Beschluss vom Landgericht Bonn - 6 T 206/91
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 13.05.1991 - 8 H 9/91 - aufgehoben.
Das Prozesskostenhilfeverfahren betreffend das Beweissicherungsgesuch der Antragstellerin vom 30.04.1991 wird zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen, wobei Prozesskostenhilfe nicht aus dem Grunde versagt werden darf, für ein Beweisverfahren nach §§ 485 ff. ZPO gäbe es die Möglichkeit der Prozesskostenhilfebewilligung grundsätzlich nicht.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
1
G r ü n d e
2Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte Beschwerde ist sachlich begründet, denn der Antragstellerin kann nicht bereits aus grundsätzlichen Erwägungen die erbetene Prozesskostenhilfe für das von ihr beabsichtigte Beweissicherungsverfahren (Feststellung von Hellhörigkeit u. ä. der von der Antragsgegnerin gemieteten Wohnung) verweigert werden.
3Nach ganz herrschender Meinung in Literatur (Zöller-Schneider, 16. Aufl., Rdnr. 7 vor § 114 ZPO; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers, 49. Aufl., § 114 ZPO, Anm. 4 B; Stein-Jonas, 20, Aufl., Rdnr. 4 vor § 114 ZPO; Thomas-Putzo, 16. Aufl., § 114 ZPO Anm. 1) und Rechtsprechung (siehe die Nachweise bei Zöller a.a.O.) gilt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sachlich für alle selbständigen Verfahren, so auch für das Beweissicherungsverfahren, unabhängig davon, ob es einem späteren Hauptsacherechtsstreit vorgeschaltet ist. Dem schließt sich die Kammer an.
4Die soweit ersichtlich einzig abweichende Meinung der 5. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 18.01.1985 (MOR 85,· 415), der die angefochtene Entscheidung gefolgt ist, und die damit begründet wird, § 114 ZPO erfasse das Beweissicherungsverfahren nicht, weil dieses kein "Prozess" sei und dessen Erfolgsaussichten nicht geprüft werden könnten, überzeugt nicht, da es sich auch bei einem Beweissicherungsantrag um eine Rechtsverfolgung - wenn auch in einem selbständigen Nebenverfahren - handelt, die nur dann hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, wenn die Voraussetzungen der § 485 ZPO erfüllt sind. Auf die von der Kammer geteilte Ansicht des Landgerichts Köln vom 28.05.1986 (NJW-RR87, 319), die sich mit der Auffassung der 5. Zivilkammer des Landgerichts Bonn (a.a.O.) kritisch auseinandersetzt, wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Der Hilfserwägung des angefochtenen Beschlusses, die Antragstellerin sei im übrigen durch die Versagung von Prozesskostenhilfe für ihren Beweissicherungsantrag (gegenüber einer vermögenden Partei) nicht benachteiligt, weil sie Prozesskostenhilfe für einen von ihr anhängig zu machenden Hauptsachenprozess beantragen könne, verkennt angesichts der Ersetzung der Beweissicherungsvorschriften der ZPO a.F. durch das "selbständige Beweisverfahren" (vgl. l. Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz vom 17.12.1990), dass nach § 485 ZPO in der ab 01.04.1991 geltenden Fassung, die auf den vorliegenden Antrag bereits Anwendung findet, das neue Beweisverfahren gerade dazu dient (vgl. § 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO n.F.), eine streitige Auseinandersetzung zu vermeiden. Es kann deshalb nicht angehen, eine bedürftige Partei auf die Möglichkeiten eines ordentlichen Klageverfahrens zu verweisen, abgesehen davon, dass dadurch der Staatskasse vermeidbare Mehrkosten entstünden.
5Da die Erfolgsaussichten des angestrebten Beweisverfahrens, die das Amtsgericht aus seiner Sicht folgerichtig bisher nicht geprüft hat, von der Kammer schon deshalb nicht beurteilt werden können, weil die Antragstellerin ihre tatsächlichen Angaben entgegen § 487 Nr. 4 ZPO nicht glaubhaft gemacht und eine Anhörung der Antragsgegnerin bisher nicht erfolgt ist, ist es sachdienlich, nach Maßgabe des Beschlusstenors die erneute Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch der Antragstellerin dem Amtsgericht zu übertragen (§ 575 ZPO).
6Die Kostenentscheidung ergeht nach § 1 GKG sowie § 127 Abs. 4 ZPO n.F.
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