Urteil vom Landgericht Bonn - 10 O 502/09
Tenor
1.
Die Klage ist ordnungsgemäß erhoben.
2.
Das Landgericht Bonn ist international und örtlich zuständig.
1
T A T B E S T A N D:
2Die Klägerin, die bei dem Amtsgericht D in das Handelsregister eingetragen ist, macht gegen den Beklagten, der von Ende Januar 20## bis zu seiner Abberufung am ##.##.2006 ihr alleiniger Geschäftsführer war, Schadensersatzansprüche geltend.
3Der Beklagte ist Jischer und Gischer Staatsbürger mit Wohnsitz in R, der für die Klägerin seit dem ##.##.2006 tätige Geschäftsführer C ist Jischer und Lischer Staatsbürger mit Wohnsitz vormals in L und nunmehr in J. Alleingesellschafterin der Klägerin war jedenfalls bis zum ##.07.2006 die in R ansässige Firma T ## (im Folgenden: T), deren Hauptgesellschafter der Zeuge B2 (der Sohn des Geschäftsführers der Klägerin) war; Minderheitsgesellschafter war der Beklagte zu 25 %. Mit in R geschlossenem privatschriftlichem Vertrag vom ##.07.2006 (Anlage K2) trat T ihre Anteile an der Klägerin komplett an den jetzigen Geschäftsführer der Klägerin ab. Der Beklagte macht diesbezüglich Formunwirksamkeit geltend (Bl.## f d.A.).
4Die Klägerin macht zunächst Rückzahlung von 25.000,00 € geltend, welche der Beklagte unstreitig dem Gesellschaftsvermögen der Klägerin wie folgt entnommen hat:
5- am 23.03.2005 5.000,00 €
6- am 20.06.2005 2.000,00 €
7- am 25.07.2005 2.000,00 €
8- am 13.09.2005 2.000,00 €
9- am 27.10.2005 5.000,00 €
10- am 21.11.2005 4.000,00 €
11- am 07.12.2005 5.000,00 €
12insgesamt 25.000,00 €
13Auf die als Anlage K3 zur Klageschrift zu den Akten gereichte Auswertung des Buchhaltungskontos ### der Klägerin wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
14Weiterer Klagegegenstand ist eine auf Zahlung von 3.960,90 € gerichtete Forderung der Klägerin gegen den Beklagten wegen nicht fristgemäßer Leistung fälliger Wohngeld- bzw. Wohngeldvorauszahlungen an eine Wohnungseigentümergemeinschaft (im folgenden WEG), welcher die Klägerin angehörte. In einer Wohnungseigentümerversammlung dieser WEG vom ##.03.2005 wurde eine Sonderumlage beschlossen, woraus sich für die Klägerin ursprünglich eine Zahlungsverpflichtung von 33.345,00 € ergab. Diese wurde in einer weiteren Versammlung vom ##.03.2005 reduziert mit der Folge, dass sich die gegen die Klägerin gerichtete Forderung auf 27.361,75€ ermäßigte. In der letztgenannten Versammlung gleichfalls beschlossen wurde eine Nachzahlungsverpflichtung der Klägerin betreffend Wohngeld für das Jahr 2005 in Höhe von insgesamt 30.524,23 €. Auf die letztgenannte Position wurden auf Veranlassung des Beklagten am ##.04.2006, also einen Tag vor seiner Abberufung als Geschäftsführer, 10.685,50 € gezahlt. Desweiteren blieb die Klägerin gegenüber der WEG Wohngeldvorauszahlungen für die Monate Januar bis Mai 2006 in Höhe von insgesamt 31.023,00 € schuldig. Wegen der Einzelheiten wird auf den als Anlage K5 zur Klageschrift zu den Akten gereichten Schriftsatz der anwaltlichen Bevollmächtigten der WEG vom ##.07.2006 Bezug genommen, mit welchem diese ein vorausgegangenes Mahnverfahren (Mahnbescheid vom ##.06.2006, Anlage K4) in ein streitiges, gegen die Klägerin gerichtetes, Verfahren überführt haben. Darin sowie in den diesem Schreiben beigefügten Anlagen, auf die ebenfalls Bezug genommen wird, berücksichtigt war eine weitere Zahlung der Klägerin – nach Zustellung des Mahnbescheides – in Höhe von 10.000,00 € am ##.06.2006. Mit Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 20.11.2006 (Anlage K6) wurde die Klägerin antragsgemäß zur Zahlung einschließlich der geltend gemachten Zinsen verpflichtet. Hinsichtlich der Zinsforderung konnte sich die Klägerin in der Folgezeit mit der WEG dahin verständigen, dass diese nur hälftig zu begleichen war. Damit verblieb eine Forderung der WEG in Höhe des nunmehr streitgegenständlichen Betrages von 3.960,90 € (1.789,43 € hälftiger Zinsbetrag sowie 2.171,47 € Rechtsanwaltskosten) hinsichtlich der Nebenforderungen. Jedenfalls dieser mit Schreiben der anwaltlichen Vertreter der WEG vom ##.11.2006 angeforderte Betrag von 3.960,90 € (Anlagen K7 bis K9) wurde in der Folgezeit durch die Klägerin gezahlt (Anlage K10). Aus der dem Aufforderungsschreiben vom ##.11.2006 beigefügten Forderungsaufstellung ergibt sich, dass Zinsen von der WEG frühestens ab ##.11.2006 geltend gemacht waren.
