Beschluss vom Landgericht Bonn - 2 T 13/02
Tenor
Auf die Beschwerde der Schuldnerin vom 26.08.2002 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 20.08.2002, durch den der Antrag der Schuldnerin vom 07.08.2002 auf Erteilung der Restschuldbefreiung als unzulässig zurückgewiesen worden ist, wird der angefochtene Beschluss aufgehoben.
Das Amtsgericht wird angewiesen,den Antrag der Schuldnerin auf Restschuldbefreiung nicht wegen Fehlens eines Eigenantrags der Schuldnerin zurückzuweisen.
1
Gründe:
2I.
3Die Beschwerde der Schuldnerin richtet sich gegen die Zurückweisung ihres Antrages auf Restschuldbefreiung.
4Am 22.04 2002 stellte das Finanzamt F den Antrag, über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Mit der Ladungsverfügung vom 26.04 2002 zum Anhörungstermin wurde der Schuldnerin gemäß § 20 Abs. 2 InsO der Hinweis erteilt, dass sie nach Maßgabe der §§ 286 bis 303 InsO Restschuldbefreiung erlangen könne; weitere Hinweise könne sie aus den beigefügten Merkblättern
5( Merkblatt für Schuldner im Insolvenzeröffnungsverfahren nach Zustellung eines Gläubigerantrags, Merkblatt Verbraucherinsolvenzverfahren und Merkblatt Restschuldbefreiung ) entnehmen.
6Nachdem der Bericht des vorläufigen Insolvenzverwalters vom 15.07.2002 ergeben hatte, dass u. a. noch erhebliche Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestanden, wurde die Schuldnerin durch Schreiben des Gerichts vom 22.07. 2002 u.a. darauf hingewiesen, dass zur Deckung der Verfahrenskosten ein Vorschuss von 8 000 EUR einzuzahlen sei und dass sie innerhalb von 2 Wochen ab Zugang des Schreibens gemäß § 4 a InsO einen Antrag auf Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens stellen könne, der mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung zu verbinden sei. Diesem Schreiben waren das Merkblatt über das Verfahren zur Restschuldbefreiung(29.385), ein Antragsformular Verfahrenskostenstundung(29.501), ein Merkblatt Verfahrenskostenstundung (29.502) sowie ein Antragsformular auf Erteilung der Restschuldbefreiung (29.381) beigefügt. Mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 07.08. 2002 reichte die Schuldnerin den Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung sowie den Antrag auf Verfahrenskostenstundung ein.
7Durch Beschluss vom 16.08.2002 hat das Amtsgericht durch den zuständigen Abteilungsrichter der Schuldnerin die Stundung der Verfahrenskosten gem. § 4a Abs.1,3 InsO bewilligt und ausgeführt, dass es keines eigenen Insolvenzantrags der Schuldnerin bedürfe, da ein Gläubiger den Antrag auf Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens gestellt habe.
8Durch Beschluss vom 19.08.2002 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin aufgrund deren Zahlungsunfähigkeit unter Bezugnahme auf die Stundung der Verfahrenskosten eröffnet worden. Zu der gewährten Stundung ist ausgeführt, dass die Schuldnerin einen zulässigen Restschuldbefreiungsantrag gestellt habe und ein eigener Insolvenzantrag ihrerseits nicht erforderlich gewesen sei.
9Durch Beschluss vom 20.08.2002 hat der zuständige Rechtspfleger des Amtsgerichts den Antrag der Schuldnerin auf Erteilung der Restschuldbefreiung als unzulässig zurückgewiesen, da nach der Neufassung der Insolvenzordnung durch das InsoÄndG 2001 auch im Regelinsolvenzverfahren ein Antrag auf Restschuldbefreiung nur in Verbindung mit einem Eigenantrag des Schuldners zulässig sei. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Ausführungen des Beschlusses Bezug genommen.
10Mit Schreiben vom 26.08.2002, bei Gericht am 27.08.2002 eingegangen, hat die Schuldnerin sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 20.08.2002 eingelegt." Vorsorglich" hat sie auch gegen den Eröffnungsbeschluss vom 19.08.2002 sofortige Beschwerde eingelegt und ihrerseits einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt.
