Urteil vom Landgericht Bonn - 15 O 75/03
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.609.453,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 19.02.2003 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt Herausgabe des Mindestbetrages der Provisionszahlungen bzw. Schmiergelder, die der Beklagte während seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Klägerin bezogen hat.
3Die Klägerin ist ein privatrechtlich organisiertes Abfallwirtschaftsunternehmen, das als "beauftragter Dritter" im Sinne des § 16 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz die abfallwirtschaftlichen Pflichten des S -Kreises, ihres alleinigen Gesellschafters, erfüllt. Mit Wirkung vom 01.05.1986 wurde der Beklagte zum alleinigen Geschäftsführer der Klägerin bestellt und als solcher angestellt.
4In den Jahren 1998 bis 2001 schloss die Klägerin unter der Leitung des Beklagten mehrere abfallwirtschaftliche Verträge, unter anderem mit Unternehmen der U-Gruppe.
5Am 26.01.1998 schloss die Klägerin mit der U GmbH einen Vertrag über Restmüllentsorgung bei einer Laufzeit von 15 Jahren und einem jährlichen Umsatzvolumen von ca. 13,5 Millionen Euro.
6Durch Vertrag vom 05.11.1999 verkaufte die Klägerin die von ihr erstellten und betriebenen Kompostierungsanlagen in V und T an die H GmbH zu einem Kaufpreis von ca. 26 Millionen Euro.
7Durch weiteren Vertrag vom 05.11.1999 beauftragte die Klägerin die Firma H GmbH mit der Behandlung von Bio- und Grünabfällen bei einer Vertragslaufzeit von 20 Jahren und einem jährlichen Umsatzvolumen von ca. 8,5 Millionen Euro.
8Der Abschluss der 5.11.1999 geschlossenen Verträge erfolgte vor dem wirtschaftlichen Hintergrund, dass die Klägerin mit dem Betrieb ihrer Kompostierungsanlagen erhebliche Verluste erwirtschaftete und der Aufsichtsrat der Klägerin den Beklagten beauftragt hatte, die Kompostierungsanlagen zu privatisieren oder eine anderweitige Lösung zu finden. Der Beklagte führte daraufhin Verhandlungen mit den bereits für die Klägerin tätigen Firmen X GmbH und H GmbH, wobei ihm der alleingeschäftsführende Alleingesellschafter der H GmbH, Herr L, seit Jahren persönlich eng bekannt war.
9Die beiden Verträge vom 05.11.1999 wurden ohne vorherige Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens geschlossen. Bei der Vorbereitung dieser Verträge bediente sich der Beklagte einer Firma J, an der Herr U beteiligt war. Ein Vertreter der J nahm jedenfalls ab Juni 1999 an allen maßgeblichen Vorgesprächen teil. Die Firma J erstellte eine Ausarbeitung unter dem Titel "Begründung für den Verkauf der Kompostierungsanlagen der Y ", die der Klägerin zu Händen des Beklagten am 09.07.1999 zur Verfügung gestellt und in den Gremien der Klägerin Entscheidungsgrundlage für den späteren Verkauf wurde.
10Durch notariellen Vertrag vom 4.11.1999 veräußerte Herr L seine gesamten Geschäftsanteile an der Firma H GmbH an die U AG zu einem Kaufpreis von 49,5 Millionen DM. Dieser Vertrag stand unter anderem unter der auflösenden Bedingung, dass die beiden vorgenannten Verträge, die die Klägerin am 05.11.1999 mit den Firmen X GmbH und H GmbH abgeschlossen hatte, wirksam zustande kommen. Die Verträge waren Bestandteil einer Gesamtstrategie von U, die zum erklärten Ziel hatte, die komplette Verwertung der organischen Abfälle des S -Kreises zu übernehmen. In welcher Weise der Beklagte die Vertragsverhandlungen zwischen den Herren L und U bezüglich des Gesellschaftsanteilkaufvertrages unterstützte, ist zwischen den Parteien ebenso streitig wie die Frage, welche Verbindung zwischen diesem Vertrag und den am 5.11.1999 eingegangenen Verpflichtungen der Klägerin bestand.
11Von Seiten U erhielt der Kläger in der Zeit von Juni 1999 bis Dezember 2001 unstreitig mindestens folgende Zahlungen:
1214.06.1999 500.000,10 DM
1309.07.1999 598.810,27 DM
1419.04.2000 429.008,10 DM
1515.11.2000 550.000,00 DM
1617.07.2001 310.000,00 DM
1717.07.2001 240.000,00 DM
1821.12.2001 255.000,00 DM
1921.12.2001 195.000,00 DM
20Summe 3.147.818,47 DM = 1.609.453,90 €
21Die Zahlungen erfolgten jeweils durch die in der A ansässige Firma Z AG, die eine Briefkastenfirma der U-Gruppe war. Ein Mitarbeiter der Z AG holte jeweils vorbereitete, im Namen des Beklagten ausgestellte Rechnungen bei der U-Gruppe in W ab.