15Weiterhin nimmt die Klägerin den Beklagten auf Erstattung einer Vertragsstrafe in Höhe von 200.000,00 € in Anspruch, welche die Klägerin im Zusammenhang mit einem Grundstückskaufvertrag an die Q AG hatte zahlen müssen. Die Klägerin hatte mit notariellem Kaufvertrag vom ##.06.2004 (Anlage K11) Wohnungseigentum für 4,6 Mio. Euro erworben. Hinsichtlich eines Kaufpreisrestes von 3.680.000,00 € war vereinbart, dass im Fall der Nichtzahlung bei Fälligkeit durch die Klägerin sich der insgesamt zu zahlende Kaufpreis um 200.000,00 € erhöhen sollte. Unstreitig war der Restkaufpreis am ##./##.06.2005 fällig, ohne dass er bis zu diesem Datum beglichen wurde. Mit Schreiben vom ##.02.2005 hatte die Q, die Zessionarin der Kaufpreisverpflichtung der Klägerin, eine Stundung des Restkaufpreises für ein weiteres Jahr unter Vorbehalt in Aussicht gestellt (Anlage B8). Nach sich hinziehenden Verhandlungen hatte die Q mit – in englisch verfasstem – Schreiben an den Beklagten vom ##.12.2005 (Anlage B11) eine dahingehende Vereinbarung bestätigt, unter bestimmten Voraussetzungen, wozu eine Reduzierung der Restschuld auf 3 Mio. Euro bis zum ##.02.2006 gehörte, eine Kreditfinanzierung dieses Kaufpreisrestes zu prüfen. Im Zuge dieser angestrebten Reduzierung forderte der Beklagte den Mehrheitsgesellschafter der Firma T, den Zeugen B2, mit Schreiben vom ##.01.2006 (Anlage B1) auf, einen hierzu noch fehlenden Teilbetrag von 160.000,00 € innerhalb einer Frist von höchstens 8 Tagen zu zahlen. Mit Antwortschreiben vom ##.01.2006 (Anlage B2) erklärte der Zeuge B2, nach Rücksprache mit der Q, dort dem Zeugen S, sei diese Zahlung nicht dringlich.
16Schließlich verlangt die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 10.000,00 € mit der Begründung, durch das vorgeschilderte Verhalten habe der Beklagte den Ruf und das Ansehen der Klägerin sowie deren Bonität geschädigt.
17Nach Eingang der vorliegenden Klage nebst Anlagen bei dem Landgericht Bonn am ##.12.2009 ist die Klägerin aufgefordert worden, mitzuteilen, welche Form der Zustellung gewünscht wird und ob der Beklagte die deutsche Sprache versteht. Auf diesen Hinweis, bei den Klägerbevollmächtigten eingegangen am ##.01.2010, ist durch diese mit eMail vom ##.01.2010 bei der Klägerin entsprechende Nachfrage gehalten worden. Unter dem ##.02.2010 ist nach erfolgter Rücksprache eine Übersetzung der Klageschrift in die englische Sprache veranlasst worden, welche unter dem ##.02.2010 dem Landgericht Bonn, dort eingegangen am ##.02.2010, zur Verfügung gestellt worden ist. Auf Rückfrage des Gerichts vom ##.02.2010 hin, welche Form der Zustellung gewünscht werde, verbunden mit der Auflage, ggfls. einen Auslagenvorschuss in Höhe von 150,00 € einzuzahlen, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 01.03.2010, eingegangen bei Gericht am 04.03.2010, mitgeteilt, den Auslagenvorschuss angewiesen zu haben und gebeten, die Zustellung per Einschreiben gegen Rückschein vorzunehmen. Am 15.04.2010 erfolgte die Absendung der Klageschrift in englischer Sprache mit den Anlagen in deutscher Sprache durch das Landgericht Bonn. Die Zustellung erfolgte am 04.05.2010 (Bl.## d. A.).
