/14 - als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn weitere 2.291,75 € nebst weiterer Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.10.2014 aus einem Betrag i.H.v. 1.940,36 € abzüglich am 13.11.2014 gezahlter 491,57 € sowie weiterer Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 351,39 € seit dem 28.02.2015 zu zahlen,
82. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihm sämtliche Schäden auszugleichen, die aus dem Verkehrsunfall vom 18.08.2014 herstammen, soweit diese über den Antrag zu 1. hinausgehen,
93. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, ihn von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von weiteren 216,69 € freizustellen.
10Die Beklagten beantragen,
11die Berufung zurückzuweisen.
12Im Wege der Anschlussberufung beantragen die Beklagten,
13unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Aachen vom 24.07.2015 - Az. 101 C 461/14 - die Klage abzuweisen, soweit sie gesamtschuldnerisch zur Zahlung eines über 872,85 € hinausgehenden Betrages nebst Zinsen sowie zur Freistellung des Klägers von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von mehr als 64,02 € verurteilt worden sind.
14Die Beklagten verteidigen die vom Amtsgericht vorgenommene Haftungsverteilung. Mit der Anschlussberufung rügen sie, dass kein Abschlag für die im Gutachten aufgeführte Beilackierung des Kotflügels vorgenommen worden sei. Darüber hinaus seien die Stundenverrechnungssätze zu hoch angesetzt.
15Der Kläger beantragt,
16die Anschlussberufung zurückzuweisen.
17II.
18A. Die Berufung des Klägers vom 27.08.2015 und die Anschlussberufung der Beklagten vom 14.01.2016 sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.
19B. Die Berufung des Klägers ist teilweise begründet. Die Anschlussberufung der Beklagten ist - bis auf einen geringen Teil hinsichtlich der Freistellung von nicht anrechenbaren vorgerichtlichen Anwaltsgebühren - nicht begründet.
201. Dem Kläger steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner ein Schadensersatzanspruch auf anteilige Erstattung fiktiver Reparaturkosten, des merkantilen Minderwertes und der Sachverständigenkosten aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfallgeschehen i.H.v. 1.635,88 € gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 StVG i.V.m. § 115 VVG zu.
21Gem. § 7 Abs. 1 StVG ist die Beklagte zu 1) als Halterin des in den Unfall am 18.08.2014 involvierten Müllfahrzeugs dem Kläger gegen über zum Schadensersatz verpflichtet, da unstreitig beim Betrieb des Müllfahrzeugs das klägerische Fahrzeug an der Fahrerseite beschädigt wurde. Die Haftung der Beklagten zu 2) ergibt sich aus § 115 VVG. Ein Haftungsausschluss gem. § 17 Abs. 3 StVG liegt nicht vor, da der Unfall bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt für beide Fahrer vermeidbar war, wie das Amtsgericht zu Recht festgestellt hat. Der Kläger hätte den Unfall vermeiden können, indem er aufgrund der kreuzungsbedingten Unübersichtlichkeit und sichteinschränkenden Ausmaße des Beklagtenfahrzeugs hinter diesem, oder zumindest neben der Linksabbiegerspur auf eine ausreichend große Lücke gewartet hätte, zumal er durch das nur zum Teil erfolgreiche Einfädeln in eine nicht hinreichend große Lücke gleichwohl die Geradeausspur blockierte. Der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs hätte den Unfall vermeiden können, wenn er stehen geblieben wäre, nachdem er feststellen musste, dass seine Fahrspur nicht in Gänze frei war. Nach § 17 Abs. 1 StVG hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Bei