Urteil vom Landgericht Arnsberg - 1 O 196/15
Tenor
1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand:
2Der Kläger begehrt von den Beklagten Zahlung von Schadensersatz wegen behaupteter anwaltlicher Pflichtverletzung.
3Er hatte am 29.5.2001 mit der N einen Vermögensverwaltungsvertrag abgeschlossen. Die erforderliche Erlaubnis für eine Vermögensverwaltung besaß die N indes nicht. Nachdem der Kläger diverse Zahlungen geleistet hatte, wurde über das Vermögen der O in der T das Nachlassverfahren eröffnet. In diesem Zusammenhang nahmen die Prozessbevollmächtigten des Klägers Kontakt zu den Beklagten auf. Nach entsprechenden Verhandlungen übersandten die Beklagten in der Folgezeit eine nicht unerhebliche Anzahl Auftrags- und Vollmachtsunterlagen an die Prozessbevollmächtigten des Klägers, welche diese wiederum an eine Vielzahl von Mandanten - so auch an den Kläger - weiterleiteten.
4Der Kläger beauftragte die Beklagten zu 1) und 2) unter dem 6.1.2011 mit der Wahrnehmung seiner Interessen in diesem Nachlassverfahren. Am 17.6.2011 gründeten die Beklagten zu 1) und 2) die Beklagte zu 3). In der Gläubigerversammlung am 7.11.2011 in A erklärten dann die Beklagten namens des Klägers u.a. ihre Zustimmung zu einem entsprechenden Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung
5Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, die Interessenwahrnehmung sei fehlerhaft gewesen; die Beklagten hätten auf wichtige Rechtsfolgen ihres geplanten und tatsächlich erfolgten Tätigwerdens nicht hingewiesen, weswegen ihm ein erheblicher Schaden entstanden sei. Bezüglich des weiteren den Anspruch betreffenden Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
6Der Kläger meint, eine internationale Zuständigkeit des Landgerichts B ergebe sich aus Art. 15 Abs. 1 lit c), Art. 16 des Luganer Übereinkommens (Nachfolgend: LugÜ). Denn er sei Verbraucher im Sinne der Vorschrift und die Beklagten hätten ihre Tätigkeit auf die D ausgerichtet. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass die Beklagten die Auftrags- und Vollmachtsformulare an die Prozessbevollmächtigten des Klägers in Deutschland übersandt hatten, diese die Unterlagen an ihn weitergeleitet hätten und der Kläger hierdurch an seinem Wohnort zum Vertragsschluss motiviert worden sei. Durch die Übersendung hätten die Beklagten bereits vor Vertragsschluss zum Ausdruck gebracht, Geschäftsbeziehungen zu Verbrauchern in anderen Mitgliedsstaaten herstellen zu wollen. Auch durch ihren Auftritt im Internet hätten die Beklagten ihre Tätigkeit auf die D ausgerichtet. Ausländische Kunden hätten über die Rubrik „Impressum“ in Kontakt mit den Beklagten treten können. Unter der Rubrik „Dienstleistungen“ sei angepriesen worden, dass die Beklagten natürliche Personen und Unternehmungen aus der T und dem Ausland verträten. Auch sei die internationale Vorwahl auf der Homepage angegeben worden. Schließlich sei ein Ausrichten anzunehmen, weil die Beklagten für das Nachlassverfahren der N eine Vielzahl von Mandanten in Deutschland gewinnen wollten und auch vorher bereits deutsche Mandanten vertreten hätten.
7Der Kläger beantragt,
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1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 45.611,17 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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2. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 13.270,31 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Kläger in Höhe von etwa 4.299,25 € von Kostenerstattungsansprüchen des ehemaligen Beklagten G freizustellen.
Die Beklagten beantragen,
15die Klage abzuweisen.
