Urteil vom Landgericht Bielefeld - 1 O 475/08
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand
2Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz wegen eines Sturzes am 07.01.2008 in Anspruch, zu dem die Klägerin meint, dass dieser Folge einer der Beklagten anzulastenden Amtspflichtverletzung sei.
3Am 07.01.2008 beging die Klägerin den südlichen Bürgersteig an der N.Straße in B. in Richtung Bahnhof. Der Bürgersteig ist dort in einen ca. 1 m breiten Fahrradweg und einen daran anschließenden, gleichfalls ca. 1 m breiten Fußweg unterteilt. Der Fahrradweg ist farblich gekennzeichnet und anders gepflastert. Neben dem Fußweg befindet sich eine abgesandete Fläche. Am Ende dieser neben dem Fußweg gelegenen Fläche befindet sich eine ca. 2,5 m lange in einer Höhe von ca. 70 cm an Pömpeln befestigten Metallkette. Die nächste Straßenlaterne befindet sich ca. 13 m entfernt, und zwar auf dem in der Mitte der N.Straße gelegenen Parkstreifen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Unfallörtlichkeit wird auf die von der Beklagten zur Akte gereichten Fotos, Bl. 79f. d.A., verwiesen.
4Die Klägerin behauptet, dass sie gegen 17:15/17:30 Uhr auf die im Dunkeln nicht ausreichend von der Pflasterung zu unterscheidende abgesandete Fläche geraten sei. Es habe keine ausreichende Ausleuchtung gegeben, um die Grenzen des Fußweges zu erkennen. Am Ende der neben dem Fußweg gelegenen Fläche sei sie dann über die Metallkette gestürzt. Sie habe die Kette in der Dunkelheit nicht erkennen können. Die Kette sei rechts oberhalb des Knies und links unterhalb des Knies an ihre Beine geschlagen. Sie sei ungebremst auf die kopfsteingepflasterte Fläche gefallen, wobei sie noch versucht habe, die linke Hand nach vorne zu strecken. Sie habe sich an Gesicht und linkem Arm erhebliche Verletzungen, insbesondere eine knöcherne Verletzung am linken Handgelenk zugezogen. Sie sei als selbständige Kamerafrau und Dokumentarfilmerin bis zum 15.06.2008 arbeitsunfähig gewesen.
5Durch den Sturz sei die von der Klägerin getragene am 04.01.2008 zum Preis von 76,93 € erworbene Jeanshose so beschädigt worden, dass diese unbrauchbar geworden sei. Während vorgerichtlich noch Schmerzensgeld von der Beklagten verlangt wurde, verlangt die Klägerin nunmehr nur materiellen Schaden ersetzt, der nicht über die Berufsgenossenschaft abgedeckt wurde, nämlich Schadensersatz für die beschädigte Hose, eine Kostenpauschale, die sie in Höhe von 25,00 € für angemessen erachtet, sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 39,00 €.
6Die Klägerin beantragt,
7die Beklagten zu verurteilen, an die sie 101,93 € und 39,00 € jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
8Die Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Sie bestreitet die näheren Umstände des Unfalls, die erlittenen Verletzungen und die geltend gemachten Schäden mit Nichtwissen. Nach ihrer Ansicht liege keine Verkehrssicherungspflichtverletzung vor. Jedenfalls sei der Klägerin ein überwiegendes Mitverschulden anzulasten.
11Entscheidungsgründe
12Die Klage ist nicht begründet.
13Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf Zahlung von 101,93 € aus Amtshaftungsgrundsätzen gemäß Art. 34 GG, § 839 BGB i.V.m. §§ 9, 9a StrWG NRW zu.
14Die Beklagte ist für die N.Straße verkehrssicherungspflichtig. Gemäß §§ 9, 9a StrWG NRW sind Straßen und Wege so herzustellen und zu unterhalten, dass sie den Erfordernissen der Sicherheit und Ordnung genügen. Diese Aufgabe obliegt hier der Beklagten als Gebietskörperschaft, und zwar als hoheitliche Aufgabe.
15Eine Verletzung der der Beklagten obliegenden Verkehrssicherungspflicht kann indes nicht festgestellt werden.
16Selbst wenn man das Unfallgeschehen wie von der Klägerin geschildert zugrunde legt, wenn man davon ausgeht, dass die Klägerin über die zwischen zwei Pfosten gespannte Metallkette im angrenzenden Bereich zum Fußgängerweg N.Straße zu Fall kam, kommt eine pflichtwidrige Verkehrssicherungspflichtverletzung durch die Beklagte nicht in Betracht.
