Urteil vom Landgericht Bonn - 18 O 248/04
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
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Tatbestand
2Der Kläger macht mit der Klage die Bezahlung von Lieferungen und Leistungen geltend, die die xxx in der Zeit zwischen Insolvenzantrag und Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegenüber der Beklagten zu 1) (im folgenden xxx) erbracht hat.
3Dem Rechtsstreit liegt der folgende Sachverhalt zu Grunde:
4Die xxx (im folgenden Insolvenzschuldnerin) und die Beklagten zu 2) - 4) schlössen sich in der Arbeitsgemeinschaft xxx (Beklagte zu 1) xxx zusammen. Der Gesellschaftsvertrag (Bl. 9-47) wurde am 25.04.1994 abgeschlossen. Gemäß § 4 waren die Gesellschafter dazu verpflichtet, zur Erreichung des Gesellschaftszwecks im Verhältnis ihrer Beteiligungen Beiträge und Leistungen (z.B. Einbringung von Finanzmitteln, Gestellung von Bürgschaften, Gerätschaften, Stoffen/Personal) an die xxx zu erbringen. Gemäß § 7 des Gesellschaftsvertrags oblag der späteren Insolvenzschuldnerin die technische Geschäftsführung. Die kaufmännische Geschäftsführung oblag ihr gemäß § 8 des Vertrages. Gemäß § 10 wurden allgemeine Geschäftsunkosten der Gesellschafter mit 8% des Umsatzes vergütet. Gemäß § 10.1 i.V.m § 25 war die Vergütung für die technische und kaufmännische Geschäftsführung einschließlich der Gehaltsabrechnungen auf 4,5% des Nettoumsatzes festgelegt. Gemäß § 11.4 erfolgte die Bezahlung von Gesellschafter-Rechnungen nur im Rahmen der Kontenangleichung. Für den Fall der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eines Gesellschafters sah der Vertrag in § 23.6 i.V.m. 23.77 dessen zwangsläufiges Ausscheiden aus der Gesellschaft am Tag der Eröffnung des Konkursverfahrens vor. Die Gesellschaft wird gemäß § 24.1 von den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Gesellschaftsvertrags wird auf diesen Bezug genommen.
5Die Insolvenzschuldnerin stellte am 21.03.2002 wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit beim Amtsgericht Frankfurt/Main Insolvenzantrag. Das Insolvenzverfahren wurde am 01.06.2002 (Az.: 810 IN 289/02 H) eröffnet. Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.
6Für die Zeit zwischen dem Insolvenzantrag und der Insolvenzeröffnung stellte die Insolvenzschuldnerin der Beklagten zu 1) folgende Lieferungen und Leistungen in Rechnung:
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| 1. | technische und kaufmännische Geschäftsführung | |
| einschließlich Gehaltsabrechnung: | 8.990,38 EUR | |
| 2. | Gehaltsforderung (freigestelltes Personal): | 1.469,06 EUR |
| 3. | Allgemeine Geschäftskosten: | 3.822,98 EUR |
| Insgesamt | 14.282,42 EUR |
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Für von einem Gesellschafter freigestelltes Personal gewährte die xxx gemäß § 12.532 (Bl. 33) eine Pauschvergütung. Die Gutschriften hierfür hatte die kaufmännische Geschäftsführung zum Quartalsende zu erteilen.
9Zum Stichtag des Ausscheidens der Insolvenzschuldnerin aus der Beklagten zu 1) wurde eine Auseinandersetzungsbilanz erstellt, in der die von der Insolvenzschuldnerin bis zum 01.06.02 erbrachten Leistungen berücksichtigt wurden.
10Der Kläger ist der Meinung, die von der Beklagten zu 1) in der Auseinandersetzungsbilanz vorgenommene "Verrechnung" von Forderungen der xxx gegenüber der Insolvenzschuldnerin mit zwischen dem 21.03.02 und dem 01.06.02 entstandenen Forderungen der Insolvenzschulderin sei unzulässig. Dies ergebe sich aus § 96 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Die Aufrechnung sei unzulässig, da der Insolvenzgläubiger, die Beklagte zu 1), die Möglichkeit zur Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung im Sinne des § 96 Abs.1 Nr. 3 in Verbindung mit § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO aufgrund kongruenter Deckung erlangt habe. Die anfechtbare Rechtshandlung liege darin, dass die Beklagte zu 1) auch nach dem 21.03.02 von der Insolvenzschuldnerin Gerätebeistellungsleistungen bzw. Personal angenommen bzw. angefordert habe. Die Deckung sei kongruent, weil die Beklagte nach dem Gesellschaftsvertrag einen Anspruch auf diese Leistungen gehabt habe. Die Anfechtungsvoraussetzungen lägen vor, da die Annahme/Anforderung der Lieferungen und Leistungen in Kenntnis des in der Presse publik gemachten Insolvenzantrages erfolgt sei. Die Gläubigerbenachteiligung erblickt der Kläger darin, dass der Insolvenzmasse die geltend gemachten Forderungen durch die Aufrechnung in der Auseinandersetzungsbilanz entzogen würden, was zu einer Masseminderung und damit zu einer Benachteiligung der Gläubiger führe.
