Urteil vom Landgericht Bonn - 22 KLs 664 Js 400/13 17/13
Tenor
Der Angeklagte wird wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und in weiterer Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie wegen unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
sechs Jahren und drei Monaten
verurteilt.
Als Härteausgleich für eine nicht mögliche Gesamtstrafenbildung mit der Einheitsjugendstrafe aus dem Urteil der Kammer vom 11.06.2013 – 22 KLs 3/13 – gelten
zwei Jahre und neun Monate
der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt.
Es wird davon abgesehen, den Verfall von Wertersatz wegen des aus dem Raub Erlangten in Höhe von 8.000 Euro abzüglich zur Schadenswiedergutmachung gezahlter 1.400 Euro anzuordnen, weil dem ein Anspruch des Geschädigten im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegensteht.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und die dem Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen.
Angewendete Vorschriften:
§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4, 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB, 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG, 1 Abs. 1, 3 Abs. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, 25 Abs. 2, 46b Abs. 1 a.F., 49 Abs. 1, 52, 53 StGB
1
G r ü n d e :
2I.
31.
4(Diverse Angaben zum Lebenslauf des Angeklagten N)
5Weitere Angaben zum Lebenslauf des Angeklagten N:
6Nachdem am 17.05.2011 auf dem Gelände in C4 zahlreiche gestohlene Roller, Motorräder bzw. deren Teile aufgefunden und sichergestellt worden waren, wurden der Angeklagte und M in Untersuchungshaft genommen.
7Nach der Entlassung des Angeklagten aus der Untersuchungshaft im September 2011 hatte der Angeklagte die Auflage, sein Gewerbe abzuwickeln. Das tat er auch offiziell, indem er das Gewerbe abmeldete. Mit M kam er jedoch überein, über einen Strohmann, den Freund der Schwester des M, das Geschäft tatsächlich weiter zu betreiben. Es kam in diesem Zusammenhang erneut zu Straftaten, die Gegenstand der unter I.2.f dargestellten Verurteilung sind.
8Im Oktober und November 2011 und im Mai 2012 absolvierte der Angeklagte zwei kürzere Praktika in einem Handy- und in einem Computerladen. Um eine Ausbildungsstelle kümmerte er sich nicht. Er lebte im Wesentlichen von der Begehung von Straftaten.
9Der Angeklagte konsumierte in der Vergangenheit Cannabis, ohne dass sich daraus eine Abhängigkeit entwickelte. Alkohol trank er in der Regel lediglich an Wochenenden. Ein Alkoholproblem besteht und bestand nicht.
10Der Angeklagte wurde am 23.01.2013 in dieser Sache festgenommen und befand sich zunächst in Untersuchungshaft. Zwischenzeitlich befindet er sich aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung durch die Kammer vom 11.06.2013 (siehe unten I.2.f.) in Strafhaft. In der Haft hat er am 03.09.2013 eine Ausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer begonnen.
11Der Angeklagte hat seit einiger Zeit eine Lebensgefährtin. Am 26.03.2013 wurde sein Sohn B7 geboren.
122. )
13Der Angeklagte ist bislang wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten:
14a )
15Am 18.10.2007 verwarnte ihn das Amtsgericht C5 – Jugendrichter – wegen Diebstahls, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz und legte ihm auf, 40 Stunden gemeinnützige Arbeit zu leisten und an einem Verkehrserziehungskurs teilzunehmen (AG C5 ## Ds ###/##). Das Urteil ist seit dem 26.10.2007 rechtskräftig.
16Am 31.03.2007 hatte der Angeklagte einen Ladendiebstahl begangen und war am 20.03.2007 zudem mit einem „frisierten“ Leichtkraftrad in C5 herumgefahren. Aufgrund der technischen Veränderungen, die dem Angeklagten bekannt waren, war der Versicherungsschutz erloschen. Zudem war das Leichtkraftrad fahrerlaubnispflichtig und der Angeklagte war, was er wusste, nicht im Besitz der dafür erforderlichen Fahrerlaubnis.
17b )
18Am 28.05.2009 verwarnte ihn das Amtsgericht C5 – Jugendrichter – wegen unerlaubten Waffenbesitzes sowie erneut wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Verstoß gegen das Haftpflichtversicherungsgesetz. Ihm wurde aufgegeben, 60 Stunden gemeinnützige Arbeit zu leisten (AG C5, ## Ds ##/##). Das Urteil ist seit dem 28.05.2009 rechtskräftig.
19Am 08.02.2009 war bei ihm bei einer Überprüfung ein als Taschenlampe getarntes Elektroschockgerät und eine Gasdruckpistole T4 gefunden worden. Über die erforderliche Erlaubnis verfügte er nicht. Zudem war der Angeklagte am 18.08.2009 erneut mit einem „frisierten“ und daher fahrerlaubnispflichtigen Leichtkraftrad, bei dem deshalb auch der Versicherungsschutz entfallen war, in X3 umhergefahren.
20c )
21Am 21.10.2010 verurteilte das Amtsgericht C5 den Angeklagten ein weiteres Mal wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Urkundenfälschung sowie Verkehrsunfallflucht zu vier Wochen Dauerarrest. Zudem verhängte das Amtsgericht eine Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis bis zum 21.10.2012 (AG C5, ## Ds ##/##). Das Urteil ist seit dem 10.02.2011 rechtskräftig.
22Der Angeklagte war am 04.01.2010 gegen 23:30 Uhr mit seinem nicht zugelassen und nicht haftpflichtversicherten #er C6 auf der BAB ## in Fahrtrichtung L4 unterwegs. An dem Pkw hatte der Angeklagte zwecks Vortäuschung einer ordnungsgemäßen Versicherung und Zulassung gestohlene Kennzeichen angebracht. Das Auto hatte der Angeklagte, der nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis war, für 2.000 Euro erworben. Im Auto befanden sich vier weitere Personen, u.a. M. Man war auf dem Weg zu einer Discothek. In Höhe X4 hatte der Angeklagte die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren und war gegen die Mittelleitplanke geschleudert worden. Nach dem Unfall war der Angeklagte geflohen, um nicht belangt zu werden. Das Fahrzeug blieb auf der Mitte der Autobahn stehen.
23Von einer Vollstreckung des Dauerarrestes wurde mit Beschluss des Jugendrichters bei dem Amtsgericht S5 vom 22.06.2011 abgesehen, da der Angeklagte sich – wie geschildert – von Mai bis September 2011 in Untersuchungshaft befand.
24d )
25Am 13.09.2012 verurteilte ihn das Amtsgerichts N4 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde (#### Js #####/## jug # Ls). Die Hauptverhandlung fand am 02.08., 06.08., 20.08, 05.09. und 13.09.2012 an fünf Tagen statt. Das Urteil ist seit dem 13.09.2012 rechtskräftig.
26Zugrunde lag der Verurteilung folgender Sachverhalt:
27„Am Abend des 02.02.2011 kam es auf dem Schulhof der H2-Realschule in B8 zu einer Auseinandersetzung zweier Gruppierungen. Vorausgegangen war ein Streit zwischen dem gesondert verfolgten N5 N und dem Zeugen H. H hatte sich vom gesondert verfolgten N5 N Geld geliehen. Nachdem N5 N bei einer Gelegenheit den Freund des Zeugen H, den Zeugen C7 geschlagen hatte, verweigerte H die Rückzahlung. Nach diversen vorangegangenen Treffen zwischen N und C7 verabredet man sich schließlich über WKW [Anmerkung: Das soziale Netzwerk „Wer kennt wen?“ im Internet] zu einem Treffen für besagten Tattag. Der Zeuge H erschien mit einer größeren Gruppe am Treffpunkt, wobei sich der Zeuge H und ein größerer Teil seiner Begleiter in der etwas zurückgelegenen Fahrradgarage der Schule verbargen. Der gesondert verfolgte N5 N erschien mit dem Angeklagten I sowie seinem aus C5 hinzu gerufenen Cousin, dem Angeklagten N, der wiederum die Angeklagten L3 und S4 als Verstärkung mitbrachte. Die Gruppe der Angeklagten sowie N5 N rüsteten sich zuvor mit Schlagstöcken, Baseballschlägern und mindestens einer Gaspistole aus und kamen durch die C3Str. zum Schuleingang, wo unter anderem die Zeugen C7, B9 und T5 standen. Nachdem der gesondert verfolgte N5 N die Zeugen nach dem Verbleib des H fragte und darauf verwiesen wurde, er solle die Angelegenheit mit B7 klären, entdeckten die Angeklagten die übrige, sich in der Fahrradgarage befindliche Gruppe um den Zeugen H. Der Angeklagte S4 zog daraufhin die von ihm mitgeführte Pistole und lief auf die Zeugen zu. Der Zeuge E rief "Der hat 'ne Knarre!", woraufhin ein Teil der in der Garage befindlichen Personen, unter anderem die Zeugen E, F3 L, H, C8, X5, D2 und L5 flüchteten. Der Zeuge E verständigte über Handy die Polizei. Der Angeklagte S4 ging dagegen in Richtung Garage und schubste zunächst den Zeugen M2 weg. Als der gesondert verfolgte N5 N, U M2, seinen Freund, erkannte, forderte er diesen mit den Worten "U, Du bist mein Freund, komm raus!" auf, zu verschwinden, was dieser auch tat. Der Angeklagte S4 hielt nun den Zeugen B5 und L die Waffe vor das Gesicht und es wurde erneut nach H gefragt. S4 drohte dem Zeugen L unter anderem mit der Waffe in beiden Händen vor das Gesicht des Zeugen haltend mit den Worten "Leg' Dich auf den Boden, sonst knall' ich Dich ab!". Der Zeuge folgte und wurde am Boden liegend von mehreren der Angeklagten getreten. Auch der Zeuge B5 bekam einen Schlag mit dem Schlagstock auf den Hinterkopf. Schließlich rammte der Angeklagte S4 den nach vorn gebeugten Zeugen B5 sein Knie ins Gesicht während er dessen Kopf festhielt. Der Zeuge ging zu Boden und wurde am Boden liegend von mindestens zwei Angeklagten getreten, bis er bewusstlos war. Dann wurde auch der Zeuge G angegangen und erhielt von dem Angeklagten L3 einen Schlag gegen die rechte Kopfseite mit einem Schlagstock. Beim Versuch des Zeugen, die Fahrradgarage zu verlassen, wurde er von mehreren Angeklagten mit Schlagstöcken traktiert, wo er unter anderem einen Schlag in den Nacken und hinter das rechte Ohr erlitt. Der Zeuge lief Richtung Wendehammer davon, wo er auf den Zeugen B9 traf. Die Angeklagten liefen hinter den Zeugen her, holten die Zeugen ein und forderten sie auf, stehen zu bleiben. Der gesondert verfolgte N5 N sprang sodann mit seinem Knie in den Zeugen B9 von vorne in den Bauch. Der Angeklagte I schlug den Zeugen mit einer Art Holzbaseballschläger gegen die Stirn. Anschließend traktierten alle Angeklagten den am Boden liegenden B9 mit Schlagstöcken und Tritten. Beim Versuch des Zeugen wieder auf die Knie zu kommen wurde er schließlich noch vom Angeklagten S4 mit dem Pistolengriff mindestens zweimal auf den Kopf geschlagen. Als die Angeklagten nun den Zeugen G entdeckten und auf diesen zugingen, entgegnete der Zeuge G, er sei bereits geschlagen worden. Der Angeklagte S4 antwortete daraufhin: "Ist doch egal, dann eben nochmal. Ich bin doch nicht hierhergekommen, um nur zwei bis drei Leute abzuziehen!" und warf den Zeugen mit seiner Körpermasse zu Boden. Die übrigen Angeklagten kamen hinzu und schlugen und traten auf den Zeugen ein, wobei wiederum Schlagstöcke zum Einsatz kamen. Als die Polizei erschien, flüchteten die Angeklagten. Der Zeuge B5 erlitt neben einer Platzwunde, die genäht werden musste, und diversen Hämatomen eine Unterkiefer- und eine Nasenbeinfraktur und musste operativ versorgt werden. Der Zeuge B9 trug eine Vielzahl von Prellungen am Körper und am Schädel sowie zwei Platzwunden an Stirn und Hinterkopf, die genäht werden mussten, davon. Der Zeuge war mit Verdacht auf Gehirnerschütterung arbeitsunfähig erkrankt. Der Zeuge G hatte Prellungen am Kopf und am Finger. Sein linkes Ohr war blau und dick geschwollen. Er litt mehrere Tage unter starken Kopfschmerzen. Der Zeuge L hatte ebenfalls einige Tage an heftigen Kopfschmerzen zu leiden.“
28e )
29Am 16.05.2013 verurteilte die Kammer den Angeklagten wegen Beihilfe zum Raub in Tateinheit mit Beihilfe zur räuberischen Erpressung unter Einbeziehung der vorstehenden Verurteilung durch das Amtsgericht N4 zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und drei Monaten (LG Bonn 22 KLs 1/13). Das Urteil ist rechtskräftig seit dem 10.06.2013.