der Abwägung entscheiden das Maß der Verursachung unter Berücksichtigung von Schuldgesichtspunkten und die mitursächlichen Betriebsgefahren. Die Betriebsgefahr eines Kfz wird durch die Gesamtheit aller Umstände definiert, die geeignet sind, Gefahr in den Verkehr zu tragen. Aufgrund der physikalischen Natur des Fahrvorgangs hängt das Gefahrenpotential u.a. von der Fahrzeuggröße, der Fahrzeugart und dem Gewicht des Fahrzeugs ab. Jedoch ist die Höhe der Betriebsgefahr nicht abstrakt zu berechnen. Vielmehr ist die Betriebsgefahr als Faktor bei der Abwägung der Verursacherbeiträge bezogen auf den konkreten Schadensfall zu beurteilen, da sich die Betriebsgefahr erst im Unfallgeschehen manifestiert. Die Höhe der Betriebsgefahr kann nicht losgelöst von der konkreten Unfallsituation, vor allem nicht ohne Blick auf das Fahrverhalten des Unfallgegners bestimmt werden (OLG Saarbrücken, Urteil vom 21. März 2013 – 4 U 108/12 – Rn. 32, juris; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Auflage, § 17 StVG, Rn. 6). Nach diesen Kriterien erachtet die Kammer eine Quote von 1/3 zu Lasten des Klägers und 2/3 zu Lasten der Beklagten für sachgerecht. Bei der Beurteilung der Betriebsgefahr kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Betriebsgefahr des größeren und weitaus schwereren Lkw diejenige des klägerischen Pkw übersteigt. Hinzukommt, dass die Fahrweise des Fahrers des Beklagtenfahrzeugs - selbst wenn sie aufgrund ihrer Privilegierung gem. § 35 Abs. 6 StVO nicht verkehrswidrig war, soweit der Fahrer auf der Linksabbiegerspur anhielt, um das Einsammeln des Mülls über die Gegenfahrbahn zu erleichtern, - so dennoch aus objektiver Sicht das Risiko eines Unfalls erhöhte. Insoweit erweist sich die beschränkte Privilegierung gerade als betriebsgefahrerhöhend, da nun im örtlichen Zusammenhang mit einer Kreuzung ein Hindernis auf der Linksabbiegerspur geschaffen wurde, welches nachfolgenden Verkehr verleiten kann, das Müllfahrzeug auf der rechten Geradeausspur zu passieren, um dann ggf. wieder auf die Linksabbiegerspur einzuscheren, wie es im vorliegenden Fall beabsichtigt war. Zudem war das Fahrverhalten des Fahrers des Beklagtenfahrzeugs sorgfaltswidrig. Unabhängig davon, ob man das zum Einsammeln des Mülls anhaltende Müllfahrzeug zum bevorrechtigten fließenden Verkehr zählt, oder den Schwerpunkt auf dem Haltevorgang legt (vgl. hierzu Hentschel/König/Dauer aaO. § 10 StVO, Rn.8), verstößt der Fahrer eines haltenden Müllfahrzeuges gegen § 10 Abs. 2 StVO bzw. gegen § 1 Abs. 2 StVO, wenn er aus seiner Halteposition wieder anfährt, ohne sich hinreichend zu vergewissern, dass die Fahrbahn vor ihm frei ist. Er muss damit rechnen, dass nachfolgender Verkehr, wenn dies räumlich möglich ist, rechts an seinem Fahrzeug vorbeifährt und sich vor dieses setzt (LG München I, Urteil vom 15. September 2003 – 17 O 1655/03 - Kurztext, juris; LG Berlin, Urteil vom 10. April 2002 – 24 O 99/01 – Rn.18, juris). Entgegen den zitierten Entscheidungen trifft die Beklagten im streitgegenständlichen Fall jedoch keine Alleinhaftung. Denn der Kläger war zum einen gehalten, bei der Begegnung mit Müllfahrzeugen deren Sonderrechte gemäß § 35 Abs. 6 StVO zu beachten und ihnen besondere Aufmerksamkeit entgegenzubringen. Zum anderen versuchte der Kläger von der Geradeausspur auf die Linksabbiegerspur zu wechseln, ohne dass hierfür eine hinreichende Lücke vorhanden war. Gleichwohl setzte er sein Fahrzeug in Schrägstellung vor das Beklagtenfahrzeug und setzte so ein unnötiges Risiko für eine Kollision.
