Urteil vom Landgericht Bochum - I-1 O 334/11
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Abtretung der Beteiligung am „B“ an die Klägerin 13.120,73 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 21,51 EUR seit dem 31.01.1998 und jedem weiteren Monatsletzten einschließlich des 30.04.2000, je 20,89 EUR seit dem 31.05.2000 und jedem weiteren Monatsletzten einschließlich des 31.03.2004, je 19,41 EUR seit dem 30.04.2004 und jedem weiteren Monatsletzten einschließlich des 31.12.2004, je 19,38 EUR seit dem 31.01.2005 und jedem weiteren Monatsletzten einschließlich des 31.05.2005, je 9,18 EUR seit dem 30.06.2005 und jedem weiteren Monatsletzten einschließlich des 30.04.2007, je 8,17 EUR seit dem 31.05.2007 und jedem weiteren Monatsletzten einschließlich des 30.10.2008, je 6,17 EUR seit dem 30.11.2008 und jedem weiteren Monatsletzten einschließlich des 31.08.2009, 32,90 EUR seit dem 30.09.2009, 30,90 EUR seit dem 31.10.2009, 6,26 EUR seit dem 30.11.2009, 5.907,88 EUR seit dem 16.11.2009 und 5.752,12 EUR seit dem 26.01.2010 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte mit der Annahme der Abtretungserklärung der Klägerin in Annahmeverzug ist.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 120 % des jeweils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf bis zu 16.000,- EUR festgesetzt.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin macht aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Ehemanns die Rückabwicklung einer Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds geltend, die über ein Darlehen der Beklagten finanziert wurde.
3Die Klägerin und ihr Ehemann, der Zeuge P, erklärten am 18.02.1997 den Beitritt zur Fondsgesellschaft „B“, deren Gegenstand der Erwerb und die Verwaltung eines Seniorenzentrums in M und der am 21.06.1995 mit einem Volumen von 34,7 Mio. DM als Gesellschaft bürgerlichen Rechts aufgelegt worden war. Die Beitrittserklärungen wurden unter dem 07.05.1997 notariell beurkundet. Wegen der Einzelheiten wird auf das Emissionsprospekt, das Beitrittsformular vom 18.02.1997 und die notarielle Urkunde des Notars M1 vom 07.05.1997 (UR-Nr. 299/97) verwiesen (Anl. 1, 3 und 8 zur Klageschrift).
4Die Einlage von 20.000,- DM wurde über ein Darlehen der Beklagten mit einem Nettokreditbetrag von 22.826,09 DM finanziert. Zur Sicherheit wurden u.a. die Gesellschaftsanteile am „B“ an die Beklagte abgetreten. Die Vertragsurkunde enthält eine von den Kreditnehmern gesondert zu unterzeichnende „Widerrufsbelehrung für finanzierte Geschäfte“ mit folgendem Wortlaut: „Der Kreditnehmer kann seine heutige auf den Abschluss des Kreditvertrages (Kontonummer siehe oben) gerichtete Willenserklärung binnen einer Frist von einer Woche nach Abgabe der Erklärung und Aushändigung dieser von ihm unterschriebenen Widerrufsbelehrung an ihn schriftlich widerrufen. […] Im Falle der Ausübung des Widerrufsrechts kommt auch das finanzierte Geschäft nicht wirksam zustande.“ Neben der Unterschrift der Klägerin befindet sich in einem Textfeld für Ort und Datum die Voreintragung „M2, 6.3.1997“. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Kreditvertrag nebst Anlagen Bezug genommen (Bl. 191 ff. d.A.).
