Teilurteil vom Landgericht Bonn - 1 O 109/02
Tenor
1. Die Klage des Klägers zu 1) wird abgewiesen.
2. Die Klage der Klägerin zu 4) wird abgewiesen.
3. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
1
Tatbestand:
2Die Bundeswehr unterhält als Dienststelle des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) für ihre Teilstreitkraft der Marine in W das so genannte Marinearsenal, in welchem unter anderem die Wartung und Reparatur von auf Schiffen eingesetzten Radaranlagen durchgeführt wird. Der Kläger zu 1) und der mittlerweile verstorbene Ehemann der Klägerin zu 4) waren als zivile Angestellte der Bundeswehr in diesem Bereich des Marinearsenals tätig. Wegen bei ihnen aufgetretener Krebserkrankungen, die sie auf ihre Tätigkeit im Marinearsenal zurückführen, begehren sie bzw. die Klägerin zu 4) als Witwe von der Beklagten die Zahlung eines Schmerzensgeldes. Der Kläger zu 1) begehrt daneben Schadensersatz für angeblich krankheitsbedingt entgangenen Gewinn bei der Vermietung eines Ferienhauses.
3Der am 07.04.1948 geborene Kläger zu 1) stand in der Zeit vom 01.10.1969 bis zum 31.05.1995 in Diensten der Beklagten. Als gelernter Elektroinstallateur sowie Rundfunk- und Fernsehtechniker war er in der Elektronikerwerkstatt des Marinearsenals in W beschäftigt. Dabei umfasste sein Aufgabengebiet ab seiner Einstellung bis Mai 1971 die Justage und Instandsetzung von Radargeräten des Typs Kelvin-Hughes und Decca 975. Ab Juli 1971 bis Mai 1977 war er dann mit denselben Arbeiten an Radargeräten der so genannten SGR-Familie befasst, und zwar insbesondere Geräten des Typs SGR 103 und 105. Bei diesen Geräten handelte es sich um aus Schiffen ausgebaute Radaranlagen, die zum Zwecke der Wartung und Instandsetzung in das Marinearsenal verbracht worden waren. Insbesondere die Einstellarbeiten wurden dabei zunächst bei eingeschaltetem Gerät und offenem Senderschrank durchgeführt (vgl. zur Übersicht S. 18 d. Teilberichts SGR d. AG Aufklärung der Arbeitsplatzverhältnisse Radar, Anlage 4 z. Schriftsatz der Beklagten v. 30.06.2004). Die Arbeitsplatzverhältnisse im Übrigen wie auch die Dauer der Arbeiten an diesen Anlagen sind im Einzelnen zwischen den Parteien streitig. Nach Mai 1977 war der Kläger zu 1) an Sichtgeräten und Konsolen eingesetzt.
4Am 17.06.1991 wurde bei dem Kläger zu 1) ein Nierenkarzinom mit dem Verdacht auf Metastasen in Leber und Lunge diagnostiziert. Er war seitdem dienstunfähig erkrankt, erhielt bis zum 23.06.1992 Krankengeld und ab dann eine Verletztenrente. Das Nierenkarzinom wurde als Berufserkrankung bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von zunächst 60 v.H. anerkannt, nicht jedoch die weiteren Beschwerden. Seit dem 01.06.1995 ist der Kläger zu 1) bei einer verbleibenden MdE von 30 v.H. dauerhaft verrentet. Wegen der weiteren Einzelheiten der versorgungsrechtlichen Situation des Klägers zu 1) wird Bezug genommen auf das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 19.11.2003 (Anlage 1 z. Schriftsatz der Beklagten v. 08.11.2004).
5Herr Q, der verstorbene Ehemann der Klägerin zu 4), war in der Zeit vom 01.10.1968 bis zum 23.02.1986 im Marinearsenal in W als angestellter Radarelektroniker beschäftigt. Hierbei hat auch er an den Radargeräten der SGR-Familie gearbeitet, wobei Umfang und Dauer dieser Arbeiten insgesamt streitig sind. Im Jahre 1983 erkrankte Herr Q an einem linksseitigen Gehirntumor (Meningiom), ab August 1983 war er im Anschluss an eine Operation deswegen dienstunfähig. Wegen der mit dieser Erkrankung eintretenden Leiden, unter anderem Juckreiz, Gedächtnisverlust, Konzentrations- und Sprachstörungen, epileptischen Anfällen usw., wurde Herr Q drei weitere Male operiert, zuletzt Anfang 1997. Er verstarb am 26.11.1997. Durch Bescheid der Unfallkasse des Bundes vom 13.05.2005 ist die maligne Erkrankung als Berufskrankheit i.S.v. § 9 SGB VII anerkannt worden. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf den genannten Bescheid (Bl. 886 ff. d.A.) Bezug genommen.
6Der Kläger 2) und der verstorbene Ehemann der Klägerin zu 5), Herr C, standen nur bis Ende der 60er Jahre als Soldaten im Dienst der Bundeswehr. Sie waren auch mit Arbeiten an Radaranlagen befasst, jedoch außerhalb des Marinearsenals in W . Der Kläger zu 2) erkrankte 1992 an Hodenkrebs und 2000 an Prostatakrebs; Herr C ist im Frühjahr 2004 an den Folgen einer Leukämie verstorben. Der Kläger zu 3) war ebenfalls als Soldat in der Zeit von 1972 bis 1984 im Dienst der Bundeswehr, davon für einen im Übrigen streitigen Zeitraum als Elektronik-Maat mit Radaranlagen auf Schiffen befasst. Er ist an dem so genannten Non-Hodgin-Lymphom (Lymphdrüsenkrebs) erkrankt.
7Die seitens der Kläger herangezogenen und den Gegenstand zahlreicher Untersuchungen bildenden Wirkungen einer gesundheitsgefährdenden Strahlung im Umgang mit Radargeräten gehen auf folgendes Phänomen zurück:
8Für den Betrieb von Radaranlagen sind Sender mit hohen Ausgangsleistungen notwendig, die wiederum durch den Betrieb von Bauelementen mit hohen Spannungen erreicht werden. Als diese Bauelemente dienten im fraglichen Zeitraum so genannte Senderöhren, je nach Typ auch Magnetron oder Klystron genannt, sowie so genannte Schaltröhren (Thyratrons). Diese Sende- und Schaltröhren erzeugen als unerwünschten Nebeneffekt eine Röntgenstörstrahlung, die bei Betrieb der Röhre aus dieser austreten kann, wenn die Ummantelung der Röhre dies zulässt. Der als Ortsdosisleistung zu messende Strahlungsaustritt ist regelmäßig lokal begrenzt auf den Bereich des Sendeschranks; er ist bezüglich seiner hier gegenständlichen Einwirkung auf menschliches Körpergewebe zu unterscheiden von dem durch den eigentlichen Sender einer Radaranlage abgegebenen Hochfrequenzsignal (HF-Strahlung). Bei den Geräten der SGR-Baureihe wurden durch Röhren verschiedener Hersteller hohe Werte an Ortsdosisleistung der Röntgenstörstrahlung erreicht, und zwar regelmäßig in Form eines scharf gebündelten Strahlenaustritts. Die Werte betrugen je nach Modell, Abstand zur Röhre (5 bis 10 cm) sowie Betriebsart und -spannung zwischen 44 mSv/h und 150 mSv/h, d.h. als Maximalwert der Energiedosis im Gewebe. In Deutschland beträgt die durchschnittliche Aufnahme ionisierender Strahlung durch natürliche und zivilisatorische Quellen etwa 4 mSv/Jahr.