30Zugrunde lag der Verurteilung folgender Sachverhalt:
31„Im Vorfeld des 30.12.2009 kam der Angeklagte mit zwei oder drei weiteren Personen, deren Identität die Kammer nicht abschließend klären konnte, überein, sich an einem Überfall auf das in der S-Straße in X3 gelegene Lotto- und Schreibwarengeschäft mit integrierter Postagentur der Zeugin T6 zu beteiligen. Während zwei seiner Bekannten den eigentlichen Überfall durchführen sollten, fiel dem Angeklagten die Rolle zu, die Beute vom Tatort wegzufahren. Hintergrund war, dass es am Montag zuvor bereits zwei Überfälle in der Gegend gegeben hatte und seine Bekannten daher Angst hatten, die Polizei würde schnell reagieren und eine Flucht vereiteln. Da der Angeklagte nach dem Plan am eigentlichen Überfall im Geschäft nicht teilnehmen sollte, und man nach zwei Tätern suchen würde, glaubte man, dass der allein fahrende Angeklagte unverdächtig erscheinen würde. Den Beteiligten war klar, dass in der Postfiliale ein zumindest fünfstelliger Betrag zu erbeuten sein würde. Man wusste, dass sich aufgrund der in dem Geschäft befindlichen Postagentur dort Gelder auch zur Auszahlung an Postbankkunden befanden. Der Überfall sollte am 30.12.2009 stattfinden. Als Tatzeit wurde 7:45 Uhr gewählt, wenn das Geschäft öffne. Der Angeklagte ging davon aus, dass die beiden anderen Täter bei dem Überfall sich maskieren und Handschuhe tragen würden und sie die Mitarbeiter des Geschäfts bedrohen würden. Er rechnete damit, dass dafür ungeladene Gaspistolen zum Einsatz kommen würden, um die anwesenden Mitarbeiter in Angst zu versetzen und so die Herausgabe des Geldes zu erreichen. Um des Erfolges willen billigte er den Einsatz dieser Drohmittel. Ob auch darüber gesprochen worden ist, wie der Angeklagte an der Beute beteiligt werden sollte, vermochte die Kammer nicht festzustellen. Jedenfalls ging er zutreffend davon aus, dass man ihn anteilig an der Tatbeute beteiligen würde. Er rechnete aber auch damit, dass er, da er nicht selbst im Geschäft sein würde und daher ein geringeres Risiko trug, etwas weniger erhalten würde als diejenigen, die im Geschäft agierten.
32Am 30.12.2009 traf man sich zunächst, wie vereinbart, an der ED-Tankstelle in C9. Der Angeklagte erschien dort mit einem #er-C6, über welchen er damals verfügte. Dieser war nicht zugelassen. An ihm waren gestohlene Kennzeichen angebracht. Der Angeklagte verfügte, was er wusste, über keine Fahrerlaubnis. Die weiteren Beteiligten kamen mit einem eigenen Auto. An der Tankstelle gingen sie den Tatplan nochmals gemeinsam durch. Der Angeklagte fuhr daraufhin mit seinem Pkw zum vereinbarten Ort, einem Parkplatz am X-Weg in X3. Dieser liegt etwa 100 Meter vom Geschäft der Zeugin T6 entfernt. Der Angeklagte wartete dort. Das Fahrzeug der beiden anderen Täter wurde auf derselben Straße einige Meter hinter dem Wagen des Angeklagten auf der anderen Straßenseite geparkt. Verabredet war, dass seine Bekannten dort vorbeikommen und ihm den Rucksack durch das geöffnete Fenster ins Auto werfen würden. Er solle dann mit der Beute davon fahren. Die beiden anderen Täter sollten ohne Beute ebenfalls flüchten. Später wollte man sich in S6 auf dem Parkplatz des dortigen L6 treffen und dort die Beute aufteilen.
33Gegen 7:50 Uhr betraten zwei seiner Bekannten, die mit Sturmhauben maskiert waren und Handschuhe trugen, das Lotto- und Schreibwarengeschäft der Zeugin T6. Beide hielten, wie von dem Angeklagten vorausgesehen und gebilligt, Gaspistolen in der Hand, von denen die Kammer nicht feststellen konnte, dass sie geladen waren. Zu dieser Zeit arbeitete neben der Geschäftsinhaberin, der Zeugin T6, deren Schwester, die Zeugin T, in dem Geschäft. Die Zeugin T befand sich hinter der Verkaufstheke als sie auf die beiden Täter aufmerksam wurde. Der größere der beiden Täter forderte die Zeugin mit den Worten „Geld her! Überfall!“ auf, das Geld herauszugeben. Die durch die vorgehaltene Waffe verängstigte Zeugin T rief nach ihrer Schwester, welche sich zu dieser Zeit noch in der Küche befand. Nachdem auch diese erschienen war, kamen die Täter hinter die Verkaufstheke, und bedrohten nunmehr beide Zeuginnen mit den Pistolen. Die beiden Täter verfügten über gute Ortskenntnisse. Jedenfalls drängten sie die beiden Zeuginnen mit den Worten „Tresor aufmachen! Los!“ zu einem nicht unmittelbar einsehbaren kleinen Büro im Geschäft, in der sich der Tresor befand.
34Da das Büro nur sehr klein war, hatten dort nur die Zeugin T und der kleinere Täter Platz. Dieser trug einen Rucksack für den Abtransport der Beute. Während die Zeugin T6 vor der Tür des Büros von dem größeren Täter, der der Wortführer war, in Schach gehalten wurde, öffnete die Zeugin T den Tresor. Der kleinere Täter, der sich bei ihr befand, streckte ihr den Rucksack entgegen. Der größere Täter vor der Türe forderte sie mit den Worten „Geld rein!“ dazu auf, das Geld aus dem Tresor in den Rucksack zu füllen. Die Zeugin T nahm eine Schütte aus dem Tresor, in der sich Bargeld der Postagentur befand und versuchte, diese in den Rucksack auszukippen. Ein Teil des Geldes fiel in den Rucksack, der Rest jedoch nicht, da es sich um neues Geld handelte, welches klebte und zudem im Kasten eingeklemmt war. Der kleinere Täter mit dem Rucksack riss der Zeugin daraufhin den Kasten aus der Hand und schüttete das restliche Bargeld selbst in den Rucksack. Der größere Täter außerhalb des Büros verlangte währenddessen „Mehr Geld!“. Der kleinere Täter mit dem Rucksack griff nun in den Tresor und holte dort auch das Rollengeld heraus und ein Mäppchen, in dem sich das Geld aus der Lottoannahmestelle befand. Der Täter im Büro entdeckte in dem Tresor zudem verpackte Brief- und Paketmarken. Er erkannte jedoch nicht, worum es sich handelte, und fragte nach. Auf die Antwort, es handele sich um Briefmarken, nahm er auch diese aus dem Tresor und steckte sie in seinen Rucksack.
35Sodann forderte der größere Täter die Zeugin T6 auf, die Ladenkasse zu öffnen, was der Zeugin aufgrund ihrer Nervosität nicht sofort gelang, weil sie einen falschen Code eingab. Der größere Täter wurde daraufhin ungeduldig und forderte die Zeugin auf, endlich die Kasse zu öffnen. Dies gelang der Zeugin schließlich und sie händigte dem größeren Täter den Inhalt der Kasse in Höhe von ca. 360 Euro aus. Anschließend flüchteten die beiden Täter mit der Beute im Gesamtwert von 45.558,99 Euro (39.252,87 Bargeld, der Rest Brief- und Paketmarken).“
36f )
37Am 11.06.2013 verurteilte die Kammer den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Hehlerei in neun Fällen, Diebstahl, Beihilfe zum versuchten Diebstahl, Begünstigung und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis unter Einbeziehung der Verurteilungen durch das Amtsgericht N4 vom 13.09.2012 und der Kammer vom 16.05.2013 zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten (LG Bonn 22 KLs 3/13). Dieses Urteil ist rechtskräftig, nachdem der Angeklagte seine zunächst eingelegte Revision gegen dieses Urteil in der Hauptverhandlung am 29.08.2013 zurückgenommen hat.
38Der Verurteilung lagen folgende Feststellungen der Kammer zugrunde:
39„1 ) Vorgeschichte der Taten und Rahmengeschehen des Ankaufs von Rollern und eines Motorrades (Fälle 1 bis 9) durch den Angeklagten N
40Der Angeklagte N handelte nach Ende seiner Schulzeit mit Rollern und Motorrädern bzw. deren Teilen. Er bestritt damit seinen Lebensunterhalt. Es entstand eine Freundschaft mit dem Zeugen M, der seit 2007 in T7 zusammen mit seinem Onkel das Motorrollergeschäft „N6“ betrieb. Die Zusammenarbeit von M mit dem Onkel endete im Herbst 2008, weil der Onkel nach B10 zog und dort heiratete. M führte das Geschäft daher zunächst allein und ab 01.08.2008 gemeinsam mit seinem Bruder N7 weiter. Im Frühjahr 2009 zog man mit dem Geschäft nach C10 um. Der Angeklagte N half beim Umzug. Das gemeinsame Geschäft von M mit seinem Bruder trug nun den Namen „F4“ (spanisch für „E2“). Zur offiziellen Eröffnung des Geschäfts am 01.08.2009 kam es jedoch nicht mehr, da die Halle am 21.07.2009 von der Polizei durchsucht und ein Großteil der in der Halle befindlichen Roller und Motorräder bzw. entsprechende Einzelteile davon als aus Diebstählen stammend sichergestellt wurden.
41Im Anschluss an die Razzia durch die Polizei stieg der Bruder des Zeugen M aus dem gemeinsamen Geschäft aus. Der Zeuge M hingegen machte weiter und tat sich mit dem Angeklagten N zusammen, der sich zu dieser Zeit ohnehin sehr oft im Geschäft aufhielt und – teilweise parallel dazu, teilweise gemeinsam mit dem Zeugen M – mit gestohlenen Rollern und Motorrädern und deren Teilen Handel trieb. Zum 01.04.2010 tat man sich auch offiziell zusammen und meldete zusammen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) an. Unter der Geschäftsbezeichnung „T8 C5“ betrieben sie nach erneutem Geschäftsumzug in der F-Str. in C4 gemeinsam einen Roller- und Motorradhandel. Räumlich bestand dieser aus einem Lagerplatz und einem Ladenlokal.
