Urteil vom Landgericht Bonn - 10 O 183/04
Tenor
1.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger wegen der durch die Gasexplosion vom 25. April 2003 im Gebäude A-straße in O entstandenen Personen- und Sachschäden aufgrund der Betriebshaftpflichtversicherung (Vertragsnummer: 7.....) Versicherungsschutz zu gewähren hat.
2.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: EUR 569.033,50
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über die Deckungspflicht der Beklagten aus einem Haftpflichtversicherungsvertrag.
3Der Kläger führt einen Installationsbetrieb und ist diesbezüglich bei der Beklagten seit 1985 unter der im Tenor angegebenen Versicherungsnummer haftpflichtversichert.
4In Ziff. 8.5. der im Versicherungsschein mittelbar in Bezug genommenen "Bedingungen für die Haftpflichtversicherung des Baunebengewerbes" (BB) ist folgende Regelung enthalten:
5"Von der Versicherung ausgeschlossen sind Haftpflichtansprüche aufgrund folgender Sachverhalte/Schäden: ... Haftpflichtansprüche gegen die Personen (Versicherungsnehmer oder jeden Mitversicherten), die den Schaden durch bewußt gesetz-, vorschrifts- oder sonst pflichtwidrigen Umgang mit brennbaren, explosiblen oder giftigen Stoffen verursachen."
6Im März/April 2002 installierte der Kläger in dem im Tenor bezeichneten Wohn- und Geschäftshaus in O eine Zwei-Flaschen-Flüssiggasanlage. Diese Anlage sollte die Gasversorgung der im Haus betriebenen Pizzeria übergangsweise sicherstellen, da zu dieser Zeit im Rahmen von Umbauarbeiten der Gastank des Hauses durch die Firma Q versetzt und neu angeschlossen wurde. Nach Abschluss der Umbauarbeiten wurde die Zwei-Flaschen-Anlage jedoch nicht entfernt, sondern zur etwaigen Überbrückung späterer Engpässe - etwa nach Entleerung des Gastanks bis zum Wiederauffüllen - beibehalten.
7Nach beklagtenseits vorgelegten Gutachten verstieß der Kläger bei der Installation der Zwei-Flaschen-Anlage gegen Vorgaben der "Technischen Regeln Flüssiggas 1996" (TRF) sowohl hinsichtlich des Standorts als auch hinsichtlich der Verbindung der Anlage zur übrigen Gasversorgung des Hauses. Inwieweit diese Verbindung tatsächlich vom Kläger durchgeführt oder lediglich vorbereitet wurde, ist streitig. Der Standort der Zwei-Flaschen-Anlage wurde insofern nachträglich verändert, als sie zum Zeitpunkt der Installation durch den Kläger zum Garten hin offen zugänglich und vom Gastank frei sichtbar war und erst später durch eine Mauer räumlich abgetrennt wurde. Hinsichtlich der Einzelheiten der Installation wird auf die bei der Akte befindlichen Gutachten S vom 25.04.2003, V vom 19.05.2003 - dort insbesondere die Übersicht in Anlage 43 - und H vom 26.05.2003 verwiesen.
8Am 25.04.2003 wurde der Gastank des streitgegenständlichen Hauses neu befüllt. Weil ein Kugelabsperrventil zuvor geöffnet worden war, strömte das im Gastank befindliche Gas in Richtung der vom Kläger installierten Zwei-Flaschen-Gasanlage. Dort traf es mit einem Druck von 700 mbar auf ein vom Kläger installiertes Überdruckventil, das bereits bei einem Ansprechdruck von 135mbar auslöste. In der Folge strömte über das Überdruckventil an der Zwei-Flaschen-Anlage Gas ins Freie. Das Gas konnte, auch wegen der zwischenzeitlich errichteten Mauer, nicht in den Garten entweichen, sondern breitete sich in den Kellerräumen aus. Am Abend des Tages kam es zu einer Explosion mit erheblichem Sach- und Personenschaden.