9Die Radargeräte der SGR-Familie wurden ab dem Jahr 1961 im Bereich der Bundeswehr eingesetzt. Inwieweit die Beklagte seitdem im Zusammenhang mit Reparatur- und Wartungsarbeiten an diesen Anlagen Strahlungsmessungen und Schutzmaßnahmen vorgenommen hat, ist zwischen den Parteien in bestimmten Einzelheiten streitig. Unstreitig ist im Bereich der Bundeswehr jedoch in Bezug auf das Phänomen der Röntgenstörstrahlung das Folgende veranlasst worden:
10Im Jahr 1958 wurde die Zentrale Dienstvorschrift (ZdV) 44/20 mit dem Titel "Bestimmungen zur Verhütung von Unfällen bei Arbeiten an Radargeräten" erlassen, die unter anderem darauf verweist, dass bei Großgeräten mit einer Impulsleistung von 5 MW und mehr an der Senderöhre auch Röntgenstrahlen entstehen können und für Arbeiten am offenen Sender Schutzmaßnahmen vorzusehen sind. Gemäß Bericht des Bayerischen Landesinstituts für Arbeitsschutz vom 10.01.1958 fanden im Auftrag der Fliegertechnischen Schule Messungen von Röntgenstörstrahlungen an dem Radargerät CPN-4 statt, die zur Feststellung eines breiten Strahlungsaustritts aus der nicht abgeschirmten Senderöhre führten (Anlage 53 z. Klageschrift). Unter dem 21.08.1958 erstattete das Fernmeldetechnische Zentralamt der Deutschen Bundespost (FTZ) einen Bericht über Erkenntnisse von Strahlungsaustritten an im Bereich der Luftwaffe eingesetzten Radargeräten der AN-Familie, der zu maximalen Verweilzeiten im Bereich von Störstrahlern Stellung nahm (Anlage 52 z. Klageschrift). Am 24.12.1958 erstellte das FTZ einen weiteren technischen Bericht zu dem Thema "Nachrichtengeräte als Röntgenstrahlquellen", der im Oktober 1959 der Bundeswehr zugeleitet wurde. Hierin sind Magnetron- und Thyratronröhren als Gefahrenquellen für Störstrahlung aufgeführt; weiterhin wird die Prüfung der Störstrahlung durch Messungen mit dem Ziel der Entwicklung von Schutzmaßnahmen für Arbeiten an diesen Röhren empfohlen (Anlage 51 z. Klageschrift, dort. s. 7). Im Rahmen einer Diskussionstagung des Ausschusses für Funkortung im Januar 1960 wurden unter anderem die Auswirkungen der Bestrahlung mit Röntgenstörstrahlung erörtert, wobei im Falle der Teilexposition von Händen oder Füßen eine Dosis von 150 mr/Woche (= 0,15 mSv/Woche) für zulässig erachtete wurde (Anlage 58 z. Klageschrift). Am 11.09.1962 fanden durch das Bundesministerium für Verteidigung beauftragte Tests zur Eignung von Strahlenmessgeräten statt. Nach deren Resultat waren die bis dahin vorhandenen Geräte zur Erkennung von Röntgenstörstrahlung aus Senderöhren ungeeignet; die Anschaffung eines geeigneten Geräts wurde empfohlen (Anlage 56 z. Klageschrift). Ebenfalls im Jahre 1962 erstellte die Deutsche Gesellschaft für Ortung und Navigation e.V. (DGON) ein Merkblatt, das auch den Schutz vor Röntgenstörstrahlung an Röhren von Radargeräten zum Gegenstand hat. Dort werden konkrete Schutzmaßnahmen behandelt, wie die Ermittlung der Ortsdosisleistung, die Einrichtung von Kontrollbereichen, die Belehrung des Personals u.a. Im Jahre 1963 führte die Marineortungsversuchsstelle D Strahlenschutzmessungen an den Radargeräten SGR 103, 104, 105 und 114 durch. Laut dem diesbezüglichen Bericht (Anlage 53 z. Schriftsatz d. Beklagten v. 12.08.2002) wurde mit Ausnahme des Gerätes SGR 103 bei den übrigen Geräten eine scharf abgegrenzte Strahlung mit einer Dosis zwischen 6 mr/h (= 0,06 mSv/h) und 15 mr/h (= 0,15 mSv/h) ermittelt. Hieraus wurde unter Bezugnahme auf die 1. Strahlenschutzverordnung (StrSchVO) v. 24.06.1960 und unter Zugrundelegung einer demnach zulässigen Teilkörperexpositionsdosis von 60 rem/Jahr (= 600 mSv/Jahr) die Unbedenklichkeit des Betriebs dieser Anlagen auch bei Wartungsarbeiten gefolgert. Unter dem 13.04.1972 führte das BWB im Hinblick auf das Inkrafttreten der RöV 1973 eine Erfassung von Störstrahlern, die ein parasitäre Röntgenstrahlung erzeugen (u.a. Magnetron und Thyratron) durch. Für das Marinearsenal W. wurde unter dem 05.06.1972 hierzu Fehlanzeige erstattet (Anlage 71 z. Schriftsatz d. Beklagten v. 12.08.2002).
11Im Laufe des Jahres 1975 war es zu Todesfällen verschiedener Beschäftigter des Marinearsenals in W. gekommen, die den konkreten Verdacht einer erheblich gesundheitsschädigenden Beeinflussung durch ionisierende Strahlen begründeten. Die Umsetzung besonderer Schutzmaßnahmen für das im Marinearsenal in W. beschäftigte Personal lief im Sommer 1975 an. In Bezug auf die (ehemaligen) Arbeitsplatzverhältnisse der Kläger zu 2) und 3) sowie des Herrn C sind zu diesem Zeitpunkt besondere Schutzmaßnahmen nicht getroffen worden. Die genannten Personen sind auch nicht nachträglich unter diesem Gesichtspunkt erfasst, untersucht oder im Hinblick auf die Gefahren eines stochastischen Spätschadens aufgeklärt worden. Bezüglich des Klägers zu 3) fand im Rahmen des Versorgungsverfahrens 1999 eine erste Grunduntersuchung statt.
12Welche weiteren Maßnahmen in Bezug auf den Kläger zu 1) sowie Herrn Q ab 1975 getroffen wurden, ist zwischen den Parteien im Einzelnen streitig.
13Der Kläger zu 1) behauptet, er habe zunächst mit 42,5 Stunden je Woche, ab Ende 1970 mit 41 Stunden je Woche und ab dem 01.10.1974 mit 40 Stunden je Woche gearbeitet. Hieraus ergebe sich für die Dauer seiner Befassung mit den Radargeräten der SGR-Familie von fünf Jahren eine Expositionsdauer von 2.700 Stunden. Die Arbeitsbedingungen seien auch deswegen besonders gesundheitsgefährdend gewesen, da in einem Raum mehrere Radaranlagen eingeschaltet gewesen und die Bediensteten - wie er - auch der von den umgebenden Geräten ausgehenden Strahlung ausgesetzt gewesen seien. Der zulässige Dosisgrenzwert von 50 mSv/Jahr sei bei ihm deutlich überschritten worden; dieser habe vielmehr bei 3 Sv/Jahr gelegen.
14Die Klägerin zu 4) behauptet, ihr verstorbener Ehemann habe im Wesentlichen dieselben Tätigkeiten wie der Kläger zu 1) ausgeführt. Nach seiner zunächst ausgeführten Beschäftigung als Werkstatthelfer und einer Ausbildung zum Elektromechaniker in den Jahren 1970 bis 1972 sei er seitdem mit dieser Tätigkeit in der Radarwerkstatt befasst gewesen.
15Die Kläger meinen, die Beklagte habe die ihr als Arbeitgeberin obliegende Fürsorgepflicht im Zusammenhang mit den Arbeitsbedingungen im Marinearsenal in W. verletzt.
16Hierzu behaupten sie, die bereits mit dem Vorliegen der ZdV 44/20 seit 1958 geltenden Schutzbestimmungen seien nicht umgesetzt worden. Dies gelte auch für die mit der RöV 1973 speziell für Störstrahler geltenden Arbeitsplatzanforderungen. Insbesondere seien jedenfalls vor Ende 1975 weder zunächst Strahlenschutzverantwortliche bestellt noch Messungen der Orts- und Personendosis noch Belehrungen und ärztliche Untersuchungen durchgeführt worden. Die Personendosimetrie sei erst im Mai 1976 aufgenommen worden. Sofern zwischenzeitlich ein Strahlenschutzbeauftragter eingesetzt worden sei, habe dieser auf Grund einer Weisung wegen der Strahlung bei den Wartungsarbeiten nicht einschreiten dürfen. Auch habe es keinen passiven Schutz gegen die Störstrahlung, etwa durch Bleiglasplatten o.ä., gegeben. Wegen der bereits seit 1963 bestehen Erkenntnisse hätte eine wissenschaftliche Infrastruktur geschaffen werden müssen. Erst im Laufe des Jahres 1976 seien die Arbeitsplatzverhältnisse nach und nach der Gefährdungslage angepasst worden.
17Es seien auch nach den Vorkommnissen des Jahres 1975 keine ausreichenden Aufklärungs- und Untersuchungsmaßnahmen durchgeführt worden. Zwar sei der Kläger zu 1) zwei Mal bei Arzt gewesen und es sei ihm ein Mal Blut abgenommen worden. Hinweise darauf, dass er oder Herr Q sich wegen der Gefahr der Entstehung einer Krebserkrankung in regelmäßige ärztliche Betreuung begeben sollten, seien aber nicht gegeben worden. Es sei vielmehr beruhigt und darauf hingewiesen worden, dass keine besondere Gefahr bestehe. Die letztlich eingetretenen malignen Erkrankungen seien ausnahmslos auf die Strahlenexposition bei der Tätigkeit an den Radargeräten im Marinearsenal in W. zurückzuführen.
18Die Kläger sind der Ansicht, ihnen stehe gegen die Beklagte wegen der behaupteten Fürsorgepflichtverletzung ein Schmerzensgeldanspruch sowie im Hinblick auf den Kläger zu 1) darüber hinaus ein materieller Schadensersatzanspruch zu. Dem stehe die Regelung des § 636 RVO nicht entgegen, diese sei restriktiv auszulegen. Ferner sind sie der Ansicht, dass es im Hinblick auf die Frage der Kausalität der Strahlenexposition für die Krebserkrankungen zu einer Beweislastumkehr zu ihren Gunsten komme. Dies begründe sich vor allem mit der Vergleichbarkeit des vorliegenden Sachverhalts mit den Grundsätzen der Umwelt- und Immissionshaftung sowie jenen der Haftung auf Grund ärztlichen Behandlungsfehlers. Schließlich sei nach den jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnissen die Bestimmung einer exakten Quantifizierungswahrscheinlichkeit des Erkrankungsrisikos nicht gegeben, so dass auch für den deliktischen Schadensersatzanspruch die Grundsätze der versorgungsrechtlichen "Ist-Gewährung", wie sie zuletzt durch den Bericht der Expertenkommission zur Frage der Gefährdung durch Strahlung in früheren Radareinrichtungen der Bundeswehr und der NVA (Radarkommission) vom 02.07.2003 aufgestellt worden seien, heranzuziehen seien.
19Die Kläger zu 1) und 4) berufen sich wegen der angeblichen Verletzung einer Fürsorgepflicht ferner darauf, dass der Kläger zu 1) sowie Herr Q regelmäßig an Geräten hätten arbeiten müssen, die mit radioaktiver Leuchtfarbe beschriftet gewesen seien. Hierbei sei es insbesondere beim Abkratzen und Wiederauftragen der Leuchtfarbe zur Inkorporation durch Einatmen oder Verschlucken gekommen. Die von der Leuchtfarbe ausgehende Gammastrahlung habe karzinogene Wirkung. Ferner gebe es ein synergetisches Zusammenwirkung von HF-Strahlung und ionisierender Strahlung, welche die karzinogenen Wirkung der Röntgenstörstrahlung potenziere. Dem komme für den Kläger zu 1) und Herrn Q insofern Bedeutung zu, dass bei Arbeiten am geöffneten Radargerät mit hoher Wahrscheinlichkeit HF-Strahlung aus defekten Hohlleitern entwichen sei.