18Die Klägerin ist der Auffassung, die Zustellung der Klage sei wirksam erfolgt. Dem Beklagten stehe, abgesehen davon, dass ein solches bislang mangels Rücksendung der Klageschrift nicht ausgeübt sei, kein Annahmeverweigerungsrecht nach Art. 8 Abs.1 EGVO Nr.1393 aus 2007 zu, da er hinreichende Englischkenntnisse habe. Die Klägerin verweist insoweit insbesondere auf die von dem Beklagten herrührende in englischer Sprache verfasste eMail vom ##.04.2006 (Anlage K14, Bl.## d. A.) sowie eine an diesen gerichtete eMail vom ##.04.2006 (Anlage K14, Bl.## d. A.), ebenfalls in englischer Sprache.
19Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang auch an weitere an den Beklagten in englischer Sprache gerichtete Schreiben (von diesem selbst als Anlagen B3 bis B6 vorgelegt). Die Klägerin ist weiter der Auffassung, auch hinsichtlich der der Klageschrift beigefügten Anlagen bestehe kein Annahmeverweigerungsrecht des Beklagten, obgleich diese in deutscher Sprache beigefügt gewesen seien. Die Belehrung über das Annahmeverweigerungsrecht sei jedenfalls, so meint die Klägerin, wirksam erfolgt. Zumindest sei durch den Zugang bei dem deutschen Prozessbevollmächtigten des Beklagten eine Heilung nach § 189 ZPO erfolgt.
20Das Landgericht Bonn sei, so meint die Klägerin, nach Art.5 Ziff.1b EuGVVO auch international zuständig, hinsichtlich der Geldentnahmen und der Rufschädigung zu dem auch aufgrund Art.5 Ziff.3 EuGVVO. Nach seinem eigenen Vortrag habe der Beklagte, so die Auffassung der Klägerin, die Geschäftsführung nicht nur in R ausgeübt, sondern zu einem erheblichen Teil auch am Buchsitz der Klägerin in D. Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang auf die von dem Beklagten selbst vorgelegt Aufstellung seiner Reisen für die Klägerin im Jahr 2005, woraus sich über 30 Geschäftstermine, überwiegend in Deutschland, entnehmen lassen. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Mitarbeiter der am Sitz der Klägerin ansässigen Steuerberatungskanzlei X & Kollegen in Vertretung für den Beklagten als Geschäftsführer die Post der Klägerin entgegen genommen und für den Beklagten in Erfüllung der ihm obliegenden Geschäftsführertätigkeit sämtliche an die Klägerin gerichteten Rechnungen bearbeitet sowie über dies einen Zahlungsplan erstellt haben. Von einer konkludenten Sitzverlegung nach R könne daher keine Rede sein. Aus diesen Gründen sei eine Berufung auf Zuständigkeit des Landgerichts Bonn auch nicht rechtsmissbräuchlich. Hervorzuheben sei in diesem Zusammenhang schließlich, dass sich der Beklagte – bislang unwidersprochen – regelmäßig zu Besprechungen mit den Zeugen X und I in D aufgehalten habe, wobei diese Besprechungen durchgehend in englischer Sprache geführt worden seien, dies über mehrere Stunden.
21Die Klägerin stützt den geltend gemachten Schadensersatzanspruch auf § 43 Abs. 2 GmbHG sowie hinsichtlich der Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen sowie der Rufschädigung zusätzlich auf § 823 Abs.2 BGB i.V.m. § 246 StGB (Geldentnahmen) sowie auf § 823 Abs.1 BGB (Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb hinsichtlich der Rufschädigung).
22Hinsichtlich der Geldentnahmen in Höhe von insgesamt 25.000,00 € stellt die Klägerin die hierzu von dem Beklagten vorgetragene Berechtigung in Abrede. Insbesondere die in diesem Zusammenhang von dem Beklagten angeführten Reisekosten stünden in keinerlei Zusammenhang mit dessen Tätigkeit als Geschäftsführer der Klägerin.