22Von den Zahlungen hatte die Klägerin bis zum 18.07.2002 keine Kenntnis. Seit dem 12.07.2002 wird gegen den Beklagten wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit in besonders schwerem Fall während der Jahre 1998 bis 2001 ermittelt. Der Beklagte wurde am 18.07.2002 vorläufig festgenommen und befand sich vom 19.07.2002 bis zum 16.05.2003 in Untersuchungshaft. Nach Anklageerhebung durch die StA C ist inzwischen das Hauptverfahren gegen ihn vor dem Landgericht C eröffnet worden.
23Auf entsprechende Empfehlung des Aufsichtsrates der Klägerin beschloss deren Gesellschafterversammlung in ihrer Sitzung am 23.07.2002 die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer und die Kündigung des Anstellungsverhältnisses aus wichtigem Grund. Durch Schreiben vom 25.07.2002 kündigte die Klägerin das Anstellungsverhältnis fristlos und berief den Beklagten mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer ab.
24In einem vorangegangenen Verfahren vor dem Landgericht Bonn mit umgekehrtem Rubrum, AZ: 1 O 517/02, hat das Gericht die Klage des hiesigen Beklagten auf Feststellung der Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung abgewiesen.
25Die Klägerin behauptet, bei den an den Beklagten erfolgten Zahlungen habe es sich um "Schmiergeldzahlungen" gehandelt, die im Zusammenhang mit dessen Dienstausübung gestanden hätten. Herrn U sei es um den Erwerb der von der Klägerin errichteten beiden Kompostierungsanlagen unter gleichzeitiger langjähriger gesicherter Auslastung dieser Anlagen gegangen. Dies sicherzustellen, sei Aufgabe des Beklagten gewesen, der alle Fäden in der Hand gehalten habe. Nur er sei in der Lage gewesen, dem U-Konzern dieses Vertragspaket, das zugleich die Amortisation der Investition garantierte, zu verschaffen. Die vom Beklagten eingeräumten Zahlungen hätten allein den Zweck gehabt, ihn zu entsprechenden unternehmerischen Entscheidungen unter Hintanstellung der Interessen der Klägerin zu veranlassen.
26Die Klägerin beantragt,
27den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.609.453,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
28Der Beklagte beantragt,
29die Klage abzuweisen.
30Der Beklagte behauptet, es habe sich bei den erhaltenen Zahlungen um Provisionen für von ihm erbrachte Unterstützungsleistungen allein im Zusammenhang mit dem Verkauf der Geschäftsanteile der Firma H GmbH an die Firma U AG gehandelt. Diese Beratungstätigkeit sei ausschließlich dem privaten Bereich zuzuordnen und habe keinen Zusammenhang mit der Geschäftsführungstätigkeit des Beklagten für die Klägerin aufgewiesen. Vertragliche Grundlage für die Provisionszahlung sei eine Vereinbarung mit Herrn U im Frühjahr 1999 gewesen, bei der eine Fixprovision von 3 Millionen DM sowie eine großzügige Auslagenerstattung vereinbart worden sei. Die Provision sei gezahlt worden für den Nachweis der Möglichkeit, die Gesellschaftsanteile der H GmbH durch eine zum U-Konzern gehörende Gesellschaft zu erwerben sowie für weitere Förderungen des Vertragsabschlusses insbesondere auch die Weitergabe vieler und detaillierter Informationen über die H GmbH und Herrn L. Die Leistung des Beklagten habe insbesondere darin bestanden, privat erlangte Informationen über finanzielle Schwierigkeiten von Herrn L weiterzugeben. Dadurch habe U den Kaufpreis von 60 Millionen DM auf 49,5 Millionen DM drücken können. Der Beklagte behauptet weiter, durch seine Bemühungen habe er maßgeblichen Einfluss auf die Höhe des Kaufpreises gehabt und bei Herrn L nachhaltig die Verkaufsbereitschaft gefördert. Ansonsten sei er jedoch an dem Vertragsschluss zwischen U und L nicht beteiligt gewesen. Insbesondere habe er auch den Zeitpunkt des Vertragsschlusses und den Vertragsinhalt nicht gekannt.