9Nach Erhalt der staatsanwaltischen Ermittlungsakten am 25.06.2003 kündigte die Beklagte das Versicherungsverhältnis am 02.07.2003. Der Kläger wird gegenwärtig von durch das Explosionsereignis geschädigten Personen auf Haftung in Anspruch genommen. Diesbezüglich ist bereits ein Rechtstreit vor der 7. Kammer des Landgerichts Bonn, Az. 7 O 205/04, anhängig.
10Der Kläger begehrt die Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten. Er meint, die streitgegenständliche Klausel sei nach § 305c BGB nicht wirksam. Ferner handele es sich bei den Vorgaben der Technischen Regeln Flüssiggas 1996 (TRF) nicht um Pflichten im Sinne der Klausel Ziff. 8.5 BB. Außerdem sei - wenn überhaupt - ein Verstoß gegen die TRF nicht bewusst erfolgt und es sei kein Vorsatz hinsichtlich des Schadens gegeben.
11Der Kläger beantragt,
12festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger wegen der durch die Gasexplosion vom 25. April 2003 im Gebäude A-straße in O entstandenen Personen- und Sachschäden aufgrund der Betriebshaftpflichtversicherung (Vertragsnummer: 7.....) Versicherungsschutz zu gewähren hat.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie meint, der Leistungsausschlusstatbestand von Ziff. 8.5 BB liege vor. Der Kläger habe bewußt gegen die verbindlichen Pflichten der TRF verstoßen und entgegen den Bestimmungen der Betriebssicherheitsverordnung bzw. der Druckbehälterverordnung gehandelt. Sie behauptet, der Kläger habe zu Unrecht eine Prüfbescheinigung für eine Mitteldruckleitung erteilt, obwohl er dazu nicht berechtigt gewesen sei. Dies stelle auch eine zur Leistungsfreiheit führende Gefahrerhöhung gem. § 23 VVG dar.
16Die zu Informationszwecken beigezogene Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft C, Az. 6......., war Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
18Die zulässige Klage ist begründet.
19Die Beklagte ist aus dem Versicherungsvertrag mit dem Kläger zur vertragsgemäßen Deckung des streitgegenständlichen Versicherungsfalls verpflichtet.
201.
21Ein Leistungsausschluss gem. Ziff. 8.5 BB ist nicht gegeben.
22a.
23Es kann unentschieden bleiben, ob die streitgegenständliche Klausel als subjektiver Risikoausschluss einzuordnen ist, wie dies nach der Rechtsprechung für vergleichbare Regelungen in der Architektenhaftpflichtversicherung der Fall ist (vgl. BGH v. 20.06.2001, Az.: IV ZR 101/00, VersR 2001, 1103; OLG Köln v. 02.07.1996, Az.: 9 U 14/96, VersR 1997, 1345 mwN) oder ob ein Verstoß gegen die streitgegenständliche Klausel als Obliegenheitsverletzung zu werten ist, wie dies für den Sonderfall der "Explosionsklausel" in der Betriebshaftpflichtversicherung angenommen wird (BGH v. 24.10.1979, Az.: IV ZR 182/77, VersR 1980, 153; OLG Koblenz v. 04.12.1991, Az.: 10 U 129/80, VersR 1982, 1089). Denn jedenfalls hat die Beklagte die gem. § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG für den letzten Fall erforderliche Kündigung des Versicherungsverhältnisses unmittelbar nach Kenntnisnahme von der behaupteten Obliegenheitsverletzung ausgesprochen.
24Es bedarf ebenfalls keiner Entscheidung, ob die streitgegenständliche Klausel, wie der Kläger vortragen lässt, gegen § 305c BGB verstößt. Denn die in der Klausel genannten Voraussetzungen für einen Leistungssausschluss sind bei sachgemäßer Auslegung schon nicht erfüllt.
