Urteil vom Landgericht Bochum - I-12 O 146/11
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert wird auf 9.925,-- € festgesetzt.
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T A T B E S T A N D:
2Die Klägerin betreibt seit dem 31.07.2005 ein akkreditiertes Mikrofinanzierungsinstitut zur Vermittlung von Mikrodarlehen aus dem Mikrofonds Deutschland. Die Vermittlung der Darlehen erfolgt hauptsächlich an Existenzgründer und Jungunternehmer wobei die Darlehenssumme i.d.R. € 10.000 nicht übersteigt. Hierzu verfügt die Klägerin über eine gewerberechtliche Erlaubnis. Auszahlende Bank für alle Mikrodarlehen in Deutschland ist die Beklagte. Diese erhielt am 29.12.2009 als einzige Bieterin den Zuschlag für den EU-weit ausgeschriebenen Dienstleistungsauftrag „Mikrokreditgewährung“ für Deutschland. Die vertragliche Zusammenarbeit zwischen Klägerin und der Beklagten ist geregelt im „Kooperationsvertrag Mikrofinanz“ vom 12.02.2010. Bezüglich der Einzelheiten wird auf diesen Vertrag Bezug genommen. Dieser Vertrag wurde gleich lautend mit mehreren anderen Mikrofinanzierern geschlossen. Artikel II des Vertrages regelt die Aufgaben der Vertragspartner. So hat die Klägerin als Darlehensvermittlerin gem. Artikel II Punkt 1.1 u.a. die laufende Rückzahlungskontrolle der Darlehen, Krisenintervention, Schadensverfolgung bei Leistungsstörungen sowie die Hereinnahme, Verwaltung und Verwertung von Kreditsicherheiten für die Bank zu erledigen.
3Gem. Punkt 1.2 haftet die Klägerin vorrangig für Kreditausfälle, wobei die Haftung auf 20% des höchsten Saldos aller Kredite begrenzt ist. Der Mikrofinanzierer erhält für jeden vermittelten Kredit ein Stückentgelt von zunächst € 800 sowie eine Gratifikation von 10% der Tilgungen (1.3). Die weiteren Einzelheiten ergeben sich aus Anlage 1 zum „Kooperationsvertrag Mikrofinanz“.
4In ihrer Eigenschaft als Mikrofinanziererin vermittelte die Klägerin auch den Kredit der Beklagten an Herrn T. Dieser schloss mit der Klägerin am 16.04.2010 einen Beratungs- und Monitoringvertrag und beantragte am 18.04.2010 bei der Beklagten ein Darlehen über € 10.000. Seine damaligen Verbindlichkeiten gab Herr T. im Rahmen einer Selbstauskunft mit € 32.000 an. Vor Abschluss des Kreditvertrages hatte die Klägerin seine Finanzlage überprüft und ihn für kreditwürdig befunden. Nach Abschluss des Darlehensvertrages kam der Kreditnehmer schnell in Verzug mit der Rückzahlung der Darlehensraten.
5Im weiteren Verlauf wurde die Beklagte am 07.07.2010 über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzgl. des Vermögens des Darlehensnehmers informiert. Dessen tatsächliche Verbindlichkeiten betrugen € 215.000. Am 28.07.2010 erhielt die Klägerin von der Beklagten eine Vollmacht für die Beitreibung des Kredits des Herrn T. Diese Vollmacht wies die Klägerin mit Schreiben vom 05.08.2010 zurück. Mit Schreiben vom 31.08.2010 wurde die Klägerin von der Beklagten darüber informiert, dass sie die Darlehensforderung des Herrn T. ausgebucht und an die Klägerin abgetreten habe. Im Weiteren wurde am 08.04.2011 zwischen den Prozessvertretern der Klägerin und des Herrn T. ein Vergleich ausgehandelt. Dieser beinhaltete, dass Herr T. noch einen Betrag von € 9.925,72 zzgl. Zinsen und weiterer Kosten schuldete und zur Abgeltung der Schuld ein Vergleichsbetrag i.H.v. € 1.500 von dritter Seite gezahlt werden sollte. Bis zur Klärung der Forderungsinhaberschaft sollte die Klägerin den Vergleichsbetrag treuhänderisch verwalten. Diesem Vergleich hatte die Beklagte bereits am 31.03.2011 zugestimmt und spätestens im Verlauf der Prozesses die hinterlegten 1500 € zu Gunsten der Klägerin freigegeben.
6In der Abrechnung für das Jahr 2010 setzte die Beklagte u.a. die ursprünglich gegen Herrn T. bestehende Forderung von dem Entgeltanspruch der Klägerin ab.
