Urteil vom Landgericht Bonn - 16 O 31/05
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 109.762,59 € nebst Zinsen in Höhe von 9.580,08 € bis zum 15.04.2005 sowie weiterer Zinsen aus 109.762,59 € in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.04.2005, 27,26 € für eine Kreditreform-Auskunft sowie weiteren Verzugsschaden in Höhe von 900,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.11.2005 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Beklagte wird von der Klägerin für Forderungen der Klägerin gegenüber der Firma S2 GmbH unter dem Gesichtspunkt des § 25 HGB wegen Fortführung des Handelsgeschäfts und der Firma in Anspruch genommen. Dem liegt im wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
3Die Klägerin ist ein Großhandelsunternehmen für Waren im Bereich Sanitär, Heizungs- und Lüftungstechnik. Sie stand mit der Firma S2 GmbH über Jahre in ständigen Geschäftsbeziehungen. So lieferte sie diese Waren (unter Berücksichtigung von Gutschriften) im Gesamtwert von 109.762,59 €, die von der Firma S2 GmbH nicht ausgeglichen wurden. Hinsichtlich der - unstreitigen - Einzelaufstellung wird ausdrücklich auf Bl.## der Gerichtsakten Bezug genommen.
4Alleinvertretungsberechtigter Gesellschafter der Firma S GmbH war Herr S5. Das Unternehmen firmierte unter der Adresse Splalz # in ##### O. Das Unternehmen geriet im Laufe des Jahres 2004 in finanzielle Schwierigkeiten, so dass am 09.08.2004 durch den Alleingesellschafter die Liquidation beschlossen wurde; Liquidator wurde Herr S5.
5Am glelchen Tag gründete S5 gemeinsam mit Ehefrau S5 als Gesellschafter die Beklagte, welche am 23.09.2004 unter HRB #### in das Handelsregister eingetragen wurde. S5 ist neben Frau S4 alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Beklagten. Die beabsichtigte Liquidation der Firma S2 mißlang jedoch. Am 23.09. wurde über das Vermögen der in Liquidation befindlichen S2 GmbH das vorläufige Insolvenzverfahren eingeleitet und mit Beschluss vom 12.11.2004 das Insolvenzverfahren vom Amtsgericht C (## IN ######) eröffnet.
6Die Beklagte ist ebenso wie die Firma S2 GmbH auf dem Gebiet der Heizungs- und Sanitärtechnik tätig. Sie firmiert unter der gleichen Adresse, wie das Unternehmen S2 GmbH. lm lnternet wirbt das Unternehmen, vgl. insoweit Anlage K5, unter der Überschrift „Über uns - S3 GmbH".
71992 Gründung der Firma S2 GmbH
81996 Umzug in die neuen Büroräume, S-Platz in ##### O
92003 Das Unternehmen S GmbH ist auf zwölf Mitarbeiter angewachsen.
10Unter einem Bild folgt dann die Unterschrift Büro-S-Platz, ##### O. Darunter die Angaben zur Firma der Beklagten und der Hinweis auf die mit dem Unternehmen S2 GmbH identische Internetadresse www. S-gmbH.de.
11Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte hafte ihr unter dem Gesichtspunkt des § 25 HGB für die von der Firma S2 GmbH begründeten Verbindlichkeiten. Hierzu behauptet sie, die Beklagte habe das Unternehmen von der sogenannten S alt übernommen. Dies ergebe sich schon bei einer Bewertung aller Indizien. Zum einen daraus, dass Herr S5 weiter alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer sei. Im Übrigen seien alle Mitarbeiter der S alt durch die S neu übernommen worden. Dieser habe auch die Einrichtungen der S alt und den Mietvertrag für den Sitz des Unternehmens ebenfalls übernommen. Gleiches gelte für den von der S neu übernommenen Fuhrpark der S alt. Schließlich sei die Firmenbezeichnung annähernd identisch mit der Firmenbezeichnung der S alt.
12Im Übrigen hafte die Beklagte - wie von der Klägerin im Einzelnen näher dargelegt wird - auch für die im Klageantrag näher ausgewiesenen Nebenforderungen aus dem Gesichtspunkt des Verzuges.