17Grundsätzlich hat der Verkehrssicherungspflichtige in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise all diejenigen Gefahren auszuräumen und erforderlichenfalls vor ihnen zu warnen, die für den die erforderliche Sorgfalt waltenden Benutzer nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind, oder auf die er sich nicht einzustellen vermag. Die Straßenverkehrssicherungspflicht der Gebietskörperschaften ist jedoch auf diejenigen Gefahrenquellen beschränkt, die von den Verkehrsteilnehmern trotz Anwendung der von ihnen zu erwartenden Eigensorgfalt nicht ohne weiteres selbst beherrscht werden können. Die Verkehrsteilnehmer haben daher ihre eigenen Sicherheitsbelange zunächst einmal nach Kräften selbst wahrzunehmen. Ob eine Gefahrenquelle von den Straßenbenutzern in diesem Sinne beherrschbar ist oder ob sie der Abhilfe bedarf, richtet sich maßgeblich nach den vernünftigen Sicherheitserwartungen des Verkehrs, die insbesondere durch das äußerer Erscheinungsbild und die Verkehrsbedeutung der betreffenden Verkehrsfläche, sowie die allgemeinen Gefahrenkenntnisse der Verkehrsteilnehmer bestimmt sind. Ein Tätigwerden des Verkehrssicherungspflichtigen ist dann geboten, wenn Gefahren bestehen, die auch für einen sorgfältigen Benutzer nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag (vgl. Palandt-Sprau, § 823 Rn. 51 und 221 m.w.N.; BGH VersR 1979, 1055; OLG Düsseldorf VersR 1996, 384).
18Die Verkehrssicherungspflicht umfasst die gesamte Straße bis zu der Stelle, die dem Verkehrsteilnehmer als Grenze äußerlich erkennbar ist, BGHZ 37, 165 ff. Sie gilt auch für angrenzende Bereiche der Straßen und Wege, jedenfalls dann, wenn eine Benutzung derselben zu erwarten ist, weil die Benutzer keine sichere Abgrenzung treffen können.
19So liegt der Fall hier jedoch nicht.
20Nach Ansicht der Kammer war es aufgrund des vom gepflasterten Bürgersteiges unschwer zu unterscheidenden Untergrundes, auf dem die Klägerin wohl zu Fall kam, möglich, wahrzunehmen, dass der gesicherte Bereich "Bürgersteig" verlassen wird, und zwar unabhängig vom Schuhwerk. Aufgrund eigener Erfahrungen können sandige Untergründe, auch wenn sie wie hier mit einem sehr festen Untergrund verbunden sind, beim Begehen leicht von gepflasterten Bereichen unterschieden werden. Auf die Lichtverhältnisse kommt es nicht an. Der Bürgersteig an der N.Straße verläuft zudem geradlinig. Auch mit der zumindest seinerzeit vorhandenen unterschiedlichen Pflasterung – großflächige Betonplatten und Kopfsteinpflaster – war es unschwer möglich, die Grenzen des Weges parallel zur Straße und zum direkt angrenzenden Radweg, zu erkennen.
21Dass die Klägerin den Bürgersteig womöglich zufällig kurz vor der Kette verlassen hat, um entgegenkommenden Passanten auszuweichen, kann nicht dazu führen, dass das umliegende Gebiet auch der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten unterfiele.
22Nicht anderes kann daraus entnommen werden, dass die Klägerin behauptet, ihrer Kenntnis nach oder entsprechenden Aussagen nach, die ihr gegenüber im Krankenhaus gemacht wurden, hätte der Beklagten die Gefährlichkeit der Stelle bekannt sein müssen. Zwar hat die Beklagte eingeräumt, dass sich nun in insgesamt vier Fällen Betroffene an sie gewandt haben, die an derselben bzw. vergleichbarer Stelle an der N.Straße zu Fall gekommen sein mögen. Dieser Umstand ändert nichts daran, dass hier gleichwohl eine beherrschbare Gefahrenstelle vorliegt, die – auch im Dunkeln wegen des Untergrundes erkennbar - eben nicht zum Gehweg gehört.
23Es kommt daher nicht entscheidend darauf an, ob die Kette tatsächlich kaum zu sehen ist oder erst aus einer Entfernung von wenigen Zentimetern. Es obliegt einer verkehrssicherungspflichtigen Gemeinde nicht, jedwede Stelle eines Weges hinreichend auszuleuchten. Maßgeblich sind insofern die jeweiligen Gegebenheiten und Verhältnisse, die Anforderungen dürfen nicht überspannt werden, vgl. dazu BGH NJW 1961, 869. Die Beleuchtungspflicht erstreckt sich jedenfalls nicht auf nicht der Verkehrssicherungspflicht unterfallende Bereiche.
24Die Klägerin kann sich schließlich auch nicht mit Erfolg auf die Entscheidung des OLG Hamm vom 03.02.2009, 9 U 101/07, berufen. Im dort entschiedenen Fall ging es zwar auch um den Sturz über eine Metallkette. Diese war jedoch zur Sperrung einer Fußgängerzone angebracht und befand sich in einem Bereich, für den eine Verkehrssicherungspflicht bestand.
25Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Referenzen
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