Urteil vom Landgericht Aachen - 9 O 268/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zur Vollstreckung kommenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in der Aachener Innenstadt. Auf dem Grundstück des Klägers T-Straße in Aachen befindet sich ein Mehrfamilienhaus. Auf dem Grundstück der Beklagten, auf welchem sich zunächst ein Gewerbeobjekt befunden hatte, wurde in der Zeit von November 2011 bis zum Jahr 2013 das aufstehende Gebäude abgerissen und unmittelbar an das Mehrfamilienhaus des Klägers angrenzend nach Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung durch die Stadt Aachen ein sechsstöckiges Studentenwohnheim nebst Tiefgarage errichtet. Im Zuge der Vorbereitung der Bauarbeiten auf dem Grundstück der Beklagten schlossen die Parteien unter dem 13.07.2011 eine nachbarrechtliche Vereinbarung. Wegen der Einzelheiten des Inhalts wird auf die notarielle Vereinbarung des Notars Dr. T1 vom 14.07.2011, Urkundsrollen Nr. #####/####, Bezug genommen. Anlage 2 der notariellen Urkunde ist eine Planzeichnung, in der die Eintragung „Unterfangung nach Statik“ niedergelegt ist. Wegen der Einzelheiten der Lage der Gebäude und der sonstigen Eintragungen wird auf die der vorbezeichneten Vereinbarung beigegebenen Anlagen Bezug genommen.
3Im Zuge der Rohbauarbeiten wurde das Grundstück der Beklagten unterfangen. Bei diesen Arbeiten wurden im Dezember 2011 und Januar 2012 vom Grundstück der Beklagten auf das Grundstück des Klägers 5,60 m lange Rückverankerungen aus Metall mit einem Durchmesser von 24 mm auf einer Länge von ca. 5 m in das Grundstück des Klägers mit einem Winkel von 20° eingebracht. Diese mindestens 13 Rückverankerungen befinden sich aufgrund der beschriebenen Anordnung in einer Tiefe von minimal 2,80 m unter der Bodenplatte des auf dem Grundstück des Klägers befindlichen Hauses. Eine Befestigung der Unterfangung war für die Errichtung des Rohbaus auf dem Grundstück der Beklagten aus statischen Gründen erforderlich. Nach Abschluss der Bauarbeiten ist eine Befestigung der Unterfangung nicht mehr erforderlich, vielmehr wird die Befestigung der Unterfangung durch das errichtete Gebäude selbst sichergestellt. Die Rückverankerungen, deren Erwerb und Einbringung Kosten von 6.475 € verursacht hat, werden sich 3-20 Jahre nach ihrer Einbringung durch Korrosion im Boden aufgelöst haben. Eine alternative Abstützung der Unterfangung ohne Benutzung des Grundstücks des Klägers wäre unter anderem durch Abstützungsmaßnahmen in der zu bearbeitenden Baugrube auf dem Grundstück der Beklagten möglich gewesen, die hierfür entstehenden Kosten und eintretende bautechnische Risiken sind zwischen den Parteien streitig.
4Mit Anwaltsschreiben forderte der Kläger die Beklagte in der Folgezeit mehrmals zum Rückbau der Rückverankerung auf. Weiterhin ließ er sich von dem Statiker O im Jahr 2013 beraten, Informationen bei dem Ingenieurbüro der Beklagten einholen und sich bei Besprechungen vertreten. In der sich anschließenden Korrespondenz wurde dem Kläger auf Auskunftsbegehren hin ein Segmentpfahlplan vom #####/#### übergeben, in der 13 Rückverankerungen eingezeichnet sind. Einer Aufforderung des Klägers, die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben der Beklagten an Eides statt zu versichern, kam die Beklagte nicht nach. Der Statiker des Klägers erstellte am 14.10.2013 eine schriftliche Stellungnahme, in der er die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Rückverankerungen im Boden Schäden erzeugen, als sehr gering bis nicht existent einstuft. Nach dem Wegrosten der Anker würden sich die Horizontallasten über die Unterfangung auf das neue auf dem Grundstück der Beklagten errichtete Gebäude umlagern, die entsprechenden Bauteile des durch die Beklagte errichteten Gebäudes (Treppenhaus Untergeschoss und Anbauten) wiesen eine ausreichende Dimensionierung zur Lastaufnahme aus. Überdies führte er aus, dass geringe Setzungsschäden bei Unterfangungen auch nach Jahren immer möglich sein, jedoch sei von dem Beklagten ein sehr sicheres System gewählt worden.
