Urteil vom Landgericht Bonn - 10 O 571/06
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin nimmt im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreites den Beklagten als ihren Maschinenversicherer in Anspruch.
3Dem Versicherungsverhältnis liegen ein Versicherungsantrag vom 22.10.1998 (BI. 71 d. A), die Police vom 20.11.1998 (BI. 73 d. A), der Erweiterungsversicherungsantrag vom 19.02.1999 (BI. 78 d. A) sowie die Versicherungspolice vom 22.03.1999 (BI. 79 d. A) zu Grunde.
4Die Klägerin ist Eigentümerin einer Mobilhäckselmaschine Typ $$$##/##$ die sie u.a. im Jahre 2003 aufgrund eines Auftrages der Fa. C GmbH zum Einsatz brachte. Zur Ausstattung der vorgenannten Häckselmaschine gehörte ursprünglich ein Metalldetektor. Dieser war jedoch bereits einige Zeit vor dem Einsatz des Gerätes für die C GmbH ausgefallen, was der Klägerin bekannt war.
5Am 31.03.2003 wurden die Häckselarbeiten unterbrochen, als durch eine im Häckselgut befindliche Metallstange der Mobilhacker zerstört wurde. Die Klägerin nahm daraufhin die Fa. C GmbH als Schädigerin in einem Rechtsstreit vor dem Landgericht Aachen - 11 O 402/03 - auf Schadensersatz in Anspruch, wobei die Parteien sich dort im Vergleichswege auf die Zahlung eines Betrages i.H.v. insgesamt 45.000,00 €, davon 25.000,00 € auf den materiellen Schaden und 20.000,00 € auf den Betriebsausfallschaden, verständigten. Auf den Vergleichsbeschluss des Landgerichts Aachen vom 20.02.2006 - 11 O 402/03 - (BI. 312, 312 R der Beiakte) wird Bezug genommen.
6Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.
7Die Klägerin behauptet, sie habe ihre Maschinen bei der Beklagten umfassend gegen Schäden und Gefahren versichern wollen, was insbesondere Gegenstand von Gesprächen mit dem damaligen Versicherungsagenten D gewesen sei. Die auf dem Versicherungsantrag vom 22.10.1998 angebrachten handschriftlichen Ergänzungen "MTV-Deckung" und ,,4 Promille x UF" seien im Nachhinein nach Unterzeichnung (und zwar nicht durch sie) angebracht worden.
8Tatsächlich liege hier auch ein Versicherungsfall im Sinne von § 2 Nr. 1 ABMG 92 vor, da der Schaden unvorhergesehen eingetreten sei. Insbesondere hätten sich die Mitarbeiter der Klägerin vor dem Einsatz des Gerätes mehrfach bei den Verantwortlichen der C GmbH nach der Zusammensetzung des Schnittgutes erkundigt.
9Für den Mobilhacker sei von einem Neuwert von 125.000,00 EUR auszugehen. Die Maschine habe eine Lebensdauer von ca. 20.000 Betriebsstunden, woraus sich ein Zeitwert zum Schadenszeitpunkt von 87.500,00 EUR ergebe.
10Die Klägerin beantragt,
11festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, im Rahmen der von der Klägerin bei ihm unterhaltenen Maschinen-Vollkaskoversicherung zur Versicherungs-Nummer $$##.###.###.# den der Klägerin am 31.03.2003 entstandenen Schaden an ihrem Mobilhacker $$$$ #/##$ auf der Grundlage der ABMG 92 bedingungsgemäß zu entschädigen.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Er behauptet, eine Maschinenvollkaskoversicherung sei schon gar nicht abgeschlossen worden. Ein Versicherungsfall liege nicht vor, da es sich nicht um einen unvorhergesehen eingetretenen Schaden handele, da das Gerät mit einem funktionstüchtigen Metalldetektor sofort und automatisch abgeschaltet worden wäre, wenn der Häcksler in ein massives Metallstück gerate. Jedenfalls deswegen scheitere die Klage auch an § 2 Nr. 5 lit. f) ABMG 92. Im übrigen verweist die Beklagte auf § 61 WG, da es grob fahrlässig gewesen sei, den Metalldetektor nicht zu reparieren, was auch unter dem Gesichtspunkt der §§ 33 - 25 WG hier zur Leistungsfreiheit führe.
15Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen und auf die Sitzungsniederschriften vom 24.04.2007 (BI. 136, 136 R), 23.07.2007 (BI. 181 - 185), 08.02.2008 (BI. 330 - 331),22.04.2008 (BI. 385 - 387) und vom 03.06.2008 (BI. 406 - 410) verwiesen.
16Die Akten des Rechtsstreits vor dem Landgericht Aachen - 11 O 402/03 - sind beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Die Kammer hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen L (BI. 181 R - 182), O M (BI. 182 - 183 R und 385 R - 386), K M (BI. 183 R - 185 und 386 - 386 R), P (BI. 386 R) und Q (BI. 406 - 409) sowie im allseitigen Einverständnis durch Verwertung der Aussage der mit unbekannter Anschrift nach B verzogenen Zeugin N vom 09.02.2004 vor dem LG Aachen (BI. 129 -130 d. Beiakte).
17Entscheidungsgründe:
18Die von der Klägerin betriebene Feststellungsklage ist zulässig aber unbegründet.
19A)
20Die Klage ist zulässig. Insbesondere steht der Klägerin ein besonderes Feststellungsinteresse zur Seite und sie braucht sich nicht auf eine unmittelbare Leistungsklage verweisen lassen, weil der Klägerin im Falle eines Deckungsanspruchs dem Grunde nach das Sachverständigenverfahren gem. § 13 Nr. 1 ABMG 92 noch offen stünde.
21B)
22Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn der Klägerin steht der ihrem Feststellungsbegehren zugrunde liegende Anspruch nicht zu, insbesondere nicht aus einer einzigen insoweit in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage gem. §§ 1, 49 WG a.F., 2 Nr. 1 AMBG 92.
23I.
24Insoweit kann dahin stehen, ob die Klägerin bezüglich der streitgegenständlichen Maschine überhaupt eine Vollversicherung und nicht nur eine Teilversicherung abgeschlossen hat, wovon die Kammer allerdings als Ergebnis der dazu zunächst durchgeführten Beweisaufnahme ausgegangen war.
25II.
26Denn die Klägerin hat den vom Versicherungsnehmer (VN) zu beweisenden Eintritt des Versicherungsfalls im Sinne der vereinbarten Bedingungen nicht beweisen können.
271.
28Nach § 2 Nr. 1 Sätze 1 und 2 ABMG 92 leistet der Versicherer Entschädigung nur für unvorhergesehen eintretenden Schaden an versicherten Sachen, wobei unvorhergesehen solche Schäden sind, die der VN oder sein Repräsentant weder rechtzeitig vorhergesehen haben noch mit dem für die im Betrieb ausgeübte Tätigkeit erforderlichen Fachwissen hätte vorhersehen können, wobei nur grobe Fahrlässigkeit schadet.
29Nach dem insoweit klaren Wortlaut dieser Klausel hat der Versicherungsnehmer als Anspruchsvoraussetzung zu beweisen, dass der Versicherungsfall unvorhergesehen eingetreten ist. Da es sich jedoch um einen Negativbeweis handelt ("unvorhergesehen", "weder - noch"), trifft den Versicherer die Substantiierungslast. Zur Schlüssigkeit genügt die - zunächst pauschale - Behauptung, weder der VN noch seine Repräsentanten hätten den Schaden rechtzeitig vorausgesehen, sie hätten ihn trotz (oder auch bei) Anwendung des objektiv erforderlichen Fachwissens nicht rechtzeitig vorhersehen können oder es treffe sie jedenfalls nicht der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit, weil sie ihn nicht rechtzeitig (also in einem Zeitpunkt, in dem sie den Schaden noch hätten abwenden können) vorhergesehen hätten. Trägt dann allerdings der Versicherer substantiiert vor, eine dieser Behauptungen sie unzutreffend, dann muss der VN, also hier die Klägerin, die dazu vorgetragenen Tatsachenbehauptungen oder die daraus gezogenen Schlüsse widerlegen, wobei ihn die Beweislast trifft. Die Würdigung, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, ist Sache des Gerichts (vgl. BGH, VersR 1981, 875, juris-Rz. 19; OLG Karlsruhe, VersR 2003, 1124, juris- Rz. 8; VoitlKnappmann, in: Prölss/Martin, WG, 27. Aufl., § 2 AMB 91/97 Rz. 10).
302.