23Die der Klägerin aufgrund der verspätet gezahlten Wohngelder und Wohngeldvorauszahlungen entstandenen Kosten in Höhe von 3.960,90 € beruhten ebenfalls auf einem pflichtwidrigen und schuldhaften Verhalten des Beklagten. Es sei seine Sache als Geschäftsführer gewesen, für eine rechtzeitige Zahlung Sorge zu tragen, so dass die streitgegenständlichen Nebenforderungen nicht angefallen wären. Insbesondere habe der Beklagte auch pflichtwidrig den Versuch unterlassen, gegenüber der WEG ggfls. eine Stundung zu erreichen, wozu diese grundsätzlich bereit gewesen wäre, bzw. die Alleingesellschafterin der Klägerin über die ausstehenden Forderungen zu informieren, um ggfls. eine Zahlung durch die Alleingesellschafterin, welche hierzu auch in der Lage gewesen wäre, zu bewirken. Auch wäre eine Darlehensfinanzierung in Betracht gekommen.
24Desweiteren habe der Beklagte den Anfall der Vertragsstrafe in Höhe von 200.000,00€ schuldhaft und pflichtwidrig verursacht. Der Beklagte hätte hier entweder, so meint die Klägerin, eine Stundungsvereinbarung abschließen oder eine Zwischenfinanzierung vornehmen können und müssen. Möglich gewesen wäre auch eine fristgemäße Zahlung über die Alleingesellschafterin durch Einschaltung des Zeugen B2, welche nicht erfolgt sei.
25Die Klägerin beantragt,
26den Beklagten zu verurteilen, an sie 238.960,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
27Der Beklagte beantragt,
28die Klage abzuweisen.
29Er ist der Auffassung, bislang fehle es an einer wirksamen Zustellung der Klage. Dies ergebe sich zum einen daraus, dass er zu Recht mit Schriftsatz vom ##.05.2010 die Annahmeverweigerung erklärt habe, was auch gegenüber der Übermittlungsstelle, dem Landgericht Bonn, möglich sei. Der Beklagte spreche nicht hinreichend gut englisch, um die Klageschrift in dieser Sprache genügend verstehen zu können. Vor Aushändigung der Klage durch die Post sei er auch nicht darüber unterrichtet worden, dass er die Zustellung verweigern könne, wenn keine Übersetzung der Klage beigefügt sei, dies in einer Sprache, die er verstehe. Da eine solche Belehrung erst in dem zugestellten Schriftstück selbst enthalten gewesen sei, sei er davon ausgegangen, dass er nach Entgegennahme das Schreiben nicht mehr mangels Übersetzung zurücksenden könne. Hinzu komme, dass auch ein Großteil der Anlagen lediglich in deutscher Sprache beigefügt gewesen seien, was unstreitig ist. Zudem sei er nicht korrekt über sein Annahmeverweigerungsrecht belehrt worden. Die ihm übermittelte Belehrung habe noch Art.8 VO (EWG) 1348/2000 entsprochen, die durch die EG-Verordnung Nr.1393/2007 überholt war. Die Belehrung habe nicht den Hinweis enthalten, dass das Schriftstück auch noch binnen einer Woche nach Zustellung zurückgesandt werden könne. Eine Heilung nach §189 ZPO sei im Bereich des Art.8 EGVO 1393/2007 nicht zulässig.
30Der Beklagte meint weiter, das Landgericht Bonn sei nicht nach Art.5 Ziff.1 EuGVVO zuständig. Abzustellen sei nicht auf den Registersitz D der Klägerin, sondern auf den tatsächlichen Verwaltungssitz der Gesellschaft, welcher sich in R befunden habe, dies jedenfalls zur Zeit der Geschäftsführertätigkeit des Beklagten. Es sei insoweit von einer stillschweigenden Sitzverlegung auszugehen, weil am Sitz der Gesellschaft in D keine nennenswerte Tätigkeit entfaltet worden sei. Er, der Beklagte, habe das Tagesgeschäft der Gesellschaft mittels Korrespondenz und Telefonkontakt von R aus abgewickelt. Nur gelegentlich sei er nach D und M gefahren, um sich mit Geschäfts- und Vertragspartnern der Klägerin in deren Büros zu treffen. Der Beklagte verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die Zeugen X und I auch die an die Klägerin gerichtete Post in Empfang genommen und an seine R Adresse nachgesendet haben. Hierbei haben sie ihm unstreitig auch jeweils mitgeteilt, welche Rechnungen für die Klägerin zu zahlen waren und ihm entsprechende Kopien geschickt. Schließlich haben sie auch für den Beklagten einen Zahlungsplan mit genauer Auflistung aller für die Klägerin auszuführenden Zahlungen gefertigt und ihm überlassen. Der eingetragene Sitz der Klägerin, so meint der Beklagte, sei mithin ein bloßer "Briefkastensitz" gewesen. Dazu bezieht sich der Beklagte insbesondere auf die vorgelegten Anlagen B1 bis B24. Insbesondere verweist er darauf, dass er auch fast alle Zahlungen für die Klägerin mittels Online-Überweisungen angewiesen habe, und nur einige Zahlungen, etwa an das Maklerbüro N Immobilien, in bar abgewickelt hat und zu diesem Zweck jeweils nach Deutschland gefahren ist, was ebenfalls zwischen den Parteien unstreitig ist.
