Beschluss vom Landgericht Aachen - 33i StVK 1027/15
Tenor
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen werden dem Antragsteller auferlegt.
Der Streitwert wird auf 1.000 Euro festgesetzt.
1
I.
2Der Antragsteller befindet sich in Unfreiheit. Nach Untersuchungshaft und Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe nachdem gegen ihn wegen Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren verhängt worden war, in Haft.
3Der Antragsteller beantragte zunächst Auskunft hinsichtlich der Wahrnehmungsbögen der Voranstalt zum Zwecke der strafrechtlichen Verfolgung der dortigen Beamten, anschließend beantragte er die Einsicht in alle über ihn gesammelten Daten.
4Mit Bescheid lehnte der Leiter der Justizvollzugsanstalt H diese Anträge auf Auskunft und Akteneinsicht ab. Hinsichtlich der Akteneinsicht bezog er sich darauf, dass hinsichtlich der Einsicht in alle über den Antragsteller erhobenen Daten nicht dargelegt sei, dass ein Anspruch aus Auskunft nicht ausreichend sei. Der Anspruch auf Auskunft werde nach § 116 StVollzG NRW i.V.m. § 18 Abs. 3 Buchstabe a DSG NRW abgelehnt, da die Mitteilung der Namen der Beamten, welche die Wahrnehmungen und Eindrücke festhielten, an die Gefangenen deren Bereitschaft zur Fixierung wichtiger Wahrnehmungen schmälere, was – da diese Wahrnehmungen etwaige Krisensituationen verhindern sollten – eine nicht hinnehmbare Beschränkung der Sicherheit innerhalb der Anstalt und damit eine erhebliche Aufgabengefährdung zur Folge hätte.
5Mit Schreiben beim Landgericht M hat der Antragsteller gegen den ablehnenden Bescheid der Justizvollzugsanstalt H einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 121 Nr. 6 StVollzG NRW i.V.m. § 114 StVollzG sowie einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 121 Nr. 6 StVollzG NRW i.V.m. §§ 109 ff. StVollzG gestellt. Er benötige die Akteneinsicht, um gegen Verleumdungen, die als Grundlage für Negativentscheidungen dienten, vorzugehen. Ohne Akteneinsicht sei es ihm auch nicht möglich, in der Vielzahl der von ihm betriebenen Verfahren nach § 109 StVollzG auf Ermessensfehler oder Aufklärungsfehler der Antragsgegnerin hinzuweisen.
6Aufgrund der Verlegung des Antragstellers in die Justizvollzugsanstalt B hat das Landgericht M auf Antrag des Antragstellers durch Beschluss das Verfahren an das Landgericht B verwiesen.
7Der Antragsteller beantragt weiterhin,
8die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm Einsicht in alle über ihn erhobenen Daten zu gewähren.
9Die (neue) Antragsgegnerin beantragt,
10den Antrag zurückzuweisen.
11Der Antrag sei unbegründet. Insbesondere seien dem Antragsteller alle Stellungnahmen, welche zur Entschließung der Einweisungsanstalt geführt hätten, ausgehändigt worden. Stellungnahmen zum Vollzugsplan existierten nicht. Eine Aushändigung der Wahrnehmungsbögen sei nicht möglich, da es sich um rein interne Vermerke ohne Regelungscharakter handele, um frühzeitig Veränderungen im Verhalten von Inhaftierten wahrzunehmen, etwa um einer Suizidgefahr vorzubeugen. Die Aushändigung dieser Wahrnehmungsbögen, welche persönliche Eindrücke der Mitarbeiter darstellten, scheide schon aus Gründen des Datenschutzes aus.
12II.
13Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, aber unbegründet.
141.
15Das Landgericht B – Vollstreckungskammer – ist nach der Verweisung gemäß § 110 StVollzG zuständig.
