Beschluss vom Landgericht Bochum - I - 7 T 407/08
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Drittschuldnerin zu 2).
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.500 EUR festgesetzt.
1
I.
2Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 3.12.2007 hat das Amtsgericht die Forderung der Schuldnerin auf Zahlung von Renten sowie "den Anspruch auf Herausgabe des jeweils gültigen Rentenbescheides bzw. der jeweils gültigen Rentenmitteilung durch den Drittschuldner sowie durch den Schuldner an den Gläubigervertreter" an die Drittschuldnerin zu 2) gepfändet.
3Gegen diesen Beschluss hat die Drittschuldnerin zu 2) am 20.8.2008 Erinnerung eingelegt, soweit der Anspruch auf Herausgabe der Rentenbescheide gepfändet worden ist.
4Mit Beschluss vom 28.10.2008 hat das Amtsgericht die Erinnerung zurückgewiesen.
5Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Drittschuldnerin zu 2) vom 12.11.2008.
6II.
7Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
8Das Landgericht Düsseldorf, JurBüro 2008, 268, hat ausgeführt:
9"Bei der Forderungspfändung hat der Gläubiger gegen den Schuldner einen Anspruch auf Herausgabe der über die Forderung vorhandenen Urkunden gemäß § 836 Abs. 3 ZPO.
10Zu den Urkunden im Sinne des § 836 Abs. 3 ZPO zählen auch Lohnabrechnungen aus einem Arbeitsverhältnis (vgl. nur Oberlandesgericht Hamm DGVZ 1994, 188, 189) und Leistungsbescheide betreffend Arbeitslosengeld (Landgericht Essen, JurBüro 2001, 153; Landgericht Leipzig JurBüro 2001, 403; Landgericht Regensburg Rpfleger 2002, 468; Musielak-Becker, ZPO, 5. Aufl., § 836 Rn. 7).
11Nach überwiegender Ansicht, die durch den Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 18. Juli 2003 (ZIP 2003, 1771) bestätigt worden ist, erstreckt sich die Pfändung des Hauptrechts auf die Ansprüche der Auskunftserteilung und Rechnungslegung, die der Feststellung des Gegenstandes und des Betrages des Hauptanspruchs dienen.
12Von der Systematik her stehen die Ansprüche aus § 836 Abs. 3 ZPO gleichberechtigt neben denen aus § 840 ZPO (Oberlandesgericht Hamm DGVZ 1994, 188, 189; Landgericht Koblenz JurBüro 1996, 663, 664; Landgericht Köln JurBüro 1996, 439).
13Befindet sich die herauszugebende Urkunde nicht in der Hand des Schuldners, sondern im Besitz des Drittschuldners, so ist der angebliche Herausgabeanspruch des Schuldners gegen den Dritten durch den Überweisungsbeschluss neben der Forderung mitüberwiesen (Oberlandesgericht Hamm DGVZ 1994, 188, 189; Landgericht Koblenz JurBüro 1996, 663, 664; Landgericht Marburg Rpfleger 1994, 309).
14Der Gläubiger hat somit die Möglichkeit, den Anspruch des Schuldners auf Herausgabe z.B. der Lohnabrechnung, des Leistungsbescheides als Nebenrecht mit in den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufzunehmen. So kann der Gläubiger direkt gegen den Drittschuldner vorgehen. Eine Herausgabeanordnung gemäß § 836 Abs. 3 ZPO entfällt dann.
15Das Verhältnis zwischen Schuldner und Drittschuldner gewährt einen Anspruch auf Übersendung der jeweiligen Leistungsbescheide.
16Dieser Auskunftsanspruch in Gestalt des Herausgabeanspruchs ist als Nebenrecht von der Pfändung umfasst. Diesen Anspruch kann daher auch der pfändende Gläubiger gegen den Drittschuldner geltend machen. Im Pfändungsbeschluss kann die Erstreckung der Einkommenspfändung auf den Auskunftsanspruch in Gestalt der Herausgabe des Leistungsbescheides, des Rentenbescheides, der Lohnabrechnung deklaratorisch mit ausgesprochen werden (vgl. Oberlandesgericht Hamm DGVZ 1994, 188, 189; Amtsgericht Dortmund JurBüro 2008, 100; Amtsgericht Wuppertal JurBüro 2007, 495; Amtsgericht Dortmund JurBüro 2007, 499; Stöber, Forderungspfändung, 13. Aufl., Rn. 1742)."