31Angesichts dessen und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich bei der Alleingesellschafterin der Klägerin ebenfalls um eine Gische Gesellschaft mit Sitz in R handelte, sei die Berufung der Klägerin auf eine Zuständigkeit des Landgerichts Bonn, so meint der Beklagte, auch rechtsmissbräuchlich. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass er sich mit dem Mehrheitsgesellschafter der Alleingesellschafterin der Klägerin, dem Zeugen B, stets auf Gisch verständigt habe und auch der nunmehrige Geschäftsführer der Klägerin keinen näheren Bezug zu Deutschland, weder mit Rücksicht auf die Sprache, noch seinen Wohnsitz, habe.
32In der Sache sieht sich der Beklagte nicht zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet.
33Soweit die Klägerin Schadensersatz wegen unberechtigter Geldentnahmen verlangt, beruft sich der Beklagte bezüglich der Entnahmen vom ##.03.2005 in Höhe von 5.000,00 €, vom ##.06.2005 in Höhe von 2.000,00 € und vom ##.07.2005 in Höhe von ebenfalls 2.000,00 € auf Verjährung. Unabhängig hiervon seien sämtliche Entnahmen in Höhe von 25.000,00 € gerechtfertigt gewesen. Im Zusammenhang mit seiner Geschäftsführertätigkeit für die Klägerin seien ihm im Jahr 2005 Aufwendungen in Höhe von rund 19.000,00 € entstanden. Er sei außer Stande, sich heute noch an Einzelheiten zu erinnern. Die entsprechenden Unterlagen seien bei der Steuerberatungsgesellschaft der Klägerin, welcher durch die Klägerin untersagt worden sei, diese ihm, dem Beklagten, zur Kenntnis zu geben. Jedenfalls habe er mit den streitgegenständlichen Beträgen einer Rechnung des Maklerbüros N Immobilien vom ##.07.2005 über 6.380,00 € bezahlt, und zwar in zwei Teilbeträgen im September und Oktober 2005, dies mit den Auszahlungen vom ##.09.2005 über 2.000,00 € und vom ##.10.2005 über 5.000,00 € an ihn (Anlage B10). Desweiteren habe er eine Rechnung über 6.835,46 €, ebenfalls wohl von dem Maklerbüro N, gerichtet an die Klägerin, in bar beglichen. Weiterhin habe er eine Rechnung einer Firma U an die Klägerin über 1.200,00 € in bar gezahlt, und zwar am ##.07.2005. Schließlich seien ihm Reise- und Hotelkosten in Höhe von rund 4.530,50 € entstanden. Darüber hinaus habe er für das Jahr 2005 einen Anspruch auf Vergütung seiner Geschäftsführertätigkeit gehabt und aufgrund dessen zumindest einen Teilbetrag in Höhe von 6.000,00€ berechtigterweise an sich ausgezahlt. Zum Beleg verweist der Beklagte auf den Jahresabschluss 2005 (Anlage B26), wonach – wie es dort heißt, nach seinen Angaben – im Jahr 2005 an ihn keine Geschäftsführervergütung ausgezahlt worden ist.