42Die Geschäftstätigkeit des Angeklagten und M gründete sich zu etwa 90% aus dem Ankauf und Verkauf gestohlener Roller oder Motorräder. Begleitet wurde die Geschäftstätigkeit daher immer wieder von Durchsuchungen durch die Polizei:
43Am 16.06.2009 wurde eine Garage des Angeklagten N im N2 in X3 durchsucht, wo eine Vielzahl gestohlener Roller bzw. – nach Zerlegen – deren Einzelteile aufgefunden wurden, welche der Angeklagte im Wissen, dass diese entwendet worden waren, von unbekannt gebliebenen Personen zu Hehlerpreisen erworben hatte.
44Am 21.07.2009 wurden die Geschäftsräumlichkeiten in C10 durchsucht. Auch dort fand man zahlreiche gestohlene Roller und Motorräder.
45Am 23.08.2009 wurde dort erneut durchsucht und es wurden weitere gestohlene Roller sichergestellt, die teilweise der Angeklagte in Kenntnis von deren deliktischen Herkunft zu Hehlerpreisen erworben hatte.
462 ) Ankauf von Rollern und eines Motorrades (Fälle 1 bis 9) durch den Angeklagten N im Einzelnen
47Fall 1 bis 9:
48Beteiligt: N
49Tatzeit: 26.12.2008 bis 23.08.2010
50Straftatbestand: §§ 259 Abs. 1, 260 Abs. 1 Nr. 1, 53 StGB
51Der Angeklagte N kaufte in der Zeit vom 26.12.2008 bis zum 20.08.2009 Roller und ein Motorrad an, welche – teilweise zerlegt und nur noch in Teilen vorhanden – bei der Durchsuchung der Garage in X3 am 16.06.2009 und am 23.08.2009 bei der späteren Durchsuchung der Räumlichkeiten in C10 sichergestellt wurden. Die Kaufpreise für die Roller und das Motorrad lagen weit unter den „normalen“ Händlereinkaufpreis, gerade weil die Zweiräder – was dem Angeklagten bekannt war – von Dritten gestohlen worden waren. Die genauen Ankaufpreise im Einzelnen vermochte die Kammer nicht mehr zu rekonstruieren. Der Angeklagte handelte, um die Roller bzw. Motorräder bzw. deren Einzelteile ohne Rahmen im Rahmen des von ihm betriebenen Gewerbes gewinnbringend weiter zu verkaufen.
52Im Einzelnen handelt es sich um folgende Fälle:
53Fall 1:
54Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt, jedoch zeitnah zum Diebstahl, erwarb der Angeklagte N einen Roller der Marke Q, welcher zwischen dem 26. bis zum 30.12.2008 in der B2str. in C5 dem U2 gestohlen worden war. Der Roller hatte einen Wert von ca. 400 Euro.
55Fall 2:
56Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt, jedoch zeitnah zum Diebstahl, erwarb der Angeklagte N einen Roller der Marke W, welcher am 06/07.02.2009 im G4weg in C5 dem T9 gestohlen worden war. Der Roller hatte einen Wert von ca. 1.500 Euro.
57Fall 3:
58Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt, jedoch zeitnah zum Diebstahl, erwarb der Angeklagte N einen Roller der Marke Q, welcher zwischen dem 24. und 26.02.2009 in der D-Straße in L7 dem C11 gestohlen worden war. Der Roller hatte einen Wert von ca. 2.000 Euro.
59Fall 4:
60Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt, jedoch zeitnah zum Diebstahl, erwarb der Angeklagte N einen Roller der Marke Q, welcher zwischen dem 11. und 13.04.2009 im G5weg #a in X3 dem E3 gestohlen worden war. Der Roller hatte einen Wert von ca. 500 Euro.
61Fall 5:
62Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt, jedoch zeitnah zum Diebstahl, erwarb der Angeklagte N einen Roller der Marke Q, welcher am 29./30.04.2009 im B4weg in X3 dem X6 gestohlen worden war. Der Roller hatte einen Wert von ca. 500 Euro.
63Fall 6:
64Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt, jedoch zeitnah zu den Diebstählen, erwarb der Angeklagte N – möglicherweise zusammen – zwei Roller der Marke Q, welche in der Zeit vom 15. bis 18.05.2009 und am 18./19.05.2009 im Q2weg in X3 und B11 # in X3 dem K und der C12 gestohlen worden waren. Die Roller hatten einen Wert von jeweils ca. 1.000 Euro.
65Fall 7:
66Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt, jedoch zeitnah zu den Diebstählen, erwarb der Angeklagte N – möglicherweise zusammen – zwei Roller der Marke Q und Q3, welche in der Zeit vom 22. bis 24.05.2009 und am 27.05.2009 im I2weg in X3 und vor C2str. in X3 dem T10 und der E4 gestohlen worden waren. Die Roller hatten einen Wert von jeweils mindestens 250 Euro.
67Fall 8:
68Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt, jedoch zeitnah zum Diebstahl, erwarb der Angeklagte N einen Roller der Marke Q, welcher am 12./13.06.2009 im N-Weg in X3 dem H3 gestohlen worden war. Der Roller hatte einen Wert von ca. 900 Euro.
69Fall 9:
70Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt, jedoch zeitnah zu den Diebstählen, erwarb der Angeklagte N – möglicherweise zusammen – vier Roller und ein Motorrad der Marke B6, Q3, Q und C13, welche in der Zeit vom 08.08.2010 bis zum 20.08.2010 in der C-Straße, in der B-Straße, auf der I-Straße und dem N8 ## in L8 und auf der L-Straße in B8 den C14, dem T11, dem C15, dem C12 und dem F5 gestohlen worden waren. Die Roller und das Motorrad hatten einen Wert von insgesamt über 20.000 Euro, das Motorrad allein einen Wert von ca. 15.000 Euro.
713 ) Vorgeschichte der weiteren Taten
72Wegen der vorstehenden Taten wurde gegen den Angeklagten N am 04.02.2011 Anklage zum Amtsgericht C5 (AG C5 ## Ls ##/##) erhoben. Die Zustellung der Anklageschrift an ihn erfolgte am 17.02.2011.
73Am 18.05.2011 fand die Polizei bei einer weiteren Durchsuchung der Geschäftsräume des Angeklagten und des Zeugen M vier weitere gestohlene Motorräder, einen gestohlenen Roller und ein gestohlenes Fahrrad auf. Mit Ausnahme eines Motorrades und des Fahrrades waren die Zweiräder nur wenige Tage vor dem Auffinden entwendet worden.
74Der Angeklagte und der Zeuge M wurden daraufhin wegen Wiederholungsgefahr im Verfahren StA C5 ### Js ###/##, welches sich nach wie vor im Ermittlungsverfahren befindet, in Untersuchungshaft genommen. Der Zeuge M wurde im August 2011 vom weiteren Vollzug der Untersuchungshaft verschont, der Angeklagte N einen Monat später im September 2011. Als Auflage wurde ihnen aufgegeben, ihr Gewerbe zu beenden und abzuwickeln. Dies taten sie jedoch nur zum Schein: Im Oktober 2011 meldeten sie ihr Gewerbe rückwirkend zum Tag ihrer Festnahme, dem 18.05.2011, bei der Stadt ab. Zuvor hatte der Zeuge M den Angeklagten L2, den damaligen Freund seiner Schwester, angeworben, gemeinsam mit ihm und dem Angeklagten N das Geschäft weiterzuführen. L2 sollte dabei nach außen offiziell als Gewerbetreibender in Erscheinung treten. Tatsächlich sollte das Gewerbe aber durch alle Drei geführt werden. Die Gewinne sollten durch drei geteilt werden. Entsprechend diesem Plan meldete der Angeklagte L2 am 01.10.2011 ein Gewerbe an.
75Der Angeklagte L2 verkaufte in der Anfangszeit unter dem Namen „T13“ Teile aus dem Bestand des „T8 C5“ über das Internet. Neben diesen Aktivitäten kamen der Zeuge M sowie der Angeklagte L2 bereits kurz nach der Haftentlassung des M im August 2011 überein, in Zukunft mit gestohlenen Kompletträdern mit teuren Markenfelgen (ab 17 Zoll) Handel zu betreiben. Der Anstoß dazu soll nach den Angaben des Zeugen M vom Angeklagten L2 gekommen sein, der sich in diesem Bereich ausgekannt habe.
76M sprach wegen der Diebstähle mit dem gesondert verurteilten N3, einem damals 20 Jahre alten U3er an, der bereits im Vorfeld im Auftrag für M Roller und Motorräder entwendet hatte. Dieser erklärte sich bereit, die Räder von M und L2 zu entwenden. N3 sprach seinerseits einen Bekannten, den gesondert verurteilten T3 an, der ebenfalls einverstanden war, an den Diebstählen mitzuwirken. Es kam zu den ersten Felgendiebstählen.
77Als der Angeklagte N im September 2011 aus der Untersuchungshaft entlassen wurde, wollte auch er an den Erlösen partizipieren und kam daher mit dem Zeugen M und dem Angeklagten L2 überein, dass man in Zukunft gemeinsam die Räder mit den teuren Felgen verkaufen werde, die von N3 und seinen Bekannten bzw. Freunden gestohlen wurden. Zunächst sollten aus den Erlösen die Auslagen für die Diebesgruppierung bestritten werden. Ein später erzielter Gewinn sollte durch drei geteilt werden.
78Zu Beginn und auch in einigen späteren Fällen kam der Zeuge M mit zu den Tatorten, beteiligte sich aber nur selten eigenhändig an den eigentlichen Diebstahlshandlungen. Er wurde zu diesem Zwecke stets von dem Angeklagten L2 mit dessen Auto, einem N9 $-Klasse, zu den Tatorten gefahren. Teilweise war auch der Angeklagte N mit dabei, der sich jedoch eher im Hintergrund hielt. Der Zeuge M und der Angeklagte L2 sowie – soweit er dabei war – der Angeklagte N, verblieben während der Taten in der Regel im Auto bzw. fuhren in der Nähe umher oder hielten sich anderweitig in der Nähe des Tatorts auf, um die Diebstähle abzusichern, während N3 und seine Bekannten die eigentlichen Diebstähle begingen.
79Von M wurde der Angeklagte N3 für die Taten ausgestattet: M schaffte geräumige Pkws an, welche er N3 sodann gegen Kaufpreisstundung verkaufte, damit N3 die Tatorte erreichen und die gestohlenen Räder damit abtransportieren konnte. Zudem wurden die Angeklagten N3 und T3 mit extra zu diesen Zwecken erworbenen Prepaid-Handys ausgestattet, da M und der Angeklagte befürchteten, die regulären Handys könnten abgehört werden.
80M kaufte die Räder stets gemeinsam für sich und die Angeklagten L2 und N von N3 an. L2 und N wussten, dass für die Räder Kaufpreise an die Diebe gezahlt wurden, die deutlich unter den tatsächlichen Händlereinkaufpreisen lagen („Hehlerpreise“). Gerade dadurch wollten die drei einen zusätzlichen hohen Gewinn erwirtschaften. M zahlte ca. 500 Euro pro Radsatz für kleinere Räder. Für größere zahlte er Preise von bis zu über 1.000 Euro an N3 und dessen Bekannte. Tatsächlich lagen die Händlereinkaufspreise mindestens 100% über dieser Entlohnung, meist sogar noch deutlich darüber.
