Urteil vom Landgericht Bielefeld - 6 O 202/02
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.265,67 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 05.03.2002 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 42 % und trägt der Beklagte 58 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar für die Klägerin in Höhe des zu vollstreckenden Betrages zzgl. 10%; sie kann die Zwangsvollstreckung des Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 600,00 EUR abwenden, sofern dieser nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand
2Die Klägerin verlangt Schadenersatz nach dem Tode ihrer Hannoveraner Stute
3Sie ist Freizeitreiterin. Seit September 2001 hatte sie aufgrund mündlich abgeschlossenen Pensionsvertrags ihr Pferd im Stall des Beklagten eingestellt. Diesem oblag die Unterbringung und Fütterung des Pferdes. Im Januar 2002 erkrankten im Stall des Beklagten 8 Pferde. Neben weiteren 6 Tieren ging auch das Pferd der Klägerin trotz tierärztlicher Behandlung ein. Die Pferde waren zuvor mit Grassilage gefüttert worden.
4Die Klägerin behauptet, das Silagefutter – zuvor vor der Verfütterung in Folie verpackt – sei verunreinigt (sandig) gewesen. Es seien Gifte entstanden, die bei ihrem Pferd zu Krankheit und Tod geführt hatten (Botulismus).
5Sie behauptet den Wert ihres Pferdes mit 4.300,00 EUR. Überdies habe sie - unstreitig vergeblich – Tierarztkosten in Höhe von 1.365,67 EUR aufgewandt.
6Die Klägerin trägt vor, sie könne zum Betriebsablauf beim Beklagten nichts sagen. Sie meint, ein eventuelles Risiko oder Unaufklärbarkeit der Schadenursache gehe letztendlich zu Lasten des Beklagten.
7Sie beantragt,
8diesen zu verurteilen, an sie 5.665,67 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hierauf ab dem 05 .03.2002 zu zahlen.
9Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
10Er bestreitet die Diagnose "Botulismus" und verweist darauf, dass die Tierklinik das Pferd auf Koliken behandelt habe. Er trägt vor, die Klägerin stelle lediglich Vermutungen auf, wenn sie behaupte, das Futter sei verunreinigt gewesen. Der Beklagte behauptet, das von ihm verfütterte Futter, das die Pferde als Rauhfutter benötigten, sei sauber und ordnungsgemäß gewesen. Bei einer Probenuntersuchung an der Universität sei eine Probe der Grassilage aus dem fraglichen Ballen untersucht und für in Ordnung befunden worden (Attest Bl. 37 d.A.). Im Übrigen sei nur bei einem der erkrankten Pferde Botulismus positiv festgestellt worden. Ein Pferd könne sich auch in de r freien Natur durch die Aufnahme von verunreinigtem Futter oder anderen Gegenständen infizieren. Er ist der Auffassung, eine objektive Pflichtverletzung, für die er hafte, lasse sich nicht feststellen.
11Der Einzelrichter hat Beweis erhoben durch Vernehmung der sachverständigen Zeuge … und … Ferner hat der Einzelrichter zum Wert des Pferdes ein Gutachten des Sachverständigen … aus … eingeholt. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
12Entscheidungsgründe
13Die Klage ist in Höhe des zuerkannten Betrages berechtigt. Der Beklagte ist verpflichtet, Schadensersatz an die Klägerin zu bezahlen. Bezüglich der Zuvielforderung war die Klage abzuweisen.
141.
15Die Klägerin kann von dem Beklagten Schadensersatz nach den Grundsätzen der vertraglichen Schlechterfüllung entsprechend §§ 276, 325 BGB verlangen. Denn der Beklagte hat den mündlich abgeschlossenen Tierpensionsvertrag mit der Klägerin schlecht erfüllt. Die Klägerin hat beweisen können, dass ihr Pferd … an Botulismus eingegangen ist und dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, jedenfalls in einem Maße, dass vernünftiger Zweifel schweigt, kontaminiertes Futter, dass der Beklagte und seine Leute an das Pferd verfüttert haben, dafür ursächlich war.
16a)
17Die Klägerin hat beweisen können, dass Botulismus die Ursache für den Tod ihres Pferdes war. Dieses ergibt sich aus den Aussagen der beiden behandelnden Tierärzte, der sachverständigen
18Zeugen … und … .Der Zeuge … hat wörtlich ausgesagt:
19"Bei dem Pferd war die klinische Diagnose eindeutig. Es waren alle klassischen Merkmale des Botulismus gegeben. Es ist in der Regel so, dass bei Botulismus mehrere Pferde erkrankt sind. Das war auch hier so."