16Sie behaupten, das Landgericht B sei international nicht zuständig. Zunächst sei der Kläger kein Verbraucher, sondern Unternehmer. Aus diesem Grund greife die wirksame Gerichtsstandsvereinbarung aus dem Mandatsverhältnis. Jedenfalls lägen aus diesem Grund die Voraussetzungen der Art. 15, 16 LugÜ nicht vor. Auch ein Ausrichten der Tätigkeit der Beklagten auf die D sei nicht gegeben. Weder hätten die Beklagten auf ihrer Website gezielt deutsche Mandanten angesprochen, noch ließen die äußeren Umstände des Internetauftritts den Schluss zu, dass sie sich auf den deutschen Markt ausgerichtet hätten.
17Schließlich sei auch in der Übersendung der Auftrags- und Vollmachtsformulare kein Ausrichten im Sinne der Vorschrift zu sehen. Zum einen sei die Versendung auf Anforderung der Prozessbevollmächtigten des Klägers erfolgt und habe sich an bereits bestehende Mandanten gerichtet. Es sei also gerade nicht das Ziel verfolgt worden, eine unbestimmte Anzahl neuer Mandanten zu werben. Vielmehr sei die Vertretung sich geschädigt fühlender Anleger aufgrund der Verhandlungen mit den Prozessbevollmächtigten des Klägers vereinbart worden. Letztere hätten insoweit als Vertreter der jeweiligen Mandanten gehandelt.
18Bezüglich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auch insoweit auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 1.4.2015 haben die Beklagten dem Prozessbevollmächtigten des Klägers, Herrn Rechtsanwalt H, den Streit verkündet.
19Mit Beschluss vom 27.01.2016 hat die Kammer nach Zustimmung beider Parteien das schriftliche Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet und Gelegenheit zur Einreichung von Schriftsätzen bis zum 15.02.2016 gegeben.
20Entscheidungsgründe:
21Die Kammer konnte mit Zustimmung der Parteien ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO entscheiden.
22I.
23Die Klage ist unzulässig; das Landgericht B ist international nicht zuständig.
241.
25Grundsätzlich bestimmt sich die internationale Zuständigkeit für den Rechtsstreit nach dem Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (LugÜ) vom 30. Oktober 2007 gemäß Art. 63 Abs.1 LugÜ, da die Klage nach dem 1. Januar 2011 eingereicht wurde. Für die EU und somit für Deutschland trat das revidierte LugÜ am 1. Januar 2010, für die T am 1. Januar 2011 in Kraft. Die Klage wurde von dem Kläger am 6. November 2014 erhoben.
262.
27Die Verbrauchereigenschaft des Klägers ist zwischen den Parteien streitig; im Ergebnis kann diese Frage jedoch offen bleiben, weil jedenfalls eine Ausrichtung der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit der Beklagten auf die D nicht vorliegt. Im vorliegenden Fall kommt eine Ausrichtung der beruflichen Tätigkeit durch die Beklagten nur aufgrund der Darstellungen auf ihrer Website oder wegen Übersendung der Vollmacht und des Auftragsformulars in Betracht. Beide Formen erfüllen indes die Kriterien des Art. 15 Abs. 1 lit. c Alt.2 LugÜ nicht.
28a)
29Zunächst ist zwar die Website der Beklagten weltweit aufrufbar. Würde man hieraus jedoch schon ein Ausrichten der beruflichen Tätigkeit auf den jeweiligen Staat erkennen wollen, käme dieser Auslegung eine unfassbare Weite des Begriffs und somit eine unbeschränkte Zuständigkeitsregelung zu, welche mit der Intention der Norm als Ausnahmecharakter nicht in Einklang zu bringen ist (vgl. EuGH v. 7.12.2010 - Rs. C-585/08 und C-144/09, Rn. 68ff.).