81Die Taten liefen alle nach einem ähnlichen Schema ab: Der Tatort wurde mit einem der von M stammenden geräumigen Pkws des N3 angefahren. N3 entwendete im Vorfeld der Taten Autokennzeichen und montierte diese zur Tarnung an seinen Pkw an. N3 war es auch, der innerhalb der Diebesgruppe, zu der neben T3 nach einiger Zeit auch der Zeuge G2 als festes Mitglied hinzukam, bestimmte, wer konkret was machte. In der Regel war es N3, welcher die Pkws aussuchte und aufbockte, während die anderen die Räder abmontierten und zum Abtransport bereitlegten. Der Zeuge T3 und der Zeuge G2 trugen schwarze GoKart-Masken, der Zeuge N3 maskierte sich mit einem Schal und Kapuze. Zudem trugen alle Beteiligten Handschuhe, um keine Fingerabdrucke zu hinterlassen. Der Zeuge N3 verbrachte – manchmal mit mehreren Fahrten – die Räder zu den Abnehmern, am Anfang häufig zum gesondert verfolgten L2, der die Räder in seinem Keller lagerte, später dann zum Firmengelände des „T8 C5“ nach C4. Während der Taten waren die Ausführenden vermummt.
82Neben der festen Besetzung, welche aus N3, T3 und G2 bestand, waren bei einigen Taten auch andere Personen an der eigentlichen Ausführung der Diebstähle beteiligt, etwa der Angeklagte X oder in zwei Fällen der von der Kammer in einem gesonderten Verfahren verurteilte T14. Der Angeklagte X handelte dabei, um sich eine zusätzliche fortlaufende Einnahmequelle von einigem Gewicht zu verschaffen.
83Auch wenn die grundsätzliche Idee für die Diebstähle von Kompletträdern möglicherweise vom Angeklagten L2 stammte, war es doch der Zeuge M, der das Geschäft professionalisierte. Der Zeuge M dominierte das Geschehen. Er beauftragte die Diebstähle bei N3, war Ansprechpartner für N3 und T3, verhandelte Preise und zahlte regelmäßig auch das Geld für die Räder aus. Der Angeklagte N, der gleichberechtigter Partner war, hielt sich hingegen stärker im Hintergrund. Der Angeklagte L2, der zu Beginn der Diebstahlsserie noch stark in Erscheinung getreten war, wurde wegen der Dominanz von M schnell zur Randfigur. Sein Einfluss auf die Taten, der ohnehin bereits zu Beginn der Serie gering war, war gegen Ende der Serie kaum mehr erkennbar. Er, der sich eine gleichberechtigte Partnerschaft vorgestellt hatte, fühlte sich zuletzt – wie er es selbst angegeben hat – wie „das fünfte Rad am Wagen“.
844 ) Die Straftaten der drei Angeklagten in Bezug auf die Kompletträder/Autofelgen
85Eingebettet in dieses Gesamtgeschehen kam es zu folgenden Straftaten der Angeklagten, welche Gegenstand der Anklage waren:
86Fall 10:
87[betrifft nicht den Angeklagten]
88Fall 11:
89In der Nacht vom 07.10.2011 auf den 08.10.2011 fuhren die Angeklagten N, L2 und X gemeinsam mit den gesondert verurteilten M, N3 und T3 zum Autohaus I3 an der J-Straße in X7, um dort Räder zu stehlen. Man war mit zwei Autos unterwegs: N3, T3 und X in einem PKW des N3, der Zeuge M mit den Angeklagten N und L2 im N9 $-Klasse des L2.
90Gemäß dem gemeinsamen Tatplan kletterten N3 und T3 und der Angeklagte X am Autohaus über den ca. 2,50 m hohen Zaun auf das eingefriedete Gelände, nachdem N3 zuvor oben an der Einstiegsstelle den Stacheldraht entfernt hatte, mit dem der Zaun gegen das Überklettern gesichert war.
91Auf dem Gelände lösten sie unter Verwendung eines Wagenhebers von zwei #er und zwei #er C6s die Radmuttern, um die Räder mit den hochwertigen Felgen der Marke C6 zu entwenden.
92Die Angeklagten N und L2 und der gesondert verurteilte M befanden sich zu dieser Zeit unmittelbar gegenüber des Autohauses im Auto des L2, welches an einer unbeleuchteten Stelle abgestellt war. Gemeinsam beobachteten die drei die Umgebung. Es war abgemacht, dass sie Bescheid gegeben würden, wenn Entdeckung droht. Zudem sollte mindestens einer aus der Diebesgruppe, für den nach Einladen der Räder im Pkw des N3 kein Platz mehr sein würde, in das Auto des L2 steigen und mit den Dreien gemeinsam den Tatort verlassen.
93Um 00:10 Uhr wurden N, L2 und M von einer Polizeistreife kontrolliert, konnten dann aber fahren, nachdem sie angegeben hatten, auf weibliche Personen zu warten. Der versuchte Diebstahl im Autohaus war zu dieser Zeit noch nicht bekannt.
94Da das Risiko der Entdeckung aufgrund der Polizeikontrolle zu groß geworden war, gab M über das Telefon durch, dass die Aktion abgebrochen werden solle. Aus Angst vor Entdeckung verließen deshalb alle den Tatort ohne Beute.
95Fall 12:
96[betrifft nicht den Angeklagten]
97Fälle 13 und 14:
98Am 01.11.2011 zwischen 1:10 Uhr und 01:50 Uhr und zwischen dem 15.11.2011 19 Uhr und dem 16.11.2011 6 Uhr begaben sich die gesondert verurteilten N3 und T3 aufgrund der Vorgaben des gesondert verurteilten M zweimal zum Gelände des Autohauses I4 an der F2Str. in T15.
99Tatplangemäß überkletterten sie den ca. 2 Meter hohen Zaun und entwendeten dort nach Aufbocken mittels Wagenheber und Pflastersteinen beim ersten Mal von acht neuwertigen Fahrzeugen der Marke C6 die Komplettreifensätze im Wert von ca. 24.000 Euro und beim zweiten Mal von sieben PKWs der Marke C6 die Komplettreifensätze (Felgen und Reifen) im Wert von ca. 21.800 Euro. An den Fahrzeugen entstand dabei jeweils ein Sachschaden von ca. 25.000 Euro, da das Aufbocken zur Beschleunigung lediglich mit zwei Steinen erfolgte, die unter die Mitte der Fahrzeuge gelegt wurden. Es entstand dadurch eine Art Wippe, durch welche jeweils hinten oder vorne und nachdem man die Fahrzeuge heruntergedrückt hatte, auf der anderen Seite die Räder abmontiert wurden. Dadurch wurden die Karosserien der Fahrzeuge erheblich beschädigt.
100Am 01.11.2011 war der Angeklagte X mit N3 und T3 auf dem Gelände, nachdem er über den Zaun, der das Gelände der Firma gegen unbefugtes Betreten absichert, gestiegen war. Er montierte die Räder mit ab und half durch Tragen beim Abtransport der Räder. Hier befanden sich M und L2, die mit dem N9 des L2 mit zum Tatort gefahren waren, während der eigentlichen Ausführungshandlung in der Nähe, um unterstützend tätig werden zu können. Sie fuhren auf den Straßen in der Umgebung auf und ab und hielten Ausschau nach möglichen Entdeckern und der Polizei. Soweit dies erforderlich geworden wäre, wären sie helfend tätig geworden, hätten etwa vor Entdeckung gewarnt, zusätzliches Werkzeug besorgt oder – insbesondere wenn der Platz für Reifen und Insassen nicht ausgereicht hätte – einzelne Beteiligte mit ihrem Auto vom Tatort weggefahren.
101Am 15. auf den 16.11.2011 waren neben N3 und T3 sowie M auch die Angeklagten N und L2 am Tatort. Da neben N3 und T3 nur zwei Personen für den eigentlichen Diebstahl zur Verfügung standen, wurde diesmal auch N mit auf dem umzäunten Gelände tätig. Er schraubte mit N3 die Räder von den Fahrzeugen ab, die T3 dann zum Zaun verbrachte. Dort befand sich M, der die Räder über den Zaun annahm und auf der anderen Seite zum Abtransport stapelte. Der Angeklagte L2 fuhr derweil mit seinem PKW in der Nähe umher, um nach möglichen Entdeckern, insbesondere Polizei, Ausschau zu halten und die anderen gegebenenfalls über sein Mobiltelefon zu warnen. Kurzzeitig befand er sich auch am Zaun. Er hatte mit seinem PKW M und den Angeklagten N zum Tatort gefahren, N3 und T3 waren mit dem PKW des N3 unterwegs.
102In beiden Fällen wurden die Reifen später nach C4 transportiert. N3 und T3 erhielten von M, der die Räder für sich, N und L2 kaufte und bezahlte, pro Satz ca. 500 Euro.
1035 ) Weitere Straftaten des Angeklagten N
104Neben den vorstehenden Taten beging der Angeklagte N zwei weitere Straftaten, die Gegenstand des Verfahrens sind:
105Fall 15:
106Am Morgen des 26.11.2011 hatten die gesondert verurteilten N3, T3 und G2 mit vier weiteren kurdischstämmigen Personen u.a. einen etwa 200kg schweren Safe aus dem Bürotrakt der Firma X2, einem Transportunternehmen, an der M-Straße in U3, entwendet.
107Der Tresor wurde über Nacht versteckt. N3 und T3 vereinbarten mit den weiteren Personen, denen der Tresor „gehörte“, dass sie sich gegen einen Anteil an der Beute um das Öffnen des Tresors kümmern würden.
108Gegen Mittag des 26.11.2011 rief N3 deshalb diverse Freunde und Bekannte an und fragte, ob bei ihnen die Möglichkeit bestehe, den Tresor zu öffnen. M, dem an diesem Tag ohnehin die in der Nacht gestohlenen Räder aus einem Diebstahl bei C6-I4 an der Astraße ## in T7 zu liefern waren, erklärte sich nach Inaussichtstellen einer Belohnung für diese Hilfeleistung einverstanden, dass das Öffnen des Tresors in der Werkstatt in B4 erfolgen könne.
109Am frühen Nachmittag begaben sich dementsprechend N3 und T3 zu dem Firmengelände in B4. Sie wurden von zweien der kurdischstämmigen Personen begleitet. Auf dem Gelände in B4 wurden sie von M und den Angeklagten L2 und N erwartet. Alle Anwesenden wussten davon, dass der Tresor aus einem Einbruch stammte.
110In mehrstündiger Arbeit flexten nun die kurdischstämmigen Personen, insbesondere aber N3 in die Rückwand des Tresors ein Loch. Der Angeklagte N beteiligte sich an dem Öffnen dadurch, dass er mehrfach mit einem schweren Hammer auf den Safe einschlug, um diesen zu öffnen. Dadurch wollte er den kurdischstämmigen Personen den Zugriff auf den Inhalt des Tresors ermöglichen. Durch das letztendlich entstandene Loch griff eine der kurdischstämmigen Personen hindurch und holte einen Umschlag hervor, der über 20.000 Euro Bargeld enthielt. Zudem fand man eine Geldprüfmaschine vor und die Fahrzeugbriefe der LKWs der Firma X2.
111Den Umschlag mit dem Geld nahm einer der kurdischstämmigen Personen an sich, die Geldprüfmaschine wurde dem Angeklagten M überlassen, welcher dafür Verwendung hatte. Die Kfz-Briefe beließ man im Tresor.
112Für das Zurverfügungstellen der Werkstatt, des Werkzeugs und der Hilfe erhielten M und N als Inhaber der Werkstatt von den kurdischstämmigen Personen 500 Euro, die man entweder – das konnte die Kammer nicht klären – gemeinsam in der Spielhalle verspielte oder teilte und je 50 Euro an den Angeklagten L2 weitergab.
113Fall 16:
114Am 18.02.2011 fuhr der Angeklagte mit einem Lieferwagen der Marke Q3 mit dem amtlichen Kennzeichen $$-&& #### von seiner Wohnung in X3 zum Betriebsgelände nach B4 zur Arbeit, obwohl er – wie er wusste, was ihm aber wie immer gleichgültig war – über keine Fahrerlaubnis verfügte. Um 10:03 Uhr wurde er auf der Autobahn zwischen C16 und C17 wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung „geblitzt“ und später als Fahrer identifiziert.“
115II.