5Das Darlehen wurde rückwirkend zum 01.05.1997 mit einem bis zum 30.04.2005 festen Zinssatz von 5,8 % geführt. Zum 01.05.2005 wurde es mit einem bis zum 30.08.2009 festgelegten Zinssatz von 4,75 % prolongiert. Die Klägerin löste das Darlehen durch Schlusszahlungen über 5.907,88 EUR und 5.752,12 EUR am 16.11.2009 und 26.01.2010 vollständig ab. Insgesamt zahlte sie zur Tilgung und auf die Zinsen einen Betrag von 19.451,57 EUR und erhielt Ausschüttungen in Höhe von 6.330,84 EUR. Den Differenzbetrag von 13.120,73 EUR macht sie nunmehr klageweise geltend. Wegen der Einzelheiten wird auf die tabellarische Aufstellung in der Klageschrift vom 25.07.2011 verwiesen (Bl. 9 ff. d.A.).
6Mit Schreiben vom 15.11.2010 forderte die Klägerin die Beklagte dazu auf, einen Rückabwicklungsanspruch nach § 3 Abs. 1 S. 1 HWiG dem Grunde nach anzuerkennen und den zu berechnenden Betrag Zug um Zug gegen Übertragung der Fondsbeteiligung an die Klägerin auszukehren. Nachdem die Beklagte dies unter dem 30.11.2010 abgelehnt hatte, erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 15.06.2011 den Widerruf des Darlehensvertrages vom 06.03.1997. Mit Abtretungserklärungen vom 20.06. und 18.07.2011 trat der Zeuge P seine Ansprüche auf Rückabwicklung des Darlehensvertrages vom 06.03.1997 und die aus der Beteiligung am „B“ resultierenden Ansprüche auf Ausschüttungen sowie sämtliche Rechte und Pflichten aus der Fondsbeteiligung an die Klägerin ab.
7Die Klägerin behauptet, der Zeuge P sei von einem Arbeitskollegen, dem Zeugen F, der nebenberuflich für den Finanzdienstleister B tätig war, angesprochen worden. Daraufhin sei ein Gesprächstermin vereinbart worden, der am 18.02.1997 in der damaligen Privatwohnung der Klägerin und des Zeugen P in X stattgefunden habe. In diesem Termin habe der Zeuge F der Klägerin und ihrem Ehemann den „B“ vorgestellt und als steuerlich günstig und geeignet für die Altersvorsorge angepriesen. Die Klägerin und der Zeuge P hätten daraufhin die Fondsbeteiligung und eine Selbstauskunft unterzeichnet, die für die finanzierende Bank bestimmt gewesen sei. Der Zeuge F habe zugesichert, sich um alles kümmern zu wollen. Er sei dann etwa zwei bis drei Wochen später erneut in der Wohnung der Klägerin und des Zeugen P erschienen und habe den Kreditvertrag der Beklagten mitgebracht, den sie nur noch unterschrieben und dem Zeugen F wieder mitgegeben hätten.
8Die Klägerin ist der Ansicht, bei dem Fondsbeitritt und dem Kreditvertrag handle es sich um ein verbundenes Geschäft, und trägt dazu vor, zwischen der Beklagten und den Fondsinitiatoren habe eine enge Zusammenarbeit bestanden. Die Beklagte habe der B-Gruppe im Vorfeld zugesagt, die Finanzierung sämtlicher Beteiligungen zu übernehmen. So heiße es in dem Prospekt, dass alle Gesellschafter einheitlich bei einem deutschen Kreditinstitut finanziert würden. Eine entsprechende Zusage liege der Fondsgesellschaft vor. Demnach habe die Beklagte beim „B“ Finanzierungen in Höhe von insgesamt 34,7 Mio. DM übernommen. Der Vertrieb sei zu einem großen Teil über den B erfolgt, wovon die Beklagte gewusst habe. Die Mitarbeiter des B hätten die Kunden darüber informiert, dass die Beteiligung über die Beklagte finanziert werde und sie keine eigenen Anstrengungen unternehmen müssten, um eine zur Finanzierung bereite Bank zu suchen.
