Urteil vom Landgericht Bochum - 9 S 251/10
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 24.11.2010 – Aktenzeichen 38 C 273/10 – abgeändert:
Das Versäumnisurteil vom 24.09.2010 wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger, mit Ausnahme der Kosten, die durch die Säumnis des Beklagten entstanden sind; diese hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
1
G r ü n d e :
2I.
3Der Kläger als Partei kraft Amtes und Insolvenzverwalter der Insolvenzschuldnerin E verlangt von dem Beklagten, dem Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin, Rückzahlung von durch die Insolvenzschuldnerin geleisteter Beiträge auf eine Lebensversicherung.
4Der Beklagte war zunächst bei der E beschäftigt. Im Jahre 1994 wurde ein Teil der Bezüge des Beklagten in pauschal versteuerte Direktversicherungsbeiträge umgewandelt. Dazu wurden ab dem 01.08.2004 monatliche Beiträge in Höhe von 200 DM in eine Lebensversicherung bei der H eingezahlt. Die Versicherungssumme betrug 65.526 DM, Beginn der Versicherung war der 01.08.2004, Ablauf der 01.08.2020. Die Ansprüche aus der Versicherungsleistungen standen dem Beklagten zu und ihm wurde ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt.
5Nach Gründung der Insolvenzschuldnerin, der E2 übernahm diese den vorgenannten Versicherungsvertrag und zahlte den monatlichen Versicherungsbeitrag als Teil der Bezüge des Beklagten für dessen erbrachte Arbeitsleistungen. Die Insolvenzschuldnerin leistete an die Lebensversicherung des Beklagten bei der H am 15. eines jeden Monats 102,26 €, zuletzt am 15.06.2009. Die Beiträge wurden im Lastschriftverfahren eingezogen.
6Das Insolvenzverfahren wurde auf Antrag vom 25.06.2009 am 30.07.2009 eröffnet. Schon im Jahr 2007 war ein Fehlbetrag von über 20.000,00 € zu verzeichnen, zur Insolvenztabelle sind 95.000,00 € angemeldet und 50.000,00 € festgestellt.
7Der Kläger ficht die an die Versicherung geleisteten Zahlungen an und verlangt die Beträge für Juli 2008 bis Juni 2009 zur Masse.
8Er ist der Ansicht, bei den Zahlungen an die Versicherung handele es sich um gleichgestellte Forderungen im Sinne des § 135 Abs. 1 InsO. Jedenfalls liege aber ein Anfechtungsgrund gem. § 134 Abs. 1 InsO bzw. § 133 Abs. 1 InsO vor.
9Der Beklagte ist der Ansicht, die Insolvenzschuldnerin habe lediglich vertragliche Verpflichtungen ihm gegenüber als Arbeitnehmer aufgrund des Vertrages mit der Rechtsvorgängerin schon vom 01.08.1994 erfüllt.
10Das Amtsgericht hat am 24.09.2010 ein Versäumnisurteil, mit dem der Beklagte zur Zahlung verurteilt worden ist, erlassen, gegen das der Beklagte Einspruch eingelegt hat. Mit Urteil vom 24.11.2010 hat das Amtsgericht das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Zur Begründung hat es ausgeführt, die geleisteten Zahlungen seien nach § 143 InsO zurückzuerstatten, da eine wirksame Anfechtung nach § 135 InsO erfolgt sei. Bei den Leistungen der Insolvenzschuldnerin handele es sich um Leistungen der Beklagten, da die Zahlungen an die Lebensversicherung unmittelbar das Guthaben des Beklagten bei diesem erhöhten. Da der Beklagte Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin gewesen sei und sich schon seit 2007 erhebliche Fehlbeträge angesammelt hätten, sei die Weiterführung dieser Zahlungen denknotwendig mit dem Vorsatz erfolgt, dass hierdurch die Gläubiger benachteiligt würden. Auch wenn die Grundlage der Leistungspflicht schon viele Jahre zuvor getroffen worden sei, habe der Geschäftsführer, der Beklagte, die Verpflichtung gehabt, die Fortführung dieses Auftrages nicht zu dulden.
11Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Zur Begründung führt er aus, § 135 InsO sei nicht anwendbar, da es sich bei den Zahlungen nicht um ein Darlehen handele. Die von der Insolvenzschuldnerin geleisteten Zahlungen seien Teil des Entgeltes, dass der Beklagte in Ausübung seiner Tätigkeit erhalten habe, gewesen. Zudem habe der Beklagte keine Befriedigung im Sinne der Vorschrift erhalten, da die Zahlungen an die Lebensversicherung der Altersversorgung des Beklagten dienten. Auch eine unentgeltliche Leistung im Sinne von § 134 InsO liege nicht vor, da es sich bei den Zahlungen vielmehr um eine Gegenleistung für getane Arbeit handele.
12Der Beklagte beantragt,
13unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Bochum vom 24.11.2010 und unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 24.09.2010 die Klage abzuweisen.
14Der Kläger beantragt,
15die Berufung zurückzuweisen.
1614
17Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.
18II.
19Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet.
20Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts hat der Kläger keinen Rückzahlungsanspruch i. H. v. 1.227,12 € gegen den Beklagten aufgrund einer wirksamen Insolvenzanfechtung gem. § 143 InsO.
21Es liegt kein Anfechtungsgrund vor.
22Soweit der Kläger seine Anfechtung auf § 135 Abs. 1 InsO stützt, sind dessen Voraussetzungen nicht erfüllt. Danach ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die für die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines Darlehens im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO oder für eine gleichgestellte Forderung Befriedigung gewährt hat, wenn die Handlung im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist. Eine Anfechtung gem. § 135 Abs. 1 InsO scheidet vorliegend bereits deshalb aus, weil der Beklagte kein Darlehen gewährt und auch keine gleichgestellte Forderung gegen den Schuldner hat. Denn die Forderung des Beklagten stammt aus dem Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der Insolvenzschuldnerin. Die Zahlung der Beiträge auf die Lebensversicherung stellt einen Teil des Arbeitsentgeltes dar. Soweit der Kläger anführt, bei den Gehaltsansprüchen handele es sich um gleichgestellte Forderungen und insoweit auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24.03.1980 – Az. II ZR 213/77 – verweist, kann dem nicht gefolgt werden. In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall hatte sich der Geschäftsführer einen Teil seines Gehaltes nicht auszahlen lassen und gewährte es somit der Gesellschaft quasi als Darlehen. Dies ist vorliegend aber gerade nicht der Fall.
23Es liegt auch kein Anfechtungsgrund gem. § 134 InsO vor. Voraussetzung für eine Anfechtung nach § 134 InsO ist eine unentgeltliche Leistung. Diese liegt vor, wenn der Leistung keine ausgleichende Gegenleistung gegenübersteht. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Die Beiträge zu der Lebensversicherung stellen einen Teil des Arbeitsentgeltes des Beklagten dar. Die Beiträge auf die Lebensversicherung waren Teil des Arbeitsentgeltes in Form der Entgeltumwandlung. Der bereits beim vorigen Arbeitgeber, der E1 GmbH, abgeschlossene Lebensversicherungsvertrag ist durch die Insolvenzschuldnerin übernommen worden. Daher steht der Leistung der Beiträge die Arbeitsleistung des Beklagten als gleichwertige Gegenleistung gegenüber. Wenn eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners gelangt, ist eine Anfechtung gem. § 142 InsO auch nur im Rahmen der Vorsatzanfechtung gem. § 133 Abs. 1 InsO möglich.
