Urteil vom Landgericht Bonn - 18 O 14/12
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung eines Baukostenzuschusses in Anspruch.
3Die Klägerin betreibt ein Wasserwerk. Der Beklagte ist Eigentümer der Burg T und der dazugehörigen Ländereien einschließlich des Grundstücks Flur ##, bestehend aus den Flurstücken ### und ###. Diese Flurstücke sind bereits vor dem 01.01.1981 an eine Verteilungsanlage der Klägerin angeschlossen worden.
4Ursprünglich bestand zwischen der Klägerin und der Mutter des Beklagten ein Vertrag über die Versorgung des streitgegenständlichen Anwesens mit Wasser. Im Laufe der Jahre trat der Beklagte in den Vertrag ein.
5In den ergänzenden Bestimmungen der Klägerin zu den Allgemeinen Bedingungen für die Wasserversorgung von Tarifkunden in der Fassung vom 22.08.2009 heißt es unter anderem:
6„3. Baukostenzuschüsse (zu § 9)
7Der Kunde zahlt nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen einen Baukostenzuschuss.
83.1
9Altanlage
10Bei Herstellung des Anschlusses an eine vor dem 01.01.1981 errichtete Verteilungsanlage (Altanlage; § 9 Abs. 5 AVB Wasser V).
113.1.1
12bei Neuanschlüssen an diese Altanlage ist ein einmaliger Baukostenzuschuss in Höhe von 2,50 € zuzüglich der jeweils geltenden Mehrwertsteuer je qm Grundstücksfläche zu zahlen, soweit ein solcher nicht entrichtet worden ist.
133.2 Nachentrichtung bei Altanlagen
143.2.2
15Wird die Fläche eines bereits angeschlossenen Grundstücks ganz oder teilweise (ab 40 %) durch eine gewerbliche oder industrielle Nutzung geändert, ist der Baukostenzuschuss unter Anrechnung der bereits geleisteten Zahlungen bis zur zum Zeitpunkt der Nutzungsänderung geltenden Höhe nach Ziffern 3.1.1 bis 3.1.1.8 nachzuentrichten. (…)“
16Wegen der weiteren Einzelheiten der ergänzenden Bestimmungen zu den Allgemeinen Bedingungen für die Wasserversorgung von Tarifkunden in der Fassung vom zweiten 20.08.2009 wird auf die Anlage zum Schriftsatz vom 04.07.2012, Bl. 23 des Anlagenheftes, Bezug genommen.
17Das Grundstück Flur ##, Flurstücken ### und ###, wurden ursprünglich rein landwirtschaftlich genutzt. Seit über 15 Jahren finden dort Veranstaltungen und saisonale Gastronomie statt, wie z.B. Freilichtaufführungen, Shows, Ritterfestspiele, Festivals, Erlebnisgastronomie und Märkte. Der Umfang dieser Art der Nutzung ist zwischen den Parteien streitig.
18Mit Schreiben vom 05.12.2011 und Rechnung vom gleichen Tage stellte die Klägerin dem Beklagten ausgehend von der Grundstücksgröße der Flurstücke ### und ### einen Baukostenzuschuss in Höhe von 162.121,05 € brutto in Rechnung und verwies auf eine nicht angezeigte Nutzungsänderung und Ziff. 3.2 ff. der Ergänzenden Bestimmungen zu den Allgemeinen Bedingungen für die Wasserversorgung von Tarifkunden in der Fassung vom 22.08.2009. Der Beklagte zahlte nicht.
19Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe die rein landwirtschaftliche Nutzung der Flurstücke ### und ### in eine rein gewerbliche Nutzung geändert. Die Geltung der Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser sowie ihre ergänzenden Bestimmungen seien bereits in der Fassung vom 18.03.1993 durch Übersendung einer Bestätigung des Versorgungsvertrages an die Mutter des Beklagten am 02.05.1994 vereinbart worden. Außerdem habe sie die Geltung der Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser sowie ihrer ergänzenden Bestimmungen durch Übersendung einer Bestätigung des Versorgungsvertrages vom 05.03.2008 mit dem Beklagten vereinbart. Der Beklagte habe sich -was er nicht bestreitet- in seinem Schreiben vom 03.03.2011 selbst auf das Schreiben der Klägerin vom 05.03.2008 bezogen. Die Klägerin behauptet ferner, sie habe ihre allgemeinen Bestimmungen ordnungsgemäß bekannt gemacht.