9Die Klägerin beantragt,
101. die Beklagte zu verurteilen, Zug um Zug gegen Abtretung der treuhänderisch von der Klägerin gehaltenen Beteiligung am „B“ 13.120,73 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 21,51 EUR seit dem 31.01.1998 und jedem weiteren Monatsletzten einschließlich des 30.04.2000, je 20,89 EUR seit dem 31.05.2000 und jedem weiteren Monatsletzten einschließlich des 31.03.2004, je 19,41 EUR seit dem 30.04.2004 und jedem weiteren Monatsletzten einschließlich des 31.12.2004, je 19,38 EUR seit dem 31.01.2005 und jedem weiteren Monatsletzten einschließlich des 31.05.2005, je 9,18 EUR seit dem 30.06.2005 und jedem weiteren Monatsletzten einschließlich des 30.04.2007, je 8,17 EUR seit dem 31.05.2007 und jedem weiteren Monatsletzten einschließlich des 30.10.2008, je 6,17 EUR seit dem 30.11.2008 und jedem weiteren Monatsletzten einschließlich des 31.08.2009, 32,90 EUR seit dem 30.09.2009, 30,90 EUR seit dem 31.10.2009, 6,26 EUR seit dem 30.11.2009, 5.907,88 EUR seit dem 16.11.2009 und 5.752,12 EUR seit dem 26.01.2010 an die Klägerin zu zahlen.
112. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Abtretung im Verzug befindet.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie behauptet, bei dem in der Urkunde voreingetragenen Datum des 06.03.1997 handle es sich um den Tag der Ausfertigung der Urkunde in ihrem Hause. Ihr sei das von der Klägerin und ihrem Ehemann unterzeichnete Vertragsformular erst am 18.09.1997 von der Fondsvertriebsgesellschaft zurückgereicht worden. Es sei daher davon auszugehen, dass die Unterzeichnung erst nach dem Notartermin am 07.05.1997 stattgefunden habe. Daher fehle es an der erforderlichen Kausalität zwischen der Haustürsituation und dem Abschluss des Darlehensvertrages. Zudem sei der Widerruf verfristet, da der Darlehensvertrag eine ordnungsgemäße Belehrung enthalte.
15Ferner beruft sich die Beklagte darauf, dass das Widerrufsrecht zum Zeitpunkt der Ausübung 13 Jahre nach Vertragsschluss verwirkt sei. Die Klägerin habe über Jahre hinweg ihre aus dem Steuersparmodell resultierenden Möglichkeiten wahrgenommen und ihre Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Beklagten erfüllt. Das Darlehen sei zwischenzeitlich prolongiert und schließlich vollständig abgelöst worden, ohne dass sich aus dem Verhalten der Klägerin ein Anzeichen dafür habe entnehmen lassen, dass sie von ihrem Widerrufsrecht noch Gebrauch machen werde. Jedenfalls müsse sie sich auf einen eventuellen Rückgewähranspruch die erzielten Steuervorteile anrechnen lassen, da diese nicht mehr unter Vorbehalt stünden und somit eine Rückforderung durch das Finanzamt nicht mehr zu erwarten sei.
16Es liege auch kein verbundenes Geschäft vor, da der Zeuge F weder über bankeigene Kreditformulare verfügt habe und auch im Übrigen nicht beauftragt oder befugt gewesen sei, für sie rechtsverbindliche Aussagen über Finanzierungen zu treffen. Eine Zusammenarbeit zwischen ihr und der Atlasgruppe habe nicht stattgefunden, insbesondere habe sie keine generelle Finanzierungszusage abgegeben.
17Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen F und P. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 26.04.2012 Bezug genommen (Bl. 195 ff. d.A.).
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
19Die Klage ist in vollem Umfang begründet.