5Mit der Klage begehrt der Kläger eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit der Angaben der Beklagten zu der Anzahl der eingebrachten Rückverankerungen sowie deren Beseitigung, daneben Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für durch die Einbringung und den Ausbau der Rückverankerung entstandenen Schäden, zudem Ersatz der Kosten der Beratung des Statikers O in Höhe von 1428,01 € sowie vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
6Der Kläger beantragt zuletzt,
71) mit der Maßgabe, dass die Beklagte versichert, dass die dem Kläger anhand der Planunterlagen erteilte Auskunft nach ihrem heutigen Kenntnisstand vollständig und richtig ist, die Beklagte zu verurteilen, durch ihre Gesellschafter an Eides statt zu versichern, dass ausgehend von dem Grundstück 52062 Aachen, T-Straße 80-82 unter das Gebäude des Grundstücks 52062 Aachen, T-Straße nicht mehr Rückverankerungen mit jeweils einer Länge von 5,60 m eingebracht wurden, als diese sich farblich markiert aus der als Anlage 0 beigefügten Planunterlage ergeben,
82) die Beklagte wird verurteilt, die in Anlage 0 farblich gekennzeichneten Rückverankerung unterhalb des Gebäudes T-Straße, 52064 Aachen sach- und fachgerecht zu beseitigen
93) es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jeglichen Schaden zu ersetzen, der durch die Einbringung und den Ausbau der in Ziffer 2 genannten Rückverankerungen entsteht
104) die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1428,01 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen
115) die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2348,41 € zu erstatten.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagte ist der Ansicht, eine Duldungspflicht des Klägers ergebe sich aus dem Inhalt der vor Errichtung des Bauvorhabens geführten Abstimmungsgespräche sowie aus der nachbarrechtlichen Vereinbarung. Überdies habe der Kläger die Rückverankerungen nach § 909 BGB i.V.m. § 22 Abs. 3 des Nachbarrechtsgesetzes NRW und unter Zugrundelegung der Grundsätze des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zu dulden. Der Beseitigungsanspruch sei überdies nach § 275 BGB ausgeschlossen. Die Beklagte behauptet, für eine anderweitige Absicherung der Baugrube auf ihrem Grundstück wären Kosten von ca. 300.000 € angefallen.
15Wegen aller weiteren Einzelheiten des umfangreichen Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
17Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten von durch die Einbringung von Rückverankerungen begehrt, im Übrigen ist sie nicht begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Beseitigungsanspruch (Klageantrag zu 2) nicht zu. Hieraus folgt, dass der Kläger auch den zur Vorbereitung/Ergänzung des Beseitigungsanspruchs geltend gemachten Auskunftsanspruch (Klageantrag zu 1) sowie Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Ausbau der Rückverankerung (Klageanträge 3-5) nicht hat. Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm durch die Einbringung der Rückverankerung entstehenden Schaden zu ersetzen, so fehlt ihm bereits das erforderliche Feststellungsinteresse.
18Ein Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB auf Entfernung der Rückverankerungen besteht im Ergebnis nicht. Durch die zur Errichtung des Studentenwohnheims nebst Tiefgarage auf dem Grundstück der Beklagten erforderlichen Ausschachtungsarbeiten hat die Beklagte zwar eine Vertiefung im Sinne von § 909 BGB vorgenommen, die besorgen ließ, dass das Grundstück des Klägers die notwendige Stütze verliert. Die Beklagte war mithin zur Sicherstellung einer genügenden anderweitigen Befestigung des Grundstücks des Klägers verpflichtet. Diese muss grundsätzlich auf eigenem Grundstück, also auf dem Grundstück der Beklagten, geschehen. Der Kläger kann deshalb grundsätzlich die – auch zeitweise – Befestigung in seinem Grundstück nach §§ 905 S. 1, 903 BGB verbieten.
19Bei den von der Beklagten in den Boden des Grundstücks des Klägers eingebrachten Rückverankerungen handelt es sich um Beeinträchtigungen des Eigentums des klägerischen Grundstücks im Sinne von § 1004 BGB. Das Recht des Klägers erstreckt sich gemäß § 905 S. 1 BGB auch auf den Erdkörper unter der Oberfläche. Kein Grundstückseigentümer hat es zu dulden, dass, auf seinem Grundstück ohne sein Wissen bauliche Einrichtungen zur Stabilisierung von Bauten auf dem Nachbargrundstück in den Boden eingebracht und dort ohne Notwendigkeit belassen werden, wobei die Beeinträchtigung bereits in dem Einbau in den Boden und unabhängig davon, ob eine konkrete Behinderung der Grundstücksnutzung davon ausgeht, vorliegt (vergleiche nur BGH NJW 1994, 999, 1000 (Fernmeldekabel); OLG Düsseldorf, NJW-RR 1991, 403 (Abwasserleitung); LG Dortmund, Urteil vom 3. Januar 2012, 3 O 263/11, BeckRS 2013, 11052 (Daueranker); LG Rostock, Urteil vom 16. März 2007, 9 O 412 / 06, juris (Litzenanker)).
