Beschluss vom Landgericht Bad Kreuznach (1. Zivilkammer) - 1 T 206/06

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Klägerin vom 17.08.2006 wird der Beschluss des Amtsgerichts Simmern vom 10.08.2006 aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

Die von der Klägerin an den Beklagten zu erstattenden Kosten werden auf 102,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.07.2006 festgesetzt.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 259,61 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Parteien schlossen zur Beendigung eines Mietrechtsstreits vor dem Amtsgericht Simmern im Termin zur mündlichen Verhandlung am 19.05.2006 einen Vergleich, in dem unter Zif. 2 aufgenommen wurde, dass damit alle gegenseitigen Ansprüche der Parteien aus dem beendeten Mietverhältnis erledigt seien. Unter Zif. 3 wurde folgende Kostenregelung getroffen: „Von den Kosten des Rechtsstreits übernehmen die Klägerin ¾ und die Beklagte ¼ mit Ausnahme der Kosten des Vergleichs, diese werden gegeneinander aufgehoben.“ Der Streitwert für das Verfahren wurde auf 494,67 EUR und für den Vergleich auf 4.500,00 EUR festgesetzt.

2

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10.08.2006 setzte der Rechtspfleger beim Amtsgericht Simmern die von der Klägerin an den Beklagten zu erstattenden Kosten auf 362,21 EUR fest. Dabei wurden auf beiden Seiten jeweils 724,42 EUR an außergerichtlichen Kosten angesetzt, wovon der Beklagte einen Anteil von ¼ zu tragen hatte.

3

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 17.08.2006 Beschwerde ein. Zur Begründung führte sie an, dass die 0,8-Differenzgebühr zu Unrecht nicht in die Vergleichskosten aufgenommen worden sei, obwohl sie nur durch den Abschluss eines Vergleichs entstanden sei. Des Weiteren sei lediglich die Terminsgebühr aus einem Gegenstandwert von 494,67 EUR zu den Verfahrenskosten zu zählen und nicht aus einem Gegenstandwert von 4.500,00 EUR. Ohne diesen Vergleich seien auf klägerischer Seiten 153,70 EUR angefallen, beim Beklagtem 188,04 EUR, so dass insgesamt nur 102,60 EUR an den Beklagten zu erstatten seien.

4

Der Rechtspfleger half der Beschwerde mit Beschluss vom 21.08.2006 nicht ab und führte dazu aus, dass von der gegenseitigen Aufhebung der Kosten des Vergleichs lediglich die Einigungsgebühr umfasst sei. Demgegenüber gehörten die 0,8-Differenzgebühr sowie die Terminsgebühr aus dem erhöhten Streitwert nicht zu den Vergleichskosten.

5

Der Beklagte hält den angefochtenen Beschluss für korrekt. Seiner Auffassung nach bestimmt sich die 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Zif. 2 RVG-VV nach dem Wert der nicht rechtshängigen Ansprüche, wegen der beantragt wird, die Einigung zu Protokoll zu nehmen. Diese 0,8 Verfahrensgebühr falle mit Stellung des Antrags an, die Einigung über nicht rechtshängige Ansprüche zu Protokoll zu nehmen, bleibe also auch bestehen, wenn die Einigung letztlich doch keinen Bestand habe.

6

Daraus - wie auch aus der Stellung der Nr. 3101 Zif. 2 im Gebührenverzeichnis - ergebe sich, dass es sich bei der Verfahrensdifferenzgebühr nicht um unmittelbare Kosten des Vergleichs handeln könne.

7

Des Weiteren errechne sich die Terminsgebühr aus dem gesamten Streitgegenstand, nicht nur aus dem rechtshängigen Teil. Ferner sei der Beschluss des OLG Koblenz vom 06.06.2006 zu berücksichtigen, nach dem sich der Anspruch des Klägervertreters gegen die Staatskasse nach der Terminsgebühr aus 4.500,00 EUR bestimme.

II.