31In rechtlicher Hinsicht macht der Beklagte geltend, ein Herausgabeanspruch sei ohnehin ausgeschlossen, da der im Strafverfahren beantragte Verfall gemäß § 73 StGB vorrangig sei. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB greife nicht ein, da der Beklagte wie ein Amtsträger anzusehen sei und damit ein vorrangiger Ersatzanspruch eines Verletzten nicht bestehe.
32Entscheidungsgründe:
33Die zulässige Klage ist auch begründet.
34Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 1.609.453,90 € gemäß §§ 667, 675 BGB. Der Beklagte hat die unstreitig von U erlangten Zahlungen in Höhe von 1.609.453,90 € an die Klägerin herauszugeben, wobei offen bleiben kann, ob es sich bei diesen Zahlungen um Provisionszahlungen oder "Schmiergeldzahlungen" gehandelt hat.
35Der Beklagte hat den erhaltenen Betrag aus der Geschäftsbesorgung für die Klägerin erlangt.
36Aus der Geschäftsbesorgung erlangt im Sinne des § 667 BGB ist jeder Vorteil, den der Beauftragte aufgrund eines inneren Zusammenhangs mit dem geführten Geschäft erhalten hat (vgl. Palandt, § 667 BGB, Rz. 3; BGH NJW-RR 1992, 560). Dazu gehören auch Schmiergelder, "Provisionen" und sonstige Sondervorteile, die dem Beauftragten von dritter Seite zugewandt worden sind und die eine Willensbeeinflussung zum Nachteil des Auftraggebers befürchten lassen; dass sie nach dem Willen des Dritten gerade nicht für den Auftraggeber bestimmt waren, bleibt dabei unbeachtlich (vgl. BGH NJW 2001, 2476 mwN). Weitere Voraussetzung ist, dass ein unmittelbarer innerer Zusammenhang der Zahlung mit der Geschäftsbesorgung gegeben ist, dass die Zuwendung also nicht lediglich anlässlich der Geschäftsbesorgung erfolgt ist (BGH, aaO.).
37Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
38Der erforderliche unmittelbare innere Zusammenhang ist unabhängig von der Frage, ob ein Bestechlichkeitsdelikt vorliegt, zu bejahen.
39Dies ergibt sich sowohl aus den unstreitigen Modalitäten der Zuwendung als auch aus der besonderen und engen persönlichen, zeitlichen und sachlichen Verflechtung zwischen der Geschäftsführungstätigkeit des Beklagten und der Zuwendung durch U.
40Der Beklagte war Alleingeschäftsführer der Klägerin und als solcher allein verantwortlich für die Vorbereitung und Weichenstellung geschäftlicher Entscheidungen der Klägerin. Es bestand bereits seit Januar 1998 eine Geschäftsverbindung zwischen der Klägerin und der U-Gruppe, an deren Zustandekommen der Beklagte maßgeblich mitgewirkt hat. Die Verhandlungen zwischen der Klägerin und den Unternehmen H GmbH, die von U übernommen wurden, wurden im wesentlichen von dem Beklagten geführt, der dabei zudem eine Fa. J einschaltete, an der U ebenfalls beteiligt war. Der Beklagte verhandelte unstreitig jedenfalls seit Juni 1999 mit den H GmbH über einen Verkauf der defizitären Kompostierungsanlagen. Er hatte es in der Hand, Entscheidungen zugunsten dieser Unternehmen maßgeblich zu beeinflussen und herbeizuführen.
41Zugleich führte der Beklagte ohne das Wissen der Klägerin eine Art Doppelleben. Bereits seit einigen Jahren, nach seinem eigenen Vortrag seit etwa 1997, wusste der Beklagte, dass U Interesse an der Übernahme der H GmbH hatte, und stellte Kontakte zu deren Alleingeschäftsführer und –gesellschafter L her, mit dem er selbst seit langen Jahren persönlich eng bekannt ist.
42Der Abschluss der beiden Verträge vom 05.11.1999 zwischen der Klägerin und der D H GmbH bzw. der H GmbH betraf die originäre Geschäftsführungstätigkeit des Beklagten für die Klägerin. Bei der Vorbereitung dieser Verträge bediente sich der Beklagte einer Firma J, an der Herr U beteiligt war. Ein Vertreter der J nahm jedenfalls ab Juni 1999 an allen maßgeblichen Vorgesprächen teil. Die Firma J erstellte eine Ausarbeitung unter dem Titel "Begründung für den Verkauf der Kompostierungsanlagen der Y ", die der Klägerin zu Händen des Beklagten am 09.07.1999 zur Verfügung gestellt und in den Gremien der Klägerin Entscheidungsgrundlage für den späteren Verkauf wurde.
