Beschluss vom Landgericht Bochum - I-10 T 26/08
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Schuldner aufer-legt.
Der Beschwerdewert wird auf 4.000,00 € festgesetzt.
1
G r ü n d e
2I.
3Der Schuldner absolvierte erfolgreich ein Ingenieur-Hochschulstudium, Bauingenieurwesen. Zurzeit ist er als selbständiger Statiker tätig; er berät als freiberuflicher Ingenieur die h GmbH (im folgenden: h GmbH), die ihren Geschäftssitz unter anderem unter der Wohnanschrift des Schuldners hat. Vor seiner Tätigkeit für die h GmbH war er als freiberuflich tätiger Tragwerksplaner und Statiker tätig. Er ist zwei Kindern unterhaltspflichtig.
4Mit Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgerichts – Bochum vom 20.09.2002 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet worden. Dem Schuldner ist durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom 27.07.2005 die Restschuldbefreiung angekündigt und festgestellt worden, dass die Laufzeit der Abtretung mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 20.09.2002 begonnen habe und sechs Jahre betrage.
5Unter dem 17.08.2005 wies der Treuhänder den Schuldner schriftlich (Bl. 47 f. d.A.) darauf hin, dass er verpflichtet sei, monatliche Zahlungen in Höhe der pfändbaren Beträge seines fiktiven Einkommens an die Insolvenzmasse zu leisten und forderte ihn auf, entsprechende monatliche Zahlungen, beginnend mit dem August 2005, zu leisten. Zugleich wies er ihn auf die Möglichkeit der Versagung der Restschuldbefreiung auf Gläubigerantrag hin.
6Mit Bericht vom 13.12.2006 wies der Treuhänder darauf hin, dass er den Schuldner auf dessen Verpflichtung nach § 295 Abs. 2 InsO hingewiesen habe. Gleichwohl habe der Schuldner hierauf nicht reagiert; Zahlungen seien seitens des Schuldners in der Folgezeit nicht erfolgt. Aus der BWA zum 31.07.2005 ergebe sich ein vorläufiges Gesamtergebnis von 24.424,10 €, was einer fiktiven Lohnabrechnung mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von 3.489,15 € entspreche. Unter Berücksichtigung dieses fiktiven Einkommens hätte der Schuldner einen pfändbaren Betrag zur Masse abführen müssen, was jedoch nicht geschehen sei. Damit aber liege ein Versagungsgrund gemäß §§ 296, 295 InsO vor.
7Unter dem 27.04.2007 stellte die Gläubigerin sinngemäß den Antrag, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen, weil er seinen Pflichten in der Wohlverhaltensphase nicht nachgekommen und ihr deswegen ein finanzieller Schaden entstanden sei. Mit Verfügung vom 16.05.2007 beanstandete das Insolvenzgericht diesen Antrag und rügte, dass nachvollziehbare Tatsachen, die den Schluss auf eine Obliegenheitsverletzung ermöglichten, nicht behauptet und glaubhaft gemacht worden seien. Allein der Bezug auf den Bericht des Treuhänders genüge hierfür nicht. Unter dem 31.07.2007 nahm die Gläubigerin über ihre Verfahrensbevollmächtigten ergänzend Stellung. Sie führte aus, dass der Schuldner faktisch nichts unternommen habe, um seiner Erwerbsobliegenheit nachzukommen und Zahlungen an die Gläubiger zu leisten. Gerade im Bereich des Bauingenieurwesens sei zurzeit ein erheblicher personeller Bedarf zu verzeichnen, was sich positiv auf das Gehaltsniveau auswirke. Nach dem ASIA-Tarifvertrag, Tarifgruppe T 6 (Ingenieure mit Hochschulabschluss und mindestens 10 Jahren Berufserfahrung) habe ein Ingenieur im Jahre 2004 46.912,00 € jährlich erhalten. Der Schuldner sei überdies als beratender Ingenieur berechtigt, auf der Basis des § 6 HOAI Stundensätze in Höhe von 36,00 € bis 82,00 € zu fordern. Der durchschnittliche Honorarumsatz von Architekten- und Ingenieurbüros bei einer angenommenen Bürogröße von einem Inhaber ohne Mitarbeiter habe im Jahre 2004 55.151,00 € betragen. Der Schuldner sei weder nach seinen persönlichen noch gesundheitlichen Verhältnissen daran gehindert, einer entsprechenden Erwerbstätigkeit, die zu einer Erhöhung der Insolvenzmasse um mindestens 20.000,00 € jährlich führte, nachzugehen. Im Übrigen erziele er über seine offengelegten Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit hinaus weitere Einkünfte, die er jedoch nicht offen lege, sondern über das Unternehmen h GmbH, an der seine Schwester zu 50 % als Gesellschafterin beteiligt sei und deren Geschäftsführer ein branchenunkundiger Zahntechnikermeister sei, vereinnahmen lasse. Die so erzielten, aber verschleierten Einkünfte blieben den Gläubigern entzogen.