25b.
26Ein Verstoß gegen die Technischen Regeln Flüssiggas 1996 (TRF) ist nicht als "gesetzes-, vorschrifts- oder sonst pflichtwidriges" Verhalten im Sinne von Ziff. 8.5 BB zu werten.
27aa.
28Mit dem Bundesgerichtshof (BGH v. 09.05.1990, Az. IV ZR 51/98, VersR 1990, 887) ist davon auszugehen, dass mit "gesetzes- oder vorschriftswidrigem Verhalten" im Sinne der streitgegenständlichen Klausel nur Verstöße gegen verbindliches Regelwerk gemeint sind. Dazu gehören formelle und materielle Gesetze einschließlich berufsgenossenschaftlicher Unfallverhütungsvorschriften, sofern sie von einer zuständigen Stelle aufgrund gesetzlicher Ermächtigung erlassen worden sind. Sie müssen jedoch einen verbindlichen Charakter haben. Das gilt für Ermahnungen, Empfehlungen und Ratschläge von privater Seite - auch wenn sie schriftlich abgefasst sind - nicht (BGH a.a.O. zum Beispiel einer Gebrauchsanweisung, ebenso Schimikowski ZfV 1995, 494, 543; a.A wohl OLG München v. 19.10.1998, Az.: 17 U 2860/97, NVersZ 1999, 582).
29Die TRF sind, soweit dies aus dem zur Akte gereichten Auszug ersichtlich ist, nur von privaten Vereinen herausgegeben (vgl. zur mangelnden Verbindlichkeit von Leitlinien privater Verbände auch OLG Oldenburg v. 25.11.1992, Az: 2 U 112/92, VersR 1994, 715). Das Vorwort zu den TRF wird durch zwei eingetragene Vereine, nämlich den Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. und den Deutschen Verband Flüssiggas e.V. gezeichnet. Es ist nicht ersichtlich, dass ein nach §§ 24, 27 Abs. 6 Betriebssicherheitsverordnung bzw. § 11 Gerätesicherheitsgesetz vorgesehener Ausschuss für Betriebssicherheit die Herausgeberschaft für die TRF innehätte. Soweit im Vorwort der TRF auf die Abstimmung mit dem "zuständigen Ausschuss der Arbeitsministerien der Bundesländer" hingewiesen wird, ergibt sich nichts anderes. Denn diese Abstimmung kann den TRF nicht ihren Charakter als privatrechtliche Anleitung der zuständigen Fachverbände nehmen.
30Die TRF gehen auch selbst davon aus, verbindlichem Regelwerk untergeordnet zu sein. Dies ergibt sich daraus, dass die TRF nach ihrer Nr. 1.1 für solche Flüssiggas-Anlagen, die gewerblichen oder wirtschaftlichen Zwecken dienen, nur anzuwenden sind, soweit keine anderen Regeln auf Grund von Verordnungen oder Unfallverhütungsvorschriften zu berücksichtigen sind.
31Insoweit ist das Urteil des OLG Hamm (Urteil v. 08.12.1989, Az: 20 U 319/88, VersR 1990, 1233) nicht in der von der Beklagten angeführten Weise zu verstehen. Es trifft zwar zu, dass das OLG Hamm in der genannten Entscheidung sowohl die Richtlinien für die Verwendung von Flüssiggas als auch die TRF als "behördliche" Sicherheitsvorschriften einordnete. Während erstere als berufsgenossenschaftliche Vorschrift verbindlichen Charakter hatte - sie wurde mittlerweile durch die ebenfalls gem. § 15 SGB VII verbindliche Unfallverhütungsvorschrift BGV D 34 ersetzt - sind letztere, die TRF nämlich, aus den genannten Gründen jedoch ohne bindenden Charakter. Diese Ansicht teilt offenbar auch das OLG Hamm, wenn es ausführt, dass den TRF nur der Charakter eines Kommentars zukomme.