20Dem Beklagten hilft nicht, dass die Diagnose lediglich "Verdacht auf Botulismus" lautete. Denn diese Angabe hat – wie der Zeuge erläutert hat - ihren Grund lediglich darin, dass der Zeuge bei der Formulierung der Diagnose zurückhaltend war. Er war sich seiner Sache aber sicher. Allerdings fehlte ihm die volle naturwissenschaftliche Gewissheit, da ihm kein sereologisches Untersuchungsergebnis vorlag. Insofern hat der Zeuge auch "klinische Diagnose" und nicht "Diagnose" formuliert.
21Die Angaben des Zeugen ... werden durch die Aussage des Zeugen … erhärtet. Auch dieser hat als praktischer Tierarzt und Erstbehandler des Pferdes die Diagnose "Botulismus" gestellt. Er hat ebenfalls den Verdacht auf eine bakterielle Erkrankung mehrerer Pferde im Stall des Beklagten bekundet und festgestellt, dass die Verdauung des Pferdes
22"…" nicht in Ordnung war. Der Zeuge hat überdies ausgesagt, dass er für die die Diagnose "Botulismus" bestimmte Symptome "Schleim, Schwierigkeiten bei der Futteraufnahme" festgestellt habe. Vor dem Verbringen des Pferdes i n die Tierklinik
23… hat der Zeuge s eine sachverständigen Beobachtungen mit einem Kollegen ·der Tierklinik in … telefonisch ausgetauscht und dort seine Einschätzung bestätigt gefunden.
24b)
25Die Verfütterung von kontaminiertem Futter ist die Krankheits- bzw. Todesursache. Dieses ist vom Beklagten zu vertreten. Nach Aussagen der Zeugen steht fest, dass an der Stelle, an der die Grassilage gelagert war, Sand auf dem Boden lag. Dieser Umstand spricht für eine Versehrnutzung des Futters. Dem Beklagten hilft nicht, dass die Untersuchung der Silageprobe kein positive s Ergebnis erbracht hat. Im Attest vom 25.02.2002, Bl. 37 d.A., heißt es ausdrücklich :
26"Interpretation: Es kann davon ausgegangen werden, dass es sich um einen Fall von akutem Botulismus (C. botulinum Typ ABE) handelt. Trotz verlängerte r Bebrütung konnte der Anfangsverdacht beim Futter nicht abgeklärt werden. Bei Botulismus zählt nur das positive Ergebnis; negative Nachweise können durch verschiedene Faktoren ein Vorhandensein von C. botulinum als Toxin oder bakterielle Form verstecken."
27Diese Interpretation besagt, wie sich aus dem Wortlaut ergibt, und wie der s sachverständige Zeuge … bestätigt hat, dass der Nachweis von Botulismuserregern substanziell nicht gelungen
28ist. Andererseits ist damit nicht der Nachweis erbracht, dass das Futter frei von Toxinen oder Bakterien war, die Botulismus hervorrufen können.
29Für die Klägerin streitet auch der Stand der aktuellen Forschungsergebnisse. Danach ist - wie der Zeuge -… mitgeteilt hat - die Verfütterung von Silage in erster Linie für Botulismuserkrankungen
30verantwortlich. Der Beklagte kann schließlich nicht geltend machen, die Ursache für die Erkrankung des Pferdes könne außer halb des Stalles liegen. Insofern hat der sachverständige Zeuge … einleuchtend dargelegt, dass Botulismuskeime erst unter den Bedingungen des Luftabschlusses in der die Silage vor der Fütterung verpackenden Plastikhülle gedeihen. Zuvor sind sie als Sporen inaktiv und ungefährlich.
312 .
32Die Klägerin muss sich bei der Höhe ihrer Schadensersatzforderung Abzüge gefallen lassen . Die Tierarztkosten sind mit1.365,67 EUR belegt und unstreitig. Oberzeugend hat der Sachverständige … den Wert des Pferdes "…" für Januar 2002 auf 1.800,00 EUR bis 2.000,00 EUR geschätzt . Gemäß § 287 ZPO legt der Einzelrichter 1. 900,00 EUR zugrunde. Der Gesamtanspruch der Klägerin beträgt demnach 3.265,67 EUR.
333 .
34Die Zinsentscheidung folgt aus § 288 b BGB, die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
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Referenzen
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