20Eine Zustimmung des Klägers zu der Einbringung von Rückverankerungen und ergibt sich nicht aus der nachbarrechtlichen Vereinbarung vom 14.07.2011. Rückverankerungen sind weder im Text der Vereinbarung, der sich mit Bauüberschreitungen an bestimmten Stellen der rückwärtigen Baulinie befasst, noch in den Anlagen, in denen allein eine Unterfangung erwähnt ist, enthalten. Schon im Hinblick darauf, dass die Abstützung der Unterfangung auch vom Grundstück der Beklagten aus möglich gewesen wäre, verbietet sich aus Sicht der Kammer jede erweiternde Auslegung im Sinne der Rechtsansicht der Beklagten. Auch aus den vorab zwischen den Parteien geführten Gesprächen kann die Beklagte nichts für sich herleiten, da diese den Abschluss der nachbarrechtlichen Vereinbarung vorbereitet haben, die Frage der Einbringung von Rückverankerungen in dieser jedoch keinen Niederschlag gefunden haben.
21Der Beseitigungsanspruch des Klägers ist auch nicht nach § 905 S. 2 BGB ausgeschlossen, da bei der Frage, ob der Eigentümer eine Einwirkung auf sein Grundstück verbieten kann, auch solche Umstände zu berücksichtigen sind, die erst in der Zukunft eine Behinderung besorgen lassen. Ausreichend für die Besorgnis einer Behinderung in Zukunft sind nach der Rechtsprechung Versorgungsleitungen in einer Tiefe von 2-3 m unter der Erdoberfläche, da sie grundsätzlich die bauliche Ausnutzbarkeit eines großen innerstädtischen Grundstücks berühren und daher einer späteren Bebauung hinderlich sind, was für ein Verbietungsrecht Interesse ausreicht (BGH a.a.O., OLG Düsseldorf a.a.O.).
22Von den zuvor beschriebenen Fallgestaltungen der Einbringung von Ferneldekabeln, Abwasserleitungen, Dauerankern und Litzenankern in den Boden eines fremden Grundstücks unterscheidet sich der vorliegende Fall jedoch dadurch, dass die hier in das Grundstück des Klägers eingebrachten Rückverankerungen, anders als die in den vorzitierten Entscheidungen eingebrachten Gegenstände, einerseits keinen dauerhaften Zweck für das Grundstück der Beklagten erfüllen und zudem eine Beeinträchtigung des Grundstücks des Klägers bis auf die körperliche Einbringung der Rückverankerungen, die sich im Laufe der Zeit durch Verrostung zersetzen werden, nicht festzustellen ist. Das Gericht schließt sich der, soweit ersichtlich, insoweit allein einschlägigen und von den Parteien im Verlaufe des Rechtsstreits eingehend diskutierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart an, nach der bei Fehlen einer ausdrücklichen Regelung im Landesnachbarrecht die vorübergehende Grundstücksbefestigung durch Rückverankerung einer Unterfangung im Nachbargrundstück gemäß nach den Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses jedenfalls dann geduldet werden muss, wenn das geplante Vorhaben baurechtlich genehmigt ist und bei Beachtung der allgemein anerkannten Regeln der Baukunst eine wesentliche Gefährdung des Nachbargrundstücks ausgeschlossen werden kann, theoretisch denkbare kleinere Schäden dauerhaft saniert werden können, eine wesentliche merkantile Wertminderung des Nachbargrundstücks nicht eintritt und andererseits das Bauvorhaben ohne die vorübergehende Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks überhaupt nicht oder nur mit größeren Gefahren oder unverhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden kann (OLG Stuttgart, NJW 1994, 739 für die dauerhaft im Grundstück der dortigen Beklagten verbliebene Rückverankerung einer Bohrpfahlwand). Die Entscheidung hat auch in der Literatur uneingeschränkte Zustimmung gefunden (Staudinger/Roth (2016) BGB § 909 Rn. 32; Staudinger/Karl-Heinz Gursky (2012) BGB § 1004 Rn. 178; Bitzer, DZWiR 1995, 367, 372).