116Die Kammer hat die Fälle 2 bis 5 der Anklage, welche Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln betrafen, zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt. Gegenstand des Verfahrens und damit der Verurteilung sind mithin nur noch die Fälle 1 und 6 der Anklage.
117Zu den Fällen 1 und 6 hat die Kammer folgende Feststellungen getroffen:
1181.
119Raubüberfall in der Nacht vom 06. auf den 07.09.2012
120(Fall 1 der Anklage)
121Wie bereits erwähnt, bestritt der Angeklagte im Herbst 2012 seinen Lebensunterhalt weitgehend durch die Begehung von Straftaten. Unter anderem verkaufte er, worauf nachfolgend noch eingegangen wird, in größeren Mengen Marihuana, welches er aus L8 bezog und an Zwischenhändler weiterverkaufte, welche das Marihuana in C5 und Umgebung absetzten. Der Angeklagte bewegte sich damals bereits seit Jahren in einem kriminellen Umfeld, was sich auch in Straftaten und Verurteilungen, wie unter I.2. mitgeteilt sind, niedergeschlagen hat. Zu seinem kriminellen Umfeld gehörten u.a. die gesondert verfolgten S4, T16 und C18. Insbesondere S4 und C18 hatten sich in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis bereits als Schläger hervorgetan. S4 gehörte auch zu der Gruppe, mit der der Angeklagte am 02.02.2011 nach B8 zog, um unter Einsatz von Schlagstöcken, Baseballschlägern und einer Gaspistole dort mehrere Personen zusammenzuschlagen bzw. -zutreten. Einem Opfer wurden der Unterkiefer und das Nasenbein gebrochen, ein anderes wurde bewusstlos getreten. Wegen der Einzelheiten wird auf den unter I.2.d. dargestellten Sachverhalt Bezug genommen.
122Wegen dieser Körperverletzungen mussten sich der Angeklagte und der gesondert verfolgte S4 vom 02.08. bis 13.09.2012 vor dem Amtsgericht N4 verantworten. Am 05.09.2012 war dort der vorletzte Hauptverhandlungstag. Am 13.09.2012 wurde das Urteil verkündet.
123Am 06.09.2012, also während der laufenden Hauptverhandlung in N4, fassten der Angeklagte, S4, T16 und C18 aufgrund eines Tipps des gesondert verfolgten C19 den Plan, den libyschen Autohändler S, den Nebenkläger, zu überfallen.
124C19 hatte über seinen Bruder, der damals eine Autowerkstatt betrieb und auch mit Gebrauchtwagen handelte, erfahren, dass sich der Nebenkläger derzeit in Deutschland aufhielt. Er übernachtete in einer Wohnung im Mehrparteienhaus in der Gstr. ## in C5 im ersten Stock. Er habe über 20.000 Euro in bar bei sich, da er in Deutschland Gebrauchtwagen kaufen und nach Libyen exportieren wolle.
125Da man befürchtete, dass der Nebenkläger das Geld bald ausgegeben würde, begann man unmittelbar mit den Tatvorbereitungen:
126Am Nachmittag und am frühen Abend des 06.09.2012 kundschafteten die vier im N9 des T16 das Gebäude in der G-Straße sowie den Zugang zum Gebäude und mögliche Fluchtwege aus. Dabei erzählte T16, dass er das Objekt kenne. Ein Freund von ihm habe dort gewohnt. Man könne durch einen von außen zugänglichen Briefkastenschlitz hindurchgreifen und so die Klinke der Haustür herunterdrücken. Auf diese Weise könne man unauffällig in den Hausflur gelangen.
127Der Überfall selbst sollte am frühen Morgen des 07.09.2012 stattfinden, zu einer Zeit, zu der die Nachbarn und der Nebenkläger schlafen würden. So konnten sie einen Überraschungseffekt ausnutzen. Man besprach, dass sich jeder dunkle Kleidung anziehen solle. Zudem besprach man die Maskierung. Der Angeklagte steuerte zwei GoKart-Masken bei, die er von einem Besuch der T17-Kart-Bahn in L9 besaß. Ein weiterer Täter nahm eine Mütze, in die Sehschlitze hineingeschnitten waren. Der vierte Täter besaß eine eigene GoKart-Maske.
128Der Angeklagte sollte seine Gaspistole mitbringen. Zudem hatte der gesondert verfolgte T16 einen auf eine Länge von etwa 50 Zentimeter ausfahrbaren Teleskopschlagstock in seinem Auto, der oben eine kleine Metallkugel besaß. Diesen sollte C18 bei der Tat führen.
129Die Pistole und der Teleskopschlagstock waren dazu bestimmt, den Autohändler damit zu bedrohen, um ihn zur Herausgabe des Geldes zu bringen. Innerhalb der Gruppe stand außer Frage, dass gegebenenfalls auch Gewalt eingesetzt werden müsse, um Widerstand zu brechen oder zu verhindern. Jedenfalls mit Faustschlägen oder Schlägen mit dem Schlagstock rechnete jeder aus der Gruppe, auch der Angeklagte. Gerade deshalb hatten die übrigen drei den gesondert verfolgten C18 hinzugezogen, der sich in der Vergangenheit bereits als bedenkenloser Schläger und „als Mann für´s Grobe“ hervorgetan hatte.
130Die Wartezeit bis zur Tat überbrückten der Angeklagte und seine Mittäter in einem Cafe.
131Am 07.09.2012 um ca. 2 Uhr schritt man zur Ausführung: In dem O des Angeklagten fuhr er mit seinen Mittätern zum Parkplatz am Eingang einer Schule auf der anderen Straßenseite des Mehrfamilienhauses, in der sich die Wohnung des Nebenklägers befand. Dort stellte man das Fahrzeug ab. Dass der Angeklagte über keinen Führerschein verfügte, war ihm bewusst. Ihm war dies aber – wie stets – gleichgültig. Den O hatte man als Fahrzeug gewählt, weil dieser im Vergleich zu dem N9 des gesondert verfolgten T16, der alternativ als Tatfahrzeug hätte dienen können, weniger auffällig war.
132Auf dem Parkplatz angekommen begaben sich zunächst lediglich der Angeklagte und der gesondert verfolgte T16 über den Schulhof zum Mehrfamilienhauses Gstr. ##, während C18 und S4 im Auto warteten. Der Angeklagte griff durch den Briefkastenschlitz, um die Haustüre zu öffnen, konnte die Haustürklinke jedoch nicht erreichen. Daher holte man bei C18 den Teleskopschlagstock, mit dem es dem Angeklagten schließlich gelang, die Klinke herunterzudrücken. Durch die Haustür gelangten alle vier Täter unbemerkt in das Treppenhaus des Mehrfamilienhauses.
133Alle vier Täter begaben sich vor die Wohnungseingangstüre der Wohnung im ersten Stock.
134In der Wohnung befanden sich zu dieser Zeit aber nicht nur der Nebenkläger und – wie die Täter vermuteten – gegebenenfalls ein weiterer Autohändler. Vielmehr schliefen dort auch die damals schwangere Ehefrau des Nebenklägers und seine drei Kinder im Alter von damals vier, drei und einem Jahr. Davon ahnten der Angeklagte und seine Mittäter zu diesem Zeitpunkt jedoch nichts.
135Der Angeklagte und die anderen maskierten sich nun mit GoKart-Masken bzw. der Mütze. Der Angeklagte hatte die nicht geladene Gaspistole, C18 den Teleskopschlagstock ausgefahren und schlagbereit in der Hand.
136Mit einem festen Tritt trat der gesondert verfolgte S4 die Wohnungseingangstüre auf. Alle vier stürmten in die Wohnung und suchten nach den Bewohnern. Der Angeklagte und C18 liefen voran in das Wohnzimmer.
137Vom Wohnzimmer aus führte eine Tür zum Schlafzimmer, in welchem der Nebenkläger und seine Familie in zwei großen Betten schliefen. Die Türe stand während der Nacht offen.
138Der Nebenkläger war durch den Lärm aufgeschreckt und eilte zur Wohnungstür als er im Türrahmen des Schlafzimmers auf den Angeklagten und C18 traf. Der Angeklagte richtete mit beiden Händen die Pistole auf den Oberkörper des Nebenklägers und bedrohte diesen auf diese Weise. Der Zeuge S hatte Todesangst. C18 hielt den ausgefahrenen Teleskopschlagstock schlagbereit und drohend in der Hand. Die Schlagfläche ragte dabei nach oben, so dass er ohne größere Ausholbewegung unmittelbar mit dem Schlagstock zuschlagen konnte.
139Der Nebenkläger nahm beide Waffen wahr und fürchtete – wie beabsichtigt – deren Einsatz. Da der Nebenkläger deshalb Angst hatte rief er, ohne dass der Angeklagte und C18 etwas sagen mussten: „Macht nichts! Macht nichts! … Wollt ihr Geld? In der Jacke ist Geld!“. Dabei deutete er auf seine Jacke, die hinter dem Angeklagten und C18 auf dem Sofa im Wohnzimmer lag. Er rief weiter: „Bitte macht nichts! Ich habe Frau und Kinder!“.
140Nunmehr nahm der Angeklagte auch die Ehefrau des Nebenklägers und die kleinen Kinder wahr, die hinter dem Nebenkläger in ihren Betten aufgeschreckt waren und aufgeregt durcheinander sprachen oder weinten.
141T16 und S4, die sich bis dahin im Türbereich der Wohnung befanden, betraten zu diesem Zeitpunkt das Wohnzimmer. Während der Angeklagte und C18 den Nebenkläger S mit den Waffen in Schach hielten, durchsuchten T16 oder S4 dessen Jacke. Dort fand man 8.000 Euro in 100-Euro-Scheinen, welche man mitnahm. Zudem durchwühlte man noch eine Tasche des Nebenklägers, fand dort jedoch nichts Stehlenswertes.
142Aus Angst um sich und seine Familie, die er durch die Täter mit den Waffen bedroht sah, ließ der Nebenkläger die Täter gewähren.
143S4 gab nun das Signal zur Flucht, indem er auf Arabisch sinngemäß rief: „Kommt wir gehen!“.
144Während der Angeklagte noch mit der Gaspistole auf den Nebenkläger S zielte und zu diesem Zeitpunkt seine gesamte Aufmerksamkeit auf sich zog, versetzte der gesondert verfolgte C18 – vom allgemeinen Tatplan gedeckt – dem Nebenkläger einen kräftigen Faustschlag in das Gesicht. Dadurch sollte der Nebenkläger von einer zeitnahen Verfolgung abgehalten werden.
145Für den Nebenkläger S kam der Schlag, weil er sich zu diesem Zeitpunkt auf den Angeklagten konzentrierte, völlig unerwartet. Aufgrund des Faustschlages platzte seine Oberlippe auf, er taumelte nach hinten, fiel zu Boden und blieb etwa 30 Sekunden bis eine Minute bewusstlos liegen. Danach rappelte er sich auf und setzte zur Verfolgung an. Der Angeklagte und seine Mittäter waren jedoch bereits entkommen.
146Die vier Täter flüchteten durch das Treppenhaus über den Schulhof zum Auto des Angeklagten.
147Der Angeklagte fuhr die anderen drei mit seinem Auto O die ca. 100 km über die Autobahn nach B12 zur Wohnung der Ehefrau des T16, wo man um ca. 3:30 Uhr eintraf. Dort hatte man Kleidung deponiert. Man wechselte die Kleidung und teilte die gemeinsame Beute unter sich auf. Der Angeklagte erhielt aus der Beute 1.400 Euro.
148Der Tippgeber C19 erhielt aus der Beute nichts. Zwar hatte die Gruppe zuvor mit diesem vereinbart, dass auch er beteiligt werden sollte. Man fühlte sich aber von diesem hintergangen, weil er nichts von der Frau und den kleinen Kindern des S erzählt hatte.