20Die Klägerin und ihr Ehemann haben Anspruch auf Rückabwicklung des mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrages vom 06.03.1997, da sie ihre auf Abschluss dieses Vertrages gerichteten Willenserklärungen wirksam widerrufen haben. Da der Widerruf am 15.10.2010 bzw. am 15.06.2011 erklärt worden ist, finden gem. Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB die Vorschriften der §§ 312, 355, 357 Abs. 1 S. 1, 358 Abs. 4 S. 1, S. 3 i.V.m. 346 ff. BGB Anwendung, wobei jedoch anstelle der Neuregelung des Widerrufsrechts und seiner Rechtsfolgen in den §§ 346, 355 und 358 BGB gem. Art. 229 § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EGBGB die Bestimmungen der §§ 1, 3 HWiG und §§ 7, 9 VerbrKrG anzuwenden sind, da es sich um ein Haustürgeschäft handelt, das vor dem 01.08.2002 abgeschlossen worden ist.
21Die Kammer geht aufgrund der Beweisaufnahme davon aus, dass die Klägerin und ihr Ehemann anlässlich des Besuchs durch den Zeugen F im Bereich ihrer Privatwohnung am 18.02.1997 im Sinne von § 312 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2. Alt. BGB bzw. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWiG, also in einer sog. Haustürsituation, zum Abschluss des Kreditvertrages mit der Beklagten bestimmt worden sind. Die Vernehmung der Zeugen P und F hat den Vortrag der Klägerin zur Überzeugung der Kammer vollumfänglich bestätigt, dass der Zeuge F den Zeugen P zunächst am Arbeitsplatz angesprochen hat, noch ohne dass die Absicht erkennbar war, ihm und der Klägerin eine Fondsbeteiligung zu vermitteln, sondern um zunächst einen Gesprächstermin in ihrer Privatwohnung zu vereinbaren. Dort hat der Zeuge F dann erstmals das Interesse auf den „B“ gelenkt und dann auch sogleich auf die Zeichnung der Beteiligung in diesem ersten Verkaufsgespräch hingewirkt. Demnach lag eine Haustürsituation im Sinne von § 312 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2. Alt. BGB bzw. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWiG vor, die auf Initiative des Zeugen F und nicht aufgrund einer vorhergehende Bestellung im Sinne von § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB bzw. § 1 Abs. 2 Nr. 1 HWiG zustande gekommen ist.
22Die Beweisaufnahme hat überdies ergeben, dass die demnach gegebene Haustürsituation nicht nur kausal für die Abgabe der Beitrittserklärung am 18.02.1997 war, sondern auch für die Willenserklärungen der Klägerin und des Zeugen P, die für das Zustandekommen des auf den 06.03.1997 datierten Kreditvertrages mit der Beklagten erforderlich waren. Die beiden Zeugen und die Klägerin im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung haben übereinstimmend bekundet, dass zwischen den beiden Besuchsterminen nur ca. zwei bis drei Wochen vergangen sind. Sowohl die Klägerin als auch der Zeuge P waren sich sicher, dass der Notartermin erst nach Unterzeichnung sämtlicher Schriftstücke stattgefunden hat, die ihnen von dem Zeugen F vorgelegt worden sind. Der Zeuge F hat es als das übliche Prozedere beschrieben, dass nach dem ersten Termin maximal drei Wochen vergingen, bis den Kunden die Kreditunterlagen zur Unterschrift vorgelegt wurden. Dies stimmt mit dem voreingetragenen Datum auf dem Kreditvertrag und der Widerrufsbelehrung überein: Zwischen dem Besuch vom 18.02.1997 und dem 06.03.1997 lagen exakt 15 Tage, d.h. selbst wenn es sich um das Ausfertigungsdatum gehandelt haben sollte, so ist bei unterstellter zeitnaher Absendung von einer Abwicklung innerhalb einer Frist von maximal drei Wochen auszugehen.