8Mit Beschluss vom 13.08.2007 wies das Insolvenzgericht den Versagungsantrag mit der Begründung zurück, dass dieser unvollständig und daher unzulässig sei. Es sei nicht im Einzelnen dargelegt und glaubhaft gemacht worden, dass durch das Verhaltens des Schuldners die Befriedigung der Gläubiger beeinträchtigt worden sei. Hiergegen wendete sich die Gläubigerin mit ihrer Beschwerde vom 12.09.2007 (Bl. 38 ff. d.A.). Sie führte aus, dass unter Zugrundelegung eines fiktiven Einkommens von 3.489,15 brutto € unter Abzug von 19 % Sozialversicherungsabgaben und 9 % Einkommensteuer sich ein Nettobetrag in Höhe von 2.572,85 € ergebe, so dass unter Berücksichtigung der Pfändungstabelle zu § 850c ZPO ein pfändbarer Betrag von 240,92 € monatlich zur Masse hätte eingezahlt werden müssen. Unter Abzug einer Treuhändervergütung von 5 % wären noch 228,87 € monatlich verblieben, was in den vergangenen fünf Jahren einen Gesamtbetrag von 13.732,20 € ausgefüllt hätte. Der Verstoß des Schuldners gegen seine Obliegenheitsverletzung begründe sich aufgrund des Umstandes, dass er während der bisherigen Dauer der Wohlverhaltensphase nicht einen einzigen Cent gezahlt habe.
9Der Treuhänder nahm unter dem 20.09.2007 und 18.10.2007 zur Beschwerde der Gläubigerin Stellung. Er vertrat die Ansicht, dass der Schuldner seiner Obliegenheit aus § 295 Abs. 2 InsO nicht nachgekommen sei. Es sei Sache des Schuldners gewesen, sein fiktives Einkommen zu berechnen und eine Summe, dem fiktiven pfändbaren Anteil entsprechend, an die Masse abzuführen. Dass der angenommene fiktive Bruttoeinkommensbetrag in Höhe von 3.489,15 € dem Einkommen eines an leitender Stelle angestellten Statikers nicht entspreche, könne nicht angenommen werden. Auch könne der Schuldner die von ihm an die Masse zu zahlenden Beträge nicht erst am Ende der Wohlverhaltsphase leisten. Zwar bestimme das Gesetz nicht den Zahlungszeitpunkt. Jedoch müsse wegen des im Gesetz enthaltenen Vergleichs zwischen fiktivem und tatsächlich erzielten monatlichen Einkommen von einer monatlichen, zumindest jedoch jährlichen Zahlungspflicht ausgegangen werden, da auch der Treuhänder verpflichtet sei, eine jährliche Ausschüttung eingenommener Beträge zugunsten der Gläubiger vorzunehmen. Den selbständig tätigen Schuldner träfen dieselben Obliegenheiten wie den abhängig Beschäftigen. Denn anderenfalls stünden die Gläubiger im Falle des selbständig tätigen Schuldners schlechter. Eine derartige Privilegierung des selbständig tätigen Schuldners sei vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen. Auch sei eine Schädigung der Gläubiger eingetreten, da an diese in den einzelnen Jahren keine entsprechende Ausschüttung haben erfolgen können, weil der Schuldner überhaupt keine Beträge zur Masse abgeführt habe. Selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Schuldner am Ende der Wohlverhaltensphase eine einmalige Zahlung leiste, die auch entsprechende Zinsen einschließe, könne eine Schlechterstellung der Gläubiger nicht ausgeschlossen werden. Denn die Gläubiger müssten die üblichen Kontokorrentzinsen zahlen, die von einer entsprechenden Zinszahlung des Schuldners keinesfalls abgedeckt würden, zumal von der Einmalzahlung des Schuldners die Vergütung des Treuhänders abzusetzen wäre.
