Urteil vom Landgericht Bonn - 5 S 248/83
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 27 Oktober 1983 – 12 C 189/83 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
1
Tatbestand
2Die Klägerin betreibt unter Einsatz elektronischer Datenverarbeitung bundesweit "Partnerschaftsvermittlungen". Sie wirbt dafür in ganzseitigen Illustriertenanzeigen.
3Die Beklagte unterschrieb aufgrund einer solchen Anzeige am 20. Dezember 1982 eine schriftliche Vereinbarung. Der von der Klägerin hierzu verwendete Vordruck ist mit "Werkvertrag" überschrieben und hat unter anderem folgenden Wortlaut:
4" Ich beauftrage hiermit W mit der unverzüglich zu erbringenden Werkleistung einer qualifizierten Erarbeitung und Auswahlprüfung von 25 individuellen auf meine Person und meine Partnerwünsche abgestimmten Partnervorschlägen aus dem gegenwärtigen Datenbank- Partnerbestand der W von mehr als 25.000 Partnersuchenden sowie einer elektronischen Bereitstellung der 25 Partnervorschläge in einem speziell für mich bei W eingerichteten elektronischen Partneradressenabrufdepot."
5Die Parteien vereinbarten außerdem die "Allgemeinen Werkvertragsbedingungen" der Klägerin. Nach diesen Geschäftsbedingungen ist eine Ehevermittlung, Eheanbahnung oder ein auf das Zustandekommen einer Ehe oder Partnerschaft gerichtetes Tätigsein nicht Gegenstand des Vertrages, sondern lediglich die als Werkleistung bezeichnete Herstellung eines "Partner-Adressen-Abrufdepots", und die von dem Kunden dafür geschuldete Vergütung mit dessen Bereitstellung fällig. Zugleich unterzeichnete die Beklagte eine Mitgliedschaft bei der Klägerin als Passivpartner nach Beendigung der aktiven Partnersuche. Mit Schreiben vom 21.Dezember 1982 kündigte die Beklagte die Verträge.
6Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe die Partnervorschläge bei Zugang des Kündigungsschreibens bereits erstellt gehabt. Ihr stehe ein Anspruch aus Werkvertragsrecht zu, da § 656 BGB keine Anwendung finden könne.
7Sie hat beantragt,
8den Beklagten zu verurteilen, an sie 3474,75 DM nebst 12% Zinsen zu zahlen.
9Die Beklagte hat beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie ist der Ansicht, auf den Vertrag finde § 656 BGB Anwendung.
12Im zweiten Rechtszug haben die Parteien im wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt.
13Entscheidungsgründe:
14Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
15Der Klägerin steht kein Anspruch auf Zahlung des eingeklagten Betrages zu. Die geltend gemachte Forderung ist nicht einklagbar, da § 656 BGB entsprechend anwendbar ist.
16Der Vertrag ist nicht gemäß einer in Rechtsprechung und Literatur teilweise vertretenen Ansicht (z. B.: LG Schweinfurt, FamRZ 83, 909; Gilles NJW 1983, 361 ff.) als reiner Werkvertrag einzustufen und wie ein solcher zu behandeln.
17Zwar wird als Gegenstand des Vertrages nach dem Vertragsinhalt und den "allgemeinen Werkvertragsbedingungen" "eine einmalige unverzügliche zu erbringende Werkleistung (§ 631 BGB)" bezeichnet und wird in den Vertragsbedingungen ausdrücklich betont, dass der Gegenstand des Vertrages" keine Ehevermittlung, Eheanbahnung oder ein fortdauerndes und wiederkehrendes dienstvertragliches Tätigsein irgendwelcher Art, das auf ein unmittelbares Zustandekommen einer Partnerschaft oder eine Ehe gerichtet ist" sei. Überdies ist der Vertrag auch in seiner übrigen Ausgestaltung den werkvertraglichen Vorschriften nachgebildet.