17Die Kammer schließt sich dieser Auffassung an. Danach liegt hier entgegen der Ansicht der Drittschuldnerin zu 2) keine Pfändung eines nach § 54 Abs. 1 SGB X unpfändbaren Anspruchs auf Dienst- und Sachleistungen, sondern eine Pfändung eines Geldleistungsanspruchs vor, die sich auf die Ansprüche der Auskunftserteilung und Rechnungslegung erstreckt, die der Feststellung des Gegenstandes und des Betrages des Hauptanspruchs dienen.
18Soweit sich die Drittschuldnerin zu 2) auf die Datenschutzbestimmungen der §§ 67f. SGB X beruft, schließt sich die Kammer dem Amtsgericht Wuppertal, JurBüro 2007, 495, an, das hierzu ausgeführt hat:
19"3. Die Datenschutzbestimmungen der §§ 67f. SGB-X stehen der Pfändung nicht entgegen. Bereits deshalb muss das erkennende Gericht nicht entscheiden, ob diese Regelungen auch für die - hier zu entscheidende - Pfändbarkeit von Auskunftsansprüchen überhaupt relevant sein könnten.
20a. Allerdings gestattet die Vorschrift des § 71 Abs. 1 Satz 2 SGB-X der Drittschuldnerin lediglich, ihren "Erklärungspflichten als Drittschuldner, welche das Vollstreckungsrecht vorsieht" nachzukommen. Der Drittschuldnerin ist diesbezüglich insoweit zuzustimmen, dass der Wortlaut dieser Norm allein auf die - inhaltlich sehr eingeschränkte - Drittschuldnererklärung gemäß § 840 ZPO abzuzielen scheint (so offenbar LG Bochum, Beschluss vom 20.5.1997, Az. 7 T 782/96, cit. nach JURIS; vgl. auch v.Wulffen, Komm. Zum SGB X, 5. Auflage 2005, § 71 Rdn 12; ähnlich Landessozialgericht Berlin, Beschluss vom 30.1.2001, Az. L 4 AL 106/00, cit. nach JURIS; a.A. der von der Gläubigerin zur Akte gereichte Beschluss des LG Essen vom 12.12.2002, Az. 5 T 170/02, Bl. 32 d. GA.).
21b. Die Regelung des § 71 Abs. 1 Satz 2 SGB-X ist jedoch aus teleologischen Gründen und verfassungskonform umfassender auszulegen. Mit dieser Vorschrift wird nämlich - wie die Erinnerungsführerin zutreffend darlegt - primär das Recht auf informelle Selbstbestimmung des Schuldners geschützt. Dieses Grundrecht des Schuldners ist jedoch nicht absolut, sondern steht im Konflikt mit dem über Art. 14 GG ebenfalls grundrechtlich geschützten Vollstreckungs- und Befriedigungsanspruch des Gläubigers (vgl. dazu etwa BGH NJW 1999, 1544 zur Pfändbarkeit von Gebührenforderungen eines Steuerberaters). Zumindest im vorliegenden Falle hat das Geheimhaltungsinteresse zurück zu treten:
22c. Dem Grundrechtschutz des Schuldners auf Wahrung seiner persönlichen Daten kommt hier nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Der Schuldner wäre nämlich im Rahmen seiner Auskunftspflicht nach § 836 III ZPO gegenüber dem Gläubiger ohnehin verpflichtet, den Inhalt des Leistungsbescheides preiszugeben und wohl auch den in seinem Besitz befindlichen Bescheid selbst dem Gläubiger zu überlassen. Auch die Drittschuldnerin verkennt in ihrer Erinnerungsschrift diese Möglichkeit nicht.
23Da aber - wie hier - der Gläubiger die von der Drittschuldnerin begehrte Kenntnis nach der Gesetzeslage vom Schuldner ohnehin erlangen könnte, wäre eine Geheimhaltung durch die Drittschuldnerin lediglich von untergeordneter Bedeutung.
24d. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass in einem Leistungsbescheid der Drittschuldnerin gelegentlich auch solche Daten enthalten sein mögen, welcher der Gläubiger für einen gedachten Gerichtsprozess nicht bedarf. In solchen Ausnahmefällen kann die Drittschuldnerin die entsprechenden Stellen durchaus anonymisieren, d.h. z.B. schwärzen. Mit dieser Anonymisierung wird den berechtigten Interessen aller Beteiligten ausreichend Rechnung getragen. Eine Notwendigkeit, gleich den kompletten Leistungsbescheid einzubehalten, besteht in jedem Falle nicht.
25Das Gericht vermag diesbezüglich hier keine Entscheidung zu treffen: Dies hinge von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab, zu welchen die Drittschuldnerin schon nichts vorgetragen hat."
26III.
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
28Die Festsetzung des Streitwerts des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 47 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO i.V.m. § 25 Abs. 1 Nr. 2 RVG.
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