10Unter dem 09.10.2007 nahm der Schuldner zur Beschwerde Stellung. Er vertrat die Ansicht, dass er keine Obliegenheitsverletzung begangen habe. Da das Gesetz gerade weder die Höhe noch den Zeitpunkt etwaiger Zahlungen und damit gerade keine Verpflichtung zur Zahlung vor Ablauf der Wohlverhaltensphase vorsehe, könne er die Zahlung an die Masse noch erbringen, was er vor Ablauf der Wohlverhaltensphase machen werde. Zudem sei die Situation auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen, soweit die Vergleichbarkeit mit abhängigen Beschäftigung betroffen sei. Der Versagungsantrag sei zudem unzulässig.
11Mit Beschluss vom 28.01.2008 hob das Insolvenzgericht seinen Beschluss vom 13.08.2007 auf und versagte dem Schuldner die Restschuldbefreiung. Zur Begründung führte es zunächst aus, dass der Versagungsantrag in zulässiger Weise gestellt worden sei, da die Gläubigerin durch den Bericht des Treuhänders vom 13.12.2006 von der Obliegenheitsverletzung erfahren und innerhalb eines Monats nach Kenntniserlangung den Versagungsantrag gestellt habe. Die Obliegenheitsverletzung des Schuldners und die Gläubigerschädigung habe sie auch durch die Bezugnahme auf den ASIA Tarifvertrag glaubhaft gemacht. Der Versagungsantrag sei auch begründet, da der Schuldner während der Laufzeit seiner Abtretungserklärung seine Obliegenheiten aus § 295 Abs. 2 InsO verletzt habe. Der Schuldner sei verpflichtet gewesen, die Gläubiger durch Zahlungen an den Treuhänder so zu stellen, wie wenn er in einem angemessenen Dienstverhältnis gestanden hätte. Zwar sehe das Gesetz keinen Zeitpunkt für die Zahlung der entsprechenden Beträge vor. Insofern habe der Gesetzgeber sogar die zeitweilige geringere Zahlung oder vollständige Nichtzahlung für zulässig erachtet. Daraus könne aber nicht der Schluss gezogen werden, dass die Zahlungen am Ende der Wohlverhaltensphase geleistet werden könnten. Denn damit würde das Versagungsantragsrecht der Gläubiger vor Ablauf der Wohlverhaltensphase praktisch unmöglich gemacht. Damit aber erscheine es sachgerecht, eine Zahlung innerhalb von einem Jahr nach Arbeitsaufnahme zu fordern. Dieser Verpflichtung sei der Schuldner nicht nachgekommen, weil er keinerlei Beträge an die Masse abgeführt habe. Hierdurch sei eine Schädigung der Gläubiger eingetreten. Er hätte als angestellter Statiker monatlich 3.489,15 € brutto verdienen können. Je nach Wahl der Steuerklasse im Hinblick auf die eigene Erwerbstätigkeit der Ehefrau und bei Berücksichtigung zweier unterhaltsberechtigter Kinder verbliebe danach ein fiktiver pfändbarer Betrag in Höhe von 331,01 € (Steuerklasse III) oder 185,01 € (Steuerklasse IV). Nach Abzug der Treuhändervergütung hätte daher der verbleibende Betrag an die Gläubiger ausgekehrt werden können.