32Auch soweit die BGV D 34 Bezug auf die TRF nimmt, kommt letzteren dadurch kein verbindlicher Charakter zu. Denn diese Bezugnahme erfolgt nur vereinzelt in den Durchführungsanweisungen (zu § 8 - dort nur fakultativ - und zu § 14). Eine allgemeine Inbezugnahme erfolgt auch nicht durch die Aufnahme der TRF in die "Zusammenstellung besonderer Vorschriften und Regeln der Technik für die Verwendung von Flüssiggas" im Anhang 4 der BGV D 34. Denn dort wird erkennbar nur eine Hilfestellung zur Übersicht über die Vielzahl von Handlungsanleitung gegeben, ohne dass diese zugleich alle für verbindlich erklärt werden sollten.
33Im Gegenteil geht auch die BGV D 34 offensichtlich davon aus, dass die TRF nicht zum verbindlichen Regelwerk staatlicher Rechtsvorschriften gehören. Dies ergibt sich daraus, dass in den Durchführungsanordnungen zu § 1 Abs. 2 BGV D 34 die Technischen Regeln Druckbehälter, die Technischen Regeln Druckgase und die Technischen Regeln Rohrleitungen als verbindlich vorgehend aufgeführt werden, nicht jedoch die TRF.
34bb.
35Ein Verstoß gegen die TRF stellt auch kein "sonst pflichtwidriges" Verhalten im Sinne von Nr. 8.5 BB dar.
36Mit dem Bundesgerichtshof (BGH v. 17.12.1986, Az. IVa ZR 166/85, VersR 1987, 174) ist davon auszugehen, dass auch ein "sonst pflichtwidriges" Verhalten nur gegeben ist, wenn der Versicherungsnehmer eine für ihn verbindlich begründete Pflicht außer Acht lässt. Für die normkonkretisierenden Vorgaben der öffentlich-rechtlichen TA-Lärm hat der Bundesgerichtshof diese Voraussetzungen verneint, weil die TA-Lärm als Verwaltungsanordnung keine Rechtsnorm sei und daher keine Pflichten für die Betroffenen begründen könne. Nach dieser Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt, hätten die TRF nicht einmal als öffentlich-rechtliche Verwaltungsanordnung für den Kläger bindende Wirkung gehabt. Da es sich bei den TRF, wie ausgeführt, um privates Regelwerk handelt, gilt dies um so mehr. Technische Regeln sind keine Rechtsnormen und binden unmittelbar weder den einzelnen Techniker, noch sind sie dem Richter verbindlich vorgegeben (Marburger, VersR 1983, 597, 608).
37Offenbleiben kann, inwieweit der Verstoß gegen eine vertraglich begründete Pflicht ausreicht, von einem "sonst pflichtwidrigen Verhalten" des Versicherungsnehmers auszugehen. Das OLG Hamm (OLG Hamm v. 13.10.1995, Az.: 20 U 128/95, VersR 1996, 1006) scheint eine solche Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Dagegen bestehen insofern Bedenken, als in diesem Fall der Umfang des Versicherungsschutzes im Rahmen der "Explosionsklausel" von den vertraglichen Vereinbarungen mit dem Besteller abhängig gemacht würde und auf diesem Weg bereits jede bewußt nicht der vertraglich vereinbarten Soll-Beschaffenheit entsprechende Werkerstellung den Tatbestand erfüllen könnte.
38Die Frage bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Denn der Kläger hatte keine vertraglich begründete Pflicht, die TRF zu befolgen. Im Versicherungsvertrag wurde nicht auf die TRF Bezug genommen. Ebensowenig war der Kläger gegenüber dem Besteller der Gasanlage zur Beachtung der TRF verpflichtet. Anders als die Beklagten meint, ist nicht ersichtlich, dass die TRF Bestandteil des Werkvertrags mit dem Besteller geworden wären. Richtig ist zwar, dass die Prüfbescheinigung des Klägers formularmäßig auf die TRF Bezug nimmt. Der daraus von der Beklagten vorgenommene Rückschluss, dass die Einhaltung der TRF dementsprechend vertraglich geschuldet sei, ist aber unzulässig. Weitere Anhaltspunkte für eine Vereinbarung der Einhaltung der TRF zwischen den Parteien wurden nicht vorgetragen.