23Ob bei einer derartigen zeitlichen Nähe von zwei bis drei Wochen noch von einem Anscheinsbeweis für die Kausalität zwischen der Haustürsituation und der Abgabe der Willenserklärung ausgegangen werden kann (vgl. dazu Stadler, in: Jauernig, BGB, 14. Aufl. 2011, § 312 Rn. 10; Thüsing, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2005, § 312 Rn. 70 f.; Masuch, in: Münchener Kommentar, BGB, 6. Aufl. 2012, § 312 Rn. 41, jew. m.w.N.), kann offen bleiben, da jedenfalls hinreichende Anhaltspunkte für das Fortwirken der Überrumpelungssituation bis zur Unterzeichnung des Darlehensvertrages erkennbar sind. Der Zeuge F hat den Fondsbeitritt und die Finanzierung durch die Beklagte „im Paket“ beworben und an die Klägerin und ihren Ehemann verkauft, was für eine einheitliche Motivationslage in Bezug auf beide Geschäfte spricht. Dementsprechend konnten sich weder die Klägerin noch der Zeuge P an die chronologische Abfolge auch gar nicht mehr erinnern, ob zunächst der Beitritt erklärt, die Selbstauskunft oder schon ein Darlehensantrag bzw. Vertragsformular unterzeichnet worden sind.
24Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, wann und auf welche Weise der Darlehensvertrag letztlich zustande gekommen ist. Maßgebender Zeitpunkt für das Vorliegen der Kausalität ist die Abgabe der Willenserklärung durch den Verbraucher; es kommt noch nicht einmal auf den Zugang der Erklärung bei dem Unternehmer an und erst recht nicht auf dessen Annahmeerklärung, durch die der Vertrag möglicherweise erst sehr viel später zustande kommt. Dies gilt nach Auffassung der Kammer jedenfalls dann, wenn nach Abgabe der Erklärung aus Sicht des Verbrauchers ein Widerruf gem. § 130 Abs. 1 S. 2 BGB nicht mehr möglich ist oder zumindest nicht mehr aussichtsreich erscheint, da sich die Erklärung bereits auf dem Weg zum Unternehmer befindet und davon auszugehen ist, dass sie ihm alsbald zugeht. Die Klägerin und ihr Ehemann mussten im Moment der Rückgabe des unterzeichneten Vertrages an den Zeugen F davon ausgehen, das ihrerseits Erforderliche zum Zustandekommen des Vertrages getan zu haben und sich von diesem Moment an nur noch durch Ausübung des Widerrufsrechts vom Vertrag lösen zu können. Dass die Vertragsurkunde tatsächlich zunächst von dem Zeugen F in der B-Niederlassung in X abgegeben, von dort aus offenbar an die Fondsvertriebsgesellschaft weitergeleitet und erst am 18.09.1997 an die Beklagte versandt worden ist, kann nicht zu Lasten der Klägerin gehen. Es würde dem Schutzzweck des Widerrufsrechts widersprechen, wenn es der Unternehmer in der Hand hätte, durch die Verlängerung der Übertragungswege oder Zwischenschaltung weiterer Personen Einfluss auf die Kausalität der Haustürsituation zu nehmen.