12Gegen diesen, dem Schuldner am 30.01.2008 zugestellten Beschluss, wendet sich der Schuldner mit seiner sofortigen Beschwerde vom 05.02.2008, bei Gericht eingegangen am 06.02.2008. Er rügt zunächst, dass unklar sei, ob die Gläubigerin – wie in dem Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 19.10.2007 angekündigt – noch ergänzend vorgetragen habe. In der Sache rügt er, dass der Versagungsantrag unzulässig sei; es fehle an der Glaubhaftmachung des Versagungsgrundes. Der Hinweis auf den Bericht des Treuhänders genüge deswegen nicht, weil darin nichts über zukünftige Zahlungen des Schuldners und eine etwaige Gläubigerbenachteiligung ausgeführt werde.
13Zu beanstanden sei auch, dass das Insolvenzgericht nicht auf eine konkrete Betrachtung hinsichtlich eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses abgestellt habe. In Fällen, in denen der Schuldner im Hinblick auf die Arbeitsmarktslage und seine persönlichen Verhältnisse gar keine Aussicht auf eine Anstellung habe, könne er sogar sämtliche Einnahmen aus seiner selbständigen Tätigkeit für sich behalten. Ein messbarer wirtschaftlicher Schaden der Gläubiger sei zudem nicht eingetreten. Eine etwaig bestehende bloße Gefährdung der Befriedigungsaussichten genüge nicht. Im Übrigen bestehe keine Pflicht zur regelmäßigen Zahlung. Vielmehr könne er selbst entscheiden, wann und in welcher Höhe er Beträge an den Treuhänder abführe. Daher genüge es, wenn er spätestens am Ende der Wohlverhaltensperiode die gesamten ihn obliegenden Zahlungen erbringe. Dies werde er auch tun.
14Zudem verhielten sich sowohl der Treuhänder als auch das Insolvenzgericht widersprüchlich, wenn der Treuhänder ihn, den Schuldner, während der Wohlverhaltensphase nicht zur Zahlung des ausstehenden Betrages hinsichtlich der Treuhändervergütung aufgefordert hätten und ihn, den Schuldner, dennoch zur jährlichen Leistung an den Treuhänder verpflichtet hielten.
15Das Insolvenzgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 07.02.2008 nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt. Ergänzend hat es ausgeführt, dass die Gläubigerin keine weitere Stellungnahme eingereicht habe. Im Übrigen sei es gerade wegen der Unwägbarkeiten der selbständigen Tätigkeit erforderlich, während der Laufzeit der Abtretung regelmäßige Zahlungen zu erbringen. Denn falls die Auftragslage am Ende der Wohlverhaltensperiode schlecht sei, könnten die Zahlungen überhaupt nicht erbracht werden.
16II.
17Die sofortige Beschwerde ist gem. § 296 Abs. 3 S. 1 InsO statthaft und im Übrigen auch zulässig, insbesondere gem. § 4 InsO i.V.m. §§ 567, 569 ZPO form- und fristgerecht eingelegt; sie ist jedoch unbegründet.
18Zu Recht hat das Amtsgericht dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt. Denn der Schuldner hat seine Obliegenheit im Sinne des § 295 Abs. 2 InsO verletzt.
191.
20Der Versagungsantrag der Gläubigerin war zulässig.
21a)
22Der Versagungsantrag der Gläubigerin wurde innerhalb der Antragsfrist des § 296 Abs. 1 Satz 2 InsO, nämlich innerhalb eines Jahres nach Kenntniserlangung des Obliegenheitsverstoßes des Schuldners gestellt. Unter dem 03.04.2007 ist seitens des Insolvenzgerichtes verfügt worden, dass eine Abschrift des Treuhänderberichtes an die Gläubigerin gesandt wird. Aus diesem Bericht war der behauptete Obliegenheitsverstoß für die Gläubigerin erkennbar. Unter dem 27.04.2007 hat sie unter Bezugnahme auf diesen Bericht den Versagungsantrag gestellt, mithin innerhalb Jahresfrist gestellt.