20Der Kläger zu 1) behauptet hierneben, er habe am 25.01.1990 ein Hausgrundstück für 60.000,00 DM erworben, das er im Anschluss in Eigenregie in ein Ferienhaus mit zwei Wohnungen umgebaut habe. Hierfür seien weitere Kosten angefallen. Die Aufwendungen habe er durch Kredite im Gesamtvolumen von 115.000,00 sowie durch Eigenguthaben finanziert. Krankheitsbedingt habe er die Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen können und das Haus im Jahr 1993 deswegen wieder verkaufen müssen. Es wären bei der Vermietung Gewinne erwirtschaftet worden, woraus sich für eine zu prognostizierende Vermietungsdauer von 25 Jahren entgangene Mieteinnahmen von 195.000,00 errechneten.
21Die Kläger zu 1) bis 4) beantragen,
22die Beklagte zu verurteilen, an jeden Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 60.000,00 nicht unterschreitet und mit jeweils 4 % seit Rechtshängigkeit (17.04.2002) zu verzinsen ist, zu zahlen;
23der Kläger zu 1) beantragt weiterhin,
24die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 195.000,00 nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit (27.12.2004) zu zahlen;
25die Klägerin zu 5) beantragt,
26die Beklagte zu Verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 60.000,00 nicht unterschreitet und mit 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (16.08.2002) zu verzinsen ist, zu zahlen.
27Die Beklagte beantragt,
28die Klagen abzuweisen.
29Die Beklagte tritt den klägerischen Begehren insgesamt entgegen.
30Was die Tätigkeit des Klägers zu 1) anbetrifft, bestreitet die Beklagte die Dauer der Strahlenexposition an den gegenständlichen Radaranlagen der SGR-Baureihe. Er habe nicht mehr als 1.250 Stunden an eingeschalteten Geräten gearbeitet. Im Übrigen bestreitet die Beklagte die Kausalität dieser und sonstiger Expositionen für die beim Kläger zu 1) aufgetretenen Erkrankungen. Sofern das diagnostizierte Nierenkarzinom als Berufserkrankung anerkannt sei, stehe dies im Hinblick auf das schadensrechtliche Kausalitätserfordernis nicht entgegen. Insbesondere sei das hierzu vom Kläger zu 1) bemühte Gutachten des Dr. I von unzutreffenden Annahmen zur Strahlendosis ausgegangen.
31Zu der Person des Herrn Q behauptet die Beklagte, dieser habe in einem deutlich geringeren Umfang als der Kläger zu 1) an den gegenständlichen Radaranlagen gearbeitet. Dies sei nur für die Dauer von vier Monaten im Jahr 1975 der Fall gewesen, woraus sich eine in Bezug auf die Störstrahlung relevante Tätigkeitsdauer von insgesamt höchstens 24 Stunden ergebe. Weiter gehende Angaben hierzu seien auch deswegen nicht möglich, da - was unstreitig ist - die Herrn Q betreffenden Personalakten nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist mittlerweile vernichtet seien. Jedenfalls habe Herr Q nicht unmittelbar mit dem Kläger zu 1) zusammengearbeitet, weswegen die dort zu den Arbeitsplatzverhältnissen gemachten Angaben nicht übertragbar seien. Es fehle auch hier an der Kausalität einer etwaigen Strahlenexposition für den Tumor des Gehirns, welches als strahlenresistentes Gewebe gelte.
32Sofern sich die Kläger, und zwar auch die Kläger zu 2), 3) und 5), auf eine angeblich unterlassene Aufklärung sowie fehlende Nachuntersuchungen beriefen, fehle es auch insoweit an einer Kausalität im Hinblick auf Ausbruch und Umfang der jeweiligen Erkrankungen. In den vorliegenden Fällen hätten sich Vorsorgeuntersuchungen weder positiv auf den Krankheitsverlauf ausgewirkt, noch hätte eine ausreichende Vorsorgemöglichkeit bestanden.
33Die Beklagte meint, mit den vor den Ereignissen des Jahres 1975 getroffenen Maßnahmen, insbesondere dem Erlass der gegenständlichen Dienstvorschriften, seien die seinerzeit erforderlichen Schutzmaßnahmen getroffen worden. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die im Jahre 1963 durchgeführte Messung der Anlagen der SGR-Baureihe zu unbedenklichen Ergebnissen geführt habe.
34Jedenfalls ab 1975 habe man umfassende Schutzmaßnahmen nebst medizinischer Aufklärung der Betroffenen vorgenommen. Es seien zunächst alle fraglichen Anlagen still gelegt und alsdann auf hinreichend abgeschirmte Senderöhren umgerüstet worden. Dem zu dieser Zeit noch im Dienst der Bundeswehr stehenden Kläger zu 1) und Herrn Q seien am 25.08.1975 Strahlendosimeter für die Personendosimetrie ausgehändigt worden. Zur gleichen Zeit sei eine Verstrahlungsmessung der Radarwerkstatt durchgeführt worden, die zu einem negativen Ergebnis geführt habe. Nach der Anschaffung empfindlicher Zählrohre und weiteren Messungen im November 1975 habe es zunächst keine eindeutigen Ergebnisse gegeben, so dass sodann die Erprobungsstellen mit der Vermessung der Radargeräte beauftragt worden seien. Ein am 23.12.1975 ausgesprochenes Betriebsverbot sei am 08.01.1976 teilweise zu dem Zweck wieder aufgehoben worden, um Strahlenschutzmessungen an den Senderöhren der SGR-Geräte durchzuführen. Die Arbeiten seien sodann nur noch unter Verwendung von Bleiglasscheiben und dem Tragen von Bleischürzen zulässig gewesen. Wegen der Umrüstung der Geräte SGR 103 und 105 sei anschließend die Einrichtung eines Überwachungsbereichs gemäß § 15 RöV entbehrlich gewesen. Die zu erwartende Jahresdosis habe nurmehr bei höchstens 0,15 rem (= 1,5 mSv) gelegen. Eine Strahlenbelastung für das Personal habe wegen der Abschirmungen aber nicht mehr bestanden. Ferner seien der Kläger zu 1) und Herr Q sowohl am 03.03.1976 als auch am 10.11.1976 über die Arbeiten an den Radargeräten und den Umgang mit den Senderöhren besonders belehrt worden. Es sei weiterhin eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe mit den Untergruppen "Medizin" unter Leitung des Zeugen Dr. L und "Technik" unter Leitung des Zeugen T gegründet worden, in deren Tätigkeit auch Strahlenschutzuntersuchungen aller betroffenen Techniker - im Hinblick auf den Kläger zu 1) bezüglicher zweier Untersuchungstermine und einer Blutabnahme wie angeführt unstreitig - durchgeführt worden seien. Hinsichtlich der Personen des Klägers zu 1) sowie des Herrn Q habe auch eine chromosomale Aberrationenanalyse zur Abklärung einer genetischen Schädigung stattgefunden. Ferner sei - was als solches ebenfalls unstreitig ist - eine Ermittlung der Gesamtexpositionsdosis der Betroffenen vorgenommen worden. Beides hätte bei dem Kläger zu 1) und Herrn Q im Ergebnis zu aus damaliger Sicht unauffälligen Befunden geführt. Auch nach Auflösung der Ad-hoc-Arbeitsgruppe im Jahr 1977 hätten der Kläger zu 1) und Herr Q unter laufender strahlenschutzärztlicher Überwachung gestanden. Schließlich seien beide 1978 durch den seinerzeitigen Strahlenschutzbeauftragten K wegen möglicher Spätschäden vorsorglich der Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung gemeldet worden. Nach alldem seien der Kläger zu 1) und Herr Q im Hinblick auf eine mögliche Spätschädigung hinreichende sensibilisiert gewesen, was sich gerade auch aus dem - unstreitigen - Verlauf und dem Inhalt einer vom Personalrat initiierten Aussprache mit Beschäftigen des Marinearsenals vom 24.02.1977 ergebe. Wegen der Einzelheiten dieser Aussprache wird auf das Protokoll vom 27.09.1977 (Anlage 5 z. Schriftsatz d. Kläger v. 26.01.2004) Bezug genommen.
35Soweit wegen der übrigen Kläger bzw. des verstorbenen Ehemanns der Klägerin zu 5) besondere Maßnahmen nicht getroffen worden seien, wären diese nicht Erfolg versprechend gewesen. Da der Kläger zu 2) und Herr C im Jahr 1975 bereits längere Zeit aus der Bundeswehr ausgeschieden gewesen seien, hätte auch eine umfangreichste Durchsicht ihres Personalbestandes nicht zu einer Ermittlung ihrer Namen geführt. Dies gelte für den Kläger zu 3) auch, da dieser - entgegen seiner Behauptung - nur für überschaubare Zeiträume in der Zeit von 1973 bis 1975 als Elektronik-Maat tätig gewesen sei.
36Die Beklagte meint, dass bei der gegenständlichen Beurteilung der den Dienstherrn und Arbeitgeber treffenden Fürsorgepflicht der in den 60er und 70er Jahren im Verhältnis zu heute andere Wissens- und Informationsstand zu berücksichtigen sei. Dies gelte insbesondere für das gerade vor 1975 geringere allgemeine Gefahrenbewusstsein. Hieraus ließe sich keinesfalls herleiten, dass der Beklagten das für eine Schmerzensgeldhaftung gemäß § 91a SVG bzw. Personenschadenshaftung gemäß § 636 RVO notwendige Verschulden in Form der vorsätzlichen Verletzung von Schutzpflichten vorzuwerfen sei, und zwar auch nicht im Sinne eines objektivierten und entindividualisierten Verschuldensbegriffs. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Klageerwiderung vom 12.08.2002, dort S. 99 ff. (Bl. 211 f. d.A.), der Klageerwiderung des verbundenen Verfahrens 1 O 292/02 vom 29.11.2002, dort S. 17 f. (Bl. 494 f. d.A.), sowie dem Schriftsatz vom 30.06.2004, dort S. 7 ff. (Bl. 643 ff. d.A.), verwiesen. Im Übrigen meint die Beklagte, wegen der bei den ausgebildeten und geschulten Klägern bzw. Herrn Q bestehenden Vorkenntnissen zu Art und Wirkung einer Radaranlage seien bereits vor 1975 keine weiter gehenden Hinweise erforderlich gewesen.