25Der Klägerin steht demnach ein Widerrufsrecht gem. §§ 312 Abs. 1 S. 1, 355 Abs. 1 BGB bzw. §§ 1 Abs. 1 S. 1, 3 HWiG zu, das sie mit Schreiben vom 15.11.2010 bzw. 15.06.2011 wirksam ausgeübt hat. Die Widerrufsfrist war zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen, da sie mangels einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung gem. §§ 312 Abs. 2 S. 1, 355 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1, 358 Abs. 5 BGB noch gar nicht zu laufen begonnen hatte. Der mit dem Widerrufsrecht bezweckte Schutz des Verbrauchers erfordert eine umfassende, unmissverständliche und für den Verbraucher eindeutige Belehrung (vgl. § 2 Abs. 1 S. 2 HWiG). Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, sein Widerrufsrecht auszuüben, was insbesondere voraussetzt, dass er über den Fristbeginn nicht im Unklaren sein darf (BGH, Urt. v. 24.03.2009 – XI ZR 456/07 – NZG 2009, 710, 711, Rn. 14; Masuch, a.a.O., § 360 Rn. 16 m.w.N.). Nach diesen Maßstäben ist die den Klägern erteilte Widerrufsbelehrung unwirksam. Der verständige Kunde, auf dessen Sichtweise es für die Auslegung der Belehrung ankommt, kann den Beginn der Widerrufsfrist anhand der Belehrung in ihrer Gesamtheit nicht ermitteln, da einerseits auf das „heutige“, vorgedruckte Datum abgestellt wird und andererseits auf die „Abgabe der Erklärung“, obwohl diese beiden Zeitpunkte zeitlich auseinanderfallen können. In dem Feld für die Unterschrift des Kreditnehmers ist kein weiteres Feld für die Eintragung eines abweichenden, späteren Datums vorgesehen, so dass das Datum und der Ort der Unterzeichnung durch den Kunden aus der Widerrufsbelehrung nicht hervorgeht. Auf Grundlage des eigenen Vortrags der Beklagten, wonach es sich bei dem vorgedruckten um das Datum der Ausfertigung in ihrem Hause handelt, wird es jedoch im Regelfall so sein, dass der Kunde die Unterschrift erst einige Tage nach dem voreingetragenen Datum leisten wird. Wenn die Klägerin das Formular beispielsweise erst eine Woche nach dem 06.03.1997 unterzeichnet hätte, könnte der Eindruck entstehen, dass die Widerrufsfrist schon abgelaufen war, obwohl sie in Wahrheit noch überhaupt nicht zu laufen begonnen hat. Bereits deshalb ist die Widerrufsbelehrung nach Auffassung der Kammer als fehlerhaft i.S.v. § 360 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 BGB anzusehen und daher nicht geeignet, eine Widerrufsfrist in Lauf zu setzen.
26Der Ausübung des Widerrufsrechts unter dem 15.11.2010 bzw. 15.06.2011 steht auch nicht der Einwand der Verwirkung entgegen. Die Beklagte weist zwar zu Recht darauf hin, dass auch das verbraucherschutzrechtliche Widerrufsrecht verwirkt werden kann, wenn es über einen längeren Zeitraum nicht ausgeübt und seitens des Verbrauchers beim Unternehmer das Vertrauen geweckt wird, dass auch künftig kein Gebrauch von ihm gemacht werde. Das setzt aber grundsätzlich voraus, dass der Verbraucher ordnungsgemäß über das Bestehen des Widerrufsrechts belehrt worden ist. Ließe man auch bei Vorliegen einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung den Einwand der Verwirkung zu, so bestünde die Gefahr, dass fehlerhafte Widerrufsbelehrungen nicht mehr dem Zweck des Verbraucherschutzrechts gemäß sanktioniert würden (Kaiser, in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2004, § 355 Rn. 64; Ebnet, NJW 2011, 1029, 1035, unter IV. 2.). Überdies ist der Unternehmer auch nicht schutzwürdig, solange er den Verbraucher nicht ordnungsgemäß belehrt hat, da er jederzeit die Möglichkeit hat, durch Nachholung einer ordnungsgemäßen Belehrung die Monatsfrist gem. § 355 Abs. 2 S. 3 BGB nachträglich in Gang zu setzen und dadurch Rechtsklarheit zu schaffen (Masuch, a.a.O., § 355 Rn. 77). Zudem setzt das Institut der Verwirkung selbstverständlich auch im Anwendungsbereich der §§ 312, 355 BGB bzw. §§ 1, 3 HWiG das Vorliegen eines Zeit- und Umstandsmoments voraus. Selbst wenn man also mit der Beklagten davon ausgeht, dass eine Verwirkung auch ohne zutreffende Belehrung über den Lauf der Widerrufsfrist möglich sei, so fehlt es hier jedenfalls am Umstandsmoment: Die Prolongation des Darlehens beruhte auf dem Ablauf der Zinsbindung und der Neuzuteilung des Bausparvertrages und fand zudem auf Veranlassung der Beklagten und nicht der Klägerin als der im Sinne des Verwirkungseinwands Berechtigten statt. Auch die von der Beklagten ins Feld geführte Geltendmachung von Steuervorteilen durch die Klägerin ist insofern irrelevant, da sie den Fondsbeitritt und kein Verhalten der Klägerin gegenüber der Beklagten darstellt, aus dem diese zu ihren Gunsten einen Vertrauenstatbestand herleiten könnte. Im Unterschied zu dem Sachverhalt, der dem von der Beklagten vorgelegten Urteil des Landgerichts Köln vom 25.10.2011 – 3 O 35/11 – zugrunde lag, fand die (vollständige) Ablösung des Darlehens hier erst am 26.01.2010 statt und damit im zeitlichen Zusammenhang mit der Geltendmachung des Widerrufsrechts in dem Schreiben vom 15.11.2010, so dass aufgrund dessen ein schutzwürdiges Vertrauen nicht entstehen konnte.