23b)
24Die Obliegenheitsverletzung hat die Gläubigerin auch hinreichend glaubhaft gemacht. Glaubhaft zu machen ist nicht nur die Verletzung der Obliegenheit, sondern die Beeinträchtigung der Befriedigung von Insolvenzgläubigern und der Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Obliegenheitsverletzung. Zwar hat die Gläubigerin ihren Tatsachenvortrag nicht im Sinne der §§ 4 InsO, 294 ZPO an Eides statt versichert. Dies war jedoch nicht erforderlich, da sie sich dieses Mittels bedienen kann, aber nicht muss. Nach den von der Gläubigerin vorgetragenen Tatsachen war das Bestehen der Obliegenheitsverletzung und der Gläubigerbenachteiligung wahrscheinlicher als ihr Gegenteil. Die Bezugnahme auf die Akten des Insolvenzgerichts, genauer den Bericht des Treuhänders, war als Mittel der Glaubhaftmachung zulässig (vgl. Huber, in: Musielak, ZPO, 5. Auflage 2007, § 294 Rn. 4). Unschädlich ist dabei, dass im Bericht des Treuhänders zu – möglichen – zukünftigen Zahlungen des Schuldners keine Ausführungen enthalten sind, da der glaubhaft zu machende Obliegenheitsverstoß in der in der Vergangenheit liegenden nicht regelmäßigen Leistung an den Treuhänder und nicht in einer möglichen zukünftigen Nichtleistung zu sehen ist. Soweit die Gläubigerbenachteiligung betroffen ist, bedurfte es weiterer Ausführungen im Bericht des Treuhänders nicht, da schon aus dem Umstand der nicht erfolgten Zahlungen bei behaupteter Zahlungsmöglichkeit die Gläubigerbenachteiligung wahrscheinlicher als ihr Gegenteil war. Allein dies genügte für eine entsprechende Darlegung durch die Gläubigerin zwar nicht. Deswegen hat das Insolvenzgericht ihren Versagungsantrag auch zunächst zurückgewiesen. Allerdings hat die Gläubigerin unter dem 12.09.2007 (Bl. 38 d.A.) die Gläubigerbenachteiligung ausführlich mit einer entsprechenden Berechnung dargestellt. Mehr war seitens der Gläubigerin nicht zu verlangen, da ansonsten die Pflicht zur Darlegung und Glaubhaftmachung überspannt würde.
25Ein Verschulden des Schuldners war nicht durch die Gläubigerin zu behaupten und glaubhaft zu machen (vgl. Kexel, in: Graf-Schlicker, InsO, 1. Auflage 2007, § 296 Rn. 7), da es dem Schuldner obliegt, sein fehlendes Verschulden nachzuweisen.
262.
27Auch die materiellen Voraussetzungen des § 296 Abs. 1 Satz 1 InsO lagen vor. Der Schuldner hat seine Obliegenheit aus § 295 Abs. 2 InsO verletzt.
28a)
29Zunächst ist der Beschwerde zuzugeben, dass eine entsprechende gesetzliche Regelung, wann der selbständig tätige Schuldner die entsprechenden – fiktiven – pfändbaren Beträge an den Treuhänder abzuführen hat, nicht besteht. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 12/2443) regelt den Zahlungszeitpunkt ebenfalls nicht hinreichend bestimmt. Danach müsse der selbständig tätige Schuldner selbst beurteilen, "welche Mittel er...an den Treuhänder abführen kann, ohne den Fortbestand des Gewerbebetriebes zu gefährden. Im Ergebnis darf er die Gläubiger aber nicht schlechter stellen, als wenn er ein Dienstverhältnis eingegangen wäre.... Der Schuldner darf zeitweilig geringere oder gar keine Leistungen erbringen, wenn seine wirtschaftliche Lage dazu zwingt, er muss dies aber dann durch spätere höhere Leistungen ausgleichen. Wenn er bei Ablauf der "Wohlverhaltensperiode" insgesamt den gleichen wirtschaftlichen Wert an den Treuhänder abgeführt hat, den dieser im Falle eines angemessenen Dienstverhältnisses des Schuldners erhalten hätte, hat der Schuldner seine Obliegenheit erfüllt. Dabei ist auch der eingetretene Zinsverlust zu berücksichtigen." Zwar stellt auch der Gesetzentwurf darauf ab, dass der Schuldner, der bei Ablauf der Wohlverhaltensphase insgesamt den gleichen wirtschaftlichen Wert an den Treuhänder abgeführt hat, den dieser im Falle eines angemessenen Dienstverhältnisses des Schuldners erhalten hätte, seine Obliegenheit erfüllt hat. Allerdings geht auch der Gesetzentwurf davon aus, dass der Schuldner jedenfalls regelmäßig Leistungen erbringen muss. Denn nur so ist erklärbar, dass dem Schuldner gestattet wird bei Ablauf der Wohlverhaltensphase den gleichen wirtschaftlichen Wert an den Treuhänder abzuführen. Vorausgesetzt wird also, dass er zunächst regelmäßig Leistungen erbringt, die lediglich bei Vorliegen wirtschaftlicher Gründe und damit ausnahmsweise ausfallen dürfen.