8

Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

9

Zu Unrecht hat der Rechtspfleger beim AG Simmern auch die Verfahrensdifferenzgebühr gem. Nr. 3101 Zif. 2 RVG-VV in die zu erstattenden Kosten des Verfahrens einbezogen sowie die auszugleichende Terminsgebühr nach Nr. 3104 RVG-VV nach dem Streitwert der nicht rechtshängigen Ansprüche bestimmt.

10

Die Vereinbarung der gegenseitigen Kostenaufhebung ist regelmäßig dahingehend auszulegen, dass die durch den Vergleichsabschluss bedingten Kosten von jeder Partei selbst zu tragen sind. Ausdrücklich haben die Parteien jedoch - wie auch der Schriftsatz des Beklagten vom 02.11.2006 klarstellt - keine Regelung darüber getroffen, welche Gebühren genau von den Vergleichskosten umfasst sein sollen. Daher ist zur Auslegung das dispositive Recht heranzuziehen, namentlich die Vergütungsvorschriften des RVG. Nach Nr. 3101 Zif. 2 RVG-VV beträgt die Verfahrensgebühr 0,8, soweit lediglich beantragt ist, eine Einigung der Parteien oder mit Dritten über in diesem Verfahren nicht rechtshängige Ansprüche zu Protokoll zu nehmen oder festzustellen (§ 278 Abs. 6 ZPO) oder soweit lediglich Verhandlungen vor Gericht zur Einigung über solche Ansprüche geführt werden. Für eine Gebühr nach Nr. 3101 Zif. 2 RVG-VV ist es danach unerheblich, ob die Verhandlungen vor Gericht Erfolg haben oder nicht (vgl. Riedel/Sußbauer, RVG, 9. Aufl. 2005, VV Teil 3 Abschnitt 1 Rn. 35).

11

Unter Geltung der BRAGO entsprach es der herrschenden Meinung, die Prozessdifferenzgebühr gem. § 32 Abs. 2 BRAGO den Kosten des Vergleichs zuzurechnen (vgl. bspw. OLG Hamm, Beschl v. 28.06.2001; OLG Köln, Beschl. v. 20.12.2000). Für die an ihre Stelle getretene Verfahrensdifferenzgebühr nach Nr. 3101 Nr. 2 RVG-VV kann nichts anderes gelten. Trotz unterschiedlicher Formulierung entstand die Differenzgebühr des § 32 Abs. 2 BRAGO nicht erst mit Abschluss, sondern bereits mit der Stellung des Antrags auf Protokollierung eines gerichtlichen Vergleichs, so dass sich insoweit keine Änderung zur nunmehr gültigen Rechtslage ergibt.

12

Unter Geltung des RVG kann nun nichts anderes gelten. Die Gebühr nach Nr. 3101 RVG-VV ist nur deshalb erwachsen, weil der Vergleich einen entsprechend höheren Gegenstand umfassen sollte, und gehört mithin zu den Kosten des Vergleichs und nicht zu den allgemeinen Verfahrenskosten. Eine Auslegung der getroffenen Kostenvereinbarung dahingehend, dass sich diese nur auf die anfallende Einigungsgebühr beziehen sollte, erscheint nicht sachgerecht (vgl. auch OLG München, Beschl. v. 17.05.2006). Zu den Kosten des Vergleichs gehören vielmehr bei zutreffender objektiver Betrachtung alle durch den Vergleichsabschluss unmittelbar entstandenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten. Die mitverglichenen Ansprüche werden jedoch nicht zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht, sondern sind von vornherein nur Gegenstand der Vergleichsgespräche und des Vergleichsabschlusses. Wenn die Parteien eine Einbeziehung der Verfahrensdifferenzgebühr in die allgemeinen Verfahrenskosten gewollt hätten, wäre dies entsprechend zu vereinbaren gewesen (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl. 2006, VV 3100 Rn. 171).

