Urteil vom Landgericht Bochum - 1 O 495/11
Tenor
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 3.033,59 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.8.2011 und weitere 191,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.1.2012 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 70% und die Beklagten zu 30%.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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T a t b e s t a n d :
2Der Kläger macht Ansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 13.7.2011 gegen 12 Uhr auf der Ludwigstraße in Oer-Erkenschwick ereignete. Er befuhr mit seinem Pkw Jaguar F die Ludwigstraße in westlicher Richtung. Der Beklagte zu 1) fuhr mit seinem Roller Kymco, der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist, in gleicher Richtung hinter ihm. Die erlaubte Höchstgeschwindigkeit beträgt dort 30 km/h.
3Kurz vor der von links einmündenden Agnesstraße fuhr der Kläger nach rechts in eine Parkbucht. Es kam zu einer Kollision mit dem Roller des Beklagten zu 1), der den Pkw des Klägers auf der rechten Seite streifte. Der Beklagte zu 1) stürzte und verletzte sich.
4Der Kläger macht Reparaturkosten in Höhe von 8.480,18 €, Kosten für die Vermessung der Spureinstellung in Höhe von 157,08 €, Sachverständigenkosten in Höhe von 592,70 €, eine Wertminderung von 500 €, Nutzungsausfall für drei Tage in Höhe von jeweils 175 € und eine Nebenkostenpauschale von 25 € geltend, sowie die Kosten der außergerichtlichen Vertretung durch seine Prozessbevollmächtigten.
5Zu einer entsprechenden Zahlung ließ der Kläger die Beklagten durch anwaltliches Schreiben vom 19.7.2011 unter Fristsetzung zum 11.8.2011 vergeblich auffordern.
6Wegen der Reparaturkosten hat der Kläger seine Ansprüche an das Autohaus Wolf abgetreten.
7Der Kläger behauptet, er sei auf der Suche nach einer Parkbox bereits mit weniger als der erlaubten Geschwindigkeit gefahren. In Höhe der Parkboxen habe er den Fahrtrichtungsanzeiger rechts gesetzt und seine Geschwindigkeit nochmals auf ca. 10 bis 15 km/h verringert. Er habe den Beklagten zu 1) Meter hinter sich bemerkt und sich möglichst weit rechts eingeordnet. Unmittelbar vor dem Abbiegen habe er sich noch einmal nach hinten umgeschaut und dann den Abbiegevorgang eingeleitet. Erst dann habe er den Aufprall des Zusammenstoßes bemerkt und das Fahrzeug voll Schreck nach links gelenkt. Der Beklagte zu 1) habe in versucht, rechts zu überholen und sei offenbar mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren.
8Der Kläger beantragt,
9die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn
101.) 10.279,96 € Schadensersatz zzgl. 5% Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 11.8.2011 und
112.) außergerichtliche Kosten in Höhe von 430,66 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 12.1.2012 zu zahlen.
12Die Beklagten beantragen,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagten behaupten, der Kläger sei ohne Setzen eines Fahrtrichtungsanzeigers rechts abgebogen. Zuvor habe er sich weit links auf der Fahrbahn gehalten, so dass der Beklagte zu 1) davon ausging, der Kläger wolle links in die Agnesstraße abbiegen. Auf die plötzliche Geschwindigkeitsreduzierung und den Abbiegevorgang nach rechts habe der Beklagte zu 1) nicht mehr reagieren können.
15Die Beklagten sind der Ansicht, dass der Kläger einen Nutzungsausfall von allenfalls 119 € pro Tag verlangen könne.
16Das Gericht hat den Kläger und den Beklagten zu 1) persönlich angehört und Beweis zum Unfallhergang erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen Hildebrand, sowie Einholung eines Gutachtens. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 3.7.2012 und auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Lerch vom 17.10.2012 Bezug genommen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
18Die Klage ist nur zum Teil begründet.
19Der Kläger hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch im zugesprochenen Umfang aus §§ 7, 17 StVG, 115 VVG.
20Der Kläger ist aktivlegitimiert. Es liegt ein Fall der zulässigen gewillkürten Prozessstandschaft vor. Die Sicherungsabtretung an das Autohaus Wolf enthält die ausdrückliche Ermächtigung an den Kläger, die Reparaturkosten gegen den Anspruchsgegner selbst geltend zu machen und durchzusetzen.
21Der Kläger kann nur 30% seines Schadens ersetzt verlangen. Diese Quote ergibt sich aus der nach § 17 Abs.1 StVG vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge.
22Die Betriebsgefahr beider Fahrzeuge war wegen Verletzung von Sorgfaltspflichten der Fahrzeugführer erhöht.