37Schließlich beruft sich die Beklagte wegen der Ansprüche der Kläger zu 1), 2) und 5) auf die Einrede der Verjährung, hinsichtlich der Kläger zu 1) und 4) ferner auf einen Anspruchsausschluss gemäß § 72 Manteltarifvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder (MTArb).
38Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und die von ihnen vorgelegten Unterlagen, insbesondere die bereits in Bezug genommenen Anlagen sowie den Bericht der Radarkommission vom 02.07.2003 (u.a. Anlage z. Schriftsatz d. Beklagten v. 24.07.2003), verwiesen.
39Das Gericht hat, unter anderem auf Grund der Beweisbeschlüsse vom 12.11., 18.11.2004 und 24.01.2005 (Bl. 713, 725, 799 f. d.A.) sowie vom 18.04.2005 (Bl. 860 ff. d.A.), Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen T, Dr. L, N, P, U und S. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 26.11.2004 (Bl. 766 ff. d.A.), 14.03.2005 (Bl. 824 ff.) und 04.07.2005 (Bl. 920 ff. d.A.) sowie die schriftliche Äußerung des Zeugen Dr. L vom 22.11.2004 (Bl. 730 ff. d.A. ) Bezug genommen.
40Entscheidungsgründe:
41I.
42Die Klage der Kläger zu 1) und 4) ist unbegründet.
43Den Klägern zu 1) und 4) stehen Schmerzensgeldansprüche gegen die Beklagte im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Klägers zu 1) sowie des Herrn Q aus der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage der §§ 839 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG bzw. i.V.m. § 1922 BGB nicht zu. Gleiches gilt für den vom Kläger zu 1) verfolgten Schadensersatzanspruch aus § 839 BGB sowie positiver Forderungsverletzung des Arbeitsvertrages wegen entgangener Mieteinnahmen.
44Auf den vorliegenden Sachverhalt sind gemäß Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB die schadensersatzrechtlichen Vorschriften in der bis zum 31.07.2002 geltenden Fassung anzuwenden. Sowohl die behaupteten schädigenden Ereignisse wie der Schädigungserfolg liegen vor diesem Zeitpunkt (vgl. Palandt-Heinrichs, 63. Aufl., EGBGB 229 § 8 Rn. 2).
45Es kann dahinstehen, inwieweit die seitens der Beklagten bis Mitte 1975 vorgehaltenen Arbeitsbedingungen in der Radarwerkstatt des Marinearsenals in W. im Einzelnen arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften entsprochen haben. Zwar kommt unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers aus § 618 BGB auch die Verwirklichung einer unerlaubten Handlung in Betracht, gerade im Hinblick auf die Pflicht zur Abwehr besonderer mit der beruflichen Tätigkeit verbundener Gefahren. Sofern der Arbeitnehmer - wie die Kläger zu 1) und 4) - diesbezügliche Ansprüche wegen Personenschäden geltend machen, ist der Arbeitgeber gemäß § 636 Abs. 1 S. 1 RVO - heute § 104 Abs. 1 SGB VII - jedoch zum Ersatz nur verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall vorsätzlich herbeigeführt hat oder wenn dieser bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten ist. Anders als das Haftungsrecht des BGB ersetzt das Unfallversicherungsrecht nicht den konkret durch den Unfall erlittenen Schaden, sondern nimmt einen abstrakten Schadensausgleich nach Maßgabe einer in vom-Hundert-Sätzen ausgedrückten Minderung der Erwerbsfähigkeit vor. Außerdem wird grundsätzlich nur der materielle, nicht aber der immaterielle Schaden ausgeglichen, so dass der verletzte Arbeitnehmer insbesondere keinen Ersatz für die erlittenen Schmerzen erhält. Diese Privilegierung des Arbeitgebers ist verfassungskonform und rechtfertigt sich durch das Zuverfügungstellen eines alternativen Entschädigungssystems im Arbeitsunfallrecht, welches dem Arbeitnehmer auch erhebliche Vorteile bietet (BVerfGE 31, 212 ff.; ErfKommArbR-Rolfs, 5. Aufl., SGB VII § 104 Rn. 1 ff.).
46Die von den Klägern herangezogenen Beeinträchtigungen ihrer Gesundheit sind Arbeitsunfälle im Sinne der vorstehenden Ausführungen. Sie sind ausschließlich im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit entstanden und damit, wie auch die späteren versorgungsrechtlichen Anerkennungen zeigen, jedenfalls als Berufskrankheit zu werten. Gemäß § 551 Abs. 1 RVO - heute insofern geregelt in §§ 7 Abs. 1, 9 SGB VII - sind Berufskrankheiten Arbeitsunfälle i.S.v. § 636 Abs. 1 RVG (vgl. auch ErfKommArbR-Rolfs aaO. Rn. 14). Dies wird von den Parteien auch nicht in Frage gestellt.
47Die Beklagte hat die den Klägern zu 1) und 4) entstandenen Personenschäden jedenfalls nicht vorsätzlich verursacht, so dass eine Ersatzpflicht ausscheidet.
48Der Ausschluss der in § 636 Abs. 1 RVO bestimmten Haftungsprivilegierung setzt voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitsunfall vorsätzlich herbeiführt. In den Fällen, in denen der Arbeitsunfall nicht auf eine direkte und vorsätzliche Einwirkung des Arbeitgebers oder seines Repräsentanten zurückzuführen ist, sondern - wie bei Berufskrankheiten typischerweise - auf die Verletzung von Arbeitsschutzvorschriften, ist deswegen neben der Feststellung vorsätzlicher Missachtung dieser Vorschriften weiterhin erforderlich, dass der Arbeitgeber den Unfall bzw. die Erkrankung selbst gewollt und gebilligt hat. Denn der Grund dafür, dem Schädiger den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung zu versagen und ihn Ersatzansprüchen des Unternehmers oder von Betriebsangehörigen sowie Rückgriffsansprüchen des Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung auszusetzen, liegt nicht schon darin, dass er überhaupt eine Verletzungshandlung begangen hat, sondern darin, dass er mit der Herbeiführung des Unfalls den Schaden angerichtet hat, und zwar in besonders vorwerfbarer Weise. Hat er indessen mit der Möglichkeit des Eintrittes eines größeren Schadens nicht gerechnet und ist ihm insofern auch nicht das in den §§ 636, 640 RVO vorausgesetzte schwere Verschulden anzulasten, fehlt es an einer wesentlichen Voraussetzung für die endgültige Schadenszuweisung an ihn. In der Regel soll nach der gesetzlichen Regelung ihm gerade das Risiko der Haftung für Arbeitsunfälle genommen werden, nicht zuletzt im Interesse des Betriebsfriedens, solange ihm wegen seines Verhaltens nicht schwer wiegende Vorwürfe gemacht werden können. Das ist aber nicht der Fall, wenn seine Schuld sich nicht gerade auch auf den Eintritt des Schadens beziehen lässt (std. Rspr., s. nur BGH, Urt. v. 20.11.1979, Az. VI ZR 238/78; OLG Koblenz NJW-RR 1996, 1307 f.; NJW-RR 2001, 1110 f.; BAG, Urt. v. 31.10.1991, Az. 8 AZR 637/90; Urt. v. 27.04.1995; Az. 8 AZR 582/94; LAG Köln NZA-RR 2003, 350, jew. m.w.N.).
49Eine derartiges, die Entstehung der Erkrankung des Klägers zu 1) und des Herrn Q billigendes Verhalten der Beklagten ist - zunächst für die Zeitspanne seit deren Einstellung als Beschäftigte der Bundeswehr bis zu den Vorfällen im Jahr 1975 - für den Arbeitsplatz im Marinearsenal W. nicht gegeben.
50Da die Beklagte als juristische Person des öffentlichen Rechts durch eine Vielzahl von Einzelpersonen und Gremien handelt und entscheidet, ist ein ggf. schädigendes Handeln bzw. Unterlassen nicht an dem konkreten Handeln einer einzelnen Person fest zu machen. Die Kläger selbst haben nicht vorgetragen, inwiefern für die Vornahme oder Nichtvornahme - hier - gebotener Handlungen verantwortliche Einzelpersonen auszumachen sind. Dies hat zur Folge, dass eine Zurechnung pflichtwidrigen Verhaltens eines Verrichtungsgehilfen oder Organwalters im Sinne von §§ 31, 831 BGB einerseits bzw. eines konkreten Beamten im Sinne von § 839 BGB andererseits nicht stattfinden kann. Das Verhalten der Beklagten in Bezug auf den Betrieb der Radargeräte und den Umgang mit dem damit betrauten Personal ist vielmehr Ausfluss eines erkennbar entindividualisierten Prozesses. Ausgehend von den Begrifflichkeiten des Organisationsverschuldens sowie der Verkehrssicherungspflicht ist daher bei der Bewertung des Sachverhalts ein gleichermaßen entindividualisierter und damit verobjektivierter Verschuldensbegriff anzuwenden (MüKoBGB-Papier, 4. Aufl., § 839 Rn. 292 f.). Dieser Umstand darf andererseits nicht dem durch ein Verhalten der Beklagten möglicherweise Geschädigten zum Nachteil gereichen (RGZ 100, 102, 103; MüKoBGB-Papier aaO.). Vielmehr bedeutet dies, zumal es hier um den Pflichtenkreis des Staates als Dienstherr und Arbeitgeber geht, dass ein den verkehrsnotwendigen Sorgfaltsanforderungen widersprechendes Gesamtverhalten der Verwaltung als schuldhaft amtspflichtwidrig anzusehen ist (BGH WM 1960, 1304, 1305; RGZ aaO.; MüKoBGB-Papier aaO.; Bettermann/Papier, Die Verwaltung 1975, 25; Erman/Küchenhoff/Hecker § 839 Rn. 60). Die konkrete Ausfüllung dieser Amtspflicht ergibt sich dabei aus der Fürsorgepflicht des Dienstherren gegenüber seinen Bediensteten (vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., § 43 1 c); Palandt-Sprau § 839 Rn. 49). Nach Maßgabe dessen stellen Verstöße gegen Arbeitsschutzvorschriften, und zwar unabhängig von der Anwendbarkeit bestimmter Vorschriften oder unter Rückgriff auf § 618 BGB, grundsätzlich zum Schadensersatz verpflichtende Handlungen dar, § 618 Abs. 3 BGB (BAG, Urt. v. 19.02.1997, Az. 5 AZR 982/94; Palandt-Putzo § 618 Rn. 8).