30Die Frage, wann der Schuldner Leistungen zu erbringen hat, ist in der Literatur umstritten. Eine Literaturansicht geht davon aus, dass aufgrund des Umstandes, dass bestimmte Zahlungstermine für den Schuldner gerade nicht vorgeschrieben sind, dieser berechtigt sei, erst am Ende der Treuhandperiode seine gesamten Leistungen zu erbringen (vgl. Ehricke, in: Münchener Kommentar InsO, 1. Auflage 2003, § 295 Rn. 112). Der Schuldner könne häufig erst nach dem Jahresabschluss beurteilen, wie viel zu leisten er in Anbetracht der wirtschaftlichen Situation seines Unternehmens imstande sei. Deswegen sei er berechtigt, zeitweilig geringere oder auch keine Leistungen zu erbringen, wovon auch der Gesetzgeber ausgehe. Etwaige vorangegangene Minderleistungen müsse der Schuldner später ausgleichen; spätestens zum Abrechnungstermin am Ende der Wohlverhaltensperiode müsse der Schuldner jedenfalls die gesamten, ihm obliegenden Zahlungen erbracht haben. Die Gläubiger seien hierdurch auch nicht benachteiligt. Sinn des § 295 Abs. 2 InsO sei, die Gläubiger wirtschaftlich so zu stellen, wie sie stünden, wenn der Schuldner einer nichtselbstständigen Tätigkeit nachginge. Deren Befriedigungsinteresse werde dann nicht beeinträchtigt, wenn der Schuldner die Zahlung des Gesamtbetrages einschließlich etwaiger Zinsen zu diesem Zeitpunkt erbringe. Sei der Schuldner hierzu nicht in der Lage, werde ihm die Restschuldbefreiung auf Antrag versagt, so dass den Gläubigern wieder das freie Nachforderungsrecht zustehe.
31Dieser Ansatz begegnet aber Bedenken. Für die Gläubiger könnte diese Auslegung des § 295 Abs. 2 InsO dazu führen, dass sich für sie erst am Ende der Wohlverhaltensperiode herausstellt, ob aus den vom Schuldner erwirtschafteten Gewinnen eine ausreichende Gesamtleistung an den Treuhänder erbracht werden kann. Damit aber hätten sie erst am Ende der Treuhandperiode die Möglichkeit, einen Versagungsantrag zu stellen. Sie müssten daher – auch bei erkennbarer Leistungsunwilligkeit oder Leistungsunfähigkeit des Schuldners – das Ende der Wohlverhaltensperiode abwarten. In der Zwischenzeit hätten sie keine Möglichkeit, einen Versagungsantrag zu stellen. Durch den Zwang zum Zuwarten bis zum Ende der Wohlverhaltensperiode müssten sie letztendlich ihre Forderungen zurückstellen und damit ggf. unter Kreditierung ihrer Forderungen dem Schuldner einen weiteren wirtschaftlichen Vorteil einräumen, indem sie für die Dauer der Wohlverhaltensperiode ihr Nachforderungsrecht nicht geltend machen. Dies aber hätte für sie das Risiko, dass sie in Zeiträumen, in denen der Schuldner durchaus Gewinne macht, an diesen nicht partizipieren könnten. Ein sachlicher Grund für eine derartige Privilegierung des Schuldners ist aber nicht erkennbar.