22Dem Kläger ist ein relevanter Schaden von 3.191,17 € entstanden. Soweit das Amtsgericht den vom Sachverständigen ermittelten merkantilen Minderwert in Höhe von 200,00 € sowie die angefallenen Sachverständigenkosten in Höhe von 576,91 € als erstattungsfähige Schadensersatzpositionen festgestellt hat, wird dies von keiner Partei in 2. Instanz in Abrede gestellt. Hinsichtlich der durch Sachverständigengutachten vom 30.12.2014 ermittelten Nettoreparaturkosten in Höhe von 2.553,71 € stehen lediglich noch folgende drei Positionen in Streit:
23a) UPE-Zuschlag
24Dem Kläger steht derzeit kein Schadensersatzanspruch auf Erstattung fiktiver Reparaturkosten für die vom Sachverständigen mit 10% veranschlagten Zuschläge auf Ersatzteile in Höhe von 88,45 € zu. Gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat der Schädiger den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Lässt der Geschädigte sein Fahrzeug reparieren, hat er das in § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB verankerte Wirtschaftlichkeitspostulat zu beachten. Danach muss er den Schaden auf diejenige Weise beheben, die sich in seiner individuellen Lage als die wirtschaftlich vernünftigste darstellt, um sein Vermögen in Bezug auf den beschädigten Bestandteil in einen dem früheren gleichwertigen Zustand zu versetzen (vgl. BGHZ 115, 375, 378; BGHZ 171, 287, 289f.; BGHZ 181, 242, 246f.). Nur der für diese Art der Schadensbehebung nötige Geldbetrag ist im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Herstellung erforderlich. Richtig ist, dass der Sachverständige in der Einleitung ausdrücklich auf folgendes hinweist: „Die in der Reparaturkalkulation aufgelisteten Ersatzteilpreise entsprechen den hiesigen ortsüblichen Preisangaben des Fachhandels bzw. der Fahrzeughändler. Es handelt sich hierbei um die Preise, die ein Kunde im hiesigen Fachhandel in jedem Fall zu entrichten hat. Da die unverbindlichen Preisempfehlungen „UPE“ des Herstellers dem Händler nur als Kalkulationsgrundlage dienen, sind die Verkaufspreise nicht immer identisch mit den „UPE“. Je nach Fabrikat sind Kalkulationsaufschläge auf die unverbindlichen Preisempfehlungen „UPE“ bis 15% üblich bzw. für den Käufer unumgänglich. Falls in der Reparaturkalkulation ein Zuschlag auf die „UPE“ vorgenommen wird, so sind die erforderlichen Ersatzteile in der hiesigen Region zu den „UPE“ käuflich nicht zu erwerben.“ In den Erläuterungen Seite 7 des Gutachtens wird ein „UPE“-Aufschlag von 10% angegeben. Ausweislich des Kostenvoranschlages der Markenwerkstatt vom 19.08.2014 legt diese einen „UPE“-Zuschlag von 15% zu Grunde. Für den Nachweis der Erforderlichkeit ist der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger beweisfällig geblieben. Denn der Sachverständige hat im Ergebnis ausgeführt, dass nicht immer die unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller an die Endverbraucher weitergegeben werden, vielmehr Zuschläge von bis zu 15% üblich seien. Ob und in welcher Höhe aufgrund der scheinbar beliebigen Kalkulationsgestaltung tatsächlich ein prozentualer Aufschlag bezüglich der Ersatzteile erfolgt, ist offensichtlich stark werkstattabhängig mit der Folge, dass dieser vor der Durchführung der Reparatur nicht bezifferbar ist. Vergleicht man zudem die Ausführungen zu den Ersatzteilkosten im Kostenvoranschlag und im Sachverständigengutachten, so lässt sich auch insoweit gerade kein stabiler Zuschlag feststellen. Während sich hinsichtlich der Positionen Spiegelglas mit 45,85 € und Spiegelaufnahme mit 87,40 € bei Abzug der angegebenen Zuschläge ein gleichlautender Grundpreis ergibt, ist dies bei dem Ersatzteil Tür nicht der Fall.
25Ausgehend von 584,20 € im Kostenvoranschlag beziffert sich der Grundbetrag unter Abzug von 15% auf 508,00 €. Demgegenüber ergibt sich ausgehend von 575,30 € im Sachverständigengutachten abzüglich eines 10%-igen Zuschlags ein Grundbetrag von 523,00 €, so dass insoweit von einer abweichenden Kalkulation ausgegangen wird. Eine stabile Kalkulation lässt sich ebenso wenig für die Position Spiegel-Abdeckplatte ermitteln. Vor diesem Hintergrund gelangt die Kammer auch unter Berücksichtigung des klägerischen Schriftsatzes vom 02.03.2016 nebst Stellungnahme des privaten Sachverständigen zu keinem anderen Ergebnis.