34Hinsichtlich der der Klägerin entstandenen Kosten von 3.960,90 € wegen zu spät gezahlter Wohngelder bzw. Wohngeldvorauszahlungen falle ihm weder eine Pflichtverletzung, noch ein Verschulden zur Last. Zum einen sei es so gewesen, dass zu entsprechenden Zahlungen schlichtweg das Geld gefehlt habe. Auch sei die Alleingesellschafterin schon aufgrund der Tatsache, dass er, der Beklagte, auch deren Geschäftsführer gewesen sei, stets hinreichend informiert gewesen. Zudem habe er die Herren C beide auch laufend über alle Angelegenheiten informiert gehabt. Auch die Alleingesellschafterin der Klägerin hätte entsprechende Zahlungen nicht zu leisten vermocht. Auch habe er, der Beklagte, sich durchaus um Stundungen bemüht, dies allerdings vergeblich. Schließlich sei der zeitliche Zusammenhang zu berücksichtigen, woraus sich ergebe, dass ihm, dem Beklagten, die ihm nun gesonnenen Zahlungen bis zu seiner Abberufung am ##.04.2006 überhaupt nicht möglich gewesen seien – dies über die am ##.04.2006 geleistete Teilzahlung von 10.685,50 €, die unstreitig ist, hinaus.
35Entsprechend gelte hinsichtlich der Vertragsstrafe von 200.000,00 €. Eine fristgerechte Zahlung des Restkaufpreises von 3.680.000,00€ sei angesichts der fehlenden finanziellen Mittel trotz aller Bemühungen nicht möglich gewesen, dies eben so wenig wie eine Stundung, um welche er sich bemüht habe. Der Zeuge B2 habe sich sogar geweigert, mit einem Betrag von 160.000,00 € einzuspringen.
36Eine Rufschädigung der Klägerin falle ihm schließlich nicht zur Last.
37Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
38E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E:
39Die Klage ist zulässig.
40Sie ist insbesondere ordnungsgemäß erhoben.
41Die Klageschrift ist dem Beklagten wirksam am 04.05.2010 in R zugestellt worden.
42Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte die Annahme der Klageschrift nach Art. 8 Abs. 1 EG-VO Nr. 1393/2007 wirksam verweigert hat oder hätte verweigern können, ob er über ein derartiges Annahmeverweigerungsrecht wirksam belehrt worden ist und ob diesbezüglich eine Heilung nach § 189 ZPO erfolgt ist.
43Denn nach Aktenlage stand dem Beklagten ein Annahmeverweigerungsrecht nach der vorbezeichneten Vorschrift nicht zur Seite. Vielmehr ist davon auszugehen, daß er über hinreichende Kenntnisse der englischen Sprache verfügte, in welcher die Klageschrift abgefaßt war.
44Der EuGH hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, "dass der Empfänger eines zuzustellenden verfahrenseinleitenden Schriftstücks nicht berechtigt ist, dessen Annahme zu verweigern, sofern es diesen Empfänger in die Lage versetzt, im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens im Übermittlungsmitgliedsstaat seine Rechte geltend zu machen". Die Überprüfung dieser Voraussetzungen sei Sache des nationalen Gerichtes. Der EuGH führt dies präzisierend dahin aus, dass das verfahrenseinleitende Schriftstück es dem Empfänger erlauben muss, "den Gegenstand und die Begründung des Rechtsbehelfs … zu verstehen und zu erkennen, dass ein gerichtliches Verfahren besteht, in dessen Verlauf er seine Rechte dadurch geltend machen kann, dass er sich in einem laufenden Verfahren verteidigt …….". Zwar begründet, so der EuGH weiter, die Unterzeichnung einer Klausel, die den Gebrauch einer bestimmten Sprache im Schriftverkehr und bei der Durchführung eines Vertrages vorsieht, keine Vermutung für Kenntnisse in der vereinbarten Sprache. Hierbei handele es sich jedoch um einen Anhaltspunkt für die Kenntnis dieser Sprache. Dieser Anhaltspunkt könne durch weitere Anhaltspunkte verstärkt werden, "etwa den, dass der Empfänger des Schriftstücks tatsächlich in der Sprache des zugestellten Schriftstücks korrespondiert…." (EuGH (3.Kammer), Urteil vom 08.05.2008 –C-14/07-, NJW 2008, 1721ff).