23Die in dieser Entscheidung aufgestellten Voraussetzungen für das Bestehen eines Duldungsanspruchs liegen hier vor. Das Vorhaben ist baurechtlich genehmigt. Eine wesentliche Gefährdung des Grundstücks des Klägers kann ausgeschlossen werden. Eine solche wird vom Kläger nicht geltend gemacht, nachdem von ihm selbst in Auftrag gegebenen statischen Gutachten scheidet sie aus. Theoretisch denkbare kleinere Schäden am Grundstück des Klägers können von der Beklagten, die als Eigentümerin einer größeren Studentenwohnanlage mit Tiefgarage hierzu finanziell ohne weiteres in der Lage sein dürfte, dauerhaft saniert werden. Überdies ist eine wesentliche merkantile Wertminderung des Grundstücks des Klägers durch die eingebrachten Rückverankerungen nicht ersichtlich. Auch hierauf beruft sich der Kläger vorliegend nicht.
24Letztlich ist das Bauvorhaben der Beklagten ohne die vorübergehende Inanspruchnahme des Grundstücks des Klägers auch nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand und unverhältnismäßig hohen Kosten durchführbar gewesen. Ob diese Kosten, wie von der Beklagten behauptet, 300.000 € betragen hätten, kann dahinstehen. Es ergibt sich schon aus der Natur der Sache, dass Rohbauarbeiten dann deutlich leichter und mit weniger Aufwand durchzuführen sind, wenn die notwendige Abstützung einer Unterfangung nicht auf dem Baugrundstück selbst, sondern auf dem Nachbargrundstück erfolgt. Gleiches hat der Kläger überdies selbst im Schriftsatz vom 05.11.2014 vorgetragen und dort ausgeführt, dass die Rückverankerung die für die Klägerin die für die Beklagte kostengünstigere und einfachere Variante dargestellt hat, weil durch die Rückverankerung die Unterfangung abgestützt werden kann, ohne dass die Arbeiten in der neuen Baugrube gestört werden. Befestigungen in der neuen Baugrube würden von Bauherrn deshalb nur ungern praktiziert, weil sie den Bauablauf in der neuen Baugrube stören und teurer als die Einbringung von Rückverankerung in das Nachbargrundstück seien. Überdies sei eine Schwergewichtskonstruktion, also die Erstellung einer sehr massiven Unterfangungswand, welche bedingt durch ihre Masse nicht umkippen könne, sowie Hochdruckinjektionen in den Boden in Betracht gekommen. Schon aus diesem Vortrag ergibt sich, dass Alternativen der Beklagten zur vorgenommenen Ausführungsart deutlich aufwändiger und kostenintensiver gewesen wären.
25Das Gericht verkennt nicht, dass die Anker, die der Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart zugrundelagen, in einer Tiefe von mindestens 5 m, teilweise von 13-16 m unter der Betonplatte der Häuser der Beklagten eingebracht und dort verblieben sind. Die Beeinträchtigung der dort betroffenen war mithin weniger intensiv als die des Klägers in vorliegendem Rechtsstreit. Das Gericht ist dennoch der Auffassung, dass das abstrakte Interesse des Klägers, zukünftig bei Tiefbauarbeiten auf seinem Grundstück in einer Tiefe von mehr als 2,80 m unter der bisherigen Bodenplatte nicht auf einen Metallanker mit einem Durchmesser von 24 mm und einem möglicherweise fortgeschrittenen Korrosionsgrad zu treffen, hinter den konkreten Vorteilen der Beklagten bei der Verwirklichung eines genehmigten, der Milderung der in der Aachener Innenstadt bestehenden Wohnungsnot dienenden Bauvorhabens zurücktreten muss. Dies gilt umso mehr, weil eine Unterfangung entlang der gemeinsamen Grenze der Grundstücke der Parteien Gegenstand der nachbarrechtlichen Vereinbarung dadurch geworden ist, dass sie in Anlage 2 erwähnt ist, und von dem Kläger nicht angegriffen wird. Zudem hat die auf diese Weise errichtete Unterfangung auch für das Gebäude des Klägers sowie für die Möglichkeiten der Errichtung von anderen Gebäuden auf seinem Grundstück statische Vorteile, wie die Beklagte in der Klageerwiderung unbestritten vorgetragen hat.
26Der Duldungsanspruch der Beklagten aufgrund des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses ist entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht verwirkt. Unabhängig davon, ob Verhaltensweisen eines Nachbarn bereits im Grundsatz Auswirkungen auf den Umfang von Duldungspflichten aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis haben können, was im Hinblick auf die tatsächliche Unabänderlichkeit des Nachbarsverhältnisses zweifelhaft erscheint, zeigt das vorprozessuale Verhalten des Klägers sowie der vorliegende Rechtsstreit, dass der Kläger auf das – aus Sicht der Kammer berechtigte – Ansinnen der Beklagten nach Zustimmung zur Einbringung von Rückverankerungen nicht eingegangen wäre.