7Die Klägerin wendet sich gegen den Abzug von 9925,72 € und vertritt hierzu die Ansicht, die Abtretung der streitgegenständlichen Forderung und die Zubuchung zu ihrer Haftungssumme seien rechtswidrig und nichtig. Zum einen seien die Ziffern 9 und 10 des Darlehensvertrages zwischen der Beklagten und Herr T., die sich mit der Abtretung einzelner Forderungen befassen, durchgestrichen. Darin liege ein konkludenter Abtretungsausschluss. Weiterhin verstoße die Abtretung gegen § 32 I 1 i.V.m. § 1 I 2 Nr.8 KWG was zur Nichtigkeit gem. § 134 BGB führe. Die Klägerin betreibe Bankgeschäfte in Gestalt von Garantiegeschäften ohne die erforderliche Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin). Zudem würden die Regelungen des „Kooperationsvertrages Mikrofinanz“ eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin i.S.d. § 307 BGB beinhalten. Bei einer Delkrederehaftung eines Handelsvertreters sei auch eine entsprechende Provision nötig. Diese sei nicht vereinbart und der fehlende Hinweis hierauf überraschend. Außerdem betreibe die Klägerin ein Inkassogeschäft, so dass eine Registrierung nach § 10 RDG erforderlich sei. Da diese nicht vorliege, verstoße sie gegen § 3 RDG.
8Die Klägerin hat in ihrer Klageschrift vom 11.08.2011 ursprünglich beantragt,
9die „Abrechnung 2010 Mirkofinanzfonds Deutschland und Mikrokreditfonds Deutschland“ der Beklagten an die Klägerin vom 09.02.2011 dahingehend zu berichtigen, dass die Kreditausfälle in 2010 jedenfalls nicht € 18.771,97, sondern abzüglich der streitgegenständlichen Darlehensforderung der Beklagten aus dem Darlehen Nr. 8204858420 vom 19./28.04.2010 gegen Herrn T. in Höhe von € 9925,72 allenfalls – rein rechnerisch und ohne Anerkenntnis - € 8.846,25 beträgt.
10Die Klägerin beantragt nach gerichtlichem Hinweis nunmehr,
11die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 9.326,27 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.02.2011 zu zahlen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Abtretung der Forderung sehr wohl wirksam sei. Insbesondere liege kein Verstoß gegen das KWG vor. Selbst bei Annahme eines Bankgeschäftes richte sich das Verbot des § 32 KWG nicht gegen das Geschäft selbst, sondern nur gegen dessen Vornahme. Auch ein Verstoß gegen das RDG sei abzulehnen. Die Tätigkeit der Klägerin sei nicht als Inkassodienstleistung zu qualifizieren. Es erfolge gerade keine Abtretung der Forderung zur Einziehung auf fremde Rechnung, sondern vielmehr auf eigene Rechnung. Die Abtretung sei auch nicht im Kreditvertrag des Herrn T. ausgeschlossen. Die Abtretungsmöglichkeiten, die gestrichen wurden, seien nicht auf den Bereich der Mikrofinanzierung bezogen.
15Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze einschließlich der dortigen Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift.
16E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E:
17Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
181.
19Die mit dem Übergang vom Feststellungsantrag zum Zahlungsantrag verbundene Klageänderung ist sachdienlich. Denn das gesamte bisherige Vorbringen der Parteien bleibt in vollem Umfang verwertbar und maßgebend. Durch die Klageänderung wird ein eventueller weiterer Prozess vermieden.
202.
21Der Klage bleibt jedoch in der Sache der Erfolg versagt. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Auszahlung der begehrten 9.326,27 € zu. Denn die Beklagte ist berechtigt, betreffend das Darlehen Nr. 8204858420 einen Betrag von 9.925,72 € zu Lasten der Klägerin zu verrechnen. Die Beklagte kann sich insoweit auf Art. II 1.2 in Verbindung mit 3.3 und 3.4 des zwischen den Parteien bestehenden Kooperationsvertrages Mikrofinanz stützen. Das Zahlenmaterial und die Ausgangssituation hinsichtlich der Kreditvergabe an den Kunden T. sind zwischen den Parteien nicht streitig. Da der Kunde T. seinen Verpflichtungen auch nach Durchführung des vorgesehenen Mahnverfahrens nicht nachkam, lagen die Voraussetzungen der Haftung der Klägerin in Höhe eines Betrages von 9.925,72 € vor. Die getroffene Haftungsvereinbarung ist auch nicht unwirksam. Insbesondere handelt es sich nicht um eine der Klägerin unangemessen belastende Regelung im Sinne des § 307 BGB. Eine Haftungsübernahme stellt zwangsläufig eine Benachteiligung dar. Unangemessen im Sinne des § 307 BGB ist eine solche Benachteiligung aber nur dann, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. BGH NJW 10, 57 m.w.N.). Erforderlich ist insoweit eine umfassende Würdigung des konkreten Vertragsverhältnisses, der