51Es kann dahin stehen, ob die weit gehend unstreitigen Umstände und Maßnahmen im Umgang mit Sende- und Schaltröhren von Radaranlagen in der Zeit bis 1975, insbesondere ausgehend von der damaligen Erlasslage, einen derartigen Verstoß darstellen. Denn auch in Ansehung der im Bereich der Bundeswehr seit 1958 vorliegenden und zunehmend gewonnenen Erkenntnisse zur Belastung durch Röntgenstörstrahlung ist hierhin ein Verstoß, der den Vorwurf einer vorsätzlichen Pflichtverletzung im eingangs beschrieben Sinne und Umfang rechtfertigt, nicht zu sehen.
52Die Haftungsprivilegierung gegenüber dem Arbeitnehmer soll, wie auch schon die Abschichtung des Verschuldensgrades zur Regressnorm des § 640 RVO - dort grobe Fahrlässigkeit - deutlich macht, nur in ganz gravierenden Fällen nicht eingreifen. Liegt damit das Augenmerk auf dem Gewicht des Verstoßes (LG Fulda NJW-RR 1987, 1438; RGRK-Schick § 618 Rn. 207) unter Billigkeitsgesichtspunkten (BGH, Urt. v. 02.11.1989, Az. III ZR 133/88), ist bei einer Sachlage, in der wegen Entindividualisierung des Verschuldens der Haftungsgrund in der Verletzung einer Fürsorge- bzw. Verkehrssicherungspflicht liegt, nicht mehr auf den individuellen Vorsatzbegriff, sondern auf das Maß der Verletzung der objektiven Anforderungen zu entsprechenden Pflicht abzustellen. Es kommt nach Auffassung der Kammer in einer derartigen Konstellation auch nicht darauf, ob es sich bei dem Arbeitgeber um eine juristische Person handelt. Sofern hierzu vertreten wird, dass den Unternehmer stets - was auch bei § 831 BGB der Fall ist - selbst der Vorwurf vorsätzlichen Verhaltens treffen müsse, eine juristische Person jedoch dem Versicherten gegenüber für vorsätzlich durch ein Organmitglied herbeigeführte Arbeitsunfälle nicht hafte (ErfKArbR-Rolfs SGB VII § 104 Rn. 20; LG Fulda aaO RGRK Schick aaO; vgl. auch Rolfs NJW 1996, 3177, 3178), kann dies insoweit nicht überzeugen. Es liegt, sofern es um die (Nicht)Einhaltung von Arbeitsschutzvorschriften mit hieraus resultierenden Berufskrankheiten und damit eine regelmäßig mittelbare Gefährdung des Arbeitnehmers geht, in der Natur der Sache, dass ein dem Wissen und Wollen nur als rein innere Tatsache zugänglicher Akt vom Arbeitnehmer nur unter schwersten Bedingungen darzulegen und zu beweisen ist (vgl. BAG, Urt. v. 31.10.1991, Az. 8 AZR 637/90, a.E.). Hieraus aber den Schluss zu ziehen, dass Berufskrankheiten unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten keine Bedeutung zukomme (so aber ErfKArbR-Rolfs aaO. Rn. 15), ist jedenfalls dann nicht angängig, sollte ein Organisationsverschulden behauptet werden, das seiner Schwere nach dem Vorsatz, wenn auch nur als Billigung des Erfolgs im Fall seines für möglich erachteten Eintritts, entspricht. Voraussetzung ist allerdings, dass der Pflichtverstoß ein Höchstmaß an Sorgfaltswirdrigkeit aufweist.
53Indem die Bundeswehr im Laufe der 50er und 60er Jahre und im Anschluss an die Einführung von Radargeräten der SGR-Familie verschiedene Maßnahmen zur Ermittlung der Gefährlichkeit von Röntgenstörstrahlung durchführte, hat sie das nach damaliger Sicht im Wesentlichen Angemessene unternommen, um das besagte Phänomen beherrschbar zu machen. Wie die einzelnen in Auftrag gegebenen Untersuchungen, etwa durch das FTZ, und später vorgenommene Messungen zeigen, hat die Bundeswehr auf die entsprechenden physikalischen Erkenntnisse reagiert und im Sinne eines Arbeitsschutzes umzusetzen begonnen. Dass sich im Rahmen dieser Untersuchungen - worauf die Kläger mit Nachdruck hinweisen - die besondere Gefährlichkeit der Röntgenstörstrahlung herausgestellt und sich eine konkrete Gefährdung der Beschäftigten bei Arbeiten am offenen Sender ergeben hätte, ist nach Maßgabe des hier zu Grunde zu legenden zeitlichen Betrachtungsstandpunkts nicht sicher festzustellen. Es bedeutet nämlich einen maßgeblichen Unterschied, ob die Bundeswehr, etwa in Ansehung des Berichtes des FTZ vom 24.12.1958, davon ausgehen musste, dass Störstrahlen vorkommen, oder ob sie wusste, dass diese Störstrahlen in einer Weise sowie Dosis auftreten, die eine relevante Gesundheitsschädigung nach sich ziehen kann. Aus den von beiden Parteien vorgelegten Unterlagen zu dieser Thematik geht hervor, dass die Bundeswehr die genannten Erkenntnisse zum Anlass nahm, zunächst das konkrete Schutzbedürfnis - so z.B. auf der Tagung des Ausschusses für Funkortung vom 04. bis 08.01.1960 - zu ermitteln, um dieses im Anschluss in ein damals für nötig gehaltenes Schutzkonzept umzusetzen - so z.B. durch die Strahlenschutzmessungen im Jahr 1963 in D. Dass die Bundeswehr aus den ermittelten Ergebnissen die - aus heutiger Sicht nicht mehr nachvollziehbare - Unbedenklichkeit des Betriebs der Anlagen folgerte, mag den Vorwurf einer Pflichtverletzung rechtfertigen. Dass dies nach damaligem Kenntnisstand und zu einer Zeit, in der man dem Einsatz von Röntgenstrahlung im Allgemeinen noch wesentlich aufgeschlossener gegenüberstand (in dem Bericht der Radarkommission so genannte Phase 1, s. dort S. III f.), eine qualifizierte Pflichtverletzung im hier erforderlichen Sinne bedeutet, sieht die Kammer nicht. Dies gilt umso mehr, als sich diese zum Ausschluss des Haftungsprivilegs vorsatzgleich auch auf die jeweilige Berufskrankheit erstrecken muss. Dieser weitere, aus den situativen Gesamtumständen zu ziehende Schluss, drängt sich umso weniger auf.
54Bestätigt wird diese Einschätzung der Kammer nicht zuletzt durch die Bekundungen des Zeugen T, der als gelernter Physiker und ab 1972 beim BWB beschäftigter Referatsleiter mit seinen Kollegen über die Größenordnungen der im Jahr 1975 gemessenen Strahlendosen überrascht war, sowie jene des Zeugen P, dem als gelerntem Elektroniker zwar das Phänomen der Röntgenstörstrahlung, aber ebenso wenig deren Umfang bekannt war. Insbesondere soll - so der Zeuge P wie auch der Zeuge U - eine bis dahin nicht erwartete Fehlanpassung zwischen Magnetron und Modulator zu den Strahlungsspitzen geführt haben (vgl. auch den Teilbericht SGR der AG Aufklärung der Arbeitsplatzverhältnisse Radar vom 18.09.2002, Anlage 4 z. Schriftsatz der Beklagten v. 30.06.2004, dort S. 5).
55Der Beklagten ist aber auch im Hinblick auf die Kläger zu 1) und 4) für die Folgezeit, also ab dem Jahr 1975, keine Pflichtverletzung vorzuwerfen. Eine solche käme in Betracht, sollte die Bundeswehr nach Bekanntwerden der erheblichen Risiken einer Strahlenexposition bei der Arbeit an eingeschalteten Sende- und Schaltröhren weitere Schutzmaßnahmen unterlassen haben. Die zu fordernden Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten erstrecken sich dabei nicht nur auf - was auf der Hand liegt - eine Anpassung der konkreten Arbeitsbedingungen an die Gefahrenlage, wozu insbesondere die Verhinderung relevanter Strahlenexposition für die Zukunft gehört. Ebenso ist gerade wegen der Latenzwirkung bereits aufgenommener Dosen an ionisierender Strahlung zu fordern, dass der entsprechende Status der in Frage kommenden Beschäftigten in physikalischer wie medizinischer Sicht ermittelt und eine dem angemessene Behandlung für die Zukunft eingeleitet wird. Angesichts des Umstandes, dass es bei allen Betroffenen um die Vermeidung stochastischer Spätschäden ging, war die Bundeswehr demnach veranlasst, unverzüglich über die Risiken eines seinerzeitigen möglichen Kontaktes mit Röntgenstörstrahlung zu informieren und Untersuchungen anzuraten bzw. zu veranlassen. Dies gilt umso mehr, als einerseits zu Tätigkeiten in der so genannten ersten Phase nahezu keine Daten der Personendosimetrie vorlagen, andererseits im Hinblick auf den grundsätzlich gegebenen Verursachungszusammenhang von ionisierender Strahlung und Gewebeveränderungen mit durchschnittlichen Latenzzeiten von acht bis 20 Jahren. Diese Problematik war der Beklagten, wie der Bericht des BMVg vom 18.05.1976 (Anlage 15 z. Schriftsatz d, Kläger v. 26.01.2004, dort S. 5) ausweist, auch bekannt.