20Die Klägerin beantragt,
21den Beklagten zu verurteilen, an sie 162.121,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit ( = 14.02.2012) zu zahlen.
22Der Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Der Beklagte behauptet, die Grundstücke werden die meiste Zeit des Jahres landwirtschaftlich genutzt. Bei Veranstaltungen, welche an weniger als 20 Tagen im Jahr stattfänden, werde das Flurstück ### lediglich in einem Teilbereich von 2500 m² gewerblich genutzt, nämlich im Bereich der Vorburg und des Burghofs. Das Flurstück ### werde lediglich als Parkplatz genutzt. Die übrigen Tage des Jahres werde dieses Grundstück als Schafweide genutzt. Der Beklagte ist darüber hinaus der Ansicht, dass Ziff. 3.2.2 der Allgemeinen Bestimmungen der Beklagten gegen § 307 BGB verstoße. Außerdem erhebt der Beklagte die Einrede der Verjährung.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle vom 05.07.2012 (Bl. ### ff. d. A.) sowie vom 11.07.2013 (Bl. ### f. d. A.) Bezug genommen.
26Entscheidungsgründe:
27Die zulässige Klage ist unbegründet.
28I.
29Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung eines Baukostenzuschusses in Höhe von 162.121,05 €.
301.
31Ein solcher Anspruch folgt nicht aus § 1 Abs. 3 S. 1 AVBWasserV i. V. m. Ziff. 3.2.2, 3.1.1 der „Ergänzenden Bestimmungen zu den Allgemeinen Bedingungen für die Wasserversorgung von Tarifkunden“ der Klägerin in der Fassung vom 22.08.2009 (im Folgenden kurz: Versorgungsbedingungen).
32Die Ziffern 3.2.2 sowie 3.1.1 der Versorgungsbedingungen der Klägerin vermögen nicht als Anspruchsgrundlage zu dienen, denn sie sind gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.
33Gemäß § 1 Abs. 3 S. 2 der Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV) sind auf Allgemeine Versorgungsbedingungen, die von den §§ 2- 34 AVBWasserV abweichen, die §§ 305 bis 310 des Bürgerlichen Gesetzbuchs anwendbar, so dass eine Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB erfolgen kann.
34Gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Unangemessen ist eine Benachteiligung, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (BGH, NJW 2000, 1110). Zur Beurteilung bedarf es außerdem einer umfassenden Würdigung, in die die Interessen beider Parteien, die Anschauung der beteiligten Verkehrskreise und die sich aus der Gesamtheit der Rechtsordnung gegebenen Wertungskriterien einzubeziehen sind (BGH, ZIP 2008, 1729). Gemessen an diesen Maßstäben liegt eine unangemessene Benachteiligung vor.