45So liegt die Sache hier. Der Beklagte räumt selbst ein, "zwar ein wenig" englisch zu sprechen und in der Lage zu sein "in dieser Sprache über unkomplizierte Sachverhalte in kurzen Schreiben zu kommunizieren". Der Beklagte gesteht weiter zu, gelegentlich auf englisch zu korrespondieren. Dies steht in Übereinstimmung mit der Aktenlage des vorliegenden Verfahrens. Hierzu ist insbesondere auf die eMail des Beklagten vom ##.04.2006 (Anlage K14, Blatt ##) sowie sein Schreiben vom ##.12.2005 (Anlage K15, Blatt ## der Akten) zu verweisen, die beide in englischer Sprache verfaßt sind. Diese Schreiben haben teilweise komplexe geschäftliche Sachverhalte zum Gegenstand. Ein durchgreifender Unterschied im Schwierigkeitsgrad zu der Klageschrift des vorliegenden Verfahrens ist nicht ersichtlich. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Beklagte beispielsweise das Schreiben in Anlage K14 mit Hilfe einer englischsprachigen Sekretärin verfaßt hat. Jedenfalls trägt dieses Schreiben seine Unterschrift mit der Folge, daß er mit diesem nach außen hin im Geschäftsleben in Erscheinung getreten ist. Desweiteren ist auf die an den Beklagten in englischer Sprache gerichteten eMails, Faxschreiben und Schreiben zu verweisen, die von ihm selbst als Anlagen B3 bis B6, B9 und B11 zu den Akten gereicht worden sind. Der Beklagte hat diese Schreiben teilweise handschriftlich mit eigenen Anmerkungen versehen, was auf ein Verständnis ihres Inhaltes hindeutet. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin hat der Beklagte desweiteren bei der Steuerberatung V in D intensive Gespräche in englischer Sprache geführt.
46Die Zustellung der Klage ist auch nicht unwirksam, weil die Anlagen unstreitig überwiegend nur auf Deutsch beigefügt waren. Hierzu hat der EuGH in der vorgenannten Entscheidung ausgeführt:
47"…dass Beweisunterlagen, die lediglich eine Beweisfunktion haben und insofern nicht ihrem Wesen nach mit der Klageschrift zusammenhängen, als sie für das Verständnis des Gegenstandes und des Grundes der Klage nicht unerlässlich sind, kein integrierender Bestandteil der Klage sind".
48Im Leitsatz heißt es:
49"…dass der Empfänger eines zuzustellenden verfahrenseinleitenden Schriftstücks nicht berechtigt ist, dessen Annahme zu verweigern, sofern es dessen Empfänger in die Lage versetzt, im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens im Übermittlungsmitgliedsstaat seine Rechte geltend zu machen, wenn diesem Schriftstück Anlagen beigefügt sind, die aus Beweisunterlagen bestehen, die nicht in der Sprache des Empfangsmitgliedsstaates oder einer Sprache des Übermittlungsmitgliedsstaates, die der Empfänger versteht, abgefasst sind, aber lediglich Beweisfunktion haben und für das Verständnis von Gegenstand und Grund des Antrags nicht unerlässlich sind."
50Genauso liegt die Sache vorliegend bei den Anlagen zur Klageschrift.
51Die der Klageschrift beigefügten Anlagen sind zum Verständnis des Grundsachverhaltes, auf den die geltend gemachten Ansprüche gestützt sind, nicht zwingend erforderlich, sondern stellen Beweisunterlagen im Sinne der vorgenannten Entscheidung des EuGH da.
52Das Landgericht Bonn ist nach Art. 5 Ziffer 1 b EuGVVO auch international sowie nach § 17 ZPO auch örtlich zuständig.
53Art. 5 Ziffer 1 b EuGVVO stellt für die Zuständigkeit bei vertraglichen Ansprüchen darauf ab, wo die streitgegenständliche Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre (Ziffer1 a) und konkretisiert dies für die Erbringung von Dienstleistungen, wie vorliegend, dahin, daß es darauf ankommt, wo diese nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen (Ziffer 1b). Entsprechend den zutreffenden Ausführungen der Klägerin handelt es sich bei der Geschäftsführertätigkeit des Beklagten um eine diesbezügliche Dienstleistung, wobei auch für die vorliegend geltend gemachten Sekundäransprüche aus der Verletzung vertraglicher Primäransprüche auf den Erfüllungsort abzustellen ist. Erfüllungsort ist insoweit der Sitz der Gesellschaft, vorliegend der Klägerin (BGH, Urteil vom 26.11.1984, II ZR 20/84, NJW 1985, 1286, 1287).
