Urteil vom Landgericht Arnsberg - 4 O 44/16
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 13.318,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.12.2015 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand:
3Der Kläger wurde durch Beschluss des Amtsgerichts E vom 13.01.2012 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Q (nachfolgend Schuldnerin) bestellt. Das Stammkapital der Schuldnerin beträgt 77.000,00 €, wovon 61.600,00 € auf die Beklagte als Gesellschafterin und 15.400,00 € auf den weiteren Gesellschafter T. G. entfielen.
4Seit dem Bilanzstichtag vom 31.12.2009 wies die Gesellschaft einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von zunächst 34.000,00 € aus. Im Kalenderjahr 2011 bestand ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag in Höhe von mindestens 268.000,00 €. Dennoch wurden durch den Mitgesellschafter T. G. , der gleichzeitig alleinvertretungsberechtigter und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Geschäftsführer der Schuldnerin war, in der Zeit von Mai bis August 2011 Barauszahlungen und Zahlungen mit der Firmenkreditkarte getätigt, hinsichtlich derer der Geschäftsführer keine Auskünfte oder Nachweise erbrachte. Unter § 2 Nr. 4 des Geschäftsführereinstellungsvertrages war geregelt, dass jegliche Zuwendungen des Geschäftsführers an sich selbst nur nach vorherigem Gewinnverteilungsbeschluss der Gesellschafterversammlung zulässig sein sollten. Solche Beschlüsse lagen im Bezug auf die streitgegenständlichen Zahlungen in Höhe von insgesamt 13.318,93 € nicht vor. Vor diesem Hintergrund wurde durch die Insolvenzschuldnerin am 05.01.2012 Strafanzeige gegen den Geschäftsführer erstattet. Es kam nachfolgend zur Verurteilung des Geschäftsführers wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung.
5Der Kläger hat versucht, den Geschäftsführer im Hinblick auf die streitgegenständlichen Barabhebungen und Zahlungen in Anspruch zu nehmen. Die eingeleitete Zwangsvollstreckung auf Basis des Vollstreckungsbescheides vom 19.05.2015 blieb erfolglos. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf die Klageschrift Bezug genommen.
6Mit Schreiben vom 16.11.2015 forderte der Kläger daraufhin die Beklagte zum Ausgleich der entnommenen Beträge gemäß §§ 30, 31 GmbHG bis zum 04.12.2015 vergeblich auf.
7Der Kläger trägt vor, die unberechtigten Entnahmen zugunsten des Gesellschafters und Geschäftsführers T. G. stellten verdeckte Gewinnausschüttungen im Sinne des § 30 GmbHG dar, für welche die Beklagte im Rahmen des § 31 Abs. 3 GmbHG subsidiär hafte.
8Der Kläger beantragt,
9die Beklagte zu verurteilen, an ihn 13.318,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.12.2015 zu zahlen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Die Beklagte erklärt sich hinsichtlich der Frage, ob die Barentnahmen und Zahlungen unberechtigt seien, mit Nichtwissen. Darüber hinaus ist sie der Auffassung, dass bei – wie im vorliegenden Fall gegebenen – rechtswidrigen und unter Missbrauch der Vertretungsmacht erfolgten Auszahlungen keine unzulässige Auszahlung im Sinne des § 30 GmbHG vorliege. Es bestehe vielmehr ein Rückforderungsanspruch der Gesellschaft gemäß § 812 BGB, da die Regelungen über den Missbrauch von Vertretungsmacht und kollusiven Zusammenwirkens auch im Falle eines Insich-Geschäfts anzuwenden seien. Da die Vermögensminderung auf strafbaren Handlungen des Gesellschafter-Geschäftsführers beruhten, komme eine Ausfallhaftung der Beklagten gemäß § 31 GmbHG nicht in Betracht.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitig bei Gericht eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe:
15Die Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung gegen die Beklagte in Höhe von 13.318,93 € aus §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 3 GmbHG.