43Die beiden wirtschaftlich äußerst bedeutenden Verträge vom 05.11.1999 standen ihrerseits in unmittelbarem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Vertrag vom 04.11.1999, durch den die U AG sämtliche Geschäftsanteile der H GmbH übernommen hatte. Unabhängig von der Frage, ob der Beklagte das Datum des sog. "L-Vertrages" vom 04.11.1999 kannte, wusste er jedenfalls um den engen sachlichen Zusammenhang. Dieser Vertrag stand unter anderem unter der auflösenden Bedingung, dass die beiden vorgenannten Verträge, die die Klägerin am 05.11.1999 mit den Firmen X GmbH und H GmbH abgeschlossen hatte, wirksam zustande kommen. Die Verträge waren Bestandteil einer Gesamtstrategie von U, die zum erklärten Ziel hatte, die komplette Verwertung der organischen Abfälle des S -Kreises zu übernehmen.
44Auch nach dem Vortrag des Beklagten standen die "Provisionszahlungen" durch U deshalb in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Geschäftsführungstätigkeit. Die vom Beklagten geführten Verhandlungen mit der H GmbH gehörten unzweifelhaft zu seiner Geschäftsbesorgungstätigkeit für die Klägerin. Daraus folgt aber zugleich, dass die Zahlungen von U aus der Sicht des Beklagten, der an seinem ahnungslosen Arbeitgeber vorbei als einziger den Gesamtüberblick über die Zusammenhänge hatte, einen unmittelbaren inneren Zusammenhang mit der Geschäftsbesorgung aufwiesen. Es ist im übrigen davon auszugehen, dass der Beklagte jedenfalls auch Sachkunde und Kenntnisse verwertet und ausgenutzt hat, die er aus seiner langjährigen Geschäftsführertätigkeit bei der Klägerin erlangt hatte. Bereits in der Anfangsphase der vom Beklagten geführten Verhandlungen zwischen der Klägerin und den Firmen H GmbH flossen Zahlungen von U an den Beklagten.
45Die von U erhaltenen Zahlungen haben auch zu einer Gefahr der Interessenschädigung der Klägerin geführt. Die zugewendeten Sondervorteile, seien sie als "Provisionszahlungen" oder "Schmiergeldzahlungen" im strafrechtlichen Sinne zu qualifizieren, lassen jedenfalls eine Willensbeeinflussung des Beklagten in seiner Geschäftsführungstätigkeit zum Nachteil der Klägerin als Geschäftsherrin befürchten.
46Die Klägerin wusste unstreitig bis zur Festnahme des Beklagten am 18.07.2002 nichts von seinen Aktivitäten für U und von dessen Zahlungen. Vor dem Hintergrund des engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs der Vertragswerke liegt es auf der Hand, dass der Klägerin heimliche Provisionsgeschäfte zwischen ihrem leitenden Angestellten, dem Beklagten, und U über das Schicksal ihres künftigen Vertragspartners H GmbH nicht gleichgültig sein konnten. Im Gegenteil war zu befürchten, dass der Beklagte in den Verhandlungen nicht, wie es ihm als Geschäftsführer oblegen hätte, nur im Interesse der Klägerin handelt, sondern sich jedenfalls auch von den Interessen seines Geldgebers U leiten lässt. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin nicht wusste, dass sie ihre Kompostierungsanlagen in Wirklichkeit nicht an die D H GmbH, sondern an die U-Gruppe veräußert und mit dieser langfristige Entsorgungsverträge abschließt. Der Beklagte hingegen wusste dies und hat diese Geschäfte nach seinem eigenen Vortrag maßgeblich beeinflusst und eingefädelt.
47Im übrigen begründen auch die unstreitigen Modalitäten der Geldzuwendung einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Geschäftsführung und die Befürchtung einer Interessengefährdung der Klägerin. Auch wenn Einzelheiten der angeblichen Provisionsvereinbarung (Zeit, Ort, genauer Inhalt der Vereinbarung) vom Beklagten nicht näher vorgetragen werden, ist jedenfalls die Höhe der Provision von über 3 Mio. DM ungewöhnlich hoch und geeignet, die gebotene Unparteilichkeit im Verhältnis zu U in Zweifel zu ziehen. Schließlich wurden die Zahlungen unstreitig mittels fingierter Rechnungen über eine A Briefkastenfirma abgewickelt. Auch dies belegt, dass der Beklagte etwas zu verheimlichen hatte.