13Dementsprechend beantragt die Klägerin,
14die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 109.762,59 € nebst ausgerechneter Zinsen in Höhe von 9.580,08 € bis zum 15.04.2005 soweit weiter laufender Zinsen aus 109.762,59 € in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.04.2005, 27,26 € für eine Kreditreform-Auskunft sowie weiteren Verzugsschaden in Höhe von 900,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.11.2004 zu zahlen.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Sie ist der Auffassung, die Klage sei bereits nach dem eigenen Sachvortrag der Klägerin unbegründet und aus Rechtsgründen abzuweisen. Die Voraussetzungen für eine Haftung aus § 25 HGB lägen hier erkennbar nicht vor. Neben der Firmenfortführung in tatsächlicher Hinsicht setze eine Haftung nach dieser Norm nämlich jedenfalls voraus, dass ein rechtsgeschäftlicher Erwerb der Firma vorliege. Dies sei vorliegend indessen nicht der Fall. Tatsächlich handele es sich um eine Neugründung. Beide Unternehmen existierten nach wie vor nebeneinander.
18Weder habe die Beklagte Aufträge der S2 GmbH übernommen, noch liege im Übrigen eine Übernahme des Unternehmens unter einer Firmenfortführung vor. Sämtliche Vertragsverhältnisse (Mietvertrag über Räumlichkeiten, Arbeitsverträge und Mietverträge sowie Leasingsverträge bezüglich der Firmenfahrzeuge) seien von der Beklagten neu abgeschlossen worden. Der Erwerb von Inventar und Mobiliar sowie von Kundendaten stelle keinen rechtsgeschäftlichen Erwerb eines Handelsgeschäfts dar. Noch heute existiere die S2 GmbH und habe auch in erheblichem Umfang Aktiva durch Prozesse geltend gemacht. Die Aktiva beliefen sich auf mehr als 100.000,00 €. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 30.01.2006 (Bl.## d.A.) Bezug genommen.
19Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe:
21Die Klage ist in vollem Umfang begründet.
22Nach Auffassung der Kammer haftet die Beklagte für die von der Firma S2 GmbH begründeten Forderungen gemäß § 25 HGB unter dem Gesichtspunkt der Firmenfortführung.
23Die Forderung aus Warenlieferungen sind unstreitig und wurden von der Firma S2 GmbH bislang nicht bezahlt.
24Die Beklagte führt die Firma der S2 GmbH fort.
25Nach ständiger Rechtsprechung kommt es für die Haftung nach § 25 Abs.1 S.1 HGB nicht auf eine wort- und buchstabengetreue Übereinstimmung zwischen alter und neuer Firma, sondern nur darauf an, ob nach der maßgeblichen Sicht des Verkehrs trotz vorgenommener Änderungen noch ein Fortführung der Firma vorliegt. Entscheidend ist mithin allein, ob der Verkehr die neue Firma noch mit der alten identifiziert. Wer den Eindruck der Verlautbarung einer Unternehmenskontinuität und die an sie anknüpfende Rechtsfolge der Haftungskontinuität vermeiden und auch nicht auf die Möglichkeiten des § 25 Abs.2 HGB zurückgreifen will, muss durch die Wahl einer eindeutigen anderen Firma für den nötigen Abstand von der alten sorgen und darf sich nicht an diese „anhängen". Nur einen besonderen Anwendungsfall dieser Regel stellt es dar, wenn der BGH in ständiger Rechtsprechung darauf hinweist, dass nicht durch Hinzufügung oder Weglassung eines auf einer Gesellschaft deutenden Zusatz die Firmengleichheit ausgeschlossen wird (vgl. insoweit nur BGH NJW 1992,911 f.).
26So liegt der Fall hier. Allein durch die Änderung der Firma dahingehend, dass statt der Anhängung des Wortes „Technik" an der den Firmeninhalt kennzeichnenden Gewerke Heizung und Sanitär nunmehr ergänzend noch auf das Gewerk Lüftung hingewiesen wird, wird der Charakter des Unternehmens letztlich nicht entscheidend geändert.
27Deutlicher, als die Beklagte dies auf der von ihr betriebenen Homepage im Internet selbst darstellt, kann dies nach Auffassung der Kammer letztlich nicht zum Ausdruck gebracht werden. Die Beklagte wirbt ganz eindeutig damit, dass ihr Unternehmen bereits seit 1992 erfolgreich auf dem Markt ist und seit 1996 in den Büroräumen im S-Platz in ##### O untergebracht ist. Deutlicher kann eine Firmenfortführung nicht zum Ausdruck gebracht werden.
28Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten liegen auch die weiteren Voraussetzungen für eine Haftung nach § 25 HGB hier vor. Entgegen der vereinzelt gebliebenen von der Beklagten zitierten Rechtsauffassung des OLG Dresden entspricht es nämlich der gefestigten Rechtsprechung, dass von einem Erwerb im Sinne des § 25 HGB bei jeder Unternehmensübertragung und -überlassung, gleich auf welchem Rechtsgeschäft sie beruht, auszugehen ist. Die Bestimmung des § 25 Abs. 1 HGB gilt nämlich auch dann, wenn ein Übernahmevertrag gar nicht geschlossen worden ist (vgl. nur BGH NJW 1984, 1186, OLG Düsseldorf NJW-RR 2000, 332f, OLG Frankfurt NJW 1980, 1397 f). Insoweit genügt die tatsächliche Übernahme und Fortführung des Handelsgeschäfts unter der bisherigen Firma durch den in Anspruch genommenen Dritten. Dazu reicht es aus, wenn das Handelsgeschäft in seinem wesentlichen Kern weiter betrieben wird. Entscheidend ist dabei allein die nach außen dokumentierte Kontinuität des in seinem wesentlichen Bestand fortgeführten Unternehmens, nicht aber das interne Vertragsverhältnis des früheren Inhabers zum Übernehmer (vgl. insoweit OLG Düsseldorf, a.a.O.).
29Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es dabei auch unerheblich, wenn die alte Firma noch Aktivprozesse fortführt (vgl. insoweit ausdrücklich OLG Frankfurt NJW 1980, 398). Insoweit kommt es vielmehr allein darauf an, ob im Geschäftsverkehr in einer solchen Art und Weise aufgetreten wird, das von einer Fortführung der Firma auszugehen ist.
30Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
31Die Beklagte versucht hier in unzulässiger Weise eine nach Auffassung der Kammer unnatürliche Aufspaltung der beiden Unternehmen in dem sie versucht darzustellen, die Firma S2 GmbH bestehe noch weiter, weil weiter Aktivprozesse geltend gemacht werden. Dies kann nach Auffassung der Kammer schlicht dahinstehen und für den vorliegenden Rechtsstreit als Wahrheit unterstellt werden. Entscheidend ist vielmehr folgendes:
32Die Firma S2 GmbH war im Sommer 2004 - wie der Geschäftsführer der Beklagten in dankenswerter Klarheit in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich anerkannt hat - auch insbesondere aufgrund des Drängens der Klägerin nicht mehr in der Lage, die Geschäfte fortzuführen, weil insoweit die wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt waren. Sie sah sich deswegen zunächst gezwungen, die Liquidation des Unternehmens zu beschließen - später mußte sogar Insolvenz angemeldet werden. Um die daraus folgenden negativen Folgen zu umgehen, wurde die Beklagte gegründet und hat dann in den Räumen der bisherigen S GmbH schlicht weitergemacht. Dabei kann es nach Auffassung der Kammer wiederum ausdrücklich dahinstehen, ob es dabei erforderlich war, neue Mietverträge, Arbeitsverträge und Leasingverträge abzuschließen. Entscheidend ist wiederum allein:
33Die früheren Mitarbeiter der S2 GmbH arbeiten nunmehr im gleichen Gewerk für die Beklagte. Sie benutzen dabei die gleichen Fahrzeuge, die früher von der S2 GmbH benutzt wurden und dies alles findet auch noch in den gleichen Räumen wie vorher statt, worauf die Beklagte – entsprechend dem bereits zuvor Gesagten - auch noch im Sinne einer Firmenhistorie stolz in ihrer Werbung hinweist.
34Nach Auffassung der Kammer würde es eine unerträgliche Umgehung des § 25 HGB darstellen, wenn man unter diesen Voraussetzungen dem Versuch der unnatürlichen Aufspaltung eines einzigen Unternehmens in zwei Rechtssubjekte folgen würde.
35Nach alledem bleibt daher nur mit der gebotenen Deutlichkeit festzustellen:
36Die Beklagte haftet der Klägerin für die von der Firma I GmbH begründeten Verbindlichkeiten nach § 25 HGB.
37Die zuerkannten Nebenansprüche ergeben sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges:
38Der hier geltend gemachte Zinsanspruch ist unstreitig; das Bestreiten der Beklagten betreffend die Forderungen für die Kreditreform-Auskunft ist unerheblich, nachdem sie ergänzenden Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 14.12.2005, in dem diese Forderung ausdrücklich anwaltlich versichert wurde, nicht mehr entgegen getreten ist.
39Der Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten ergibt sich aus dem Gesetz nach Änderung des RVG.
40Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet in § 709 ZPO.
41Streitwert: 109.762,59 €.
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