11Das Amtsgericht hat den Beschwerden nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.
12II.
13Die sofortigen Beschwerde gegen die Versagung der Restschuldbefreiung ist statthaft und fristgerecht eingelegt. Sie ist auch begründet.
14Ob im Regelinsolvenzverfahren, das von einem Gläubiger beantragt wird, zusätzlich ein Eigenantrag des Schuldners erforderlich ist, um Restschuldbefreiung erlangen zu können, ist streitig. Während sich für das Verbraucherinsolvenzverfahren die Notwendigkeit des Eigenantrags des Schuldners bei Anschließung an einen Gläubigerantrag bereits aus § 306 Abs.3 InsO n.F. ergibt, ist weder dem Wortlaut des § 287 Abs.1 InsO n. F. noch einer anderen Bestimmung der InsO zu entnehmen, dass auch im Regelinsolvenzverfahren die Stellung eines Eigenantrags des Schuldners unbedingte Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Restschuldbefreiungsantrags ist. Gegenstand des § 287 InsO ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nur der Antrag auf Restschuldbefreiung, der mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden werden kann, aber nicht notwendigerweise verbunden werden muss. Auch aus der Begründung des Regierungsentwurfs des InsOÄndG 2001 Art.1 Nr.15 ( BT-Drucks 14/5618, vergl. Schmahl in ZinsO 2002,213 Fn.6) ergibt sich nicht, warum auch im Regelinsolvenzverfahren ein Eigenantrag des Schuldners zur Erlangung der Restschuldbefreiung erforderlich sein soll. Allerdings läßt sich dem Wortlaut der Begründung entnehmen, dass man davon ausgeht, auch im Regelinsolvenzverfahren sei ein Eigenantrag Voraussetzung einer Restschuldbefreiung, ebenso ergibt sich das aus dem Wortlaut der Begründung zum neuen § 20 Abs.2 InsO, in dem es heißt, dass" nach der Konzeption des Gesetzentwurfs der Schuldner nur auf Grund eines eigenen Insolvenzeröffnungsantrags eine Restschuldbefreiung erlangen kann" (Schmahl, a.a.O. S. 214). Schmahl kommt zu dem Schluss , dass mit der Regelung des § 287 Abs.1 und 20 Abs. 2 InsO n.F. nunmehr von der Notwendigkeit eines Eigenantrags des Schuldners auch im Regelinsolvenzverfahrens zur Erlangung der Restschuldbefreiung auszugehen ist, ebenso Vallender in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Aufl. 2003, § 287 Rn.10. Sie begründen diese notwendige Verknüpfung der Anträge nicht nur damit , dass sie einen Kleinschuldner (§ 304 InsO) daran hindert, mit Hilfe eines Gläubigerantrags den Zwang zum aussergerichtlichen Einigungsversuch und zur Vorlage eines Schuldenbereinigungsplans zu umgehen sondern sehen die Verknüpfung auch deshalb als sinnvoll an, weil der Schuldner in einem Eigenantrag seine Zahlungsunfähigkeit offen und ehrlich eingesteht, und die Bereitschaft erklärt, zur Erlangung der Restschuldbefreiung zunächst den Gläubigern sein verbliebenes Vermögen zur gemeinschaftlichen Befriedigung zu überlassen.
15Dagegen wird von Pape (NZI 2002/186) die Ansicht vertreten, dass dem Eigenantrag des Schuldners im Regelinsolvenzverfahren nach einem vorausgehenden Gläubigerantrag praktisch keine Bedeutung mehr zukomme, da im Regelinsolvenzverfahren weder eine Pflicht zur Durchführung eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens noch die Möglichkeit eines gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens bestehe( vergl. auch Pape in Pape /Uhlenbruck, Insolvenzrecht, Aufl.2002, Rn. 943,944 und Heyer in ZinsO 2002,/59 ff).