32Deswegen geht eine andere Ansicht davon aus, dass der Schuldner nach Erstellung der Jahresbilanz am Jahresende Leistungen an den Treuhänder erbringen müsse (vgl. Uhlenbruck/Vallender, InsO, § 295 Rn. 64; scheinbar auch Wenzel, in: Kübler/Prütting, InsO, § 295 Rn. 17b, wonach zumindest regelmäßige Zahlungen nach Abschluss eines Geschäftsjahres sinnvoll erscheinen; unklar Streck, in: Hamburger Kommentar, InsO, 1. Aufl. 2006, § 295 Rn. 27, wonach regelmäßige, nicht zwingend monatliche Zahlungen des Schuldners "sinnvoll" seien). Dieser Ansatz begegnet aber ebenfalls Bedenken. Denn eine derart starre Regelung führte unter Umständen dazu, dass der Schuldner in einer wirtschaftlich angespannten Lage seines Unternehmens zum Jahresbeginn gezwungen wäre, seine Rückstände auszugleichen. Zudem hat auch der Gesetzgeber eine Flexibilität durch die Zulassung von Rückständen vorgesehen.
33Daher folgt die Kammer der Ansicht (vgl. Grote, ZinsO 2004, 1105 [1107]), wonach dem Schuldner gestattet ist, aufgrund schwankender Einkünfte oder unsicherer Ertragslagen einen Rückstand aufzubauen. Dieser Rückstand muss aber innerhalb eines Jahres ausgeglichen werden. Damit wird einerseits die vom Gesetzgeber vorgesehene Flexibilisierung erreicht. Andererseits sind die Gläubiger dadurch abgesichert, dass sie lediglich überschaubare (Jahres-)Zeiträume zuwarten müssen.
34Damit aber oblag es dem Schuldner, der eine selbständige Tätigkeit ausübt, die Insolvenzgläubiger durch Zahlungen an den Treuhänder innerhalb Jahresfrist, beginnend mit der Laufzeit der Abtretungserklärung, so zu stellen, wie wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre. Dies ist nicht geschehen.
35b)
36Durch die Nichtleistungen ist es zu einer Benachteiligung der Gläubiger gekommen. Eine Beeinträchtigung der Befriedigung der Gläubiger liegt vor, wenn diese ohne die Obliegenheitsverletzung eine bessere Befriedigung im Hinblick auf ihre Forderung hätten erreichen können, wobei zwischen der Obliegenheitsverletzung und der Gläubigerbeeinträchtigung ein Kausalzusammenhang bestehen muss. Anders als bei dem Widerruf der Restschuldbefreiung nach § 303 Abs. 1 InsO muss es sich zwar nicht um eine erhebliche Beeinträchtigung handeln. Die Versagung der Restschuldbefreiung kommt jedoch dann nicht in Betracht, wenn die Schlechterstellung der Insolvenzgläubiger nur ganz unwesentlich ist (vgl. BGH, NZI 2006, 413).
37Hätte der Schuldner innerhalb des dargestellten Zeitraums entsprechende Zahlungen geleistet, hätten diese – nach Abzug der Treuhändervergütung – an die Gläubiger ausgekehrt werden können. Die im Einzelnen seitens der Gläubigerin und des Insolvenzgerichts zugrunde gelegten Zahlen sind seitens des Schuldners nicht ausreichend in Frage gestellt worden, so dass die Kammer von der Berechnung des Insolvenzgerichts ausgeht. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob der Schuldner statt der selbständigen Tätigkeit eine nichtselbständige Tätigkeit hätte ausüben können. Es ist zwar darauf abzustellen, ob eine wirtschaftlich messbare Aussicht des Schuldners, einen Arbeitsplatz zu finden, besteht (vgl. Kexel, in: Graf-Schlicker, a.a.O. § 295 Rn. 18). Seitens des Schuldners ist aber nicht in Frage gestellt worden, dass er eine Tätigkeit als angestellter Statiker hätte ausüben können. Er hat sich lediglich damit begnügt, abstrakt auf das Fehlen von Ausführungen zur Möglichkeit einer Tätigkeit im Sinne des § 295 Abs. 1, Abs. 1 Nr. 1 InsO im angefochtenen Beschluss hinzuweisen. Eine konkret schlechte Arbeitsmarktlage hat er jedoch nicht behauptet. Abgesehen davon, dass sich entsprechende Ausführungen als Gläubigervortrag im angefochtenen Beschluss wiederfinden, ist es unschädlich, dass entsprechende Ausführungen in den eigentlichen Beschlussgründen fehlen. Denn die Gläubigerin hat dezidierte Angaben zu den entsprechenden Beschäftigungs- und Verdienstmöglichkeiten des Schuldners in abhängiger Beschäftigung gemacht. Diesen Ausführungen ist der Schuldner nicht entgegen getreten.