39b.
40Die Voraussetzungen von Ziff. 8.5 BB sind auch nicht wegen eines Verstoßes des Klägers gegen §§ 2 Abs. 2a Nr. 2, 11 des zum Schadenszeitpunkt noch gültigen Gerätesicherheitsgesetzes in Verbindung mit § 12 der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) gegeben.
41Nach dieser Bestimmung dürfen überwachungsbedürftige Anlagen nur in Betrieb genommen werden, wenn sie "mindestens dem Stand der Technik" entsprechen.
42Bei § 12 BetrSichV handelt es sich zwar um eine für den Kläger verbindliche Regelung, die aufgrund gesetzlicher Ermächtigung erlassen wurde. Sie ist daher taugliche Vorschrift im Sinne von Ziff 8.5 BB. Jedoch ist ihr Inhalt zu unbestimmt, um die Sanktion der Leistungsfreiheit nach sich zu ziehen. Denn nur wer verbindliche Handlungsanweisungen nicht beachtet, mit denen ihm ein bestimmtes Verhalten vorgeschrieben ist, muss sich die Regelung des Ziff 8.5 BB entgegenhalten lassen (vgl. BGH v. 17.12.1986 a.a.O). Aus der Normfassung des § 12 BetrSichV folgt jedoch für den Betreiber einer überwachungsbedürftigen Anlage nicht die Pflicht zu einem bestimmten Vorgehen. Der Wortlaut der Bestimmung sagt nichts darüber aus, welche Maßnahmen im Einzelfall geboten sein könnten, um den Stand der Technik einzuhalten.
43Die nötige Bestimmtheit erlangt die ausfüllungsbedürftige Norm des § 12 BetrSichV erst im Kontext mit den Vorgaben der TRF. Erst aus diesen geht hervor, welche Maßnahmen bei der Installation und Inbetriebnahme von Flüssiggasanlagen nach dem Stand der Technik zu beachten sein sollen. Über diesen Umweg erlangen die TRF jedoch nicht die für die Klausel Ziff. 8.5 BB erforderliche Verbindlichkeit. Das ergibt sich schon daraus, dass der Verordnungsgeber der BetrSichV nicht etwa auf die TRF Bezug genommen hat oder auf andere Weise ersichtlich wäre, dass aus Sicht des Verordnungsgebers gerade die TRF eine verbindliche Ausfüllung der Betriebssicherheitsverordnung darstellen sollen. Es braucht daher nicht auf die Frage eingegangen zu werden, inwieweit dem Verordnungsgeber eine solche materielle Weitergabe der Rechtssetzungsbefugnis an private Verbände auch im Hinblick auf die ratio von Art. 80 Abs. 1 S. 4 GG überhaupt möglich wäre.
44c.
45Die Beklagte ist auch nicht wegen Verstoß des Klägers gegen die Druckbehälterverordnung gem. Ziff. 8.5 BB leistungsfrei.