16Erfolgt während eines vollzuglichen Verfahrens nach § 109 ff. StVollzG die Verlegung in eine andere Justizvollzugsanstalt, führt eine nicht nur vorübergehende Verlegung zu einem Wechsel der Antragsgegnerin i. S. d. § 111 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG, wenn das Verfahren einen Verpflichtungs- oder Vornahmeantrag zum Gegenstand hat und der Gefangene sein ursprüngliches Begehren weiterverfolgt (BGH, Beschluss vom 02.12.1988, 2 ARs 536/88, Rn 8, zitiert nach juris; Schuler/Laubenthal in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetz, 5. Auflage 2009, § 110 Rn 6; Bachmann in: Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, Strafvollzugsgesetze, 12. Auflage 2015, P Rn 42). Verfahrensgegenstand ist vorliegend ein Verpflichtungsantrag, da der Antragsteller Einsichtnahme in alle über ihn erhobenen Daten begehrt und zwar auch nach seiner Verlegung in die Justizvollzugsanstalt B. Die Verlegung des Antragstellers in die Justizvollzugsanstalt B sollte von Anfang an dauerhaft und nicht nur kurzfristig erfolgen. Beantragen die Beteiligten auf den Wechsel der Antragsgegnerin eine Verweisung des Verfahrens, erfolgt durch Beschluss eine Verweisung an diejenige Strafvollstreckungskammer, in deren Bezirk die aufnehmende Anstalt ihren Sitz hat (BGH a.a.O. Rn 9; Schuler/Laubenthal a.a.O.; Bachmann a.a.O.). Vorliegend erfolgte auf Antrag des Antragstellers die Verweisung an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts B.
172.
18Der Antrag auf Verpflichtung der Justizvollzugsanstalt B, dem Antragsteller Einsicht in alle über ihn gesammelten Daten zu gewähren, ist unbegründet.
19a) Der Antragsteller hat kein Recht auf Einsicht in alle über ihn gesammelten Daten
20Das Akteneinsichtsrecht in die behördlichen Vollzugsakten des Antragsgegners – die sog. Gefangenenpersonalakte – bestimmt sich nach § 116 StVollzG NRW. Danach hat ein Gefangener nach Maßgabe der §§ 18 und 35 Abs. 2 S. 1 des DSG NRW Anspruch auf Auskunft und – soweit eine solche für die Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen nicht ausreicht und er hierfür auf die Einsichtnahme angewiesen ist – ggf. und nachrangig auch auf Akteneinsicht. Dem Wortlaut dieser Vorschrift ist dabei eindeutig zu entnehmen, dass das Akteneinsichtsrecht nicht unbeschränkt und ohne Angabe von Gründen gewährt werden soll. Vielmehr erfordert die Wahrnehmung eines solchen Rechtes die Darlegung, dass eine Auskunft für die Wahrung der rechtlichen Interessen des Betroffenen nicht ausreicht und er hierzu auf die Akteneinsicht angewiesen ist (vgl. hierzu ausführlich und mit zahlreichen Nachweisen OLG Hamm, Beschluss vom 01.06.2005, Az. 1 Vollz (Ws) 75/05, zitiert nach: juris).
21Diese Rechtsprechung ist zwar zu § 185 StVollzG ergangen. Es ist aber kein Grund ersichtlich, ihr im Anwendungsbereich des § 116 StVollzG NRW die Relevanz abzusprechen, da es sich um nahezu wortlautgleiche Vorschriften handelt. Da danach grundsätzlich das Akteneinsichtsrecht nicht unbeschränkt und/oder ohne Angabe von Gründen gewährt werden soll, muss der Gefangene zunächst seinen Auskunftsanspruch wahrnehmen und – nach erteilter Auskunft – ggf. darlegen, weshalb die ihm bereits erteilte Auskunft für die Wahrung seiner rechtlichen Interessen nicht ausreicht und warum er hierzu auf Akteneinsicht angewiesen ist. Vorliegend hat aber der Antragsteller im Hinblick auf die Einsicht in alle über ihn gesammelten Daten weder zunächst ein Auskunftsersuchen gestellt, noch ein hinreichend konkretes rechtliches Interesse an der begehrten Akteneinsicht dargelegt. Dies gilt auch, sofern er darlegt, er sei auf die Akteneinsicht im Rahmen der anhängigen vollzuglichen Verfahren angewiesen. Er hat diesbezüglich weder vorgetragen, ein Auskunftsgesuch gestellt zu haben, noch dargelegt, warum die in den vollzuglichen Verfahren ggf. erteilten Auskünfte für die Wahrung seiner rechtlichen Interessen nicht ausreichend seien, insbesondere, da die Antragsgegnerin nach ihrem – insoweit unbestrittenen Vortrag – dem Antragsteller bereits Auskünfte aus der Gefangenenpersonalakte erteilt hat.