11Der Kläger beantragt,
12die Beklagten zu 1) bis 4) als Gesamtschuldner zur Zahlung
13von 14.282,42 EUR nebst 8 Prozentpunkten über dem
14Basiszinssatz aus
151.305,28 EUR seit dem 10.05.2002;
167.685,10 EUR seit dem 13.08.2002;
171.232,31 EUR seit dem 27.07.2002;
18236,75 EUR seit dem 27.07.2002;
193.822,98 EUR seit dem 02.05.2002
20an ihn zu zahlen.
21Die Beklagten beantragen,
22die Klage abzuweisen.
23Die Beklagten meinen, der Kläger könne die mit der Klage verfolgten Forderungen nicht isoliert geltend machen. Gemäß § 84 Abs. 1 InsO erfolge die Auseinandersetzung der Gesellschaft außerhalb der InsO nach allgemeinen Regeln. Die Anfechtungsvorschriften der §§ 129 ff. InsO seien nicht anwendbar. Sie beanspruchten nur innerhalb des eröffneten Insolvenzverfahrens Geltung und seien auf andere Fälle außerhalb der InsO nicht übertragbar.
24Abgesehen hiervon liege auch keine Aufrechnung vor, sondern eine An- bzw. Abrechnung. Die gesetzlichen Aufrechnungsverbote würden deshalb für die Auseinandersetzungsbilanz nicht gelten. Die Anfechtbarkeit sei im übrigen auch deshalb nicht gegeben, weil die streitgegenständlichen Leistungen zu keinerlei Nachteil für die Insolvenzgläubiger geführt hätten. Durch die Erfüllung der eigenen Verpflichtung habe die Insolvenzschuldnerin die Befreiung von einer gleichwertigen Verbindlichkeit erlangt. Die Beklagte zu 1) hätte, wenn die Insolvenzschuldnerin die Leistungen nicht erbracht hätte, sowohl einen vertraglichen Erfüllungsanspruch, als auch Schadensersatzansprüche gegenüber der Insolvenzschulderin geltend machen können.
25Die von dem Kläger vorgenommene Berechnung seiner Ansprüche sei jedenfalls insoweit falsch, als die vom Kläger behauptete Anfechtung jedenfalls Kenntnis des Insolvenzantrages durch die Beklagten voraussetze. Ansprüche des Klägers könnten deshalb allenfalls ab dem 22.03.02 in Betracht kommen.
26Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 14.01.05 Bezug genommen.
27Entscheidungsgrunde
28Die Klage ist unbegründet.
29Zu Unrecht beansprucht der Kläger die (isolierte) Bezahlung von Lieferungen und Leistungen, die die Insolvenzschuldnerin in der Zeit zwischen der Beantragung und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht hat.
30Bei den geltend gemachten Ansprüchen handelt es sich nicht um Ansprüche die aus einem Drittverhältnis der Insolvenzschuldnerin gegenüber der Beklagten zu 1) resultieren, sondern um Lieferungen und Leistungen, die die Insolvenzschuldnerin als Gesellschafterin der Beklagten zu 1) erbracht hat. Dies ergibt sich aus § 4 des Gesellschaftsvertrags. Gemäß § 4.1 sind die Gesellschafter der xxx dazu verpflichtet, zur Erreichung des Gesellschaftszwecks im Verhältnis ihrer Beteiligung Beiträge und Leistungen (z.B. die Erbringung von Finanzmitteln, Stellung von Bürgschaften, Geräten, Stoffen, Personal) an die xxx zu erbringen. Diese Leistungen werden von den Gesellschaftern der xxx in Rechnung gestellt und auf dem Gesellschafterkonto gebucht. Aus der Rechnungsstellung folgt nicht, dass es sich um Drittaufträge der xxx an die Gesellschafter handelt. Es handelt sich vielmehr nur um eine Methode, die dazu dient, die Leistungen der Gesellschafter nach einheitlichen Kriterien zu erfassen und die Gesellschafterleistungen mit geringem Aufwand sachgerecht verbuchen zu können. Dementsprechend ist in § 11.4 des Gesellschaftsvertrages (GA Bl. 26) geregelt, dass die Begleichung von Gesellschafterrechnungen nur im Rahmen der Angleichung der Gesellschafterkonten erfolgt. Von der durch § 717 BGB eröffneten Möglichkeit, die Geschäftsführungsvergütung so zu gestalten, dass sie isoliert geltend gemacht werden kann, haben die Gesellschafter keinen Gebrauch gemacht.