27Demnach ist aufgrund der wirksamen Ausübung des Widerrufsrechts gem. §§ 346 ff., 357 f. BGB bzw. §§ 3 f. HWiG, §§ 7, 9 VerbrKrG a.F. ein Rückgewährschuldverhältnis entstanden, das aufgrund der Verknüpfung der beiden Verträgen einheitlich im Verhältnis der Parteien stattzufinden hat, da es sich bei dem Darlehensvertrag und dem Fondsbeitritt um verbundene Geschäfte i.S.v. § 358 Abs. 3 BGB bzw. § 9 Abs. 1 VerbrKrG handelt. Die Widerrufsbelehrung trägt nämlich die Überschrift „Widerrufsbelehrung für finanzierte Geschäfte“ und führt im Text aus, dass im Falle der Ausübung des Widerrufsrechts auch das finanzierte Geschäft nicht wirksam zustande kommt. Sie lässt nicht offen, ob die Finanzierung auf ein verbundenes Geschäft gerichtet ist, sondern stellt dies positiv fest. Die spezielle Widerrufsbelehrung für verbundene Geschäfte ist ausdrücklich angekreuzt und zudem mit der Kontonummer der Klägerin versehen worden, so dass aus ihrer Sicht kein Zweifel an der Finanzierungsabrede in Bezug auf die Fondsbeteiligung entstehen konnte. Bereits deshalb muss sich die Beklagte nach Auffassung der Kammer daran festhalten lassen, dass es sich um ein verbundenes Geschäft handelt.
28Überdies ergibt sich das Vorliegen eines verbundenen Geschäfts aber auch aus der Vermutung des § 358 Abs. 3 S. 2, 2. Alt. BGB bzw. § 9 Abs. 1 S. 2 VerbrKrG. Für das Kriterium des arbeitsteiligen Zusammenwirkens kommt es auf das Verhältnis der Beklagten zur Fondsgesellschaft als Vertragspartnerin des finanzierten Vertrages bzw. ihrer Vertriebsgesellschaft an. Insoweit genügt es, dass die Finanzierung auf der Grundlage einer nur ein einmaliges Zusammenwirken regelnden Vereinbarung zwischen dem Darlehensgeber und dem Unternehmer erfolgt (Habersack, in: Münchener Kommentar, BGB, 6. Aufl. 2012, § 358 Rn. 38 m.w.N.). Bei Hinzuziehung eines Vermittlers wie des B genügt für eine Zurechnung, dass dieser mit Wissen und Wollen des Darlehensgebers tätig wird, auch wenn er im Auftrag des Unternehmers handelt (Habersack, a.a.O., Rn. 44; Kessal-Wulf, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2004, § 358 Rn. 30, jew. m.w.N.). Demnach kommt es entgegen der Ansicht der Beklagten nicht darauf an, ob sie selbst vertragliche Beziehungen zum B unterhalten hat. Die Klägerin hat unter Bezugnahme auf das Sitzungsprotokoll aus dem Verfahren OLG München – 5 U 4557/11 – substanziiert vorgetragen, dass der „B“ in einer Vielzahl von Fällen systematisch durch die Beklagte finanziert und der Vertrieb planmäßig vom B übernommen worden ist, ohne dass die Beklagte diesem Vortrag im Rahmen der sie insoweit treffenden sekundären Darlegungslast substanziell entgegengetreten ist. Zudem ist zu berücksichtigen, dass weitere Gesichtspunkte für das Vorliegen eines Verbundgeschäfts sprechen, namentlich die Zweckbindung des Darlehens und der Umstand, dass der Kreditbetrag unmittelbar an den Fondsbetreiber geflossen ist und der Verbraucher damit von der freien Verfügung über die Valuta ausgeschlossen war. In der Gesamtschau bestehen daher nach Auffassung der Kammer am Vorliegen eines verbundenen Geschäfts keine durchgreifenden Zweifel.