18Diese äußerliche Vertragsgestaltung kann jedoch nicht dazu führen, auf den Vertrag ausschließlich Werkvertragsrecht anzuwenden, da die für den Werkvertrag geltenden Bestimmungen für den im Vertrag geregelten Lebenssachverhalt nicht passen, dieser Lebenssachverhalt vielmehr nach Sinn und Zweck des § 656 BGB eine entsprechende Anwendung dieser Norm erfordert.
19Beim Werkvertrag schuldet der Unternehmer ein körperliches oder geistiges Arbeitsprodukt von bestimmter, messbarer, wertschöpfender Qualität. Seinem Wesen nach müssen sich also an das Leistungsergebnis bestimmte Qualitätskriterien herantragen lassen, die es ermöglichen, die werkvertragstypischen Gefahr- und Gewährleistungsregelungen anzuwenden und von einer Mangelfreiheit bzw. Mangelhaftigkeit des Produkts zu reden. (vgl. Gilles NJW 83, 365). An diese Bestimmungen knüpft demgemäß auch die Klägerin unter Ziffer 5 ihrer vorgelegten allgemeinen Werkvertragsbedingungen an.
20Eine sich an den Gewährleistungsvorschriften der §§ 633 ff. BGB orientierende Überprüfung der von der Klägerin erstellten Partnervorschläge ist jedoch nicht in dem erforderlichen Umfange möglich. Zwar kann die Klägerin ihr Werk durch Erstellung neuer Partnervorschläge "nachbessern", wenn einzelne Vorschlagspartner ausgefallen sind. Die für die Beurteilung der Qualität ihre Arbeit entscheidende Frage der Geeignetheit der Vorschläge ist jedoch mit den Mitteln des werkvertraglichen Gewährleistungsrechts nicht nachprüfbar (ebenso: LG Essen, NJW 84, 178 ff.; AG Offenburg FamRZ 84, 265 ff.).
21Zwischenmenschliche Beziehungen sind von Unwägbarkeiten und subjektiven Wertvorstellungen geprägt. Deswegen versagt auch die von Gilles (NJW 83, 361 ff.) propagierte besondere Geeignetheit des vorgeschlagenen Partners auf Grund der an Vergleichsdaten ausgerichteten Auswahl der Klägerin als Kontrollmaßstab. Es gibt keine objektivierbare Geeignetheit von Menschen in ihre Beziehung zueinander. Für den einen mögen gleiche Interessen, für den anderen gewisse Charaktereigenschaften, für andere der Status wichtig sein. Selbst subjektive Kriterien, die von dem Partnerwilligen formuliert werden mögen, versagen nicht selten, da Partner, zu denen man eine nicht nur flüchtige oder vorübergehende Beziehung anknüpfen möchte, meist nicht auf Grund rational vorherprogrammierbarer Entscheidungen gewählt werden und der einzelne Mensch in der dem Menschen eigenen Individualität nicht nach "Passensgraden" programmierbar ist.
22Zudem wäre das von der Klägerin zu erstellende "Werk" jedenfalls mit den Mitteln des Prozesses nicht überprüfbar. Die Mangelhaftigkeit eines Werkes wird in einem Rechtsstreit regelmäßig durch ein Sachverständigengutachten überprüft. Eine entsprechende – bei einem Rechtsstreit nicht zu vermeidende Handhabung - widerspräche dem Schutz der Intimsphäre des Partnersuchenden und des als Partner Vorgeschlagenen. Dies widerspricht der Anwendung werkvertraglicher Regelungen und spricht zugleich für die entsprechende Anwendung des § 656 BGB, der unter anderem den Schutz der Intimsphäre gewährleisten soll (vgl. LG Essen, NJW 84, 178). Im Prozess über die Qualität des Werks der Klägerin würden auch die speziellen Wünsche des Suchenden an den gesuchten Partner sowie das Urteil der Klägerin über die Qualität des vorgeschlagenen Passivpartners bekannt. Zur Begutachtung der Qualität des Werks (Partnervorschlags) wäre insbesondere bei der Überprüfung der "inneren Merkmale" (wie z. B. Humor usw.) eine umfassende Persönlichkeitsanalyse erforderlich, insbesondere da die Klägerin nach den vorgelegten allgemeinen Werkvertragsbedingungen sogar die Erstellung eines Kundenpersönlichkeitsprofils und eines Wunschpartnerprofils schuldet. Solche Persönlichkeitsanalysen führen zu einem schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten. Sie führen zu einer Offenbarung der geheimsten Wünsche und einer völligen Durchleuchtung, schlagwortartig zu einem "gläsernen Menschen" (LG Freiburg, NJW 1984, Seite 179). Die Erstellung eines solchen Persönlichkeitsprofils und damit die Begutachtung durch einen Sachverständigen wäre wegen der damit verbundenen Persönlichkeitsverletzung jedenfalls nicht ohne Einwilligung des vorgeschlagenen Passivpartners möglich. Dies führte im Prozess regelmäßig dazu, dass ein entsprechendes Gutachten nicht erstellt werden kann, da der Dritte regelmäßig nicht in die Begutachtung einwilligen wird.