38Grundlage der Berechnung des fiktiven pfändbaren Betrages ist der fiktive Verdienst, der sich ausrichtet an Ausbildung und Vortätigkeit des Schuldners. Die Kammer geht daher davon aus, dass er als angestellter Statiker monatlich 3.489,15 € brutto hätte verdienen können. Je nach Wahl der Steuerklasse im Hinblick auf die eigene Erwerbstätigkeit der Ehefrau und bei Berücksichtigung zweier unterhaltsberechtigter Kinder verbliebe danach zumindest ein monatlich fiktiver pfändbarer Betrag in Höhe von 185,01 €.
39Dieser monatliche Betrag hätte an die Gläubiger ausgekehrt werden können, so dass aufgrund der Nichtzahlung eine entsprechende Gläubigerbenachteiligung bedingt worden ist.
40c)
41Das erforderliche Verschulden ist ebenfalls gegeben. Den Nachweis fehlenden Verschuldens hätte der Schuldner erbringen müssen (vgl. Streck, in: Hamburger Kommentar, a.a.O., § 296 Rn. 12). Ein entsprechendes Unvermögen zu derartigen Leistungen hat der Schuldner aber gerade nicht dargelegt. Er hat sich lediglich auf seinen Rechtsstandpunkt gestützt, wonach er eine Einmalzahlung am Ende der Wohlverhaltensperiode leisten dürfe.
42Soweit er ausführt, dass sich sein fehlendes Verschulden daraus ergebe, dass er nicht vorher durch den Treuhänder zur Zahlung zur Sicherstellung der Mindesttreuhändervergütung aufgefordert worden sei, verfängt dieser Einwand nicht.
43Zwar mag es sinnvoll sein, eine Festlegung der abzuführenden Beträge schon zu Beginn der Treuhandphase durch das Insolvenzgericht zu fordern (vgl. Ehricke, in: Münchener Kommentar, a.a.O., § 295 Rn. 110). Eine gesetzlich normierte Kompetenz oder gar Pflicht des Insolvenzgerichts hierzu besteht nicht (vgl. auch Streck, in Hamburger Kommentar, a.a.O., § 295 Rn. 25). Es ist damit Sache des Schuldners, die fiktiven pfändbaren Beträge zu bestimmen und an den Treuhänder abzuführen. Eine entsprechende Unsicherheit mag der Schuldner durch eine Vereinbarung mit dem Treuhänder minimieren; zwar ist eine solche Vereinbarung im Hinblick auf eine Restschuldbefreiungsversagung nicht bindend. Allerdings wird in einem solchen Fall dem Schuldner kein Verschuldensvorwurf gemacht werden können, wenn er im Vertrauen auf eine solche Vereinbarung insgesamt zu wenig geleistet hätte (vgl. Kexel, in: Graf-Schlicker, a.a.O., § 295 Rn. 22).
44Sinngemäß kann daher eine verabsäumte Zahlungsaufforderung durch den Treuhänder den Schuldner nicht entlasten, zumal er mit Schreiben des Treuhänders vom 17.08.2005 auf eine entsprechende Zahlungsverpflichtung hingewiesen worden ist.
45III.
46Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Wertfestsetzung beruht auf §§ 47 GKG, 3 ZPO, wobei sich die Kammer in ständiger Rechtsprechung an dem allgemeinen Auffangstreitwert aus § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG orientiert (vgl. hierzu im Einzelnen: Beschluss der Kammer vom 08.02.2008, Az. 10 T 2/07).
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.