56Nach dem Ergebnis der diesbezüglich durchgeführten Beweisaufnahme steht fest, dass die Beklagte eine im Rahmen des Vorstehenden erforderliche Aufklärung und Vorsorge betrieben hat, die jedenfalls den unterhalb der Schwelle zur schwer wiegenden Pflichtverletzung liegenden Anforderungen entspricht.
57Sowohl der Zeuge T als auch der Zeuge Dr.L haben im Rahmen ihrer ausführlichen Vernehmungen übereinstimmend davon berichtet, dass im Jahr 1975 Maßnahmen im Hinblick auf den Schutz vor Störstrahlen eingeleitet wurden, und zwar gerade auch im Marinearsenal in W.. Insofern bestätigen die Zeugen den dahin gehenden Vortrag der Beklagten, dass mit dem Erkennen der Gefahr durch Röntgenstörstrahlung diese unverzüglich abgestellt und erst mit weiteren Schutzvorkehrungen wieder aufgenommen wurden. Sofern sich der Zeuge T insofern an die Anschaffung von Bleiglasplatten erinnert, soll es nach den Angaben des Zeugen Dr. L zu dem Zeitpunkt, als er erstmalig zu so genannten Strahlenschutzuntersuchungen im Marinearsenal gewesen sei, bereits eine Umstellung der Radargeräte auf Halbleitertechnik gegeben haben. Ebenso sei - so der Zeuge T - die Personendosimetrie eingeführt worden. Diese Angaben der Zeugen sind nicht nur aus sich heraus glaubhaft, zumal beide Zeugen im Rahmen ihrer Vernehmungen wiederholt deutlich gemacht haben, dass sie sich wegen der lange zurückliegenden Vorgänge - was nachvollziehbar ist - nur noch an die wesentlichen Gesichtspunkte erinnern konnten. Die Bekundungen stehen auch im Einklang mit zahlreichen eingereichten Unterlagen. So ergeben sich die die Messungen anordnenden Verfügungen sowie deren Dokumentation aus den Schreiben vom 07.11. und 01.12.1975 (Anlagen 58, 59 z. Schriftsatz d. Beklagten v. 12.08.2002), die Außerbetriebnahme - auch unter Einschaltung des Zeugen T - aus den Fernschreiben vom 06. und 08.01.1976 (Anlagen 60, 61 z. Schriftsatz d. Beklagten v. 12.08.2002) und die Umstellung der Radargeräte, wie vom Zeugen Dr. L berichtet, auf Halbleiter aus dem Erfahrungsbericht vom 25.08.1976 (Anlage 64 z. Schriftsatz d. Beklagten v. 12.08.2002). Neben diesen Dokumenten liegen weiteren Unterlagen, etwa betreffend die Übergabe von Strahlendosimetern sowie zu weiteren Details der getroffenen Maßnahmen vor. Insoweit wird auf die Anlagen 65 ff. z. Schriftsatz d. Beklagten v. 12.08.2002 verwiesen. Insbesondere aber hat der Zeuge T unter dem 16.04.2002 als Mitglied der AG "Aufklärung der Arbeitsplatzverhältnisse Radar bei der Wehrbereichsverwaltung Nord" einen Bericht über die ab Dezember 1975 veranlassten Maßnahmen " zum Schutz der Bundeswehrangehörigen vor Schäden durch Röntgenstörstrahlen an Radaranlagen" (Anlage 1 z. Schriftsatz d. Beklagten v. 30.06.2004) erstellt. Die darin enthaltenen Angaben stehen, teilweise belegt mit den vorgenannten, teilweise belegt mit weiteren Unterlagen, im Einklang mit den Bekundungen dieses Zeugen sowie des Zeugen Dr.L. Hieraus ergibt sich auch, dass die Bundeswehr im Dezember 1975 nicht nur in Bezug auf das Marinearsenal W., sondern ebenso auf in Bezug auf das Marinearsenal K. gleichartige Sofortmaßnahmen durchführte.
58Die klägerischen Behauptung, es seien keinerlei Aufklärungs- oder Schutzmaßnahmen erfolgt, ist bereits vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar. Aber auch die klägerseits benannten Zeugen N, P, U und S haben übereinstimmend davon berichtet, dass es noch Ende 1975 die Stilllegung der Geräte gegeben habe, und dass eine Wiederaufnahme der Arbeiten erst nach Anbringen von Bleiglasplatten bzw. dem Tragen von Bleischürzen erfolgt sei. Ferner seien die Geräte alsbald auf Halbleitertechnik umgestellt worden. Soweit der Zeuge S hierbei auf Probleme mit einer zeitangemessenen Durchführung der Wartungsarbeiten hingewiesen hat, da eine Justierung praktisch nur am laufenden Gerät durchzuführen gewesen sei, steht dies nicht entgegen. Denn auch insoweit seien die Anweisungen eindeutig gewesen, man habe allenfalls "weggeschaut", damit es schneller gehe. Dass dies auch die durch den Kläger zu 1) bzw. Herrn Q konkret durchgeführten Arbeiten betrifft, hat der Zeuge, der zu dieser Zeit im Prüffeld und nicht in der Werkstatt selbst beschäftigt war, bereits nicht bekundet. Im Übrigen kann ein bewusst vorschriftswidriges Verhalten eines Beschäftigen grundsätzlich nicht dazu führen, dass der Arbeitgeber wegen der Verletzung von Arbeitsschutzvorschriften in eine den Voraussetzungen des § 636 RVO entsprechende Eigenhaftung gerät.
59Der Kläger zu 1) sowie Herr Q sind auch hinreichend über die Gefahren im Zusammenhang mit ihrer bisherigen Tätigkeit aufgeklärt worden, und zwar auch in Bezug auf das gesundheitliche Risiko einer Erkrankung in der Zukunft.
60Zwar umfasst die der Beklagten obliegende arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht nach Auffassung der Kammer auch die Verpflichtung, diejenigen Bediensteten, die zu einem früheren Zeitpunkt mit gefährlichen Verrichtungen betraut waren, nach dem Gewinnen neuer Erkenntnisse über konkrete erhebliche Gefahren und Folgewirkungen zu informieren. Dies gilt sowohl unter dem Gesichtspunkt einer nachvertraglichen Treue- und Fürsorgepflicht (vgl. dazu etwa BAG, Urt. v. 31.10.1972, Az. 1 AZR 11/72; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 10.10.1995, Az. 8 Sa 642/95; LAG Hamm, Urt. v. 17.12.1998, Az. 4 Sa 1337/98) als auch demjenigen des sich aus § 618 BGB sowie den einschlägigen Bestimmungen, hier u.a. der RöV 1973, ergebenden Arbeitsplatzschutzes (vgl. etwa BAG, Urt. v. 17.02.1998, Az. 9 AZR 130/97; BGH, Urt. v. 14.05.1958, Az. II ZR 45/57). Dabei hat sich die Erfüllung dieser Pflicht an Art, Ausmaß und Intensität der möglichen gesundheitlichen Beeinträchtigung der Beschäftigten zu orientieren. Besteht - wie vorliegend - die Gefahr, dass die durch die Arbeit an den Radaranlagen erfolgte Einwirkung auf das Gewebe der Beschäftigten auch dann fortwirkt, wenn ein unmittelbarer Kontakt zu der ursprünglichen Gefahrenquelle nicht mehr besteht, muss der Arbeitgeber dem durch geeignete Maßnahmen Rechnung tragen. Hierzu zählen wenigstens die Abklärung des gesundheitlichen status quo sowie die Aufklärung über die zukünftigen Risiken nach Maßgabe des Standes der medizinischen Erkenntnisse.
61Ob der Arbeitgeber darüber hinaus verpflichtet ist, auf eigene Kosten und Initiative eine - ggf. dauerhafte - medizinische Überwachung durchzuführen, kann insoweit vorliegend offen bleiben. Denn ein Unterlassen letzt genannter Fürsorge wäre jedenfalls keine derartig grober Verstoß gegen die genannte Verpflichtung, dass die - hier allein maßgebliche - vorsatzgleiche Schädigung mit dem Ausschluss der Haftungsprivilegierung des § 636 Abs. 1 RVO anzunehmen wäre.
62Sinn und Zweck der gegenständlichen Fürsorgepflicht ist allem voran, den Beschäftigten als zugleich potenziell Geschädigten in den Stand zu versetzen, sich um eine gesundheitliche Vorsorge - wenn auch nur durch sich selbst - zu kümmern (vgl. auch LAG Köln NZA-RR 2003, 350, 351). Keinesfalls darf er deswegen in Fällen, in denen er durch die Aufnahme unbekannter Dosen ionisierender Strahlen eine möglicherweise zunächst nicht feststellbare (Vor)Schädigung erlitten hat, hierüber gänzlich in Unkenntnis gelassen werden. Ein vorhandener Wissensvorsprung des Arbeitgebers muss als solches weitergegeben werden, soll dem Beschäftigten nicht die zeitgerechte Möglichkeit zum Selbstschutz genommen werden. Alles andere, etwa konkrete gesundheitliche Fürsorge, finanzielle Zuwendungen im Hinblick auf Vorsorgemaßnahmen in der Zukunft u.ä., sind hierzu prinzipiell nachrangig. Aus dem Gesichtspunkt der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht wird der Arbeitgeber hierzu nur unter gewissen Umständen verpflichtet sein.