46Insoweit ist unstreitig, dass der Kläger nicht über die nötigen Voraussetzungen als Sachkundiger gem. § 32 Druckbehälterverordnung verfügte, die Abnahme-/Inbetriebnahme einer Mitteldruckleitung zu erteilen. Jedoch geht aus dem Parteivortrag nicht hinreichend substantiiert hervor, dass der Kl. tatsächlich eine Mitteldruckleitung abgenommen hat. Im Gegenteil, die in Bezug genommene und mit Anlage B 3 Anlage 47 vorgelegte Prüfbescheinigung bezieht sich ausdrücklich nur auf die vom Kläger installierte Niederdruckleitung mit einem Ansprechdruck von 100 mbar. Auf Blatt 2 dieser Bescheinigung (Anlage B 3 Anl. 45), das auch den Gasherd der Pizzeria aufführt, sind ebenfalls nur die Spalten für Niederdruck-Rohrleitungen ausgefüllt. Dieses Blatt ist darüber hinaus nicht unterschrieben. Der dort wiederum in Bezug genommene Flüssiggaslageplan (Anlage B 3 Anl. 44) ist nicht vom Kläger, sondern vom Gebietsleiter der Firma Q2 abgezeichnet und läßt außerdem einen Hinweis auf die Zwei-Flaschen-Anlage vermissen.
47d.
48Einem Leistungsausschluss nach Ziff. 8.5 BB steht außerdem entgegen, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger mit dem erforderlichen Vorsatz handelte.
49Dies gilt sowohl für die behaupteten Verstöße gegen die aus Sicht der Kammer ohnehin unverbindlichen TRF, als auch für behauptete Zuwiderhandlungen des Klägers gegen Druckbehälterverordnung, BetriebSichV und - worauf sich die Beklagte allerdings nicht berufen hat - BGV D 34.
50Im Sinne des Beklagtenvortrags ist davon auszugehen, dass ein Vorsatz auf den Schadenseintritt seitens des Kläger nicht erforderlich ist. Die streitgegenständliche Klausel Ziff. 8.5 BB stellt nur auf einen bewussten Pflichtenverstoß, nicht jedoch darauf ab, ob der Versicherungsnehmer auch den eintretenden Schaden in seinen Vorsatz aufgenommen hat. Es handelt sich diesbezüglich bei der Explosionsklausel um eine zulässige Verschärfung der Vorgaben des § 152 VVG (vgl. Prölls/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl., § 152 Rn. 7, OLG Köln v. 27.04.1989, Az.: 5 U 216/88, VersR 1990, 193 zur Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung), die zu der allgemeinen Bedingung in § 4 Abs. II Nr. 1 AHB für den Umgang mit explosiven Stoffen eine Sonderregel trifft.
51Es ist jedoch nicht von einem bewußten Verstoß des Klägers gegen seine Verhaltenspflichten bei der Installation der Zwei-Flaschen-Gasanlage auszugehen.
52Man mag zwar im allgemeinen davon ausgehen können, dass Vorschriften, die speziell die berufliche Tätigkeit der versicherten Person betreffen, dieser geläufig sind (Marburger, VersR 1983, 597, 607). Es mag auch sein, dass angesichts der großen praktischen Bedeutung der TRF für die Sicherheitstechnik erwartet werden kann, dass jeder Techniker diese für seinen Tätigkeitskreis einschlägigen Regeln kennt (hinsichtlich der TRF für einen Installationsmeister damals ablehnend BGH v. 02.03.1977, Az. IV ZR 43/75, VersR 1977, 465).
53Diese allgemeinen Grundsätze führen jedoch nicht zu der Überzeugung der Kammer, dass sich der Kläger tatsächlich bewusst über die seinen Tätigkeitskreis betreffenden Regelungen hinweggesetzt hat. Es ist nämlich weder vorgetragen noch ersichtlich, aus welchen Gründen der Kläger dies hätte tun sollen, noch gibt es sonst Anhaltspunkte für vorsätzliches Handeln.
54aa.
55Der letztlich für den Schadenseintritt kausale Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten des Klägers war das Anschließen der Zwei-Flaschen-Anlage mit einem auf 135 mbar ausgelegten Überdruckventil an eine Leitung, auf die an dieser Stelle ein Gasdruck von 700 mbar wirkte. Aus dem Gutachten V geht hervor, dass bei einem Anschluss der Zwei-Flaschen-Anlage hinter dem Regler-Ventil-Set (gestrichelte Linie in Anl. 43 des Gutachtens) ein Gasaustritt nicht stattgefunden hätte.