35Ziff. 3.2.2 der Versorgungsbedingungen widerspricht den wesentlichen Grundgedanken des § 9 Abs. 4 AVBWasserV. Der Gesetzgeber geht, wie die Systematik von § 9 AVBWasserV zeigt, davon aus, dass ein Baukostenzuschuss grundsätzlich nur einmal anfällt, nämlich bei Neuanschluss eines Objekts an die Verteilungsanlagen, § 9 Abs. 1 AVBWasserV (BGH, NJW-RR 2012,359 ff.). Über die Leistung dieses einmaligen Baukostenzuschusses hat der Anschlussnehmer grundsätzlich seinen Beitrag zu den Kosten der örtlichen Verteilungsanlagen erbracht. Die Kosten für die Unterhaltung und etwaige spätere Erneuerung der Verteilungsanlagen können dem Anschlussnehmer daher nicht im Wege eines Baukostenzuschusses in Rechnung gestellt werden, sondern sind über die Preise abzudecken (Morell, AVBWasserV, E § 9 S. 22). § 9 AVBWasserV verfolgt außerdem das Ziel einer möglichst kostengünstigen Finanzierung kapitalintensiver Investitionen im Bereich der Wasserverteilung und soll erreichen, dass die Anschlussnehmer möglichst verursachungsgerecht herangezogen werden (BGH, NJW-RR 2006,133). Bei bereits angeschlossenen Flächen kann hingegen nur ausnahmsweise unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 AVBWasserV ein weiterer Baukostenzuschuss verlangt werden, und zwar nur dann, wenn der Anschlussnehmer seine Leistungsanforderung wesentlich erhöht. An die Wirksamkeit von Versorgungsbedingungen, die die Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 4 AVBWasserV abändern, sind daher strenge Anforderungen zu stellen.
36Gemäß Ziff. 3.2.2 der Versorgungsbedingungen, ist ein Baukostenzuschuss nachzuentrichten, wenn die Fläche eines bereits angeschlossen Grundstücks ganz oder teilweise (ab 40 %) durch eine gewerbliche oder industrielle Nutzung geändert wird. Ziff. 3.2.2 der Versorgungsbedingungen der Klägerin ermöglicht es dem Verwender, einen weiteren Baukostenzuschuss pauschal, in jedem Fall einer Nutzungsänderung durch eine gewerbliche oder industrielle Nutzung zu fordern, ohne dass es auf eine Erhöhung der Leistungsanforderung ankäme. Mit Ziff. 3.2 2 werden außerdem sämtliche Nutzungsänderungen bereits angeschlossener Grundstücksflächen in eine gewerbliche Nutzung sanktioniert. Eine Differenzierung der Nutzungsänderungen danach, welche ursprüngliche Art der Nutzung sich in eine gewerbliche Nutzung geändert hat, findet nicht statt. Diese Art der Regelung ist vor dem Hintergrund des von § 9 AVBWasserV intendierten Zwecks, einen verursachungsgerechten Verbrauch zu berechnen, nicht gerechtfertigt. Während bei einer Nutzungsänderung von Wohnraum in Gewerberaum oftmals mit einer Erhöhung der Leistungsanforderungen zu rechnen sein dürfte, ist dies bei einer Nutzungsänderung von einer landwirtschaftlichen Nutzung in eine gewerbliche Nutzung nicht der Fall. Die landwirtschaftliche Nutzung kann sogar einen intensiveren Wasserverbrauch begründen.
37Des Weiteren sind die Regelungen des § 9 AVBWasserV kostenorientiert (BGH. a. a. O.). Dies erfordert auch bei Baukostenzuschüssen im Sinne von § 9 Abs. 4 AVBWasserV eine Transparenz der Klauseln dahingehend, dass dem Anschlussnehmer offengelegt wird, anhand welcher Parameter und Berechnungsfaktoren der Verwender den erhöhten Verbrauch bemisst. Ziff. 3.2.2 der Versorgungsbedingungen verweist seinerseits auf Ziff. 3.1.1 der Versorgungsbedingungen, nach welcher der Baukostenzuschuss mit 2,50 € zuzüglich der jeweils geltenden Mehrwertsteuer pro Quadratmeter Grundstücksfläche bemessen wird. Zwar ist die Grundstücksgröße eine zulässige Bemessungseinheit, wie schon § 9 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 AVBWasserV zeigt, jedoch ist aus den vorliegenden Vorschriften nicht ersichtlich, wie sich der Preis von 2,50 € zusammensetzt. Ziff. 3.2.2 und 3.1.1 modifizieren § 9 Abs. 4 AVBWasserV, welcher auf § 9 Abs. 2 und 3 AVBWasserV verweist, sodass eine Klarstellung der Parameter, welche dem Preis von 2,50 € zugrundeliegen, geboten war.
