Beschluss vom Landgericht Bochum - 9 S 90/13
Tenor
Das Landgericht Bochum ist für das Rechtsmittel unzuständig.
Das Verfahren wird gemäß § 281 Abs. 1 S. 1 ZPO analog an das Amtsgericht Bochum zu dem Az. 65 C 58/13 zur Weiterführung des Einspruchsverfahrens zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.
1
Gründe
2Die Kammer ist für das am 14.6.2013 eingelegte und als Berufung bezeichnete Rechtsmittel nicht zuständig. Das Verfahren ist gemäß § 281 Abs. 1 S. 1 ZPO analog an das Amtsgericht Bochum zur Weiterführung des Einspruchsverfahrens zurückverwiesen. Denn in der Sache richtet sich der Beklagte gegen ein Versäumnisurteil.
3Das Urteil des Amtsgerichts vom 15.5.2013 ist entgegen § 313 b Abs. 1 S. 2 ZPO zwar nicht als „Versäumnisurteil“ bezeichnet. Es ist aber ein gewolltes und inhaltliches Versäumnisurteil. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass es im schriftlichen Vorverfahren erlassen wurde, nachdem der Beklagte seine Verteidigungsbereitschaft nicht rechtzeitig angezeigt hatte, dass es für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung erklärt wurde und dass es weder Tatbestand noch Entscheidungsgründe enthält.
4Wird einer Partei ein Urteil ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe und ohne die Bezeichnung als Versäumnisurteil zugestellt, so ist sowohl der Einspruch als auch die Berufung statthaft. (OLG Hamm, Urteil vom 18.1.1994, Az. 19 U 142/93; OLG Köln, Urteil vom 3.2.1995, Az. 25 UF 199/94)
5Dies ergibt sich aus dem aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit Art. 2 Grundgesetz abgeleiteten Meistbegünstigungsprinzip. Danach steht den Parteien nicht nur dasjenige Rechtsmittel zu, das nach der Art der tatsächlich ergangenen Entscheidung statthaft ist, sondern auch das Rechtsmittel, das bei einer in der richtigen Form getroffenen Entscheidung gegeben gewesen wäre. Die Parteien dürfen dadurch, dass das Gericht seine Entscheidung in einer falschen Form verlautbart hat, keinen Rechtsnachteil erleiden. (BGH, Beschluss vom 3.11.1998, Az. VI ZB 29/98; Beschluss vom 13.6.2012, Az. XII ZR 77/10; OLG Köln, Urteil vom 3.2.1995, Az. 25 UF 199/94)
6Entgegen der Ansicht des Klägers kommt es insoweit nicht darauf an, dass der Beklagte das Urteil aufgrund oben genannter Anhaltspunkte als Versäumnisurteil hätte erkennen können. Denn letztlich darf es nicht zulasten des Beklagten gehen, dass das Urteil aufgrund eines Fehlers, der im Gerichtsbereich lag, nicht eindeutig als Versäumnisurteil erkennbar war.
7Die Frist, innerhalb derer Berufung einzulegen ist, war im Übrigen gewahrt.
8Allerdings führt das Meistbegünstigungsprinzip nicht zu einer dem korrekten Verfahren widersprechenden Erweiterung des Instanzenzuges. (BGH, Beschluss vom 13.6.2012, Az. XII ZR 77/10) Es will nur verhindern, dass eine Partei infolge der formfehlerhaften Entscheidung in ihren Rechtsmittelbefugnissen beschränkt wird; es fordert hingegen nicht eine Perpetuierung des Formfehlers. (Rimmelspacher, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage, 2012, Vorb. zu den §§ 511 ff. Rn 94)
9Das Rechtsmittelgericht muss das Verfahren daher in der Verfahrensart betreiben, die der wahren Natur des Rechtsmittels entspricht. Ein fehlerhaftes Endurteil ist demzufolge durch Verweisung gemäß § 281 ZPO analog in ein Säumnisverfahren zurückzuführen. (Wulf, in: Beckscher Online Kommentar ZPO, Stand: 1.4.2013, § 511 Rn 9; für Aufhebung und Zurückverweisung: OLG Hamm, Urteil vom 18.1.1994, Az. 19 U 142/93; OLG Köln, Urteil vom 3.2.1995, Az. 25 UF 199/94) Einspruch hat der Beklagte vorsorglich ebenfalls eingelegt.
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