24Aber auch die Voraussetzungen einer Vorsatzanfechtung gem. § 133 Abs. 1 InsO sind nicht erfüllt. Danach ist eine Rechtshandlung anfechtbar, wenn der Schuldner sie mit Gläubigerbenachteiligungsabsicht vorgenommen hat und der andere Teil hiervon Kenntnis hatte. Es fehlt bereits an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung, jedenfalls aber an einem auf eine solche Gläubigerbenachteiligung gerichteten Vorsatz des Beklagten. Die unwiderrufliche Übertragung der Bezugsrechte aus dem Versicherungsvertrag und die Zahlung der monatlichen Beiträge auf diese Versicherung sind als Teil des dem Beklagten nach dem Geschäftsführeranstellungsvertrag einschließlich Nachtrag zustehenden Entgeltes für die Tätigkeit als Geschäftsführer zu verstehen. Dies ist bei einer Vereinbarung einer betrieblichen Altersversorgung für einen Geschäftsführer regelmäßig anzunehmen und wird im vorliegenden Fall insbesondere auch durch den schriftlichen Nachtrag vom 01.08.1994 bestätigt. Insoweit ist unstreitig, dass diese Regelung durch die Insolvenzschuldnerin übernommen worden ist. Dies ist bereits erstinstanzlich durch die Beklagtenseite mit Schriftsatz vom 05.10.2010 vorgetragen worden. Der Kläger hat diesen Vortrag nicht im Einzelnen bestritten. Das pauschale Bestreiten im Schriftsatz vom 21.10.2010 ist insoweit nicht ausreichend. In der Zahlung eines Entgeltes an den Geschäftsführer einer GmbH ist jedoch keine Gläubigerbenachteiligung zu sehen, solange die Gesellschaft mit der Leistung des Geschäftsführers eine gleichwertige Gegenleistung erhält. Etwas anderes könnte deshalb allenfalls dann gelten, wenn die mit dem Beklagten vereinbarten unwiderruflichen oder durch Pfandrecht gesicherten Ruhegeldbezüge zu einer insgesamt unangemessenen Vergütung für seine Geschäftsführertätigkeit führen würden. In diesem Fall könnte man möglicherweise eine teilweise unentgeltliche Leistung an den Beklagten annehmen, die die Gläubiger benachteiligen und damit möglicherweise nach § 134 InsO oder auch nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar wäre (insgesamt OLG Brandenburg Urteil v. 13.02.2002 – 7 U 152/01). Dafür, dass die vereinbarte Vergütung des Beklagten im Verhältnis zu seiner Tätigkeit für die Schuldnerin unangemessen wäre, hat der Kläger jedoch nichts vorgetragen.
25Aber auch wenn vom Vorliegen der objektiven Voraussetzungen ausgegangen werden würde, da auch kongruente Deckungsgeschäfte und Bargeschäfte i. S. d. § 142 InsO der Vorsatzanfechtung unterliegen, so fehlt es jedenfalls an einem hinreichenden Vortrag des Klägers für einen Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin und einer entsprechenden Kenntnis auf Seiten des Beklagten. Zwar reicht für die Annahme eines derartigen Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes grundsätzlich aus, dass der Schuldner erkannt und zumindest bedingt in Kauf genommen hat, dass seine Rechtshandlung auch die Benachteiligung anderer Gläubiger im Falle der Insolvenz zur Folge haben könnte. Allein der Umstand, dass die Einräumung unwiderruflicher Bezugsrechte aus dem Versicherungsvertrag den Beklagten auch und gerade für den Fall einer Insolvenz der Schuldnerin sicherte, reicht insoweit jedoch nicht aus. Zwar wird man annehmen können, dass dem Beklagten bekannt war, dass die Vereinbarung unwiderruflicher Bezugsrechte zumindest auch der Sicherung seiner Ruhegeldansprüche für den Fall der Insolvenz diente. Das Interesse eines Gesellschafter-Geschäftsführers – auch wenn es sich dabei um einen Mehrheits- oder sogar Alleingesellschafter-Geschäftsführer handelt –, sich als Teil seines Geschäftsführerentgeltes eine endgültige und krisensichere Altersversorgung aufzubauen, ist jedoch ebenso legitim wie für einen Fremdgeschäftsführer oder für einen Arbeitnehmer. Ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz im Sinne des § 133 InsO kann deshalb in diesen Fällen nur dann anzunehmen sein, wenn die Unwiderruflichkeit einer Ruhegeldzusage gegen eine Versicherung im Hinblick auf eine konkret drohende Insolvenz oder etwa unter der aufschiebenden Bedingung getroffen wird, dass ein Insolvenzantrag gestellt wird (insgesamt OLG Brandenburg Urteil v. 13.02.2002 – 7 U 152/01). Dafür besteht jedoch im vorliegenden Fall kein Anhaltspunkt. Vielmehr hat die Insolvenzschuldnerin den bereits bestehenden Lebensversicherungsvertrag lediglich übernommen und dies zu einem Zeitpunkt, in dem eine Insolvenz nicht absehbar war.
26Dies gilt auch in Bezug auf die monatliche Zahlung der Beiträge als anfechtbare Rechtshandlung. Diese sind im Lastschriftverfahren durch die Versicherung eingezogen worden. Dass bereits bei Erteilung der Lastschrift gegenüber der Versicherung durch den Beklagten eine Insolvenz konkret drohte, ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen.
27Mangels Hauptanspruchs besteht auch kein Anspruch auf Verzugszinsen.
28III.
29Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
30Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
31Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache klärungsbedürftig ist und grundsätzliche, über den Einzelfall hinaus reichende Bedeutung hat.
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