31Diese Klausel ist gegenüber der Klägerin als Unternehmerin im Sinne des § 14 BGB und Formkauffrau im Sinne der §§ 6 Abs. 1 HGB, 13 Abs. 3 GmbHG auch wirksam.
32Zwar kommt gegenüber einem nicht kaufmännischen Versicherungsnehmer wegen der in der Klausel enthaltenen Abweichung bzgl. der Beweislast von § 61 WG a.F. die Unwirksamkeit gem. §§ 309 Ziff. 12, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB in Betracht (vgl. § 61 Rn. 24). Bei Unternehmern wird gem. § 310 Abs. 1 BGB Unwirksamkeit der nachteiligen Beweislaständerung gemäß § 307 Abs. 2 Satz 1 BGB nur dann angenommen, wenn ihnen in AGB der Beweis für Umstände übertragen wird, die im Verantwortungsbereich des Verwenders liegen, § 309 Nr. 12 a BGB.
33Das Vorhersehen des Schadens liegt aber im Verantwortungsbereich des Versicherungsnehmers. Auch sonst sind keine Umstände ersichtlich, die für eine Unangemessenheit der Regelung sprechen. (vgl. BGHZ 101, 172, 184, juris-Rz. 33; VoitlKnappmann, in: Prölss/Martin, WG, 27. Aufl., § 2 AMB 91/97, Rz. 11; Hansen, Beweislast und Beweiswürdigung im Versicherungsrecht, 1990, S. 233 f.)
343.
35Der Schaden ist nicht unvorhersehbar eingetreten. Unstreitig wussten die Klägerin bzw. ihre Organe, dass der Metalldetektor an der streitgegenständlichen Maschine nicht (mehr) funktionstüchtig war. Dies macht den eingetretenen Schaden der Zerstörung durch die Zuführung von Metall nach Einschätzung der Kammer in grob fahrlässiger Weise nicht unvorhersehbar", d. h. im Sinne der Auflösung der doppelten Verneinung .vorhersehbar" im Sinne der Bedingungen, es sei denn, die Klägerin bzw. ihre Mitarbeiter stellen sicher, wofür sie die Beweislast haben, dass vor jedem Einsatz der Maschine Klarheit über die Qualität und die Zusammensetzung des Schnittgutes herrscht, insbesondere, dass das Schnittgut frei von gefährlichen nicht häckselbaren Gegenständen, insbesondere Metallen ist, entweder indem das Schnittgut unmittelbar vor der Zuführung untersucht wird, oder aber dadurch, dass die Zusammensetzung des Schnittguts und die Historie seiner Verbringung zum aktuellen Lagerplatz zur Häckselung erfragt wird.
36Grobe Fahrlässigkeit setzt nämlich ein Verhalten des Versicherungsnehmers voraus, . von dem er wusste oder wissen musste, dass es geeignet war, den Eintritt des Versicherungsfalls oder die Vergrößerung des Schadens zu fördern. Dabei muss die Wahrscheinlichkeit des Schadens - und zwar gerade die des eingetretenen Schadens- offenkundig so groß sein, dass es ohne weiteres nahe lag, zur Vermeidung des Versicherungsfalles ein anderes Verhalten als das tatsächlich geübte in Betracht zu ziehen. Außerdem muss der Eintritt des Versicherungsfalles mit einem Aufwand an Kosten und Unbequemlichkeiten zu vermeiden gewesen sein, den eine nicht versicherte Person angesichts der Schadensgefahr normalerweise ohne weiteres in Kauf genommen hätte. Es muss sich also um mögliche, geeignete und zumutbare Maßnahmen handeln. Die Branchenüblichkeit eines Fehlverhaltens entlastet den VN nicht (vgl. Prölss, in: Prölss/Martin, WG, 27. Aufl., § 61 Rz. 11; Langheid, in: Römer/Langheid, WG, 2. Aufl., § 61 Rz. 43; jeweils m.w.N.)
37Angesichts des Ausfalls des Metalldetektors und der potentiell zerstörerischen Auswirkungen von Fremdkörpern, sollten diese dem Häcksler zugeführt werden, hätte eine nicht versicherte Person zur Vermeidung des Schadens daher entweder das konkrete Schnittgut vor der Zuführung in die Maschine untersucht, zumindest aber die genaue Herkunft und Historie des Schnittgutes bis zum aktuellen Lagerplatz erfragt, bevor das Schnittgut der Maschine zugeführt wird. Beide Maßnahmen erscheinen im Sinne der vorgenannten Definition auch möglich, geeignet und zumutbar.