63Die Beklagte hat die nach Maßgabe des Vorstehenden erforderliche Aufklärung und medizinische Vorsorge geleistet. Dies ergibt sich aus den Bekundungen aller bereits genannter Zeugen sowie den hierzu vorliegenden Unterlagen. So hat zunächst der Zeuge T nachvollziehbar und überaus anschaulich geschildert, was nach dem Bekanntwerden der Strahlengefahr an auch personenbezogenen Maßnahmen im Marinearsenal in W. durchgeführt worden ist. Danach seien zum einen in völliger Betriebsöffentlichkeit die besagten Messungen durchgeführt worden, gefolgt von den Stilllegungen und weiteren Schutzmaßnahmen. Zum anderen seien die einzelnen Mitarbeiter, sofern sie mit den Geräten der SGR-Familie zu tun hatten, jeder für sich zu den Arbeitsplatzverhältnissen usw. befragt und informiert worden. Ferner hätten sie durch die zuständige Wehrbereichsverwaltung Verhaltensanweisungen erhalten. Ähnliches hat der Zeuge Dr. L berichtet, der sich an Informationsveranstaltungen für die betroffenen Mitarbeiter erinnert hat. Schließlich haben auch die klägerseits benannten Zeugen N, P, U und S im Wesentlichen gleich lautend von derartigen Aufklärungen gesprochen. So konnten sich die Zeugen N und U - unter Vorhalt der Belehrungsprotokolle vom 30.03. und 10.11.1976 (Anlagen 42, 43 z. Schriftsatz d. Beklagten v. 12.08.2002) - unter anderem daran erinnern, dass sie bei besonderen Aufklärungsveranstaltungen zur Problematik des Umgangs mit der Röntgenstörstrahlung anwesend gewesen seien. Die Unterschriften des Klägers zu 1) und des Herrn Q finden sich ebenfalls auf diesen Protokollen. Der Zeuge S hat seinerseits ebenso nachvollziehbar bekundet, dass es im Zusammenhang mit den 1975 eingeleiteten Messungen zu Diskussionen in der Werkstatt des Marinearsenals gekommen sei und sich die Beschäftigten die Problematik der Strahlung bzw. deren Nichterkennen zuvor nach und nach erklärt hätten. Ferner konnte sich der Zeuge S - wie auch der Zeuge T - an eine größere Versammlung mit einer streitigen Aussprache zu der genannten Problematik erinnern. Hierbei handelt es sich offensichtlich um die Aussprache vom 24.02.1977, bei der ausweislich des Protokolls vom 27.09.1977 (Anlage 5 z. Schriftsatz d. Kläger v. 26.01.2004) die Zeugen T und Dr. L anwesend waren und bei welcher sich auch der Kläger zu 1) aktiv beteiligt hat (S. 25 des Protokolls).
64Neben der Inkenntnissetzung der Mitarbeiter von den technischen Zusammenhängen haben darüber hinaus auch medizinische Kontrollen stattgefunden. Auch insoweit geben die Bekundungen der genannten Zeugen Aufschluss über die erfolgten Maßnahmen. Der Zeuge Dr. L sei, so seine Angaben, im Hinblick auf die besondere Situation in W. mit speziellen Untersuchungen der Mitarbeiter der Radarwerkstatt beauftragt worden, die er auch in mindestens zwei aufeinander folgenden Jahren durchgeführt habe. Dabei sind, was jedenfalls aus dem Gutachten des Bayerischen Landesamts für Arbeitsmedizin vom 18.11.1976 (Anlage 51 z. Schriftsatz d. Beklagten v. 12.08.2002) hervorgeht, bezüglich des Klägers zu 1) und des Herrn Q auch Blutproben zwecks Durchführung einer chromosomalen Aberrationenanalyse durchgeführt worden, um eine Schädigung des Erbguts zum damaligen Zeitpunkt prüfen zu können. Diese Untersuchung hat zu einem negativen Befund geführt, was - so das Protokoll vom 27.09.1977 (Anlage 5 z. Schriftsatz d. Kläger v. 26.01.2004, dort. S. 5) - der Zeuge Dr. L seinerzeit gegenüber den Mitarbeitern des Arsenals mit dem Hinweis verbunden hat, dass dies nur eine Aussage für einen zurückliegenden Zeitraum von 18 Monaten zuließe. Insgesamt seien im Rahmen der Untersuchungen keine Auffälligkeiten bei den untersuchten Personen zu Tage getreten, im Übrigen sei dies - wobei der Zeuge auf die von ihm erstellte Liste untersuchter Personen mit handschriftlichen Einträgen (Anlage 67 z. Schriftsatz d. Beklagten v. 12.08.2002) Bezug nimmt - mit den Personen im Einzelnen besprochen worden. Dem gegenüber finden sich für die Behauptung, es hätten keinerlei Untersuchungen stattgefunden und die Beschäftigten seien im Hinblick auf strahlenbedingte Spätschäden (bewusst) in Sicherheit gewogen worden, keine hinreichenden Anhaltspunkte. Insbesondere habe die klägerseits benannten Zeugen dies so nicht bestätigt. Alle diese Zeugen haben, wenn sie sich - was nachvollziehbar ist - wegen der Länge des verstrichenen Zeitraums nicht mehr an die Einzelheiten und exakten Daten zu erinnern vermochten, berichtet, von Dr. L anlässlich der Strahlenproblematik untersucht worden zu sein. Zwar konnten sie sich nicht daran erinnern, von Dr. L in besonderer Art und Weise über das Risiko einer zukünftigen Erkrankung aufgeklärt worden zu sein. Dass er oder ein anderer Bediensteter der Bundeswehr jedoch mitgeteilt hätte, eine weitere Vorsorge sei nicht erforderlich, konnten die Zeugen ebenfalls nicht berichten. Vielmehr hat der Zeuge U auf entsprechenden Vorhalt eingeräumt, dass ihm gesagt worden sei, dass im Zusammenhang mit der Strahlenproblematik auch die Entstehung eines Tumors zu erwarten sei. Ferner hat sich der Zeuge N an eine ihm gegenüber getätigte Äußerung erinnert, wonach, wenn sich Äußerlichkeiten wie Verbrennungen der Haut nicht zeigten, man "abwarten" müsse. Die Zeugen waren, was im vorliegenden Zusammenhang entscheidend ist, mithin über die Latenz des Erkrankungsrisikos als solches unterrichtet. Es darf im Übrigen nicht unberücksichtigt bleiben, dass die klägerseits benannten Zeugen als ebenfalls denkbar Geschädigte tendenziell - auch wenn sie sich im Rahmen ihrer Vernehmungen um eine möglichst neutrale Darstellung bemüht haben - dem klägerischen Begehren näher stehen. Vor diesem Hintergrund sowie angesichts der Überlegung, dass sie damit jedenfalls unbewusst auch ihre eigene Position vertreten haben, sieht die Kammer mit der Formulierung etwa des Zeugen N, er hätte den Eindruck gehabt, "als wolle man mehr beruhigen und erklären, dass alles nicht so schlimm sei", keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung. Schließlich ist auf die ebenfalls im Rahmen der Aussprache vom 24.02.1977 protokollierten Äußerung des Zeugen Dr. L zu verweisen, in welcher er auf Spätschäden hinweist, die auch in Form von Krebsgeschwülsten nach Jahrzehnten noch auftreten können (Anlage 5 z. Schriftsatz d. Kläger v. 26.01.2004, dort. S. 5).
65Nach dem Gesamteindruck der Bekundungen der einvernommenen Zeugen zu dieser Thematik sowie der ergänzend herangezogenen Unterlagen ergibt sich von der ab Ende 1975 im Marinearsenal in W. herrschenden Situation ein Bild der Verunsicherung auf allen Seiten, die zu einer intensiven Diskussion und entsprechenden Ermittlungsmaßnahmen geführt hat. Dass im Rahmen dessen und im Lichte der damaligen, teils bruchstückhaften Erkenntnisse zum Zusammenhang von physikalischem Phänomen der Röntgenstörstrahlung, deren Expositionsdosis sowie aktueller und zukünftiger Auswirkung auf die Gesundheit der Betroffenen eine optimale Aufklärung der Betroffenen nicht stattgefunden haben mag, liegt nahe. Dass die Beklagte, um der hier ausreichenden Fürsorgeverpflichtung zu entsprechen, mit den unstreitigen bzw. vorstehend festgestellten Maßnahmen ab Dezember 1975 indessen von einer hinreichenden Sensibilisierung der Beschäftigten ausgehen konnte, sieht die Kammer sehrwohl. Dies gilt auch angesichts des Umstands, dass wegen der Tätigkeiten in der so genannten ersten Phase nahezu keine Daten der Personendosimetrie vorlagen. Denn auch insoweit ist, wie sich aus den Bekundungen des Zeugen T sowie aus den dies betreffenden Aufstellungen (Anlagen 45, 49 z. Schriftsatz d. Beklagten v. 12.08.2002) ergibt, der Versuch einer Dosisrekonstruktion vorgenommen worden. Schließlich darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass es sich bei dem Kläger zu 1) sowie Herrn Q um technisch geschultes Personal handelt. Auch wenn dies für dem Umstand, dass beide bis 1975 einer Strahlenexposition ausgesetzt waren, die sie - wohl - nicht kennen konnten, ohne Bedeutung ist, spielt es für den Umfang der seitens des Arbeitgebers zu erteilenden Hinweise und Aufklärungsmaßnahmen durchaus und insofern eine Rolle, welchen Wert er der Preisgabe der technischen Ursache als solcher beimissen darf. Dieser Wert ist im vorliegenden Fall deswegen jedenfalls höher einzuschätzen als bei gänzlich unbedarften Mitarbeitern. Nicht zuletzt sind sowohl für den Kläger zu 1) als auch für Herrn Q Meldungen zur Unfallversicherung mit dem besonderen Hinweis auf mögliche Spätschäden gemacht worden (Anlage 108 z. Schriftsatz d. Beklagten v. 12.08.2002; Anlage 8 z. Schriftsatz d. Beklagten v. 08.11.2004). Dass beide nach alledem zu einer ggf. krankheitsabwendenden Eigeninitiative keinen Anlass oder Möglichkeit gehabt hätten, ist nicht ersichtlich.