16Bei den Barvereinnahmungen und Kreditkartenzahlungen des Gesellschafters und Geschäftsführers T. G. im Zeitraum zwischen Mai und August 2011 in Höhe von 13.318,93 € handelt es sich um verbotene Zahlungen im Sinne des § 30 Abs. 1 GmbHG. § 30 Abs. 1 GmbHG soll offene oder verdeckte Rückflüsse des Stammkapitals an die Gesellschafter verhindern und das Gesellschaftervermögen auch in der Folgezeit bis zur Höhe des Stammkapitals als zweckgebundenes Betriebskapital vor der Zweckentfremdung durch Gesellschafter zu schützen (Baumbach/Hueck, 18. Auflage, § 30 Rdz. 4). Die Barentnahmen und Kreditkartenzahlungen des Mitgesellschafters G. sind dessen Vermögen zugeflossen. Dabei ist der Höhe nach unstreitig, dass entsprechende Zahlungen in einer Gesamtsumme von 13.318,93 € in der Zeit von Mai bis August 2011 erfolgt sind, und, dass in dieser Zeit ein nicht durch das Stammkapital gedeckter Fehlbetrag von mindestens 268.000,00 € bestand. Soweit die Beklagte sich mit Nichtwissen darüber erklärt, dass die Zahlungen unberechtigt erfolgt seien, ist dies nicht erheblich. Die Klägerseite hat dargetan, dass den Entnahmen keinerlei Berechtigungen, etwa im Rahmen eines ordentlichen kaufmännischen Verkehrs der Gesellschaft mit Dritten, zugrundelagen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass den Verfügungen des Mitgesellschafters G. andere Geschäfte zugrundelagen, in denen der Gesellschafter G. als Zahlungsempfänger „wie ein Dritter“ zu behandeln wäre (vgl. Baumbach/Hueck, a. a. O., Rdz. 22 f.). Die Beklagte und deren Prozessbevollmächtigter sind im Rahmen der Strafanzeige vom 05.01.2012 (K 2) selbst davon ausgegangen, dass eine Entnahme seitens des Mitgesellschafters G. in Höhe von 13.318,93 € ausschließlich zu privaten Zwecken des Herrn G. erfolgt sei. Auch hat eine entsprechende Verurteilung des Mitgesellschafters wegen Untreue stattgefunden. Vor diesem Hintergrund ist das Bestreiten der Beklagtenseite nicht erheblich. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass den Verfügungen des Mitgesellschafters dennoch Geschäfte im Rahmen des Rechtsverkehrs eines ordentlichen Kaufmannes zugrundegelegen hätten, sind weder dargelegt, noch sonst ersichtlich.
17Es liegt auch entgegen der Auffassung der Beklagten eine Leistung aufgrund eines Gesellschaftsverhältnisses vor. Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 30 Abs. 1 GmbHG gilt, dass die Leistung an Gesellschafter aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses erfolgt und nicht im Rahmen einer Drittbeziehung, bei der etwa der Gesellschafter wie ein unabhängiger Dritter der Gesellschaft gegenüber steht (Baumbach/Hueck, a. a. O., Rdz. 22 f.). Maßgeblich ist dafür, ob das Geschäft im Interesse des Unternehmens lag, ob also ein entsprechendes Geschäft auch mit einem fremden Dritten so abgeschlossen worden wäre. Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt hingegen vor, wenn der Leistung aus dem Gesellschaftsvermögen keine äquivalente Gegenleistung gegenübersteht und danach nach allgemeinen kaufmännischen Grundsätzen die Verfügung nicht durch betriebliche Gründe gerechtfertigt ist, so z. B. auch bei überhöhten Vergütungen an den Gesellschafter-Geschäftsführer (Baumbach/Hueck, a. a. O., Rdz. 21 f.; 25). Die Voraussetzungen des § 30 GmbHG sind danach auch erfüllt, wenn ein Gesellschafter das Gesellschaftsvermögen stiehlt oder unterschlägt (Baumbach/Hueck, a. a. O., Rdz. 29).
18Die Beklagte haftet gemäß § 31 Abs. 3 GmbHG für den zu erstattenden Betrag. Der Kläger hat substantiiert dargelegt, dass eine Erstattung von dem Mitgesellschafter G. als Empfänger der Leistung im Sinne des § 30 GmbHG nicht zu erlangen war. Die Zwangsvollstreckungsversuche blieben ohne Erfolg. Dass eine anderweitige Beitreibung der Beträge aussichtsreich wäre, ist nicht ersichtlich und wurde von der Beklagten auch nicht behauptet. Die sich aus § 31 Abs. 3 GmbHG ergebenden Haftungsbegrenzungen (anteilig im Verhältnis der Geschäftsanteile; Obergrenze: Betrag der Stammkapitalziffer) sind nicht überschritten.
19Die Zinszahlungsansprüche des Klägers resultieren aus §§ 286 Abs. 1, 288 BGB in Folge der Fristsetzung zur Zahlung des Erstattungsbetrages zum 04.12.2015.
20Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
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