23Wenn nach den vorstehenden Ausführungen die wesentlichen Regelungen des Werkvertragsrechtes auf den vorliegenden Vertrag nicht passen, so sprechen neben dem Schutz der Intimsphäre der Betroffenen noch weitere Gesichtspunkte für die entsprechende Anwendung des § 656 BGB.
24Bei der konkreten Entscheidung fallen in erheblichem Maße die von der Klägerin benutzten Werbeanzeigen ins Gewicht (ebenso im dortigen Fall: LG Freiburg, FamRZ 83, 909; LG Essen, a. a. O.). Diese zielen ersichtlich nicht auf vorübergehende Gelegenheitsbekanntschaften ab. Sie sprechen vielmehr den Wunsch an, einen Dauerpartner für eine gemeinsame Zukunft zu finden.
25Damit sind sie letztlich auf das Ziel ausgerichtet, das in § 656 BGB geregelt ist. Es kommt dabei nicht darauf an, dass die Klägerin in ihren Anzeigen und auch in dem Vertragstext die Verwendung des Wortes "Ehe" meidet. Entscheidend ist vielmehr, dass ihre Tätigkeit letztlich auf eine dauerhafte Partnerbeziehung und damit auf einen vergleichbaren Lebenssachverhalt zu dem in § 656 BGB geregelten hinzielt.
26Diese Ähnlichkeit rechtfertigt es, § 656 BGB entsprechend anzuwenden, obgleich es sich dabei um eine Ausnahmevorschrift handelt. Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, wonach Ausnahmevorschriften nicht analogiefähig sind. Der entsprechenden Anwendung einer Ausnahmevorschrift steht nur regelmäßig entgegen, dass die Ausnahmesituation regelmäßig in anderen zu entscheidenden Fällen nicht gegeben ist. Wenn ein anderer vergleichbarer Lebenssachverhalt vorliegt, ist eine entsprechende Anwendung der Norm in den Grenzen des Grundgedankens der Ausnahmevorschrift, der hier zutrifft, jedoch sehr wohl statthaft. Demgemäß wendet die Rechtsprechung § 656 BGB auch entsprechend auf den sogenannten Ehemaklerdienstvertrag an (vgl. BGH FamRZ 1983, 987; LG Freiburg, NJW 84, 129 m. w. N.). Die Anbahnung einer dauerhaften Partnerbeziehung stellt jedoch einen zur Eheanbahnung ähnlichen Lebenssachverhalt dar. Sie wird zumindest nach der Vorstellung der Betroffenen auch heute noch häufig in der Ehe münden. Selbst dann, wenn sie nur zu einer nichtehelichen Partnerschaft führt, ist diese regelmäßig nach der zunächst vorhandenen Vorstellung der Partner als Eheersatz auf Dauer angelegt. Gerade nach der Werbung und dem Vortrag der Klägerin im Verfahren sollen ihre Partnervorschläge auf eine möglichst ideale Übereinstimmung des Aktivkunden und des Passivpartners hinzielen. Damit möchte sie jedoch gerade suggerieren, dass die Wahrscheinlichkeit, eine dauerhafte Partnerbeziehung zu finden, besonders groß ist. Auch dies spricht dafür, § 656 BGB entsprechend anzuwenden.
