Urteil vom Landgericht Bochum - 10 S 33/11
Tenor
Die Berufung der Beklagten vom 05.08.2011 gegen das Urteil des Amtsgerichts Witten vom 03.03.2011 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
1I.
2Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
3II.
4Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
5Die Klage ist begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagten aus § 611 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Zahlung von 715,00 € als Vergütung für die Monate Februar bis Juni 2010 zu.
6Der streitgegenständliche Unterrichtsvertrag ist durch die Kündigung der Beklagten vom 22.01.2010 erst mit Wirkung zum 30.06.2010 beendet worden.
7Die Beklagte hat nicht bewiesen, dass die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB vorlagen. Die Kammer ist gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 BGB an die vom Amtsgericht festgestellten Tatsachen gebunden. Allein der Umstand, dass das Amtsgericht – worauf die Beklagte in der Berufungsbegründung abstellt – einzelne Angaben der Zeugen C2, X und P im Rahmen seiner Beweiswürdigung nicht explizit erwähnt oder in den Vordergrund gestellt hat, wie es die Beklagte nun tut, begründet keinen Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung. Nach den vom Amtsgericht festgestellten Tatsachen ist weder bewiesen, dass der Sohn der Beklagten vom Zeugen P angeschrien worden wäre, noch dass der Sohn der Beklagten in den Fällen, in denen er aus dem Gruppenunterrichtsraum verwiesen und in einen anderen Raum geschickt worden ist, völlig unbeaufsichtigt gewesen wäre.
8Allein der Umstand, dass der Sohn der Beklagten in Fällen, in denen er den Gruppenunterricht gestört hat, in einen separaten Raum geschickt worden ist, wo er entweder seine Hausaufgaben oder weitere vom Zeugen P gestellte Aufgaben zu erledigen hatte, stellt nach Überzeugung der Kammer noch keinen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB dar, der die Beklagte zur außerordentlichen Kündigung des Unterrichtsvertrages berechtigt hätte. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts ist daher nicht fehlerhaft. Sie steht weder in Widerspruch zu den getroffenen Feststellungen, noch verstößt sie gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze.
9Soweit sich die Beklagte in der Berufungsbegründung erstmals darauf berufen hat, dass eine ineffektive Gruppenzusammensetzung vorgelegen habe, es kein Lernkonzept gegeben habe, sondern lediglich eine Hausaufgabenbetreuung erfolgt sei, handelt es sich um neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, mit denen die Beklagte gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 1 – 3 ZPO im Berufungsverfahren nicht gehört werden kann. Die Beklagte stützt sich insoweit ersichtlich auf Erkenntnisse, die sie erst durch die Beweisaufnahme des Amtsgerichts erlangt hat. Diese Umstände hat die Beklagte sich jedoch im erstinstanzlichen Verfahren weder zu Eigen gemacht noch selbst vorgetragen.
10Die Kündigung der Beklagten vom 22.01.2010 war auch nicht als fristlose Kündigung gemäß § 627 BGB wirksam. § 627 BGB ist auf Unterrichtsverträge mit Instituten oder Privatschulen nicht anwendbar, weil das besondere Vertrauensverhältnis, aufgrund dessen die Dienstübertragung in den Fällen des § 627 BGB üblicherweise erfolgt, nur zu einer natürlichen Person, nicht jedoch einer Institution bzw. juristischen Person bestehen kann (vgl. Palandt/Weidenkaff, a.a.O., § 627 Rdnr. 3; Schlosser, Erleichterte Kündigung von Direktunterrichtsverträgen, NJW 1980, 273, unter III.; MüKo/Henssler, BGB, 5. Auflage (2009), § 627 Rdnr. 23f.). Dies gilt nach Auffassung der Kammer gerade für den vorliegenden Unterrichtsvertrag, den die Beklagte mit der Klägerin, die ihren Sitz in einer anderen Stadt eines anderen Bundeslandes hat, geschlossen hat. Für die Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals des besonderen Vertrauensverhältnisses gibt es, wenn der Unterrichtsvertrag mit einer persönlich anonymen Einrichtung geschlossen wird, von vorneherein keine Ansatzpunkte (vgl. Schlosser, a.a.O.). Ziel eines solchen Unterrichtsvertrages ist eine auf den Erfolg abstellende Vermittlung von Fachwissen. Der Gesichtspunkt des besonderen Vertrauens, der im Erziehungsbereich sonst allgemein bedeutsam ist, tritt hierbei ganz zurück (vgl. MüKo/Henssler, a.a.O., § 627 Rdnr. 24).