54Sowohl Art. 60 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 (EuGVVO), wie auch § 17 Abs. 1 ZPO stellten für die Frage des Sitzortes in erster Linie auf ihren satzungsmäßigen Sitz ab. Dieser ist bei der Klägerin D, wo sie auch in das Handelsregister eingetragen ist. Soweit der Beklagte stattdessen auf einen in R, dem Wohnsitz des Beklagten, befindlichen Verwaltungssitz der Klägerin abstellen will, vermag die Kammer ihm nicht zu folgen. Hierbei läßt die Kammer nicht außer Acht, daß in besonderen Fällen auf einen vom Registersitz einer Gesellschaft abweichenden tatsächlichen Verwaltungssitz abzustellen sein mag, beispielsweise bei der Bestellung eines dauernd im Ausland lebenden Ausländers zum Geschäftsführer, wenn zugleich keine oder keine nennenswerte Tätigkeit am Registersitz festzustellen ist. So liegt die Sache hier aber gerade nicht. entgegen der Auffassung des Beklagten ist in diesem Zusammenhang nicht darauf abzustellen, wo der Geschäftsführer jeweils die unternehmerischen Entscheidungen trifft. Dies würde die Sitzfrage in nicht hinnehmbarer Weise relativieren, denn es wäre insoweit angesichts der heutigen Kommunikationsmittel stets auf den Ort abzustellen, wo sich der Geschäftsführer gerade aufhält. Vielmehr kommt es darauf an, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführerakte umgesetzt werden (Zöller/Vollkommer, ZPO 28. Aufl., § 17 RZ 10 m.w.N). Damit wird ein objektives, von außen erkennbares Kriterium zugrundegelegt.
55Hiervon ausgehend kann gerade nicht festgestellt werden, das der Beklagte zur Zeit seiner Geschäftsführung der Klägerin die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung nur in R effektiv in laufende Geschäftsführertätigkeit umgesetzt hat. Dies war vielmehr auch, wenn nicht sogar überwiegend, jedenfalls – worauf es ankommt – soweit von außen erkennbar, auch in D der Fall. Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang zu Recht nicht nur auf die nicht nur von dem Beklagten selbst vorgelegte Aufstellung seiner Reisen für die Klägerin im Jahr 2005, woraus sich über 30 Geschäftsermine, überwiegend in Deutschland, entnehmen lassen. Insbesondere zu berücksichtigen ist auch, daß die Mitarbeiter einer am Sitz der Klägerin ansässigen Steuerberatungskanzlei im Auftrag des Beklagten auch die Post der Klägerin entgegengenommen, für ihn in Erfüllung der ihm obliegenden Geschäftsführertätigkeit sämtliche an die Klägerin gerichteten Rechnungen bearbeitet und hierüber einen ihm zugeleiteten Zahlungsplan erstellt haben. Unabhängig davon, daß es sich hierbei nicht Angestellte der Klägerin gehandelt hat und nicht um ein Büro der Klägerin selbst, ist damit aber tatsächliche – ausgelagerte – Geschäftstätigkeit der Klägerin in D, ihrem Registersitz, ausgeübt worden. Auch der Bundesgerichtshof stellt in der zitierten Entscheidung darauf ab, daß sich am Betriebssitz einer Gesellschaft die gesamte betriebliche Einrichtung für die Abwicklung von Zahlungen befindet und die Bücher geführt werden und erklärt es ausdrücklich für unerheblich, ob der Geschäftsführer seine Tätigkeit, die er der GmbH schuldet, an deren Sitz oder ganz oder teilweise woanders, gegebenenfalls im Ausland, zu erbringen hat oder erbringt. Der Bundesgerichtshof führt in diesem Zusammenhang aus, daß dieser Umstand allenfalls Bedeutung erlangen könne, wenn außerhalb der Hauptbetriebsstätte ein selbständig organisierter Geschäftsbetrieb mit eigener Rechnungs- und Kassenführung eingerichtet wird (BGH, NJW 1985, 1287). Derartiges läßt sich für den vorliegenden Fall aber auch dem Vortrag des Beklagten nicht entnehmen, daß also an seinem Wohnsitz in R ein entsprechender Geschäftsbetrieb eingerichtet war. Danach hatte die Klägerin also keinen bloßen "Registersitz" oder gar Scheinsitz in D, sondern hier wurde auch effektive Geschäftstätigkeit, teilweise unter Beteiligung des Beklagten, ausgeführt. Daß der Beklagte von seinem Wohnsitz in R aus Korrespondenz geführt und Bankanweisungen getätigt hat, vermag daher – auch angesichts der Registereintragung der Klägerin in D – nicht die Annahme eines alleinigen Verwaltungssitzes der Klägerin in R zu begründen.
56Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß die Wahl des Gerichtsstandes des Erfüllungsortes nach Art. 5 EuGVVO durch die Klägerin, hierbei abstellend auf D, auch nicht rechtsmißbräuchlich ist.
57Eine Kostenentscheidung sowie eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit sind nicht veranlaßt.
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