48Dem Anspruch der Klägerin steht die Vorschrift des § 73 StGB nicht entgegen, da im anhängigen Strafverfahren gegen den Beklagten, auch für den Fall einer rechtskräftigen Verurteilung gemäß §§ 331 ff. StGB, ein Verfallanspruch des Staates nicht zum Tragen kommt. § 73 Abs. 1 S. 1 StGB bestimmt für die Fälle, in denen der Täter oder Teilnehmer für eine rechtswidrig begangene Tat oder aus ihr etwas erlangt hat, dass das Gericht dessen Verfall anordnet. Diese Anordnung ist – grundsätzlich – zwingend; das Strafgericht kann von ihr nicht nach Ermessen absehen. Nach § 73 Abs. 1 S. 2 StGB ist der Verfall jedoch dann ausgeschlossen, wenn aus der Tat dem Verletzten ein Anspruch erwachsen ist, dessen Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde. Damit soll die Erfüllung des Ausgleichsanspruchs gewährleistet und zugleich sicher gestellt werden, dass der Täter nicht zweimal zahlen muss (vgl. BGH, Urteil vom 06.02.2001, wistra 2001, 295; BGH, Urteil vom 11.05.2001, BGHSt 47, 22 =NJW 2001, 2560).
49Im vorliegenden Fall besteht ein privatrechtlicher Ausgleichsanspruch der Klägerin, die Verletzte im Sinne des § 73 Abs. 1 S. 2 StGB ist. Dem steht nicht entgegen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des BGH in Strafsachen der Dienstherr regelmäßig nicht Verletzter im Sinne des § 73 Abs. 1 S. 2 StGB ist, wenn sich ein Amtsträger der Vorteilsannahme oder Bestechlichkeit schuldig gemacht hat, weil "Verletzter" nur derjenige sein kann, dessen Individualinteressen durch das vom Täter übertretene Strafgesetz verletzt werden, während Schutzgut der Amtsdelikte das Vertrauen der Allgemeinheit in die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes ist (vgl. BGH, Urteil vom 20.02.1981, BGHSt 30, 46 = NJW 1981, 1457; BGH, Urteil vom 12.07.2000, wistra 2000, 379; BGH, Urteil vom 06.02.2001, wistra 2001, 295; BGH, Urteil vom 11.05.2001, BGHSt 47, 22 =NJW 2001, 2560).
50Im Unterschied zu den vom BGH entschiedenen Fällen ist der Beklagte weder Beamter noch Angestellter des öffentlichen Dienstes. Bei der Klägerin handelt es sich um eine privatrechtlich organisierte GmbH, die als juristische Person des Privatrechts als "beauftragter Dritter" nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz abfallwirtschaftsrechtliche Pflichten des S -Kreises erfüllt. Der Beklagte ist für sie auf der Grundlage eines privatrechtlichen Geschäftsführerdienstvertrages tätig. Zwar ist der Beklagte eines Bestechlichkeitsdelikt angeklagt, wobei seine Amtsträgereigenschaft im strafrechtlichen Sinne auf § 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB gestützt wird. Selbst wenn im Strafverfahren die Amtsträgereigenschaft und eine Strafbarkeit nach §§ 331 ff. StGB festgestellt werden sollte, ist die Klägerin – anders als eine Anstellungskörperschaft gegenüber einem Beamten oder Angestellten des öffentlichen Dienstes – als Verletzte im Sinne des § 73 Abs. 1 S. 2 StGB Inhaberin eines privatrechtlichen Anspruchs gem. §§ 667, 675 BGB. Betroffen ist die Klägerin als organisatorisch und fiskalisch von der öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaft S -Kreis getrennte selbstständige Wirtschaftseinheit mit eigenem Gebührenhaushalt. Betroffen sind damit zugleich die finanziellen Interessen der Gebührenzahler und nicht das Vertrauen in die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes. Durch die Handlungen des Beklagten sind möglicherweise erhebliche Vermögensschäden auf Seiten der Klägerin und mittelbar auf Seiten der Gebührenzahler eingetreten, die schlimmstenfalls – wie bei jeder Person des Privatrechts und anders als bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn – zur Insolvenz führen könnten.
51Einer Aussetzung des Rechtsstreits bis zur Erledigung des Strafverfahrens nach § 149 ZPO bedurfte es nicht, da die sich in beiden Verfahren ergebenden Fragestellungen nicht kongruent sind. Die Entscheidung über den erkannten Herausgabeanspruch setzte nicht die Feststellung einer Straftat gemäß §§ 332 ff. StGB voraus.
52Der zuerkannte Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.
53Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
54Streitwert: 1.609453,90 €
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