Beschluss vom Landgericht Aachen - 61 KLs 22/15
Tenor
Die dem Rechtsanwalt Q zu erstattenden Kopierkosten werden – unter teilweiser Aufhebung des Beschlusses vom 12.05.2016 – auf 47,95 € festgesetzt.
Im Übrigen wird die Erinnerung des Verteidigers vom 17.05.2016 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12.05.2016 zurückgewiesen.
Eine Kostenentscheidung ergeht nicht. Kosten werden nicht erstattet.
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Gründe:
2Die „sofortige Beschwerde“ vom 17.05.2016 ist als Erinnerung gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 RVG auszulegen und insoweit zulässig, aber unbegründet.
3Ein Anspruch des Rechtsanwalts auf (pauschalen) Ersatz seiner Auslagen für Kopien aus Gerichtsakten besteht nur in dem Umfang, wie deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten ist. Was in diesem Zusammenhang zur „Bearbeitung“ einer Sache sachgemäß ist, bestimmt sich nicht nach der subjektiven Auffassung des beigeordneten Rechtsanwalts, sondern nach dem objektiven Standpunkt eines vernünftigen sachkundigen Dritten. Es kommt dabei auf die Verfahrensart und den konkreten Sachverhalt sowie auf die aktuelle Verfahrenslage an. Eine bloße Erleichterung oder Bequemlichkeit reicht jedoch ebenso wenig, wie eine bloße Zweckmäßigkeit. Allerdings hat der Anwalt einen gewissen, nicht zu engen, sondern eher großzügigen Ermessensspielraum, den er allerdings auch pflichtgemäß handhaben muss, indem er den allgemeinen Grundsatz kostenschonender Prozessführung. Zu berücksichtigen ist, dass der Rechtsanwalt die Pauschale - auch gegenüber der Staatskasse - nur in Rechnung stellen kann, soweit die Herstellung der Dokumente zur sachgemäßen Bearbeitung durch ihn geboten war. Die Darlegungs- und Beweislast dafür liegt also bei ihm (vgl. OLG Rostock, Beschl. v. 04.08.2014, Az.: 20 Ws 193/14 m.w.N. – zitiert nach juris). Das ungeprüfte, vorsorgliche Ablichten der gesamten Verfahrensakte, welche regelmäßig für die Verteidigung in jedem Fall irrelevante Dokumente wie Verfügungen, Empfangsbekenntnisse etc. enthält, stellt allerdings insoweit keine ordnungsgemäße Ermessensausübung des Verteidigers mehr dar. Das Kopieren der gesamten Verfahrensakten mag aus Vereinfachungsgründen durchaus zweckmäßig sein, kann aber im Rahmen der Prüfung von Kostenerstattungsansprüchen nicht in gleicher Weise als geboten angesehen werden (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 15.01.2015, Az.: 2 Ws 651/14 – zitiert nach juris).
4Nach diesen Grundsätzen durfte der Verteidiger vorliegend nicht ungeprüft die gesamte Akte kopieren. Dies gilt umso mehr als dass seine Mandantin vorliegend nicht in allen Fällen Mitangeklagte war und dem Verteidiger eine digitale Hauptakte inklusive Fallakten und Sonderbänden zur Verfügung gestellt worden ist. Es kann vorliegend dahinstehen, ob das Studium umfangreicher Akten „am Bildschirm“ für einen Rechtsanwalt tatsächlich beschwerlicher und für die Augen ermüdender ist als das Lesen von Akten auf Papier (a.A.: OLG Rostock, a.aO. m.w.N.), da hieraus jedenfalls nicht die objektive Notwendigkeit hervorgeht, die vollständige Akte auszudrucken. Es ist dem Rechtsanwalt nämlich zumindest zuzumuten, digitalisierte, Akten „am Bildschirm“ wenigstens daraufhin durchzusehen, ob und welche Teile er für seine weitere Tätigkeit, insbesondere während einer eventuellen Hauptverhandlung, zur sachgerechten Verteidigung des Mandanten auch in Papierform benötigt. Vor diesem Hintergrund hätte es dem Verteidiger oblegen darzulegen, welche Teile der Akte notwendigerweise hätten kopiert werden müssen.
5Die Kammer ist aber der Auffassung, dass zumindest ein Teil der Akte von dem Verteidiger hätte ausgedruckt werden dürfen. Dieser Teil ist aber – da es an einer konkreten Darlegung des Rechtsanwalts fehlt – mit 20% der angesetzten Kopien zu bemessen. Unter Berücksichtigung der doppelt angesetzten 232 Kopien verbleiben bei insgesamt somit zu Grunde legenden 2.031 Kopien – 406 Kopien. Desweiteren ist zu berücksichtigen, dass die heutigen Drucker über die Möglichkeit eines doppelseitigen Druckes verfügen und der Pflichtverteidiger gegenüber der Staatskasse zur kostensparenden Prozessführung verpflichtet ist, so dass die Kopierkosten insoweit um die Hälfte reduziert werden könne. Insgesamt sind mithin – ohne weitere, hier nicht erfolgte Darlegung – nur 10% der Kopien – mithin 203 Kopien – erstattungsfähig.
6Es ergibt sich mithin ein erstattungsfähiger Mindestbetrag von 47,95 € für 203 Kopien.
7Eine Kosten- und Gebührenentscheidung war aufgrund § 56 Abs. 2 S. 2 RVG nicht veranlasst
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