56Selbst wenn der Kläger - was er mit den nach der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätzen vom 30.08. und 24.09.2004 bestreitet - für den Anschluss der Anlage an das Leitungsnetz des Gastanks verantwortlich gewesen sein sollte, ist nicht ersichtlich, weshalb er diesbezüglich hätte vorsätzlich pflichtwidrig handeln sollen. Denn auch in diesem Fall geht der Vorwurf im Kern nur dahin, den Anschluss auf der falschen Seite des Regler-Ventil-Sets vorgenommen zu haben. Es ist nicht eingängig und widerspricht jeder Lebenserfahrung, dass der Kläger die Zwei-Flaschen-Anlage bewusst oder auch nur mit bedingtem Vorsatz auf der falschen Seite des Regel-Ventil-Sets mit dem Gasleitungsnetz verbunden hat. Es spricht vielmehr alles dafür, dass - ein Fehlverhalten des Klägers unterstellt - der Anschluss irrtümlich an der falschen Stelle erfolgte (vgl. dazu auch Gutachten H S. 10). Demnach hat sich gerade das Risiko einer fahrlässigen Pflichtverletzung realisiert, welches die Parteien mit dem geschlossenen Versicherungsverhältnis absichern wollten.
57bb.
58Für die Wahl des Standorts der Zwei-Flaschen-Anlage gilt nichts anderes.
59Dem Kläger wird insoweit insbesondere vorgeworfen, die Anlage in einem Kriechkeller ohne tragfähigen und gasdichten Fußboden mit Verbindung zu benachbarten Kellerräumen 14 cm unter Erdgleiche in Nähe einer möglichen Zündquelle installiert zu haben (Gutachten V S. 11-13). Bei richtiger Standortwahl hätte dagegen kein Schaden in dieser Größe entstehen können (Gutachten H S. 11). Umgekehrt ist nach dem Gutachten S (S. 10) davon auszugehen, dass die Schäden voraussichtlich geringer ausgefallen wären, wenn nicht nach Abschluss der Arbeiten durch den Kläger die Außenmauer vor dem Aufstellraum der Zwei-Flaschen-Anlage errichtet worden wäre.
60Es ist bereits zweifelhaft, ob die fehlerhafte Standortwahl den Schaden im Sinne der Klausel 8.5 BB verursacht hat. Denn aus dem vorstehend wiedergegebenen Beklagtenvortrag ergibt sich, dass die gerügte Standortwahl durch den Kläger nicht die Explosion ausgelöst, sondern lediglich schadenserhöhend gewirkt hat. Eine Quotelung des Deckungsschutzes wird bei einem einheitlichen Tathergang im Rahmen des § 152 VVG jedoch mit guten Gründen abgelehnt (Prölss/Martin § 152 Rn. 5; a.A. Langheid, NVersZ 1999, 253). Es spricht viel dafür, auch bei der streitgegenständlichen Explosionsklausel, die eine Verschärfung des § 152 VVG enthält, am "Alles-oder-nichts-Prinzip", in diesem Fall zu Gunsten des Versicherten, festzuhalten.
61Die Frage bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung, da auch hinsichtlich der Standortwahl nicht von einem vorsätzlichen Verstoß gegen die Handlungsvorgaben seitens des Klägers auszugehen ist. Es sind trotz der Vielzahl der aufgeführten Verstöße keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass dem Kläger bei der Installation die Ungeeignetheit des Standorts bewußt war oder er sie auch nur für möglich hielt. Keiner der Verstöße stellt nach Einschätzung der Kammer eine so offensichtliche Zuwiderhandlung gegen die Installationsregeln dar, dass ohne weitere konkrete Anhaltspunkte von einem vorsätzlichen Handeln ausgegangen werden kann.