13

Dem steht auch die Argumentation der Klägerin nicht entgegen, dass die Gebühr nach Nr. 3101 RVG-VV auch dann anfalle, wenn die Einigung letztlich nicht zustande komme. Wäre also im vorliegenden Fall lediglich über die nicht rechtshängig gemachten Ansprüche verhandelt worden, ohne hierüber einen Vergleich zu erzielen, so wäre in den Kostenerstattungsanspruch die Verfahrensdifferenzgebühr nach einem Gegenstandswert von 4.500 EUR einzubeziehen gewesen. Aus diesem Umstand allerdings die Schlussfolgerung zu ziehen, dass damit auch bei einer erfolgten Einigung die Verfahrensdifferenzgebühr zu den Verfahrenskosten zu zählen wäre, erscheint weder zwingend noch sachgerecht, und zwar umso mehr, wenn die letztlich mitverglichenen Ansprüche von vornherein nur Gegenstand der Vergleichsgespräche sein sollten.

14

Daher ist diese Gebühr im Rahmen der Kostenfestsetzung nicht erstattungsfähig, sofern die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufgehoben wurden (i.E. ebenso Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl. 2006, VV 3100 Rn. 171; Schneider/Wolf, RVG, 3. Aufl. 2006, VV 3101 Rn. 123; OLG München, Beschl. v. 17.05.2006).

15

Die Beschwerde der Klägerin hat schließlich auch dahingehend Erfolg, als die in den Kostenausgleich einbezogene Terminsgebühr gem. Nr. 3104 zu Unrecht aus dem höheren Gegenstandswert von 4.500,00 EUR entnommen wurde. Die vorstehenden Erwägungen zur Differenzverfahrensgebühr gelten auch hier. Auch die höhere Terminsgebühr wurde nur dadurch ausgelöst, dass die Parteien anderweitige Ansprüche in ihre Vereinbarung einbezogen haben (vgl. OLG München, Beschl. v. 17.05.2006). Dass das OLG Koblenz mit Beschluss vom 06.06.2006 die Honorierung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin aus der Staatskasse auf die Terminsgebühr aus 4.500,00 EUR erstreckte, steht dem nicht entgegen. Die hier maßgebliche Frage, aus welchem Streitwert sich die auszugleichenden Verfahrenskosten bestimmen, ist von der Tatsache zu trennen, dass die Terminsgebühr für den Rechtsanwalt aus dem höheren Vergleichswert anfällt. Ohne die Einbeziehung der nicht rechtshängigen Ansprüche wäre die Terminsgebühr lediglich aus einem Verfahrensstreitwert von 494,67 EUR angefallen.

16

Nach alledem berechnet sich der Kostenausgleich zwischen den Parteien wie folgt:

17

Summe

   

  153,70 EUR

Rechtsanwaltskosten der Klägerin:

   

   

1,3 Verfahrensgebühr aus 494,67 EUR    

Nr. 3100 RVG-VV

58,50 EUR

1,2 Terminsgebühr aus 494,67 EUR

Nr. 3104 RVG-VV

54,00 EUR

Postentgeltpauschale

Nr. 7002 RVG-VV

20,00 EUR

16 % Mehrwertsteuer

Nr. 7008 RVG-VV

21,20 EUR

18

Summe

   

  153,70 EUR

Rechtsanwaltskosten des Beklagten:

   

   

1,3 Verfahrensgebühr aus 494,67 EUR    

Nr. 3100 RVG-VV

58,50 EUR

1,2 Terminsgebühr aus 494,67 EUR

Nr. 3104 RVG-VV

54,00 EUR

Postentgeltpauschale

Nr. 7002 RVG-VV

20,00 EUR

16 % Mehrwertsteuer

Nr. 7008 RVG-VV

21,20 EUR

19

Kostenausgleich:

   

Ausgleichsfähige Kosten insgesamt

307,40 EUR

davon trägt der Beklagte ¼

76,85 EUR

eigene ausgleichsfähige Kosten

153,70 EUR

von der Klägerin daher zu erstatten:        

76,85 EUR

20

Die Klägerin hat mit ihrem Beschwerdeantrag allerdings lediglich die Festsetzung der zu erstattenden Kosten auf 102,60 EUR verlangt, so dass insoweit auch nur in dieser Höhe zu erkennen war.

21

Die Kostenentscheidung bestimmt sich nach § 92 Abs. 1 ZPO.

22

Die Rechtsbeschwerde zum BGH war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 574 ZPO vorliegend nicht gegeben sind.

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