38Anderes ergibt sich -entgegen der Ansicht der Klägerin- auch nicht aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 31.03.2000, Az. 25 U 13/99 (Bl. ## ff d. A.). Eine Vergleichbarkeit mit dem hiesigen Fall ist nicht gegeben. In dem dortigen Verfahren wandten sich die Parteien zum einen ausschließlich gegen die Höhe des Baukostenzuschusses. Zum anderen ging es dort um den Erstanschluss eines weiteren Grundstücksteils, nicht aber um ein bereits angeschlossenes Grundstück. Ebenso wenig handelte es sich um einen Fall der Nutzungsänderung. Des Weiteren lagen diesem Urteil die Versorgungsbedingungen der Klägerin aus den Jahren 1992 und 1993 zu Grunde, nicht aber diejenigen des Jahres 2009.
392.
40Die Klägerin hat auch keinen unmittelbar aus den gesetzlichen Regelungen der AVBWasserV herrührenden Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung des begehrten Baukostenzuschusses in Höhe von 162.121,05 €. Ein solcher Anspruch folgt insbesondere nicht aus § 9 Abs. 5 AVBWasserV.
41Mit der streitgegenständlichen Forderung werden Kosten für ein bereits angeschlossenes Grundstück geltend gemacht. Für einen solchen Fall gilt allein § 9 Abs. 4 AVBWasserV und nicht § 9 Abs. 5 AVBWasserV. Insbesondere gilt § 9 Abs. 4 AVBWasserV im Falle eines weiteren Baukostenzuschusses auch dann, wenn es sich bei der Verteilungsanlage, an welche die Grundstücke angeschlossen sind, -wie hier- um eine vor dem 01.01.1981 errichtete Verteilungsanlage und damit um eine Altanlage im Sinne des § 9 Abs. 5 AVBWasserV handelt. Dies ergibt sich aus der Systematik des Gesetzes. So verweist § 9 Abs. 5 AVBWasserV auf § 9 Abs. 1 AVBWasserV, dieser regelt jedoch den Baukostenzuschuss im Falle eines Erstanschlusses, nicht aber die Erhebung eines weiteren Baukostenzuschusses.
423.
43Die Klägerin hat schließlich auch keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung eines Baukostenzuschusses in Höhe von 162.121,05 € aus § 9 Abs. 4 AVBWasserV.
44§ 9 Abs. 4 AVBWasserV setzt voraus dass der Anschlussnehmer seine Leistungsanforderungen wesentlich erhöht. Hierfür ist erforderlich, dass die verstärkte Inanspruchnahme der Verteilungsanlagen deutlich die allgemeinen Zuwachsraten übersteigt (Morell, AV Beweisverfahren, E § 9, Seite 22). Konkrete Umstände, die die Annahme einer solchen Erhöhung rechtfertigen, hat die Klägerin nicht dargelegt. Eine wesentliche Erhöhung der Leistungsanforderungen kann auch selbst bei unterstellter Änderung der landwirtschaftlichen Nutzung in eine rein gewerbliche Nutzung nicht unterstellt werden.
45Es kann daher dahinstehen, ob sich die ursprünglich rein landwirtschaftliche Nutzung in eine rein gewerbliche Nutzung geändert hat oder ob eine Mischnutzung der Ländereien des Beklagten vorliegt, die noch unter den Begriff der landwirtschaftlichen Nutzung zu subsumieren ist. Ebenso kann dahinstehen, ob die Versorgungsbedingungen der Klägerin dem Beklagten zugegangen und ob sie wirksam bekannt gemacht worden sind. Auf die Frage der Verjährung kommt es aufgrund der Unbegründetheit der Klageforderung ebenfalls nicht an.
46II.
47Die Unbegründetheit der Nebenforderung folgt aus der Unbegründetheit der Hauptforderung.
48III.
49Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 S. 1 und 2 ZPO.
50IV.
51Streitwert: 162.121,05 €
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