149Schwerwiegende körperliche Folgen hatte der Überfall für den Nebenkläger nicht. Dieser erlitt aufgrund des Faustschlages lediglich die blutende Platzwunde an der Oberlippe, die mehrere Tage schmerzte. Eine ärztliche Behandlung war nicht erforderlich. Der Nebenkläger leidet aber noch heute psychisch unter dem Erlebten. Nach der Tat plagten ihn Albträume und noch zum Zeitpunkt seiner Aussage in der Hauptverhandlung hatte er große Angst, nochmals überfallen zu werden. Aus Angst vor solchen Überfällen wollen seine Ehefrau und seine Kinder nicht mehr mit nach Deutschland reisen. Insbesondere seine damals vier und heute fünf Jahre alte Tochter hat noch heute Angst im Dunkeln und besteht stets darauf, dass die Wohnungstür abgeschlossen wird, weil „nachts die bösen Männer kommen“.
150Der Angeklagte hat dem Nebenkläger am 2. Hauptverhandlungstag einen Geldbetrag in Höhe seines Beuteanteils von 1.400 Euro als Anzahlung auf die Schadenswiedergutmachung aushändigen lassen. Nachdem der Nebenkläger zunächst eine Entschuldigung des Angeklagten nicht annehmen wollte, ist er von sich aus nach einer Sitzungsunterbrechung auf das Thema zurückgekommen und hat angegeben, es müsse Ruhe sein. Er nehme die Entschuldigung deshalb an.
1512.
152Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
153(Fall 6 der Anklage)
154Spätestens seit September 2012 handelte der Angeklagte mit Marihuana. Dieses bezog er von einem unbekannten Lieferanten aus L8 ab Mengen von jeweils 200 Gramm zu einem Preis von 6,60 Euro bis 6,80 Euro pro Gramm. Er verkaufte es gewinnbringend an Zwischenhändler zu Preisen zwischen 7,80 Euro bis 8,50 Euro.
155Eingebettet in dieses Gesamtgeschehen ist Gegenstand der Verurteilung die folgende Tat:
156Am 23.01.2013 verfügte der Angeklagte in der von ihm genutzten Wohnung in der T-Str. in C20 über 368,94 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 12,9%, mithin insgesamt 47,59 g THC. Das Marihuana war von dem Angeklagten bereits zum gewinnbringenden Weiterverkauf portioniert worden. Das Marihuana hatte der Angeklagte einige Tage vorher von dem unbekannt gebliebenen Dealer aus L8 zu den oben genannten Preisen erworben. Er wollte es gewinnbringend zu den oben genannten Preisen an Zwischenhändler weiterverkaufen und damit einen Gewinn erzielen. Dazu kam es nicht. Das Marihuana konnte anlässlich einer Wohnungsdurchsuchung am 23.01.2013 im Wohnzimmer der Wohnung sichergestellt werden.
1573.
158Aufklärungshilfe
159Der Angeklagte hat im Verfahren 22 KLs 3/13 noch vor Eröffnung des Hauptverfahrens in hiesiger Sache seine beiden Mittäter bei dem Raubüberfall auf die Postagentur T6 am 30.12.2009 (oben I.2.e) namentlich benannt. Der gesondert verfolgten D3 ist in einem späteren Verfahren wegen dieser Tat rechtskräftig verurteilt worden (22 KLs 5/13). Gegen den weiteren vom Angeklagten als Mittäter bezeichneten B13 hatte die Staatsanwaltschaft C5 das Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO wegen Fehlens eines für die Anklage erforderlichen hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Gegen diesen wird nunmehr aufgrund der glaubhaften Angaben des Angeklagten das Verfahren fortgeführt.
160Zudem machte der Angeklagte vor Eröffnung des Hauptverfahrens im Haftprüfungstermin vom 17.06.2013 vor der Kammer über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus Angaben zu dem Überfall auf den Nebenkläger (II.1.). So nannte er die Namen seiner Mittäter und ordnete diesen die jeweiligen Tatbeiträge zu. Allerdings hatten vor ihm bereits die gesondert verfolgten S4 und T16 Geständnisse abgelegt.
161III.
1621.
163Die Feststellungen unter I.1. zum Werdegang des Angeklagten, seinem familiären Hintergrund und seiner früheren und heutigen Lebenssituation und unter I.2. zu seinen strafrechtlichen Vorbelastungen beruhen auf den Angaben des Angeklagten und den in der Hauptverhandlung verlesenen Urteilen der Kammer vom 16.05.2013 und 11.06.2013 und dem verlesenen Bundeszentralregisterauszug vom 15.03.2013.
164Der Angeklagte hat auch in der hiesigen Hauptverhandlung erneut die Richtigkeit der Feststellungen in diesen Urteilen bestätigt und ergänzt. Zu seiner aktuellen Situation in der Haft hat er ergänzt, dass er ab 03.09.2013 die Ausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer beginne.
165Die Kammer hat keinen Anlass gefunden, an den Angaben des Angeklagten in den früheren und dem aktuellen Verfahren zu zweifeln.
1662.
167Der Angeklagte hat sich zu den Tatvorwürfen im Haftprüfungstermin vor der Kammer am 11.06.2013 und zu Beginn der Hauptverhandlung ausführlich eingelassen.
168Im Haftprüfungstermin hat der Angeklagte den Raubüberfall unter II.1. so, wie es in den Feststellungen niedergelegt ist, eingeräumt. Er hat insbesondere auch eingeräumt, dass man zu zweit vor dem Nebenkläger gestanden und diesen mit Waffen bedroht habe. Er habe mit der Pistole auf den Nebenkläger gezielt. Der gesondert verfolgte C18 habe neben ihm gestanden, den Nebenkläger mit dem Teleskopschlagstock bedroht und diesen auch geschlagen, jedoch nicht mit dem Schlagstock, sondern mit der Faust.
169Zu Beginn der Hauptverhandlung hat der Angeklagte dieses Geständnis wiederholt. Abweichend von den Feststellungen der Kammer und seinen Angaben im Haftprüfungstermin hat er nunmehr jedoch angegeben, C18 habe bei der Tat den Schlagstock nicht in seiner Hand gehabt. Vielmehr habe T16 den Schlagstock geführt. Dies sei ihm erst nach dem Haftprüfungstermin eingefallen. Er erinnere sich, dass T16 bei der Flucht durch das Treppenhaus mit dem ausgefahrenen Teleskopschlagstock hängen geblieben und deshalb gestürzt sei. Daher sei der Nebenkläger auch nicht unmittelbar mit dem Schlagstock bedroht worden.
170Zu dem Handel mit Betäubungsmitteln, der Gegenstand der Fälle 2 bis 6 der Anklage war, hat er im Haftprüfungstermin und zu Beginn der Hauptverhandlung eingeräumt, mit Marihuana gehandelt zu haben. Abweichend von der Anklage habe er jedoch mit geringeren Mengen als dort angegeben gehandelt. Er habe zusammen mit dem gesondert verfolgten T16 jeweils maximal 500 Gramm Marihuana bei seinem Lieferanten in L8 gekauft. Soweit in der Anklageschrift aufgrund des Inhalts der Telefonüberwachung Fälle individualisiert worden seien, dürften diese Vorwürfe nach der Einschätzung des Angeklagten zutreffen. Er könne aber den einzelnen Fällen heute bestimmte Mengen nicht mehr zuordnen. Er könne nur sagen, dass er mindestens jeweils 200 Gramm Marihuana und höchstens 500 Gramm zusammen mit T16 in L8 gekauft habe. Die übrigen in der Anklage genannten Personen hätten mit den Betäubungsmittelgeschäften unmittelbar nichts zu tun, seien aber bei den Fahrten nach L8 teilweise dabei gewesen.
171Aufgrund dieser Einlassung des Angeklagten hat die Kammer die Fälle 2 bis 5 der Anklageschrift zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt und das abgetrennte Verfahren zunächst ausgesetzt, um in einer gesonderten Hauptverhandlung die jeweiligen Mengen zu klären und diese den Fällen zuzuordnen.
172In Bezug auf Fall 6 der Anklageschrift, der als Fall II.2. von der Kammer festgestellt worden ist, bestand dazu keine Notwendigkeit. Hier ist das Marihuana bei dem Angeklagten sichergestellt worden. Der Angeklagte hat dazu eingeräumt, dass er dieses kurz zuvor in L8 erworben und später in seiner Wohnung portioniert habe, um das Marihuana weiterzuverkaufen. Das sichergestellte Marihuana sei vollständig zum Weiterverkauf bestimmt gewesen.
1733.
174Die Kammer stützt die Feststellungen zum Raubüberfall unter II.1. und dem Handeltreiben mit dem sichergestellten Marihuana unter II.2. in erster Linie auf das Geständnis des Angeklagten. Seine Angaben sind mit Ausnahme seiner Angaben zu dem Teleskopschlagstock in der Hauptverhandlung glaubhaft und liegen daher den Feststellungen zugrunde.
175Der Angeklagte hat sich ausführlich eingelassen und dabei detaillierte und widerspruchsfreie Angaben gemacht. Er zeigte sich insbesondere bezogen auf den Raubüberfall stets in der Lage, den Sachverhalt um Details zu ergänzen, die sich stimmig in das zuvor Berichtete einfügten. Bei seinem Geständnis hat er sich selbst nicht geschont, sondern – etwa in Bezug auf die Vorbereitung des Überfalls – Angaben gemacht, die ihn selbst nicht unerheblich belastet haben, etwa dass es sich um seine Gaspistole gehandelt habe, die er mitgebracht und bei der Tat verwendet habe.
176Dass der Angeklagte sich über Gebühr zu Unrecht falsch belastet haben könnte, kann die Kammer ausschließen. Der Angeklagte hat nicht pauschal das eingeräumt, was ihm in der Anklage zur Last gelegt wurde. Vielmehr hat er differenzierte Angaben gemacht und darauf geachtet, sich nicht zu weitgehend zu belastet. So wurde etwa in der Anklageschrift davon ausgegangen, der Nebenkläger sei von C18 mit dem Schlagstock geschlagen worden. Dies hat der Angeklagte anders dargestellt. Auch hat er – wie geschildert – die Mengen an Marihuana, mit denen er gehandelt hat, abweichend geschildert. In der Hauptverhandlung hat er zudem – wenn auch wahrheitswidrig – behauptet, nicht C18, sondern T16 habe bei dem Überfall den Schlagstock geführt.
177Seine Angaben zu dem eigentlichen Raubüberfall, also den Geschehnissen in der Wohnung, in der der Nebenkläger sich mit seiner Familie aufhielt, stimmen zudem mit Ausnahme des Einsatzes des Schlagstockes mit der Schilderung des Nebenklägers vollständig überein. Dieser hat angegeben, dass er den Tätern deshalb gesagt habe, wo das Geld sei und er sich der Wegnahme des Geldes deshalb nicht widersetzt habe, weil er sich von den zwei vor ihm stehenden Tätern mit Waffen bedroht sah. Der kleinere Täter – der Angeklagte – habe die Pistole auf ihn gerichtet, der größere Täter – nach dem Geständnis des Angeklagten war dies der gesondert verfolgte C18 – habe ihn mit einem einsatzbereiten Schlagstock bedroht.
178Soweit der Angeklagte in der Hauptverhandlung bestritten hat, dass C18 mit dem Schlagstock gedroht hat, hält die Kammer dies für eine Schutzbehauptung.