26Der Abzug errechneter „UPE“-Zuschläge ist auch nicht unbillig, denn der durch einen Verkehrsunfall Geschädigte, der seinen Fahrzeugschaden mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers zunächst fiktiv auf der Grundlage der vom Sachverständigen geschätzten Kosten abrechnet, ist an diese Art der Abrechnung nicht ohne weiteres gebunden, sondern kann nach erfolgter Reparatur grundsätzlich zur konkreten Schadensabrechnung übergehen und nunmehr Ersatz der tatsächlich angefallenen Kosten verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2011 – VI ZR 17/11 – Rn.4, juris; BGH, Urteil vom 17. Oktober 2006 – VI ZR 249/05 – Rn. 9, 16, 18, juris; LG Aachen, Urteil vom 24. August 2012 - 6 S 60/12 – Rn.14, juris).
27Ausgehend von der Gesamtposition „Ersatzteile“ in Höhe von 972,97 € ergibt sich folgende Berechnung für die Ersatzteile ohne „UPE“-Aufschlag: 972,97 € : 110 x 100 = 884,52 €. Der 10 %ige Aufschlag liegt daher bei 88,45 €, welcher in Abzug zu bringen ist.
28b) Kosten der Beilackierung des Kotflügels
29Dem Kläger steht derzeit auch kein Schadensersatzanspruch auf Erstattung fiktiver Reparaturkosten für die Beilackierung des Kotflügels in Höhe von 51,00 € zu. Grundsätzlich gelten die oben unter a) ausgeführten Erwägungen hier entsprechend. Richtig ist, dass der Sachverständige ausweislich des Gutachtens die Beilackierung des Kotflügels von vornherein als sinnvoll erachtet, um zu verhindern, dass diese im Falle eines tatsächlich eintretenden Farbunterschiedes nachgeholt werden muss. Dem Grundsatz der Auswahl der wirtschaftlich vernünftigsten Reparaturlösung ist jedoch vorgelagert die Feststellung, dass die einzelne Reparaturmaßnahme überhaupt zur Schadensbehebung erforderlich ist. Der Geschädigte kann eine Beilackierung nur beanspruchen, wenn sie auch tatsächlich notwendig ist. Für den Nachweis der Notwendigkeit der Beilackierung des Kotflügels ist der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger beweisfällig geblieben. Denn die Beilackierung ist nur erforderlich, wenn sich herausstellen sollte, dass der Farbton von der übrigen Lackierung des Fahrzeuges tatsächlich abweicht, was jedoch vor Durchführung der Reparatur offensichtlich nicht feststellbar ist. Ein Abzug der kalkulierten Beilackierungskosten ist auch nicht unbillig, denn ein Übergang in die konkrete Schadensabrechnung nach erfolgter Reparatur steht dem Geschädigten offen, wie unter a) ausgeführt wurde. Dies insbesondere dann, wenn sich bei der Reparatur weitere, zuvor in Streit stehende notwendige Reparaturmaßnahmen als gleichwohl erforderlich erwiesen haben (vgl. LG Aachen, Urteil vom 24. August 2012 - 6 S 60/12 – Rn.6, juris). Der Schriftsatz des Klägers nebst Stellungnahme des privaten Sachverständigen führen zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit wird insbesondere auf die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung zur Streitfrage Bezug genommen; der Kammer ist insbesondere auch bewusst, dass die Streitfrage unter den Sachverständigen unterschiedlich beantwortet wird.
30Soweit das Amtsgericht einen Abzug mangels Substantiierung und Konkretisierung der Positionen nicht vorgenommen hat, ist dem nicht zu folgen. Denn die Schadensposition „Beilackierung Kotflügel“ ist eindeutig benannt und identifizierbar. Soweit die Beklagten diesbezüglich eine Schadenshöhe von 100,13 € benennen, ergibt sich diese tatsächlich weder aus dem zunächst zu Grunde gelegten Kostenvoranschlag vom 19.08.2014 - dort wurde für die Beilackierung des Kotflügels ein Betrag von 66,75 € veranschlagt – noch aus dem nunmehr beachtlichen Sachverständigengutachten vom 30.12.2014 – dort wurde unter dieser Schadensposition ein Betrag von 51,00 € ausgewiesen, welcher folgerichtig hier in Abzug zu bringen ist.
31c) Stundenverrechnungssätze
32Abzüge aufgrund überhöhter Stundenverrechnungssätze sind nicht vorzunehmen. Soweit die Beklagten zuletzt in der Anschlussberufung die Höhe der Stundensätze monieren, ist zu konstatieren, dass ausweislich des zu Grunde gelegten Sachverständigengutachtens hinsichtlich der Karosseriearbeiten mit 97,00 € der Stundensatz veranschlagt wird, den die Beklagten als angemessen angeben. Bezüglich der Lackierungsarbeiten liegen die geltend gemachten Stundensätze mit 102,00 € sogar darunter.