30Soweit der Kläger seine Argumentation auf den Umstand stützt, dass die Beklagten auf ihrer Website damit werben, natürliche Personen und Unternehmungen aus der Schweiz und dem Ausland zu vertreten und dass unter der Rubrik "Impressum" auch ausländische Kunden direkt in Kontakt mit den Beklagten treten können, ist dies nach Ansicht der Kammer nicht geeignet, auch unter weiter Auslegung des Begriffs "Ausrichten" ein solches im vorliegenden Fall nahezulegen.
31Denn die Ausrichtung einer Tätigkeit auf einen Vertragsstaat mittels Internetseite ist dann zu bejahen, wenn unter Würdigung bestimmter - nicht abschließender - Beurteilungskriterien, wie etwa der internationale Charakter der Tätigkeit des Gewerbetreibenden, die Angabe von Anfahrtsbeschreibung von anderen Staaten aus zur Niederlassung des Vertragspartners, die Verwendung einer fremden Sprache oder Währung, die Angabe von Telefonnummern mit internationaler Vorwahl oder ähnliche Aspekte eine Ausrichtung auf andere Vertragsstaaten angenommen werden kann. Die bloße Zugänglichkeit der Website des Unternehmers im Ausland ist jedoch nicht ausreichend. (EuGH v. 7.12.2010 - Rs. C-585/08 und C-144/09, Leitsatz Nr. 2)
32Ein Ausrichten der Tätigkeit ergibt sich auch nicht aus dem Kontaktbereich der Website, in welchem lediglich eine Wegbeschreibung und Kontaktdaten zur Verfügung gestellt werden. Auch die Angabe der internationalen Vorwahl ist kein Indiz auf eine spezifische Ausrichtung der Tätigkeit auf die D. Zudem ist die Angabe der internationalen Vorwahl mittlerweile gängige Geschäftspraxis und dementsprechend nicht als besonderes Kriterium hinsichtlich einer spezifischen Ausrichtung zu sehen. Die Tätigkeit der Beklagten ist im Ergebnis als eine nationale Tätigkeit zu verstehen, woran auch eine internationale Kundschaft nichts zu ändern vermag.
33b)
34Auch die Übersendung der Vollmachtsurkunde und des Auftragsformulars vermag nach Ansicht der Kammer ein Ausrichten der Tätigkeit auf die D nicht zu belegen. Ein Ausrichten gewerblicher oder beruflicher Tätigkeit auf den Verbraucherstaat liegt dann vor, wenn der offenkundige Wille des Vertragspartners festgestellt werden kann, Verbraucher in diesem Staat als Kunden zu gewinnen, er also zu einem Vertragsschluss mit ihm bereit ist. Erforderlich ist jedoch, dass der Vertragspartner ganz allgemein potentielle Kunden werben und nicht nur gezielt bestimmte Einzelpersonen ansprechen will. Vorliegend haben sich die Beklagten mit der Übersendung der Auftrags- und Vollmachtsurkunden sowie eines Begrüßungsanschreibens gerade nicht an eine unbestimmte Anzahl unbekannter Personen gewandt, sondern aufgrund der Absprache mit den Prozessbevollmächtigten des hiesigen Klägers ganz gezielt eine bestimmte Anzahl zu individualisierender Anleger angesprochen. Der Personenkreis war insoweit begrenzt auf diejenigen Anleger einer konkreten Aktiengesellschaft, die den Prozessbevollmächtigten des Klägers bekannt waren und die entweder bereits Mandanten waren oder werden sollten.
35Weiterhin ist relevant, dass das Begrüßungsrundschreiben auch nicht veröffentlicht wurde. Der gesamte Verkehr lief über die Prozessbevollmächtigten des Klägers.
36Vor diesem Hintergrund sieht die Kammer nicht, dass die Beklagten auf eigene Initiative generell ausländische Mandanten werben wollten. Allein unter diesen Umständen wäre jedoch ein Ausrichten der Tätigkeit der Beklagten anzunehmen gewesen.
37II.
38Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 2 ZPO.
39Streitwert: 63.180,73 EUR.
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