Beschluss vom Landgericht Baden-Baden - 4 O 27/06

Tenor

1. Die Antragsgegnerin hat es ab sofort zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für die Zeitschrift "..." mit der Behauptung zu werben:

"118.000 Exemplare werden per Post an in Deutschland niedergelassene Ärzte verschickt und werden von ihnen in das Wartezimmer gelegt. Nimmt nur jeder 10. von den durchschnittlich 75 Patienten pro Praxis an 20 Öffnungstagen das Heft in die Hand, erreicht es pro Monat 16,5 Mio. Leserkontakte."

2. Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung gem. Ziffer 1 ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise an ihrem Geschäftsführer zu vollziehende Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

3. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens.

4. Der Streitwert des einstweiligen Verfügungsverfahrens wird auf 20.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

 
1.
Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gem. Antragschrift vom 13.03.2006 war zunächst durch Beschluss des Landgerichts Baden-Baden – 4 O 27/06 KfH – vom 16.03.2006 – vgl. zum Inhalt AS 29 bis 39 – im Wesentlichen deshalb zurückgewiesen worden, weil die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht hatte, dass in der beanstandeten Werbung der Antragsgegnerin unrichtige Tatsachenbehauptungen enthalten sind und damit irreführende Werbung i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG vorliegt.
Die Antragstellerin hat im Rahmen ihrer gegen diesen landgerichtlichen Beschluss eingelegten sofortigen Beschwerde dann allerdings Glaubhaftmachungsmittel nachgeholt – vgl. insbesondere Anlagen Ast 6 und Ast 7 i.V.m. den Schriftsätzen zur Beschwerdebegründung vom 03. und 04.04.2006.
2.
Aufgrund der nachgereichten Glaubhaftmachungsmittel, insbesondere der Anlage Ast 7, ist für das vorliegende einstweilige Verfügungsverfahren seitens der Antragstellerin hinreichend glaubhaft gemacht, dass die durchschnittliche Patientenfrequenz pro Öffnungstag einer Arztpraxis lediglich ca. 20 und nicht wie von der Antragsgegnerin in ihrer beanstandeten Werbung zugrundegelegt 75 Patienten pro Tag beträgt.
Denn bei der Anlage Ast 7 handelt es sich um eine Auskunft der kassenärztlichen Bundesvereinigung mit entsprechendem Aussagegewicht, sodass an der Richtigkeit der hierin enthaltenen Angaben keine Zweifel bestehen. Aus der dort angegebenen Anzahl von Fällen je Praxis im Jahr 2004 läßt sich bei durchschnittlich 20 geöffneten Praxistagen pro Monat schlüssig die Zahl von ca. 20 Patienten pro Tag rückrechnen.
Damit liegt aber dem beanstandeten Werbeschreiben der Antragsgegnerin – vgl. Anlage Ast 1 – eine entscheidend unrichtige Tatsachenbehauptung zugrunde, da dort statt richtigerweise 20 Patienten 75 Patienten angegeben sind, worauf die gesamte dort abgeleitete Berechnung aufbaut.
Im Hinblick auf diese unrichtige Ausgangstatsache liegt in diesem Werbeschreiben somit zweifelsfrei eine irreführende Werbung i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG, da der angesprochene Verbraucher nicht in der Lage ist, die Unrichtigkeit der Angabe von 75 Patienten pro Praxis zu erkennen, woraus sich der dann maßgebliche Täuschungscharakter des gesamten Werbeschreibens ergibt.
Insbesondere ist gerade diese Angabe eine eindeutige – wie glaubhaft gemacht – falsche Tatsachenbehauptung und nicht etwa von bloß hypothetischem Charakter.
Da sich aufgrund dieser unrichtigen Ausgangsaussage eine entsprechende Irreführung der gesamten Werbeaussage der Antragsgegnerin ergibt, steht der zweifelsfrei klagebefugten Antragstellerin ein entsprechender Unterlassungsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin gem. §§ 5 Abs. 1, Abs. 2 Ziffer 1, 3, 8 Abs. 1 UWG zu, sodass im Wege der einstweiligen Verfügung wie aus dem Tenor ersichtlich zu erkennen war.
Dass die vorliegende Entscheidung erst nach Abhilfe der sofortigen Beschwerde gegen den zuvor ergangenen Beschluss vom 16.03.2006, verbunden mit dessen Aufhebung, erging, stand einem sofortigen Erlass der einstweiligen Verfügung im Beschlusswege nicht entgegen. Zwar ist im Regelfall bei einer Abhilfeentscheidung aufgrund einer eingelegten Beschwerde zunächst dem Gegner rechtliches Gehör zu gewähren (vgl. Baumbach/Lauterbach, ZPO, 64. Aufl., RN 1 ff zu § 572 ZPO). Dies gilt jedoch nicht für das einstweilige Verfügungsverfahren, da im Hinblick auf den Eilcharakter dieses Verfahrens ebenso wie beim sofortigen Erlass einer einstweiligen Verfügung auch bei der vorliegenden Konstellation im Fall der Erlassreife ohne vorheriges rechtliches Gehör entschieden werden kann. Dieses wird nämlich im Falle der Widerspruchseinlegung im Widerspruchsverfahren innerhalb der Instanz nachgeholt.
10 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

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