22Darüber hinaus hat der Antragsteller grundsätzlich die Teile oder Angaben näher zu bezeichnen, auf die es zur Wahrnehmung seiner Rechte ankommt. Das Akteneinsichtsbegehren darf nicht derart allgemein gehalten sein, dass es faktisch auf die komplette Akteneinsicht hinausläuft (OLG Hamm a.a.O Rn 15, zitiert nach juris). Auch dies hat der Antragsteller weder mit seinem „Antrag auf Einsicht in alle über ihn gesammelten Daten“, noch mit seinem Antrag auf Akteneinsicht in der „Vielzahl der anhängigen Fälle“ dargetan. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Einsicht in die Gefangenenpersonalakte gemäß § 116 StVollzG NRW liegen demnach nicht vor.
23b) Der Antragsteller hat ebenfalls kein Recht auf Auskunft hinsichtlich der Namen der die Wahrnehmungen in den Wahrnehmungsbögen niederlegenden Beamten.
24Zwar beantragt der Antragsteller nicht mehr ausdrücklich die Auskunft hinsichtlich der Namen der die Wahrnehmungen niederlegenden Beamten, er wendet sich mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung allerdings gegen den Bescheid im Ganzen, mit dem auch bereits sein Antrag auf Auskunft abgelehnt worden ist.
25Allerdings besteht ein solches Recht des Antragstellers auf Auskunft nicht.
26Auch bezüglich der Wahrnehmungen erläutert der Antragsteller nicht, um welche Wahrnehmungen es sich handelt und warum diese Wahrnehmungen falsch seien, beziehungsweise ihn zur strafrechtlichen Verfolgung wegen Verleumdung oder falscher Verdächtigung berechtigten und warum er zur Strafverfolgung auf die Auskunft angewiesen ist. Eine Erläuterung seines rechtlichen Interesses erfolgt damit auch hinsichtlich des Auskunftsanspruches nicht, obgleich die ursprüngliche Antragsgegnerin ihm Auskunft über die einzelnen Wahrnehmungen, wenn auch nicht über die Namen der diese niederlegenden Beamten, angeboten hat.
27Darüber hinaus besteht nach § 18 Abs. 3 Buchstabe a i. V. m. § 35 Abs. 2 S. 1 DSG NRW keine Verpflichtung zur Auskunftserteilung, soweit dies die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der verantwortlichen Stelle erheblich gefährden würde. Unter den genannten Voraussetzungen muss die Vollzugsbehörde die Auskunftserteilung und die Akteneinsicht verweigern, ein Ermessensspielraum steht ihr nicht zu, allerdings unterliegen die unbestimmten Rechtsbegriffe gerichtlicher Nachprüfung (vgl. zu § 19 Abs. 4 BDSG Koranyi in: Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, Strafvollzugsgesetze, 12. Auflage 2015, O Rn 186). Die Eintragungen durch die Bediensteten in den Wahrnehmungsbögen erfolgen, um etwaige Krisensituationen zu verhindern und frühzeitig Veränderungen an den Gefangenen wahrzunehmen. Es handelt sich um höchstpersönliche Eindrücke und interne Vermerke. Eine namentliche Identifizierung der Beamten durch die Gefangenen führte zu einer geringeren Bereitschaft zur Fixierung wichtiger Wahrnehmungen zur Verhinderung krisenhafter Situationen und damit zu einer Gefährdung der Sicherheit in der Anstalt und der Aufgabenwahrnehmung selbst.
28Die Voraussetzungen für die Gewährung von Auskunft hinsichtlich der Namen der die Wahrnehmungen niederlegenden Beamten gemäß § 116 StVollzG NRW liegen danach nicht vor.
293.
30Wegen der Erfolglosigkeit seines Begehrens war dem Antragsteller auch nicht Prozesskostenhilfe im Sinne von § 112 Nr. 5 SVVollzG NRW i.V.m. § 120 Abs. 2 StVollzG Bund i.V.m. § 114 ZPO zu bewilligen. Dabei war bei verständiger Würdigung und Auslegung seines Antrags davon auszugehen, dass er diesen unabhängig von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe stellen möchte. Alles andere wäre nach der von ihm behaupteten erheblichen Eilbedürftigkeit der Sache widersinnig und nicht zielführend gewesen.
314.
32Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 S. 1 StVollzG.
33III.
34Die Entscheidung betreffend den Streitwert beruht auf den §§ 65 S. 1, 60 Hs. 1, 52 Abs. 1 GKG. Die Kammer bestimmt ihn nach der Bedeutung der Sache, wie sie sich aus dem Antrag des Antragstellers ergibt.
35IV.
36Gegen diese Entscheidung ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde nach Maßgabe des beigefügten Formblatts statthaft.
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Referenzen
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