179Dafür sprechen bereits die eigenen Angaben des Angeklagten im Haftprüfungstermin, die die Kammer durch Verlesung eingeführt hat. Der Angeklagte hat sich im Haftprüfungstermin ausführlich eingelassen. Sein Verteidiger hat mit ihm die Einlassung im Vorfeld vorbereitet und zu Beginn des Haftprüfungstermins diese Erklärung verlesen, welche sich der Angeklagte ausdrücklich zu Eigen gemacht hat. Danach stand er für Rückfragen zur Verfügung und hat sich ausführlich ergänzend eingelassen. Er hat dabei nochmals angegeben, dass C18 den Schlagstock in der rechten Hand gehalten und mit der linken Faust zugeschlagen habe.
180Dass der Angeklagte sich in diesem Punkt geirrt hat, kann die Kammer ausschließen. Die Kammer nimmt dem Angeklagten nicht ab, dass er im Haftprüfungstermin vergessen haben will, dass der gesondert verfolgte T16 den Teleskopschlagstock führte und er mit diesem bei der Flucht im Treppenhaus hängen blieb und hinfiel. Hierbei handelt es sich um einprägsame Details, die man nicht vergisst. Das Erinnerungsvermögen des Angeklagten im Haftprüfungstermin war im Übrigen bemerkenswert gut und erstreckte sich auf alle wichtigen Details. Die Änderung seiner Einlassung ist vielmehr der Versuch, den Schlagstock vom Ort der unmittelbaren Bedrohung des Zeugen S weg zu verlagern. Rechtlich wäre dies bezogen auf den Schuldspruch für den Angeklagten günstig, weil dadurch eine Bedrohung mit einer Waffe und damit die Qualifikation gem. § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB entfiele. Es liegt nahe, dass dies dem Angeklagten aufgrund der gezielten Nachfragen der Kammer im Haftprüfungstermin und/oder aufgrund von Gesprächen mit seinem Verteidiger nach dem Haftprüfungstermin bewusst geworden ist und dies Triebfeder der Änderung seiner Einlassung war.
181Letztendlich hat die Kammer auch aufgrund der Angaben des Nebenklägers keine Zweifel an der Drohung mit dem Schlagstock. Diese hat der Nebenkläger S ausführlich geschildert.
182Dass der Nebenkläger den Angeklagten bewusst wahrheitswidrig zu stark belastet hat, kann die Kammer ausschließen. Zwar hat der Nebenkläger die Täter schwer belastet. Die Angaben wurden jedoch durch den Angeklagten bestätigt. Eine überschießende Belastungstendenz war der Aussage des Nebenklägers jedoch nicht zu entnehmen. Vielmehr hat der Nebenkläger differenziert und ersichtlich um die Wahrheit bemüht ausgesagt. Zudem hat er auch auf ihm ohne Weiteres mögliche Mehrbelastungen verzichtet. So hat er etwa nicht behauptet, die Täter hätten auch seine Ehefrau und die Kinder bedroht. Zudem hätten sie nicht nach Geld verlangt, sondern er habe vorauseilend geäußert, wo sich das Geld befinde.
183Die Kammer kann auch ausschließen, dass der Nebenkläger S hinsichtlich der Bedrohung mit dem Schlagstock einem Irrtum unterlegen ist.
184Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass es auch nach der letzten Einlassung des Angeklagten den Teleskopschlagstock gegeben hat und dieser bei dem Überfall eine Rolle gespielt hat. Insoweit haben die Angaben des Nebenklägers durch die Aussage des Angeklagten Bestätigung erlangt. Eine irrtümliche Falschaussage des Nebenklägers wäre vor diesem Hintergrund nur dadurch erklärlich, dass er den Schlagstock bei den beiden Tätern im Hintergrund wahrgenommen und diesen in seiner Erinnerung irrtümlich einem der vor ihm stehenden Täter zugeordnet hat. Dies kann die Kammer ausschließen.
185Der Nebenkläger hatte seine Aufmerksamkeit bei dem Überfall in erster Linie auf die beiden vor ihm stehenden Täter und die Waffen gerichtet, mit denen er bedroht wurde. Die beiden Täter im Hintergrund habe er, so die nachvollziehbare Aussage des Nebenklägers, eher beiläufig wahrgenommen und sich von diesen nicht unmittelbar bedroht gefühlt. Eine fehlerhafte Wahrnehmung oder Erinnerung vermag die Kammer vor diesem Hintergrund auszuschließen. Auch wenn der Nebenkläger sich in einer hochgradigen Stresssituation befunden hat, waren doch die beiden Waffen für ihn von zentraler Bedeutung. Darauf richtete er nachvollziehbar seine Aufmerksamkeit, so dass die Kammer ausschließen kann, dass der Nebenkläger sich gerade zu diesem Punkt fehlerhaft erinnert.
186Nach alledem ist die Kammer davon überzeugt, dass der Nebenkläger von C18 mit dem Schlagstock bedroht worden ist.
187Soweit der Nebenkläger S angegeben hat, mit dem Schlagstock einen Stromschlag erhalten zu haben, ist dies allerdings zur Überzeugung der Kammer nicht zutreffend.
188Der Angeklagte hat dazu ausgeführt, er kenne solche Schlagstöcke. Er sei sich sicher, mit einem Elektro-Schlagstock bedroht worden zu sein. Er habe auch gemerkt, dass er einen Schlag bekommen habe und sei deshalb 30 Sekunden bis eine Minute bewusstlos gewesen. Daran habe er keine Zweifel.
189Die Kammer kann dem Nebenkläger insoweit nicht folgen:
190Die Kammer hat dem Nebenkläger S im Rahmen einer Wahllichtbildvorlage Bilder verschiedender Schlagwerkzeuge vorgelegt. Darunter befanden sich „normale“ Teleskopschlagstöcke sowie diverse Stab- und Teleskop-Elektroschockgeräte unterschiedlicher Bauart. Der Nebenkläger wählte aus diesen einen „normalen“ Teleskopschlagstock aus, der sich deutlich, insbesondere durch einen deutlich geringeren Durchmesser, von im Handel erhältlichen Stab- bzw. Teleskop-Elektroschockgeräten unterscheidet. Die Kammer geht daher davon aus, dass der Nebenkläger sich irrig von einem entsprechenden Elektro-Schlagstock bedroht fühlte und deshalb heute meint, dieses sei gegen ihn eingesetzt worden, womit sich für ihn schlüssig auch seine längere Bewusstlosigkeit erklärte.
191Auf Nachfrage hat der Nebenkläger im Ergebnis auch selbst klar gemacht, dass der Einsatz des Elektro-Schlagstocks eine Schlussfolgerung sei: Zum Zeitpunkt des Schlages sei er auf die Gaspistole fixiert gewesen. Der Schlag habe ihn vollkommen überraschend getroffen, er habe diesen „nicht kommen sehen“ und könne daher auch nicht sagen, ob der Täter eine schlagende oder stoßende Bewegung gemacht habe. Auch die Ehefrau des Zeugen hat den Schlag oder den Elektroeinsatz des Schlagstockes nicht gesehen, weil sie ebenfalls zu diesem Zeitpunkt in eine andere Richtung sah. Dies bekundete der Nebenkläger S glaubhaft auf Nachfrage der Kammer. Der Nebenkläger bekundete in diesem Zusammenhang, seine Frau zu diesem Punkt befragt und über diesen Punkt ausdrücklich gesprochen zu haben. Seine Frau habe angegeben, den Schlag nicht gesehen zu haben. Er meine aber, dass ein Stromschlag durch seinen Körper gegangen sei. Auch seine Bewusstlosigkeit spreche für den Einsatz eines Elektroschockers.
192Zu der Fehleinschätzung des Nebenklägers in Bezug auf diesen Punkt mag geführt haben, dass er aufgrund des Faustschlages möglicherweise unter einer retrograden Amnesie litt. In diesem Fall wäre es denkbar, dass der Nebenkläger die Bewusstseinslücke dadurch zu schließen versuchte, dass er das Tatgeschehen unbewusst entsprechend seinen Vorstellungen ergänzte. Für ihn, der irrig davon ausging, dass er mit einem Elektro-Teleskopschlagstock bedroht wäre, lag es jedenfalls nahe, anzunehmen, mit einem Stromstoß niedergestreckt worden zu sein.
193Die Feststellungen der Kammer zu den Folgen der Tat für den Nebenkläger und seiner Familie beruhen auf den Angaben des Nebenklägers. Dieser hat geschildert, dass er, seine Ehefrau und insbesondere seine heute fünf Jahre alte Tochter, wie in den Feststellungen niedergelegt, unter dem Erlebten leiden und wie das Familienleben dadurch noch heute beeinträchtigt ist. Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass dies den Tatsachen entspricht.
194Auch bezogen auf das unter II.2. festgestellte unerlaubte Handeltreiben mit dem Marihuana hat die Kammer keine Zweifel an dem Geständnis des Angeklagten. Es stimmt mit den objektiven Gegebenheiten überein. Das Marihuana wurde bei ihm im Wohnzimmer seiner neuen Wohnung aufgefunden und sichergestellt.
195Die Feststellung des Wirkstoffgehalts des sichergestellten Marihuanas beruht auf dem kriminalpsychologischen Gutachten des LKA Düsseldorfs vom 13.02.2013, welches durch Verlesen in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist und an deren Richtigkeit die Kammer keine Zweifel hat.
196Die Feststellungen zur geleisteten Aufklärungshilfe unter II.3. beruhen auf den Angaben des Angeklagten und den in der Hauptverhandlung verlesenen Urkunden, die aus dem Sitzungsprotokoll ersichtlich sind.
197IV.
198Nach den getroffenen Feststellungen unter II.1. hat sich der Angeklagte durch den Überfall auf den Zeugen S wegen besonders schweren Raubes gem. §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1, 25 Abs. 2 StGB in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gem. §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4, 25 Abs. 2 StGB und (durch die Flucht nach B12) vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis gem. § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG schuldig gemacht.
199Bei dem verwendeten Schlagstock handelt es sich um eine Waffe gem. § 1 Abs. 2 Nr. 2a WaffG. Durch die Bedrohung des Nebenklägers mit dem Schlagstock wurde die Waffe verwendet. Dies ist dem Angeklagten – wie auch die Körperverletzung durch den Faustschlag – zuzurechnen.
200Zudem hat sich der Angeklagte nach den Feststellungen unter II.2. hinsichtlich der in seiner Wohnung aufgefundenen Menge Marihuana wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gem. §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG schuldig gemacht.
201Der besonders schwere Raub und das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge stehen zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit, § 53 StGB.
202Der Angeklagte handelte rechtswidrig und schuldhaft.
203V.
2041.
205Der besonders schwere Raub wird gem. § 250 Abs. 2 StGB im Regelfall mit Freiheitsstrafe von nicht unter fünf Jahren bestraft, im minder schweren Fall gem. § 250 Abs. 3 StGB mit Freiheitstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Die gefährliche Körperverletzung wird gem. § 224 Abs. 1 StGB im Regelfall mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, im minder schweren Fall mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Für das vorsätzliche Fahren ohne Fahrerlaubnis sieht das Gesetz gem. § 21 Abs. 1 StVG einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe vor.
206Die Kammer hat der konkreten Strafzumessung bei dem Raub zum Nachteil des Nebenklägers (II.1.) den Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB zugrunde gelegt, den sie jedoch wegen der von dem Angeklagten geleisteten Aufklärungshilfe gem. §§ 46b Abs. 1, 49 Abs. 1 StGB gemildert hat.
207Von einem minder schweren Fall des Raubes ist die Kammer hingegen nicht ausgegangen.
208Dabei hat die Kammer zunächst geprüft, ob unabhängig vom Vorliegen des vertypten Milderungsgrundes des § 46b Abs. 1 StGB, mithin unabhängig von der Aufklärungshilfe, ein minder schwerer Fall anzunehmen ist. Sodann hat sie geprüft, ob unter zusätzlicher Berücksichtigung der Aufklärungshilfe ein minder schwerer Fall angenommen werden kann. Beides ist nicht der Fall:
209Für die Entscheidung, ob ein minder schwerer Fall angenommen werden kann, ist nach ständiger Rechtsprechung maßgebend, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle so sehr abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint. Erforderlich ist eine Gesamtbetrachtung, bei der alle Umstände einzubeziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen. Dabei sind alle wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände gegeneinander abzuwägen. Erst nach dem Gesamteindruck kann entschieden werden, ob der außerordentliche Strafrahmen anzuwenden ist.