38a)
39Eine Untersuchung des Schnittgutes vor der Einbringung in die Maschine durch Mitarbeiter der Klägerin hat unstreitig nicht stattgefunden.
40b)
41Die Klägerin hat jedoch nicht beweisen können, dass sie sich vor Einsatz der Maschine diese Gewissheit, insbesondere durch Nachfrage bei ihren Auftraggebern zur Zusammensetzung des Schnittgutes, verschafft hat. Ob solche Nachfragen letztlich getätigt worden sind, bleibt auch nach Durchführung der Beweisaufnahme für die Kammer, die sich dazu keine Überzeugung mit der dazu erforderlichen Sicherheit bilden konnte, offen, was zu Lasten der beweisbelasteten Klägerin geht.
42Für diese Überzeugung wäre im Sinne des § 286 ZPO erforderlich aber auch ausreichend gewesen, dass die Gesamtwürdigung aller Aussagen einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit bei der Kammer ergibt, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie jedoch völlig ausschließen zu müssen. Eine mathematische, jede Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ausschließende, von niemanden mehr anzweifelbare Gewissheit ist indessen nicht erforderlich. § 286 ZPO stellt nur darauf ab, ob der Richter selbst die Überzeugung von der Wahrheit einer Behauptung gewonnen hat. Der Tatrichter hat ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen die Entscheidung zu treffen, ob er die an sich möglichen Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann. Dabei ist bei einer Mehrzahl von Indizien bzw. Aussagen insbesondere eine zusammenfassende Würdigung und Gesamtschau erforderlich (BGH, RuS 2007, 59 f., juris- Rz. 12; BGH, NJW 2004, 777, juris-Rz. 9; BGH, RuS 1999, 247 f., juris-Rz. 10; BGH, NJW-RR 1996, 665 f., juris-Rz. 6; BGHZ 53, 245,255 f., juris-Rz. 72; OLG Köln, RuS 2006, 21 ff.).
43Diese Sicherheit konnte die Kammer jedoch bei der Abwägung der vorliegenden Zeugenaussagen dazu, ob Nachfrage zur Qualität des Schnittguts gehalten worden ist oder nicht, nicht erlangen.
44Zwar haben die von der Klägerin dazu aufgebotenen Zeugen, die Eheleute M so wie der Zeuge P, im Sinne des klägerischen Vortrags positiv ergiebig dahin bekundet, jeweils die Nachfragen beim Zeugen Q und der Zeugin N gehalten haben zu wollen, wobei allerdings die Genauigkeit und Bestimmtheit der Erinnerungen dieser Zeugen an die zum Zeitpunkt ihrer Vernehmung vor der Kammer bereits fünf Jahre alten Vorgänge, die zum damaligen Zeitpunkt jedenfalls bis zum Schadensereignis auch keine besonders wichtigen waren, auffällig war.
45Auch stehen den vorgenannten positiv ergiebigen Aussagen die jedenfalls nicht weniger glaubhaften Bekundungen der Zeugen Q und N entgegen.
46So hat der Zeuge Q bei seiner Aussage vor der Kammer - wenn auch unter Einräumung Zeitablauf bedingter möglicher Erinnerungslücken - bekundet, sich an solche Nachfragen seitens der Mitarbeiter der Klägerin nicht erinnern zu können. Zugleich hat der Zeuge Q nachvollziehbar bekundet, dass er eine solche Nachfrage nach der Qualität des Schnittgutes als ungewöhnlich betrachtet hätte, weil das Häckseln aus seiner Sicht Routine war.
47Auch die Zeugin N hat bei ihrer deutlich zeitnäheren Vernehmung vor dem Landgericht Aachen ausgeführt, mit ziemlicher Sicherheit ausschließen zu wollen, dass man sie im Rahmen der Telefonate oder auch bei anderer Gelegenheit nach der Qualität des Schnittgutes gefragt hätte. Eine solche Fragestellung wäre ihr nach ihrer Einschätzung in Erinnerung geblieben, weil sie das als unübliche Fragestellung empfunden hätte.
48C)
49Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen wegen der Kosten auf § 91 Abs. 1 ZPO und wegen der Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1 ZPO.
50Streitwert: 70.000,00 EUR
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