Interessen beider Parteien und der Anschauung der beteiligten Verkehrskreise sowie die Gesamtheit der sich aus der Rechtsordnung ergebenden Bewertungskriterien (Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Auflage, § 307 Rdnr. 12 m.w.N.). Gemessen an diesen Kriterien ist die vorgesehene Inanspruchnahme des Mikrofinanzierers für die Ausfälle von Krediten nicht unangemessen. Denn das Geschäftsmodell verschafft ihm zunächst mehrere Wege für seinen Einsatz ein Entgelt zu bekommen. So erhält er zunächst ein Stückentgelt pro Kredit und zusätzlich eine erfolgsabhängige Gratifikation. Seine Haftung wird mehrfach abgemildert. Zum einen ist sie begrenzt auf 20 % des höchsten Saldos aller Kredite, zum anderen erhält der Mikrofinanzierer eine Aufwandsentschädigung für die Forderungseintreibung gemäß Art. II 1.3 c Kooperationsvertrag. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte ein anerkennenswertes Interesse an der Übernahme der Haftung der Mikrofinanzierer hat. Denn so lässt sich verhindern, dass ungeeignete Kreditnehmer leichtfertig vorgeschlagen werden, um ein Stückentgelt zu erzielen. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte kollektive Gesamtinteressen wahrzunehmen hat, da sie auszuzahlende Bank für sämtliche Mikrokredite in Deutschland ist. Insoweit liegt das Zustandekommen eines effektiven, durchrationalisierten Systems auch im öffentlichen Interesse. Die Funktionsfähigkeit dieses Systems wäre gefährdet, wenn die beteiligten Mikrofinanzierer unter dem Blickwinkel der eigenen Einnahmeerzielung verleitet werden könnten, nicht den Anforderungen entsprechende Bewerber herauszusuchen. Durch die Haftungsregelung wird ein angemessener Anreiz geschaffen, sich sorgfältig an die aufgestellten Kriterien zu halten. Das damit bestehende, insgesamt ausgewogene Verhältnis von Verdienstmöglichkeiten und Haftungsrisiken wird auch nicht durch die behauptete Unwirksamkeit der regelmäßig vorgesehenen Abtretung ausgebuchter Kredite erschüttert. Ein Abtretungsverbot ist zwischen der Beklagten und dem hier betroffenen Darlehensnehmer nicht vereinbart worden. Die Streichungen im Darlehensvertrag bedeuten nur, dass diese sehr detailliert ausformulierten Regelungen nicht gelten sollten. Ein darüber hinaus gehender Erklärungswert kommt der Streichung nicht zu. Die Abtretung der Forderung ist auch nicht gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen § 32 KWG in Verbindung mit § 1 I Nr. 8 KWG nichtig. Denn der Verstoß gegen § 32 KWG führt nicht zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts (vgl. BGH Urteil vom 19.04.2011 – XI ZR 256/10). Die Abtretung der Forderung ist auch nicht nichtig wegen eines Verstoßes gegen Vorschriften des Gesetzes über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen. Denn Voraussetzung wäre das Vorliegen einer Rechtsdienstleistung im Sinne des § 2 RDG. Nach erfolgter Abtretung der Forderung ist in der Tätigkeit der Klägerin keine solche Rechtsdienstleistung zu sehen. Denn sie verfolgt mit dem Einzug der Forderung von da an eigene Angelegenheiten. Die vertraglich vorgesehene Tätigkeit der Klägerin vor der Abtretung stellt allenfalls eine Rechtsdienstleistung dar, die im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit ausgeübt wird. In diesem Fall ist sie aber als Nebenleistung erlaubt gemäß § 5 RDG. Die hier in Rede stehenden Tätigkeiten der Rückzahlungskontrolle sowie die Hereinnahme und Verwaltung von Krediten stehen in Zusammenhang mit der Kreditvermittlung. Sie passen sich in den Gesamtkontext ein und stellen keine isolierten Tätigkeiten dar. Dies gilt auch für das Mahnwesen. Dieses wird zunächst von der Beklagten selbst durchgeführt. Die Klägerin interveniert bei Ausbleiben einer vereinbarten Kreditrate lediglich parallel dazu.
22Die Inanspruchnahme der Klägerin durch die Beklagte hält sich damit im Rahmen der wirksamen vertraglichen Vereinbarung. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der durch den Vergleich vorgenommenen Reduzierung der Forderung gegen den Darlehensnehmer. Denn die Klägerin hat sich freiwillig auf den Vergleich eingelassen (vgl. Anlage K 14).
23Die Klage war daher insgesamt abzuweisen. Auf den Umstand, dass der Klägerin spätestens seit der im Rahmen dieses Verfahrens erfolgten Freigabeerklärung der Beklagten die Vergleichssumme von 1.500,-- € ohnehin zur Verfügung steht, kam es daher schon nicht mehr an.
24Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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