31Die Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis kann der Kläger nicht isoliert geltend machen. Das Insolvenzverfahren erfasst gemäß § 35 InsO das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Wie sich aus § 36 InsO ergibt, gehört zur Insolvenzmasse abgesehen von den ausdrücklich angeordneten Ausnahmen in § 36 Abs. 2 InsO nur das pfändbare Vermögen. Hierzu zählt auch der Gesellschaftsanteil an einer BGB-Gesellschaft (§ 859 Abs. 1 ZPO). Gemäß § 717 BGB sind die Ansprüche, die den Gesellschaftern aus dem Gesellschaftsverhältnis gegeneinander zustehen, nicht übertragbar. Die Beiträge der Gesellschafter und die durch die Geschäftsführung für die Gesellschaft erworbenen Gegenstände werden gemäß § 718 Abs. 1 BGB gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter. Dementsprechend kann ein Gesellschafter gemäß § 719 BGB nicht über seinen Anteil an dem Gesellschaftsvermögen und den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen verfügen. Ausgenommen hiervon ist gemäß § 717 BGB der Anspruch des Gesellschafters auf dasjenige, was ihm bei der Auseinandersetzung zukommt.
32Damit das im Gesellschaftsanteil gebundene Vermögen für die Insolvenzgläubiger nutzbar gemacht werden kann, wird die Gesellschaft gemäß § 728 Abs. 2 BGB mit Eröffnung der Insolvenz über das Vermögen eines Gesellschafters aufgelöst, sofern nicht im Gesellschaftsvertrag - wie hier - die Fortsetzung der Gesellschaft unter den übrigen Gesellschaftern vorgesehen ist. Die Auseinandersetzung findet bei Fortsetzung der Gesellschaft unter den übrigen Gesellschaftern gemäß § 738 BGB statt. Der ausscheidende Gesellschafter, dessen Rechte der Insolvenzverwalter wahrnimmt, hat einen Anspruch auf Abrechnung und Abfindung. Mit dem Ausscheiden eines Gesellschafters können von diesem auch diejenigen Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis nicht mehr eigenständig verfolgt werden, die zuvor gemäß § 717 BGB selbständig geltend gemacht werden konnten. Aus § 733 BGB ergibt sich, dass sie zu unselbständigen Rechenposten innerhalb der Abfindungs- bzw. -Auseinandersetzungsbilanz werden. Die Auseinandersetzung vollzieht sich damit außerhalb des Insolvenzrechts (vgl.: BGH , Urteil v. 24.09.2001, Az.: II ZR 69-00 = DStR 2002, 288 f m.w.N.; BGH, Urteil vom 09.03.2000, Az.: IX ZR 355/98 = DStR 2000, 887 ff; OLG Rostock, NJW-RR, 2004, 260 f.; OLG Zweibrücken, FGPrax 2001, 177, 178; Bamberger/Roth - Timm/Schöne, BGB, § 728 Rn. 14; Palandt/Sprau, 62 Aufl., § 733 Rn. 6; MüKo-BGB/Ulmer, 4. Aufl., § 728 Rn. 38, 40; MüKo- InsO/Stodolkowitz, § 84 Rn. 8; Kübler/Prütting, InsO, § 84 Rn.1, 33 m.w.N.; Berliner Praxlshandbuch lnsO,(Breutigam, Blersch, Goetsch), § 84 Rn.1, 4 f. (Blersch); Jaeger, KO, 9. Aufl., § 16 Rn. 3, 15,16). Die insolvenzrechtlichen Anfechtungsvorschriften sind nicht anwendbar.
33Der Insolvenzverwalter kann mithin nur einen positiven Saldo aus der Auseinandersetzungsbilanz geltend machen. Hieran hat sich auch nach der Einführung der Insolvenzordnung nichts geändert. Dies stellt § 84 InsO klar.
34Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 711, 709. S. 2 ZPO,
35Streitwert: 14.282,42 EUR
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