622.
63Die Beklagte ist auch nicht wegen subjektiver Gefahrerhöhung gem. §§ 23, 25 VVG von der Leistung befreit.
64Dies ergibt sich bereits daraus, dass der von der Beklagtenseite erhobene Vorwurf der subjektiven Gefahrerhöhung sich darauf stützt, der Kläger habe, ohne dazu ermächtigt zu sein, Prüfbescheinigungen für Mitteldruckleitungen erteilt und damit das im Versicherungsvertrag vereinbarte Risiko nachträglich einseitig erhöht. Wie bereits ausgeführt, ist aber nicht davon auszugehen, dass der Kläger überhaupt falsche Prüfbescheinigungen ausgestellt hat. Bereits aus diesem Grund greift der Leistungsausschluss nicht durch.
65Außerdem kommt ein solcher Leistungsausschluss wegen Fehlens der zeitlichen Komponente nicht in Frage. Denn Gefahrerhöhung ist eine nachträgliche Änderung der bei Vertragsschluss tatsächlich vorhandenen gefahrerheblichen Umstände, die den Eintritt des Versicherungsfalls oder eine Vergrößerung des Schadens wahrscheinlicher macht (Prölss/Martin, § 23 Rn. 4). Nach zutreffender überwiegender Ansicht in der Rechtsprechung kommt es dabei auch auf eine gewisse zeitliche Komponente an. Danach sind als Gefahrerhöhung nur solche Gefährdungsvorgänge zu werten, die nicht die Gefahr als solche alsbald verwirklichen, sondern ihrer Natur nach geeignet sind, einen neuen Gefahrenzustand von so langer Dauer zu schaffen, dass er die Grundlage eines neuen natürlichen Schadensverlaufs bilden kann und damit den Eintritt des Versicherungsfalls generell zu fördern geeignet sind (Prölss/Martin, § 23 Rn. 11 mit weiteren Nachweisen).
66Im vorliegenden Fall fehlt die für eine Gefahrerhöhung erforderliche zeitliche Komponente. Hier behauptet die Beklagte nur einen einzigen konkreten Verstoß, nämlich die angeblich fälschliche Abnahme der Prüfbescheinigung für eine Mitteldruckleitung im streitgegenständlichen Fall. Dieser Sachverhalt hat aber direkt zum streitgegenständlichen Schaden geführt. Andere Prüfbescheinigungen für Mitteldruckleitungen, die der Kläger etwa früher zu Unrecht ausgestellt hätte, hat die Beklagte weder vorgetragen, noch sind sie ersichtlich. Zu dieser Wertung steht die von der Beklagten angeführte Entscheidung des OLG München (v. 14.08.1981, Az. 10 U 1500/81, VersR 1982, 789) nicht im Widerspruch. Denn im dortigen Fall hatte der Kläger offenbar dauerhaft gegen die ihm erteilten Auflagen verstoßen.
67Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 209 ZPO. Die Bemessung des Gegenstandswert beruht auf § 3 ZPO. Bei der Deckungsklage in der Haftpflichtversicherung ist der Gegenstandswert nach dem Betrag zu bewerten, auf den der Versicherungsnehmer haftbar gemacht wird. Das Gericht ist dabei nach den Ausführungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung von einer Inanspruchnahme hinsichtlich des Sachschadens bis zur Deckungsgrenze von 511.291,88 EUR sowie hinsichtlich des Personenschadens von einem Pauschalbetrag in Höhe von 200.000 EUR ausgegangen. Wegen der erhobenen Feststellungsklage wurde ein Abschlag in Höhe von 20% vorgenommen (Zöller-Herget, 23. Aufl. § 3 Rn. 16 Stichwort "Haftpflichtversicherungsschutz").
68Der Inhalt des nicht nachgelassenen Schriftsatzes des Klägers vom 24.09.2004 gibt keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO).
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