33d) Die Höhe des Schadensersatzes errechnet sich daher wie folgt:
34fiktive Reparaturkosten netto
35lt. Gutachten 2.553,71 €
36Kürzung Beilackierung Kotflügel - 51,00 €
37Kürzung „UPE“-Zuschläge - 88,45 €
382.414,26 €
39Minderwert + 200,00 €
40Sachverständigenkosten + 576,91 €
413.191,17 €
42Entsprechend obiger Haftungsquote der Beklagten von 2/3 ergibt sich ein zu ersetzender Betrag von 2.127,45 €. Hiervon haben die Beklagten bereits einen Teilbetrag von 491,57 € am 13.11.2014 bezahlt, so dass noch ein Restbetrag in Höhe von 1.635,88 € verbleibt.
432. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 286 und 291 BGB. Zur Rechtshängigkeit der Klageerhöhung stellt das Amtsgericht verbindlich fest, dass die Beklagtenvertreter den Schriftsatz vom 11.02.2015 am 27.02.2015 erhalten haben. Insoweit wird auf die Ausführungen im amtsgerichtlichen Urteil verwiesen.
44Im Übrigen basiert der tenorierte Zinsanspruch auf folgenden Berechnungen: Der Betrag von 1.609,51 € entspricht 2/3 von 2.414,26 € (erstattungsfähige Reparaturkosten unter Berücksichtigung der Haftungsquote) seit dem 11.10.2014 bis zum 12.11.2014. Der obige Betrag verringert sich um die Zahlung von 491,57 €, so dass ab dem 13.11.2015 bis zum 27.02.2015 der Betrag von 1.117,94 maßgeblich ist. Aufgrund der Klageerhöhung mit Schriftsatz vom 11.02.2015 folgt ein Anspruch auf Prozesszinsen aus 1.635,88 € seit dem 28.2.2015. Dieser Betrag setzt sich wie folgt zusammen: 1.117,94 € + (2/3 aus 200,00 €; mithin 133,33) + (2/3 aus 576,91 €, mithin 384,61 €).
453. Der gemäß § 256 ZPO zulässige und statthafte Feststellungsanspruch ist aus o.g. Erwägungen der Höhe nach auf 2/3 beschränkt.
464. Dem Kläger steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher, nicht anrechenbarer Anwaltskosten in Höhe von weiteren 172,31 € gem. §§ 7 Abs. 1, 17 StVG i.V.m. § 115 VVG zu. Ausgehend von einer berechtigten Forderung auf den außergerichtlich geltend gemachten Kfz-Schaden in Höhe von 1.609,51 € ergibt sich bei einer 1,3 Geschäftsgebühr ein Betrag von 255,85 €. Hiervon ist die Zahlung der Beklagten zu 2) vom 13.11.2014 in Höhe von 83,54 in Abzug zu bringen, so dass ein Restanspruch in oben bezifferter Höhe verbleibt.
47III.
48Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO. Insoweit fand sowohl die incidente teilweise Klagerücknahme in Höhe von 182,26 € bei Klageänderung mit Schriftsatz vom 11.02.2015 als auch die Umstände der übereinstimmenden Erledigung aufgrund der Zahlung in Höhe von insgesamt 575,11 € Berücksichtigung. Ergänzend wird auf die Ausführungen des Amtsgerichts verwiesen.
49IV.
50Die Revision war nicht zuzulassen, da die vorliegende Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 S.1 ZPO.
51V.
52Streitwert für den Rechtsstreit erster und zweiter Instanz: bis 4.000,00 €.
53Berichtigungsbeschluss vom 22.04.2016:
54Der Tenor des Urteils der 5. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 07.03.2016 wird gemäß § 319 ZPO wegen offenbarer Unrichtigkeit dahingehend berichtigt, dass die Beklagten hinsichtlich der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten gesamtschuldnerisch verurteilt werden, den Kläger in Höhe von 172, 31 € freizustellen.
55Gründe:
56Wie sich aus den Gründen des Urteils ergibt, handelt es sich bei der Bezifferung der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten auf 95,73 € im Tenor des Urteils vom 07.03.2016 um einen offensichtlichen Schreibfehler, der gemäß § 319 ZPO wegen offensichtlicher Unrichtigkeit zu berichtigen ist.
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