27Unabhängig von dem fehlenden Beseitigungsanspruch steht dem Kläger gegen die Beklagte unter den gegebenen Umständen ein verschuldensunabhängiger bürgerlich-rechtlicher Aufopferungsanspruch zu (Staudinger/Roth (2016) BGB § 909 Rn. 32, Rn 64). Dieser ist jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Der Kläger verlangt ausschließlich Beseitigung und Schadensersatz.
28Aus dem Vorgesagten ergibt sich, dass dem Kläger auch ein Beseitigungsanspruch in Gestalt der Naturalrestitiution aus § 823 Abs. 1 BGB nicht zusteht. Die Eigentumsverletzung durch die Beklagte ist aufgrund der bestehenden Duldungspflicht nicht rechtswidrig.
29Für die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm durch die Einbringung der Rückverankerung entstehenden Schaden zu ersetzen, fehlt dem Kläger das erforderliche Feststellungsinteresse. Aus der von ihm selbst eingeholten statischen Stellungnahme des Diplomingenieurs O vom 14.10.2013 ergibt sich, dass das Gebäude der Beklagten zur Aufnahme der während der Bauphase durch die Anker abgefangenen Horizontallasten ausreichend dimensioniert ist. Eine Schadenswahrscheinlichkeit durch die rostenden Anker selbst wird dort als sehr gering bis nicht existent eingestuft, geringe Setzungsschäden sind zwar noch möglich, jedoch sei von der Beklagten ein sehr setzsicheres System gewählt. Man dürfe davon ausgehen, dass bis auf möglicherweise geringe Setzungsschäden keine Schäden zu erwarten seien. Allein im Hinblick darauf, dass Voraussetzung dieser Überlegungen des Statikers ist, dass in den Bereichen des Grundstücks, wo spätere Lasten aufgenommen werden müssten, ein hochdruckfestes Dämmmaterial eingebaut und die entstehenden Hohlräume verfüllt werden sollten, ist ein anderes Ergebnis nicht zu rechtfertigen. Die von dem Statiker ausgewerteten Fotos vom Bauablauf zeigen zwar im Vorderhaus eine deutliche und im Bereich der Anbauten eine geringere Fuge. Jedoch ist in den Schalplänen eindeutig beschrieben, dass diese Fuge zu verfüllen ist. Anhaltspunkte dafür, dass dies tatsächlich nicht geschehen ist, bringt der Kläger nicht vor. Überdies sind bis heute, mehr als zweieinhalb Jahre nach Abfassung der Stellungnahme des Diplomingenieurs O, Setzungsschäden nicht aufgetreten.
30Im Hinblick auf diese Umstände besteht ein Feststellungsinteresse des Klägers nicht. Anerkannt ist zwar, dass es bei der Verletzung eines absoluten Rechts ausreicht, wenn künftige Schadensfolgen, wenn auch nur entfernt, möglich sind, auch wenn ihrer Art und Umfang, sogar ihr Eintritt noch ungewiss ist, wobei es auf die Wahrscheinlichkeit weiterer Schäden nicht ankommt (Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 256 Rn. 9 mit weiteren Nachweisen). Die vorliegend jedenfalls nicht auszuschließende Möglichkeit des Eintritts geringerer Setzungsschäden, die nicht auf die Unterfangung selbst, sondern auf die Rückforderung an zurückzuführen sein könnten, sind nach den eigenen Ausführungen des Privatgutachters des Klägers von der Beklagten aber jedenfalls nicht schuldhaft verursacht worden. Denn die Beklagte hat durch die gewählte Ausführungsart jegliche im Verkehr erforderliche Sorgfalt walten lassen. Der Umstand, dass konkreter Auskünfte darüber, ob die zwischen den Gebäuden im Zuge der Baumaßnahme entstanden Fuge gemäß den Schalplänen ordnungsgemäß verfüllt ist, von der Beklagten nicht erteilt worden ist, ändert hieran nichts. Von daher würde es bei Eintritt zukünftiger Schäden jedenfalls an einem Verschulden der Beklagten im Sinne von § 823 BGB, der einzig zu Gunsten des Klägers insoweit in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage, fehlen.
31Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 709 ZPO.
32Streitwert: 100.000 €.
33Dr. G |
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als Einzelrichter |
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