66Kommt mit der fehlenden vorsatzgleichen Verletzung von Arbeitgeberpflichten der Beklagten eine Haftung in dem von § 636 Abs. 1 RVO ausgeschlossenen Umfang, nämlich für Personenschäden, in Bezug auf die Kläger zu 1) und 4) nicht in Betracht, besteht weder ein Schmerzensgeldanspruch noch - seitens des Klägers zu 1) - ein Anspruch auf Ersatz entgangener Mieteinnahmen wegen der krankheitsbedingten Aufgabe der Ferienwohnungsvermietung.
67Personenschaden i.S.v. § 636 RVO (heute § 104 SGB VII) ist jeder immaterielle sowie der durch die Verletzung einer Person bedingte sonstige Schaden, der zur Quelle eines Vermögensschadens werden kann. Dies umfasst sowohl Schmerzensgeld als auch vermehrte Bedürfnisse, Erwerbsaufall oder Gewinnentgang. Dies ist Ausfluss des bereits eingangs erörterten, im Unfallversicherungsrecht herrschenden Haftungsersetzungsprinzips und führt dazu, dass Personenschäden nach Arbeitsunfällen nicht immer vollständig ersetzt werden (BAG, Urt. v. 24.05.1989, Az. 8 AZR 240/87; LAG Hamm, Urt. v. 10.05.1990, Az. 17 Sa 28/90; OLG Köln, Urt. v. 27.06.1997, Az. 19 U 16/97; ErfKArbR-Rolfs SGB VII § 104 Rn. 25 m.w.N.). Insoweit der Kläger zu 1) durch seine beruflich erworbene Erkrankung bedingt die weitere Vermietung von Ferienwohnungen aufgegeben und dadurch finanzielle Verluste erlitten haben will, stellte dies eine demnach ebenso ausgeschlossene Vermögenseinbuße dar.
68Den Klägern zu 1) und 4) stehen gegen die Beklagte auch keine Ansprüche im Zusammenhang mit einer Exposition gegenüber radioaktiven Leuchtfarben oder HF-Strahlung zu. Insofern fehlt es bereits an substanziiertem Vortrag zur Kausalität einer eventuellen Exposition für die gegenständlichen Erkrankungen.
69Was den Kläger zu 1) anbetrifft, wird eine als möglich nachvollziehbare Verursachung des Nierenkarzinoms sowie der weiteren Schäden allein in Bezug auf Röntgenstörstrahlung vorgetragen. Dass hier ggf. auch HF-Strahlung (mit)ursächlich gewesen sein soll, ist bereits angesichts der Tätigkeitsbeschreibung in der Radarwerkstatt in W. nicht hinreichend ersichtlich. Dem genügt es auch nicht, wenn der Kläger zu 1) die Gefahren der Exposition gegenüber HF-Strahlen allgemein darstellt, ohne dies alsdann auf die eigene Tätigkeit zu beziehen. Insbesondere kommt einem vom Kläger zu 1) behaupteten synergetischen Zusammenwirken von HF-Strahlung und Röntgenstörstrahlung keine Bedeutung zu, sofern nicht näher erklärt wird, inwieweit in der Radarwerkstatt auch relevante Mengen an HF-Strahlung angefallen sein sollen. Diesbezügliches ergibt sich weder aus dem Bericht der Radarkommission vom 02.07.2003 noch aus dem Teilbericht SGR der AG Aufklärung der Arbeitsplatzverhältnisse Radar vom 18.09.2002 (Anlage 4 z. Schriftsatz der Beklagten v. 30.06.2004). Aus letzt genanntem Bericht geht vielmehr hervor, dass während des Sendebetriebs der Anlagen im Arsenal die Sendeleistung und damit die HF-Strahlung auf eine Kunstantenne ("Dummy-load") geschaltet wurde (S. 4 d. Berichts). Hinsichtlich der Klägerin zu 4) gelten die vorstehenden Ausführungen gleichermaßen, zumal sich der klägerische Vortrag diesbezüglich im Wesentlichen darin erschöpft, die Vergleichbarkeit der Arbeitsbedingungen der Herrn Q mit denen des Klägers zu 1) zu betonen. Sofern beide Klägern schließlich vortragen, am geöffneten Radargerät sei "mit hoher Wahrscheinlichkeit HF-Strahlung aus defekten Hohlleitern entwichen", erfüllt diese im Übrigen - auch später - nicht näher ausgeführte Vermutung die Anforderungen an die Substanziierungspflicht i.S.v. §§ 138 Abs. 1, 253 ZPO nicht. Insofern ist es der Beklagten nicht einmal möglich, diese Behauptung näher nachzuprüfen und ihr adäquat zu begegnen.
70Aber auch wegen der angeblichen Inkorporation von abgekratzte Erkrankungen hierauf nicht zurückzuführen. Vielmehr sollen diese "ausnahmslos" durch die Tätigkeiten an den Radargeräten und die hierbei erfolgte Verstrahlung verursacht worden sein (S. 3 d. Schriftsatzes v. 17.10.2003, Bl. 325 d.A.; S. 15 d. Schriftsatzes v. 26.01.2004, Bl. 367 d.A.). Auf die Substanziierungsmängel sind die Kläger durch Hinweisbeschluss der Kammer vom 18.04.2005 (dort Ziff. I.2., Bl. 860 f. d.A.) hingewiesen worden.
71Nach dem Vorstehenden bedurften die zwischen den Parteien ebenfalls kontrovers erörterten Fragen der Verjährung sowie des Anspruchsausschlusses nach dem MTArb keiner Entscheidung mehr.
72II.
73Die Klage ist in vorstehend erörtertem Umfang, nämlich hinsichtlich der durch die Kläger zu 1) und 4) verfolgten Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche, auch entscheidungsreif. Es handelt sich insofern um im Rahmen einer subjektiven Klagehäufung geltend gemachte Ansprüche einfacher Streitgenossen, die jeder für sich und auch, was den Kläger zu 1) betrifft, gegenüber dem materiellen Schadensersatzanspruch prozessual selbständig sind, so dass insofern durch Teilurteil zu entscheiden war, § 301 Abs. 1 ZPO.
74Der Entscheidungsreife in diesem Umfang steht auch nicht entgegen, dass das Prozessrechtsverhältnis zu den übrigen Klägern auf einem Lebenssachverhalt beruht, der in weiten Zügen alle Kläger gleichermaßen betrifft und insbesondere zur Frage der haftungsbegründenden Kausalität im Übrigen einer Beweisaufnahme zugeführt werden soll. Denn die die Kläger zu 1) und 4) betreffende, klageabweisende Entscheidung dieses Teilurteils wird durch die Entscheidung im Schlussurteil nicht berührt. Sofern die Zuerkennung der durch die Kläger zu 2), 3) und 5) geltend gemachten Schmerzensgeldansprüche von der Klärung weiterer Haftungsaspekte im Zusammenhang mit der Tätigkeit aller Kläger an den in der Bundeswehr verwendeten Radargeräten abhängt, betreffen diese die vorliegend getroffene Entscheidung zur Verneinung von Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüchen der Kläger zu 1) und 4) nicht. Es handelt sich insbesondere nicht um Vorfragen mit präjudizieller Wirkung, so dass die Gefahr widersprechender Entscheidungen, auch infolge einer abweichenden Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht, nicht besteht (vgl. BGH, Urt. v. 29.10.1986, Az. IVb ZR 88/85; Urt. v. 26.04.1989, Az. IVb ZR 48/88). Die Ablehnung der Schadensersatzansprüche der Kläger zu 1) und 4) beruht - wie gezeigt - nicht auf einer die übrigen in diesem Rechtsstreit verfolgten Ansprüche beeinflussenden Bewertung. Wie schon im Hinweis- und Auflagenbeschluss der Kammer vom 30.04.2004 ausgeführt, knüpft die Kammer für die Haftung der Beklagten gegenüber allen Klägern an das Aufklärungsverhalten ab dem Jahr 1975 an. Da die Kläger zu 2), 3) und 5) hiernach unstreitig nicht besonders überwacht und aufgeklärt worden sind, ist bereits hiermit eine haftungsauslösende Pflichtverletzung gegeben. Auf eine eventuelle Pflichtverletzung durch mangelnde Schutzmaßnahmen in der Zeit vor 1975 kommt es deswegen für die Klärung dieser Haftung nicht an, sondern nur noch auf die Kausalität von Strahlenexposition, unterlassener Aufklärung und Erkrankung. Über die Voraussetzungen des die Kläger zu 1) und 4) betreffenden Schadensersatzanspruchs, so wie sie Gegenstand dieses Urteils sind, wird deswegen bei der Entscheidung über die Schmerzensgeldanträge der übrigen Kläger nicht nochmals zu befinden sein. Insoweit besteht die Gefahr, dass das Gericht bei einem späteren Urteil - sei es auf Grund neuen Vortrags, sei es auf Grund geänderter Rechtsauffassung - abweichend entscheidet, nicht (vgl. BGH, Urt. v. 28.01.2000, Az. V ZR 402/98; Urt. v. 30.04.2003, Az. V ZR 100/02).
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