11Die Kündigung der Beklagten vom 22.01.2010 ist mithin nur als ordentliche Kündigung wirksam geworden. Durch sie ist der Unterrichtsvertrag aufgrund der Vertragsklausel auf der Rückseite des Anmeldeformulars (Anlage K1 zur Klageschrift vom 13.09.2010, Bl. 12/13 d.A.), die eine dreimonatige Kündigungsfrist für die Beklagte als Kundin vorsah, erst mit Wirkung zum 30.06.2010 beendet worden. Bei der Klausel der Klägerin, die eine dreimonatige Kündigungsfrist vorsah, handelt es sich zwar um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB, die der Inhaltskontrolle der §§ 307ff. BGB unterliegt, die Klausel ist jedoch nach Auffassung der Kammer nicht unwirksam.
12Die Kündigungsfrist von drei Monaten verstößt nicht wegen der Vereinbarung einer Erstlaufzeit von 6 Monaten gegen § 307 BGB. Anders als in dem von der Beklagten angeführten vom Landgericht Hamburg (vgl. Der Betrieb 1987, S. 1482ff.) zu entscheidenden Fall kann eine unangemessene Benachteiligung der Beklagten als Kundin hier in der automatisch bei Nichteinhaltung der dreimonatigen Kündigungsfrist eintretenden Vertragsverlängerung um weitere drei Monate nicht gesehen werden. Während es in dem vom Landgericht Hamburg zu entscheidenden Fall zu einer Vertragsverlängerung kam, die eine weitere Bindung an den Vertrag vorsah, die doppelt so lang war, wie dessen Erstlaufzeit, sehen die Vertragsbedingungen der Klägerin hier lediglich eine automatische Verlängerung der Vertragsbindung um die Hälfte der ursprünglichen Mindestvertragslaufzeit vor. Diese Verlängerung um weitere drei Monate stellt auch bei der gebotenen Berücksichtigung der zumindest gleichwertigen Interessen der Klägerin als Verwenderin, die in einer besseren Planbarkeit ihres Personal- und Raumbedarfes bestehen, schon keine unangemessene Benachteiligung der Beklagten dar. Eine unangemessene Benachteiligung ist stets zu verneinen, wenn die Benachteiligung durch höher- oder zumindest gleichwertige Interessen des AGB-Verwenders gerechtfertigt wird (vgl. BGH NJW 2005, 1774ff.; BGH NJW 2008, 164).
13Die dreimonatige Kündigungsfrist bleibt zudem in dem durch § 309 Nr. 9c BGB gesetzten Rahmen.
14Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich auch aus dem Umstand, dass durch die Klausel einseitig die Kündigungsfrist des Kunden abweichend von der gesetzlichen Regelung des § 621 Nr. 3 BGB verlängert wird, keine unangemessene Benachteiligung der Beklagten im Sinne des § 307 BGB ableiten. Auch das Oberlandesgerichts Koblenz ist in dem Urteil vom 30.10.2003 (Az. 2 U 504/03), auf das sich die Beklagte beruft, zunächst davon ausgegangen, dass die Vereinbarung ungleicher Kündigungsfristen grundsätzlich möglich ist. Danach kann eine solche Klausel lediglich im Einzelfall wegen Einseitigkeit, Störung des Äquivalenzverhältnisses oder bei krassen Abweichungen wegen allgemeiner gegen Treu und Glauben verstoßender unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners unwirksam sein kann. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nach Überzeugung der Kammer nicht vor.
15Anders als in dem vom Oberlandesgericht Koblenz entschiedenen Fall, enthalten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin schon keine ausdrückliche Regelung dahingehend, dass es für die Klägerin selbst bei der gesetzlichen Regelung des § 621 Nr. 3 BGB verbleiben soll. Zwar sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin bei „kundenfeindlichster“ Auslegung so zu verstehen, dass die Klägerin selbst ihre Unterrichtsverträge innerhalb der gesetzlichen Fristen des § 621 Nr. 3 BGB kündigen kann. Hierfür gibt es aber berechtigte Gründe. Zum einen handelt es sich um die gesetzliche Regelung des § 621 Nr. 3 BGB, die individuell – mithin auch nur für eine der Parteien – abbedungen werden kann. Zum anderen sind wiederum die berechtigten Interessen der Klägerin an einer besseren Planbarkeit ihres Personal- und Raumbedarfes, die gegenüber den Interessen der Beklagten zumindest als gleichwertig anzusehen sind, zu berücksichtigen.
16Die Klausel der Klägerin ist auch nicht als überraschend einzustufen, weil die Vorderseite des Formulars einen drucktechnisch (in Fettschrift) hervorgehobenen Hinweis auf die umstehenden Geschäftsbedingungen enthält und die Bedingungen selbst thematisch in Absätze gegliedert dargestellt sind. Auch der Inhalt der Regelungen ist für einen Laien in kurzer Zeit mit wenig Aufwand zu erfassen.
17Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB auch Anspruch auf Ersatz von Mahnkosten für vier Mahnungen in Höhe von 12,00 €.
18Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.
19III.
20Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.
21Die Kammer hat die Revision nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
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