Beschluss vom Landgericht Bonn - 6 T 91/08
Tenor
Der angefochtene Beschluss und der Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts Bonn vom 07.04.2008 werden aufgehoben.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
1
G r ü n d e:
2I.
3Im Rechtsstreit ist die Beklagte zu 2.) zusammen mit dem Beklagten zu 1.) aus einem Mietverhältnis in Anspruch genommen worden, das durch Vertrag vom 21.02.2001 begründet worden ist. Es wurde u.a. darüber gestritten, ob die Beklagte zu 2.) Vertragspartnerin war und den Mietvertrag mit unterschrieben hat. Gegen den Beklagten zu 1.) ist am 01.08.2007 Teilanerkenntnisurteil ergangen. Nach Vernehmung des Zeugen X (früherer Beklagter zu 1.) zur Frage, ob die Beklagte zu 2.) den Mietvertrag mitunterzeichnet hat, hat das Amtsgericht einen Beweisbeschluss erlassen, wonach zu dieser Frage ein Schriftsachverständigengutachten eingeholt werden sollte. Nachdem der Kläger dann den Zeugen L nachbenannt hat, hat das Amtsgericht diesen vernommen, den Beweisbeschluss bezüglich des Sachverständigengutachtens nicht mehr ausgeführt und durch Schlussurteil vom 30.01.2008 die Beklagte zu 2.) als Gesamtschuldnerin mit dem Beklagten zu 1.) verurteilt. Am Ende der Entscheidungsgründe dieses Schlussurteils hat das Amtsgericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für die Beklagte zu 2.) aufgehoben und dies damit begründet, es stehe fest, dass die Beklagte zu 2.) den Mietvertrag mit unterschrieben habe, die Beklagte zu 2.) habe hinsichtlich der Frage der Unterschrift unter dem Mietvertrag vorsätzlich falsche Tatsachen behauptet bezw. wahre Tatsachen verschwiegen; es sei schlichtweg nicht vorstellbar, dass die Beklagte zu 2.) vergessen habe, zusammen mit dem Beklagten zu 1.) zur Hausverwaltung nach M gefahren zu sein und dort den Mietvertrag unterschrieben zu haben.
4Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde, mit der die Beklagte zu 2.) Aufhebung des im Urteil erfolgten Widerrufs der Prozesskostenhilfebewilligung erstrebt.
5Sie macht geltend, selbst wenn man davon ausgehen wolle, die Beweisaufnahme sei für sie ungünstig verlaufen, ergebe sich daraus nicht, dass sie die Voraussetzungen der Prozesskostenhilfebewilligung durch unrichtige Darstellung vorgetäuscht habe. Der Vorgang liege sieben Jahre zurück, mangelnde Erinnerung sei daher nicht unplausibel.
6Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde im wesentlichen mit der Begründung nicht abgeholfen, es sei lebensfremd, wenn die Beklagte behaupte, sie habe vergessen, ob sie den Vertrag unterzeichnet habe.
7II.
8Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Soweit es in ihr heißt, "lege ich" sofortige Beschwerde ein, ergibt sich schon aus der Begründung, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 2.) damit die Interessen der Beklagten zu 2.) und nicht eigene verfolgt.
9Die sofortige Beschwerde ist auch begründet, die Voraussetzungen für den Widerruf der Prozesskostenhilfebewilligung nach § 124 Nr. 1 ZPO liegen nicht vor.
10Der Umstand, dass das Schlussurteil nicht mit der Berufung angefochten worden und daher rechtskräftig geworden ist, soweit es Urteil ist, bindet die Kammer im Beschwerdeverfahren hinsichtlich des Widerrufs der Prozesskostenhilfebewilligung nicht.
11Es kann im Ergebnis gleichwohl dahinstehen, ob das Amtsgericht zu Recht zu dem Ergebnis kommen konnte, die Beklagte zu 2.) habe den Mietvertrag selbst mitunterschrieben. Für dieses Ergebnis spricht allerdings für sich betrachtet hinreichend klar nur die Aussage des Zeugen L. Es erscheint jedoch zumindest zweifelhaft, ob darauf das vom Amtsgericht gefundene Ergebnis tatsächlich gestützt werden konnte. Die vorliegenden Unterschriftsproben der Beklagten zu 2.), die teilweise allenfalls etwa zwei Jahre jünger sind als die Unterschrift unter dem Mietvertrag, weisen ausgesprochen geringe Ähnlichkeiten mit der Nachnamensunterschrift unter dem Mietvertrag auf, weichen vielmehr insoweit erheblich ab. Warum das Amtsgericht unter diesen Umständen den schon erlassenen Beweisbeschluss, gerichtet auf Einholung eines Schriftgutachtens, nicht ausgeführt hat, erschließt sich nicht. Immerhin ist es schon vorgekommen, dass eine von mehreren Zeugen als Urheber einer bestimmten Unterschrift bezeichnete Person durch ein Schriftsachverständigengutachten als Urheber der fraglichen Unterschrift positiv ausgeschlossen worden ist.
12Selbst wenn aber davon auszugehen wäre, dass die Beklagte zu 2.) den Mietvertrag mitunterschrieben hat, ergibt sich daraus schon nicht, dass sie vorsätzlich falsch das Streitverhältnis dargestellt hat. Es ist durchaus vorstellbar und auch nicht lebensfremd, dass die Beklagte zu 2.) rund sechs einhalb Jahre nach dem Vorgang die Unterschriftsleistung unter den Mietvertrag vergessen hat, wie sie behauptet. Dabei ist zu bedenken, dass der Zeuge X immerhin bekundet hat, die Beklagten seien damals sehr kurze Zeit "zusammen" gewesen und hätten zusammenziehen wollen, man habe die Wohnung gemeinsam besichtigt, sei auch gemeinsam zur Hausverwaltung gefahren, doch sei die Beklagte zu 2.) in die Wohnung dann nicht mit eingezogen, weil die Beklagten sich schon vorher getrennt hätten. Es mag sein, dass die Unterzeichnung eines Mietvertrages im allgemeinen ein nicht unbedeutendes Ereignis sein kann; gleichwohl ist es nachvollziehbar, wenn unter den genannten Umständen ein solcher Vorgang, der für das eigene weitere Leben letztlich jahrelang keine Bedeutung hatte, in Vergessenheit gerät.
13Dementsprechend kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Darstellung der Beklagten zu 2.), sich nicht erinnern zu können, den Mietvertrag unterschrieben zu haben, mit zumindest bedingtem Vorsatz unrichtig abgegeben worden ist. Bedingten Vorsatz in diesem Sinne hat eine Partei, die damit rechnet, bei wahrheitsgemäßem Vortrag keine oder nur in geringerem Umfang Prozesskostenhilfe zu erhalten (vgl. u.a. Zöller-Philippi, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 124 Rdnr. 6; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl. 2005, Rdnr. 836). Für einen auch nur bedingten Vorsatz der Beklagten zu 2.) in diesem Sinne spricht nach Aktenlage nichts.
14Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 127 Abs. 4 ZPO).
15Veranlassung zur Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht nicht.
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