16Die Kammer erachtet die Begründung für beide Meinungen für bedenkenswert, sieht sich aber nicht gehalten, eine abschließende Entscheidung hierzu zu erlassen, da der vorliegende Fall, wie noch auszuführen ist, eine solche Entscheidung nicht erfordert. Da die Zuständigkeit für Beschwerden in Insolvenzverfahren für die ab 01.01. 2003 eingehenden Verfahren auf eine andere Kammer des Landgerichts übergegangen ist, erscheint es auch aus diesem Grunde zweckmäßiger, einer Entscheidung dieser Grundsatzfrage durch die nunmehr zuständige Kammer nicht vorzugreifen.
17Im vorliegenden Fall ist, wenn auch erst mit der sofortigen Beschwerde, von der Schuldnerin ein Eigenantrag gestellt worden.
18Dieser ist auch nicht verspätet, da mangels einer hinreichenden Belehrung der Schuldnerin über die Notwendigkeit der Stellung eines Eigenantrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Frist versäumt worden ist.
19Aus den der Schuldnerin nach Antragstellung durch das Finanzamt F zugesandten Merkblättern war nicht ersichtlich, dass zur Erlangung der Restschuldbefreiung auch nach Stellung eines Gläubigerantrags noch ein zusätzlicher Eigenantrag des Schuldners erforderlich ist. Im "Merkblatt nach Zustellung eines Gläubigerantrags " wird auf die Besonderheiten des Verbraucherinsolvenzverfahrens gem. §§ 304 ff InsO verwiesen und darauf, dass der Schuldner in einem solchen Fall selbst einen Eröffnungsantrag und einen Antrag auf Restschuldbefreiung stellen kann ( nicht muss). Das "Merkblatt über das Verfahren zur Restschuldbefreiung" weist darauf hin, dass der Antrag auf Restschuldbefreiung mit dem Antrag des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden werden soll. Auch hieraus ist nicht zu entnehmen, dass noch ein Eigenantrag erforderlich ist, wenn schon ein Gläubigerantrag gestellt wurde. Das "Merkblatt über die Verbraucherinsolvenz" schließlich war für die Schuldnerin nicht einschlägig, da dieses Verfahren, wie im zuerst genannten Merkblatt ausgeführt, nur in Frage kommt, wenn u.a. keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen mehr bestehen. Sie musste daher davon ausgehen, dass das Verbraucherinsolvenzverfahren für sie nicht in Betracht kam. Mit Schreiben des Gerichts vom 22.07.2002 wurde die Schuldnerin auf die Möglichkeit hingewiesen, einen Stundungsantrag bezüglich der Verfahrenskosten zu stellen, der mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung zu verbinden sei. Im beigefügten Stundungsantrag wird das Erfordernis eines Eigenantrags nicht deutlich, es lässt sich allenfalls indirekt der vorgedruckten Versicherung entnehmen, dass " in den letzten 10 Jahren vor meinem Eröffnungsantrag Restschuldbefreiung weder erteilt noch versagt worden ist". Im "Merkblatt über die Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens" schließlich heißt es zwar, dass der Antrag auf Stundung nur Erfolg haben kann, wenn auch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Erteilung der Restschuldbefreiung beantragt werden. Dies bezieht sich aber lediglich auf die Stundungsvoraussetzungen und nicht auf die für eine Restschuldbefreiung.
20Schließlich konnte die Schuldnerin aus dem Stundungsbeschluss vom 16.08.2002 nur den Schluss ziehen, dass ein Eigenantrag im Regelinsolvenzverfahren keine Zulässigkeitsvoraussetzung für den Antrag auf Restschuldbefreiung ist. Dass diese Frage auch von den in Insolvenzsachen zuständigen Entscheidungsträgern unterschiedlich beurteilt wird, konnte die Schuldnerin erst aus dem Beschluss vom 20.08.2002 erkennen. Nur eine unmissverständliche und eindeutige Belehrung kann aber die Frist des § 20 Abs.2 InsO auslösen.
21Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben; über den Antrag auf Bewilligung der Restschuldbefreiung ist vom Insolvenzgericht erneut zu entscheiden.
22Da es sich hier um ein gegnerloses Verfahren handelt, in dem die Klägerin obsiegt hat, ist eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht veranlasst.
23Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 300 EUR (§§ 35 GKG, 3 ZPO )
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Referenzen
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