29Demnach findet die Rückabwicklung aufgrund des Widerrufs des Darlehensvertrages gem. §§ 357 Abs. 1 S. 1, 358 Abs. 4 S. 1, S. 3 BGB i.V.m. 346 Abs. 1, 348 BGB bzw. §§ 7 Abs. 4, 9 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 3 VerbrKrG i.V.m. §§ 3 Abs. 1 S. 1, 4 HWiG auch in Bezug auf den Fondsbeitritt im Verhältnis der Parteien statt. Die Beklagte hat der Klägerin die Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von insgesamt 19.451,57 EUR abzüglich der geleisteten Ausschüttungen von 6.330,84 EUR Zug um Zug gegen Übertragung der Fondsbeteiligung zu erstatten.
30Entgegen der Ansicht der Beklagten findet eine Anrechnung der von der Klägerin erzielten Steuervorteile nicht statt, da davon auszugehen ist, dass auch die Rückabwicklung zu einer Besteuerung führt, die der Klägerin die erzielten Vorteile wieder nimmt (BGH, Urt. v. 01.03.2011 – XI ZR 96/09 – NJW-RR 2011, 986, 987, Rn. 8 f.). Die Kammer folgt dieser überzeugenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die für Erstattungsansprüche nach §§ 346 ff., 355, 357 f. BGB genauso gelten dürfte wie für Schadensersatzansprüche wegen vorvertraglicher Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem finanzierten Immobilienerwerb. Ein Ausnahmefall im Sinne der genannten Rechtsprechung, in dem eine Anrechnung von Steuervorteilen in Betracht kommt, liegt nicht vor. Die insoweit darlegungspflichtige Beklagte hat nicht vorgetragen, dass der Klägerin auch unter Berücksichtigung der Steuerbarkeit der Ersatzleistung außergewöhnlich hohe Steuervorteile verbleiben oder sie Verlustzuweisungen erhalten hat.
31Zudem hat die Klägerin Anspruch auf die während der Dauer der Überlassung gezogenen Nutzungen in Gestalt der marktüblichen Verzinsung gem. §§ 346 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 347 Abs. 1 S. 1 BGB bzw. § 3 Abs. 3, 1. Halbs. HWiG, wobei von der Marktüblichkeit des in Ansatz gebrachten Zinssatzes der §§ 247, 288 Abs. 1 BGB ausgegangen werden kann.
32Schließlich war der Annahmeverzug der Beklagten im Hinblick auf die Annahme des bereits in dem Schreiben der Klägerin vom 15.11.2010 enthaltenen ausdrücklichen Angebots der Abtretung der Fondsanteile gem. §§ 293, 294, 298 BGB festzustellen.
33Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 709 S. 1 und S. 2 ZPO und § 63 Abs. 2 S. 1 GKG.
34Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.