27Insbesondere trifft auch der rechtspolitische Zweck des § 656 BGB, das Geschäft mit der Einsamkeit zu verhindern, auch auf den zu entscheidenden Lebenssachverhalt zu. Die Vorschrift schützt einen Vertragspartner, der Aufgrund seines Wunsches, einen Lebenspartner zu finden, in der Gefahr ist, unüberlegte vertragliche Verpflichtungen einzugehen, dadurch, dass er ohne tatsächliche Zahlung keine einklagbare Verpflichtung eingeht. Dies kann voreilige Verpflichtungen auf Grund eines verständlichen Wunsches nach einem Partner verhindern, da mit der Zahlung regelmäßig der rechtsgeschäftliche Charakter des Vertrages und der Umfang der Verpflichtung voll ins Bewußtsein dringt. Dass dieser Schutz auch bei der hier zu entscheidenden Vertragsgestaltung erforderlich ist, zeigt sich besonders deutlich an den zahlreichen von der Klägerin vorgelegten Gerichtsentscheidungen, aus denen hervorgeht, dass zahlreiche Kunden schon kurz nach Vertragsschluß vom Vertrag Abstand nehmen wollen. Die von der Klägerin in die allgemeinen Werkvertragsbedingungen aufgenommene Vergütungsregelung, wonach die Vergütung bereits mit der Bereitstellung des Depots fällig werden soll, zielt offensichtlich darauf ab, auch in diesen Fällen die volle Vergütung sicherzustellen. In sämtlichen vorgelegten Gerichtsentscheidungen waren die Partnervorschläge unverzüglich erstellt, wie es auch nach der Vertragsgestaltung vorgesehen ist. Diese Handhabung lässt Ziffer 6 der allgemeinen Werkvertragsbedingungen, die § 649 BGB entspricht, von vornherein ins Leere laufen. Auch diese Vergütungsregelung widerspricht in ihrem Ergebnis der nach dem Werkvertragsrecht grundsätzlich gegebenen Vorleistungspflicht des Werkunternehmers. Vielmehr besteht nach der Interessenwertung letztlich eine Vorleistungspflicht des Kunden wie sie § 656 BGB vorsieht. Nach der Interessenlage geht das Interesse des Kunden nicht auf die "Bereitstellung" der Partnervorschläge, sondern ausschließlich auf die Bekanntgabe der Partneradressen. Die Aushändigung der Partnerzusammenstellung kann die Klägerin jedoch nach § 320 BGB sowie nach Ziffer 3 Abs. 4 der Allgemeinen Werkvertragsbedingungen verweigern, wenn der Kunde nicht vorher die nach der Vertragskonstruktion fällige Vergütung gezahlt hat. Damit besteht letztlich eine Vorleistungspflicht des Interessenten, die § 656 BGB entspricht (ebenso: LG Freiburg, FamRZ 1983, 909).
28Letztlich spricht auch das Argument amaiore adminus nach den vorstehenden Ausführungen dafür, § 656 BGB entsprechend anzuwenden. Wenn schon der Makler, der eine Ehe anbahnen will, als Ehemakler oder als Ehedienstmakler in entsprechender Anwendung des § 656 BGB (BGH FamRZ 1983, 987 ff.) nicht einmal im Erfolgsfalle ein Honorar einklagen kann, so kann dies derjenige erst recht nicht, der nur die erste Stufe der Anbahnung einer festen Partnerbeziehung als Verpflichtung übernimmt.
29Die Kammer hielt es nach den vorstehenden Ausführungen nicht für erforderlich, auch die Frage zu erörtern, ob der abgeschlossene Vertrag trotz der entgegenstehenden Ausgestaltung der Geschäftsbedingungen unter Umständen als Dienstvertrag anzusehen ist. Wenn man ihn als solchen ansieht, fände § 656 BGB ebenfalls entsprechende Anwendung, da sich hinsichtlich des geregelten Lebenssachverhalts insoweit keine Abweichung ergäbe.
30Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.