23Der Kläger hat gegen die Anforderungen des § 9 Abs.1 Satz 4 StVO verstoßen, indem er vor Einleitung des Abbiegevorganges keine – zweite – Rückschau gehalten hat. Angesichts des Umstandes, dass der Kläger den Beklagten zu 1) hinter sich zuvor bereits wahrgenommen hatte und wegen der von ihm selbst vorgenommenen Abbremsung mit einem deutlichen Herannahen des Beklagten zu 1) rechnen musste, war eine besonders sorgfältige Rückschau und Beobachtung dieses anderen Verkehrsteilnehmers erforderlich.
24Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger unter schuldhaftem Verstoß gegen § 9 Abs.1 Satz 2 StVO nicht möglichst weit rechts, sondern vielmehr leicht über die linke Fahrstreifenmarkierung hinausgefahren ist. Der Sachverständige ist in seinem sorgfältigen und nachvollziehbaren Gutachten, das das Gericht seiner Entscheidungsfindung zugrunde legt, zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger mit seinem Fahrzeug in den sich zwischen den unterbrochenen Linien öffnenden Keil auf der Fahrbahn gefahren ist, bevor er nach rechts lenkte.
25Zudem steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger jedenfalls nicht so rechtzeitig den rechten Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt hatte, dass der Beklagte zu 1) hierauf noch reagieren konnte.
26Zwar war die Aussage des Zeugen Hildebrandt insoweit unergiebig, da er mit Bestimmtheit nur sagen konnte, keinen Blinker gesehen zu haben, nicht aber, dass es ausgeschlossen ist, dass ein Blinker gesetzt war.
27Es ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung fernliegend, dass ein Zweiradfahrer an einem Pkw rechts vorbeifährt, dessen Fahrer erkennbar nach rechts abbiegen will, und sich so der Gefahr einer für einen Zweiradfahrer stets mit großer Gefahr für Leib und Leben verbundenen Kollision aussetzt. Den damit von ihm zu führenden Beweis, dass der Blinker doch rechtzeitig gesetzt war, hat der Kläger nicht erbracht.
28Dem Beklagten zu 1) ist andererseits der Vorwurf zu machen, gegen die Anforderungen des § 5 Abs.1 StVO verstoßen zu haben, indem er den Kläger rechts überholen wollte. Ein Überholen auf der rechten Seite war dem Beklagten zu 1) nicht nach § 5 Abs.7 StVO gestattet, da der Kläger sich nicht eindeutig zum Linksabbiegen eingeordnet hatte. Den linken Fahrtrichtungsanzeiger hatte unstreitig nicht gesetzt. Der Beklagte zu 1) hätte daher zunächst seine Geschwindigkeit reduzieren und beobachten müssen, welches Fahrmanöver der Kläger tatsächlich ausführen würde. Durch ein solches Verhalten wäre der Verkehrsunfall vermieden worden, wie dem Sachverständigengutachten zu entnehmen ist.
29Allerdings wiegt dieses Verschulden angesichts der irreführenden Fahrweise des Klägers wesentlich weniger schwer als die Nichtbeachtung der höchsten Sorgfaltsanforderungen, die an den auf ein Grundstück abbiegenden Kläger nach § 9 Abs.5 StVO zu stellen waren.
30Der Kläger kann demnach 30% des ihm entstandenen ersatzfähigen Schadens in Höhe von insgesamt 10.111,96 € und damit 3.033,59 € verlangen.
31Dieser Schaden setzt sich zusammen aus den Reparaturkosten in Höhe von 8.480,18 €, Kosten für die Vermessung der Spureinstellung in Höhe von 157,08 €, Sachverständigenkosten in Höhe von 592,70 €, eine Wertminderung von 500 €, eine Nebenkostenpauschale von 25 € und Nutzungsausfall für drei Tage, wobei für das Fahrzeug des Klägers nach der Tabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch ein Betrag von 119 € pro Tag anzusetzen ist (NJW-Beilage 2011, 3, Bl.13).
32Der Anspruch auf Verzugszinsen auf diesen Betrag ergibt sich aus §§ 280 Abs.1 und 2, 286, 288 BGB ab dem 12.8.2011. Die Beklagten sind durch das Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 19.7.2011 unter Fristsetzung zum 11.8.2011 in Verzug gesetzt worden. Die Frist war angesichts des einfach gelagerten Verkehrsunfalles zur Prüfung ihrer Einstandspflicht durch die Beklagte zu 2) angemessen.
33Der Kläger kann zudem als weitere Schadensposition die Kosten für die außergerichtliche Vertretung als Kosten zweckentsprechender Rechtsverfolgung verlangen, allerdings nur nach einem Gegenstandswert, der seiner berechtigten Forderung entspricht.
34Bei einem Gegenstandswert von 3.033,59 € beträgt eine 0,65fache Geschäftsgebühr 141,05 €. Zzgl. Auslagenpauschale und Umsatzsteuer ergibt sich ein ersatzfähiger Betrag von 191,65 €. Der Zinsanspruch hierauf ergibt sich aus § 291 BGB.
35Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO, die Entscheidung über die sofortige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
36Streitwert: 10.279,96 €.
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