210Die Kammer hat im Rahmen der danach erforderlichen Gesamtabwägung zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass
211- der Angeklagte bereits im Zwischenverfahren und auch in der Hauptverhandlung geständig war;
212- er als Erstverbüßer und junger Vater erhöht haftempfindlich ist;
213- er bei Begehung der Tat dem Jugendstrafrecht gerade entwachsen war;
214- er den Schaden in Höhe von 1.400 Euro in der Hauptverhandlung wiedergutgemacht hat;
215- er bereit war, sich bei dem Nebenkläger zu entschuldigen;
216- er Aufklärungshilfe im Sinne von § 46b StGB geleistet hat.
217Die Anwendung des § 46a StGB (Täter-Opfer-Ausgleichs) ist nach Auffassung der Kammer nicht angezeigt. Der Schaden wurde nur teilweise wiedergutgemacht. Eine Entschuldigung ist angesichts des Gesamtgeschehens nicht geeignet, einen Täter-Opfer-Ausgleich herbeizuführen.
218Zu Lasten des Angeklagten sprach, dass
219- die kriminelle Energie erheblich war, weil der Angeklagte gewaltsam, mit anderen gemeinsam, vermummt nachts in eine fremde Wohnung eindrang, um den Überfall durchzuführen;
220- der Angeklagte sich von der Tat nicht durch die laufende Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht N4 abhalten ließ;
221- ihn auch die von Mai bis September 2011 erlittene Untersuchungshaft nicht von der Begehung weiterer Straftaten abgehalten hat;
222- der Nebenkläger bei der Tat verletzt wurde und der Angeklagte dadurch tateinheitlich eine gefährliche Körperverletzung verwirklicht hat.
223Bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte erschien es der Kammer nicht angemessen, den Ausnahmestrafrahmen des minder schweren Falls zugrunde zu legen. Der Fall weicht nach unten nicht von der Bandbreite der Fälle ab, die bei der Schaffung des Regelstrafrahmens berücksichtigt worden sind.
224Die Kammer hielt es aber für angebracht, den Umstand der Aufklärungshilfe durch eine Strafrahmenverschiebung gem. §§ 46b Abs. 1, 49 Abs. 1 StGB zu berücksichtigen.
225Der sich danach ergebende Strafrahmen von zwei Jahren bis elf Jahre und drei Monaten Freiheitsstrafe ist gem. § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB gegenüber den Strafrahmen für die tateinheitlich mitverwirklichten Straftaten der gefährlichen Körperverletzung und des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis derjenige, der die schwerste Strafe androht. Er war daher der konkreten Strafzumessung zugrunde zu legen.
226Unter umfassender Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hat die Kammer für diese Tat eine Freiheitsstrafe von
227sechs Jahren
228für tat- und schuldangemessen erachtet.
2292.
230Für das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sieht § 29a Abs. 1 BtMG im Regelfall eine Freiheitsstrafe von nicht unter einem Jahr, im minder schweren Fall gem. § 29a Abs. 2 BtMG eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor.
231Die Kammer hat bei der konkreten Strafzumessung für das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (II.2.) den Strafrahmen des minder schweren Falls gem. § 29a Abs. 2 BtMG zugrunde gelegt.
232Bei der Gesamtabwägung hat die Kammer dabei strafmildernd berücksichtigt, dass
233- der Angeklagte bereits im Zwischenverfahren und auch in der Hauptverhandlung geständig war;
234- er als Erstverbüßer und junger Vater erhöht haftempfindlich ist;
235- er bei Begehung der Tat dem Jugendstrafrecht gerade entwachsen war;
236- es sich bei Marihuana um eine sog. „weiche Droge“ handelt;
237- das Marihuana sichergestellt wurde, also nicht in den Verkehr gelangte;
238- die Polizei das Telefon des Angeklagten bereits zum damaligen Zeitpunkt abhörte und ihr daraus bekannt war, dass der Angeklagte mit Betäubungsmitteln handelte.
239Strafschärfend hat die Kammer berücksichtigt, dass
240- der Angeklagte bei Begehung der Tat unter laufender Bewährung stand;
241- ihn auch die von Mai bis September 2011 erlittene Untersuchungshaft nicht von der Begehung weiterer Straftaten abgehalten hat.
242Auch war zu sehen, dass die nicht geringe Menge an Betäubungsmitteln mehrfach überschritten worden ist.
243Allein aufgrund einer Abwägung dieser für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände vermochte die Kammer einen minder schweren Fall noch nicht anzunehmen.
244Unter zusätzlicher Berücksichtigung dessen, dass der Angeklagte Aufklärungshilfe geleistet hat und damit die Voraussetzungen der vertypten Strafrahmenverschiebung nach §§ 46b Abs. 1, 49 Abs. 1 StGB verwirklicht hat, erschien es der Kammer allerdings angemessen, der konkreten Strafzumessung den milderen Strafrahmen zugrunde zu legen. Für eine weitere Strafrahmenverschiebung war daher gem. § 50 StGB kein Raum mehr.
245Ausgehend von dem Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren hat die Kammer im Rahmen der konkreten Strafzumessung alle für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände nochmals gegeneinander abgewogen. Sie hat auf dieser Grundlage für diese Tat eine Freiheitsstrafe von
246einem Jahr
247für tat- und schuldangemessen erachtet.
2483.
249Aus diesen Einzelstrafen war gem. §§ 53, 54 StGB eine Gesamtstrafe zu bilden. Eine gem. § 55 StGB an sich mögliche Gesamtstrafenbildung der Strafen aus den Urteilen des Amtsgerichts N4 vom 13.09.2012 und der Kammer vom 16.05.2013 und 11.06.2013 und derjenigen von sechs Jahren wegen des hier abgeurteilten Raubes zum Nachteil des Nebenklägers S scheiterte daran, dass aus Jugendstrafen und Freiheitsstrafen eine Gesamtstrafe nicht gebildet werden kann. Auch ist es nicht möglich, nachträglich nunmehr im hiesigen Verfahren unter Einbeziehung der genannten Vorverurteilungen auf eine Einheitsjugendstrafe zu erkennen. Da bei einer gleichzeitigen Aburteilung aller Taten, die in unterschiedlichen Altersstufen begangen wurden, gem. § 32 JGG je nach Schwergewicht einheitlich auf eine Jugend- oder eine Gesamtfreiheitsstrafe hätte entschieden werden müssen, bedingt die getrennte Aburteilung der Taten einen Nachteil, der auszugleichen ist.
250Auf welche Weise der Nachteilsausgleich vorzunehmen ist, wird unterschiedlich beurteilt. Ein Ausgleich kann im Rahmen der Strafzumessung bei der später verhängten Strafe erfolgen (sog. Strafzumessungslösung) oder auch durch Anrechnung eines Teils dieser Strafe als verbüßt (sog. Vollstreckungslösung). Einigkeit herrscht dahingehend, dass der Nachteilsausgleich angemessen sein muss. Er muss die aus der getrennten Aburteilung folgenden Nachteile vollständig ausgleichen.
251Die sog. Vollstreckungslösung erscheint der Kammer vorzugswürdig. Die vermeidet die Probleme, welche sich ansonsten angesichts des Vorhandenseins von Mindeststrafrahmen und der absoluten lebenslangen Freiheitsstrafe stellen würden. Konkret bezogen auf die vorliegende Fallkonstellation liegt die Härte zudem nicht in dem Straferkenntnis als solchem, sondern erst in der unverkürzten Vollstreckung sowohl der Einheitsjugendstrafe als auch der Gesamtfreiheitsstrafe. Zudem hat die Vollstreckungslösung den Vorteil, dass auf diese Weise die schuldangemessene Strafe einerseits und der gewährte Härteausgleich andererseits deutlich zum Ausdruck gebracht werden. Für den Angeklagten ist die Vollstreckungslösung günstiger, da er den Halbstrafen- und Zweidrittelzeitpunkt, zu denen eine Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung in Betracht kommt, früher erreicht als nach der sog. Strafzumessungslösung.
252Die Kammer hat auf der Grundlage dieser Überlegung als Rechtsfolge für die hier abgeurteilten Taten nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungsaspekte eine Gesamtfreiheitsstrafe von
253sechs Jahren und drei Monaten
254für tat- und schuldangemessen erachtet.
255Die sich aus der getrennten Aburteilung für den Angeklagten ergebende Härte hat die Kammer durch eine Anrechnung von
256zwei Jahren und neun Monaten
257als verbüßt ausgeglichen.
258VI.
259Die Feststellungsentscheidung, wonach hinsichtlich der Tatbeute in Höhe von 8.000 Euro aus dem Überfall auf den Nebenkläger S von dem Verfall von Wertersatz gem. §§ 73 Abs. 1 Satz 1, 73a StGB abgesehen wird, weil dem ein Anspruch des Geschädigten im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegensteht, beruht auf § 111i Abs. 2 Sätze 1 bis 3 StPO. Dabei wurde gem. § 111i Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 StPO berücksichtigt, dass der Angeklagte 1.400 Euro an den Nebenkläger gezahlt hat.
260Diese Feststellung ist im Zusammenhang zu sehen mit der daran anknüpfenden Aufrechterhaltung des Arrestbefehls gem. § 111i Abs. 3 Satz 1 StPO in entsprechender Höhe. Beides hat den Zweck, die Durchführung der staatlichen Rückgewinnungshilfe bis drei Jahre nach Rechtskraft des Urteils zu gewährleisten, mithin der Staatsanwaltschaft innerhalb dieses Zeitraums zu ermöglichen, den Nebenkläger bei der Zwangsvollstreckung gegen den Angeklagten zu unterstützen. Zum anderen besteht der Zweck darin, den Auffangrechtserwerb des Staates sicherzustellen. In Höhe des festgestellten Betrages soll dem Staat das arretierte Vermögen zufallen, soweit der Nebenkläger innerhalb des Drei-Jahres-Zeitraums auf das arretierte Vermögen nicht zugreift, § 111i Abs. 5 Satz 1 StPO.
261Die Voraussetzungen für diese Feststellungsentscheidung liegen vor:
262Der Angeklagte hat aus dem Raub zum Nachteil des Nebenklägers und damit aus einer rechtswidrigen Tat im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StPO die 8.000 Euro erlangt. Die 8.000 Euro, die beim Nebenkläger erbeutet wurden, stellten zunächst eine gemeinsame Beute dar, an der sowohl der Angeklagte als auch seine drei Mittäter faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsgewalt erlangten. Dies führt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dazu, dass der Angeklagte zusammen mit seinen Mittätern im Rahmen des Verfalls gesamtschuldnerisch haftet. Dass die Beute zeitnah verteilt worden ist und der Angeklagte lediglich einen Beuteanteil von 1.400 Euro erhalten hat, steht dem nicht entgegen. Vielmehr ist dies im Rahmen der Härtevorschrift des § 73c StGB zu berücksichtigen.
263Da die Originalgeldscheine der Beute nicht mehr vorhanden sind, hat der Angeklagte im Rahmen des Verfalls dafür gem. § 73a Satz 1 StGB Wertersatz zu leisten.
264Der Anordnung des Verfalls von Wertersatz steht § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegen, da der Nebenkläger einen Anspruch auf Schadenersatz hinsichtlich der Beute hat. Dieser Ausschluss des Verfalls soll eine doppelte Inanspruchnahme des Täters verhindern und die Schwierigkeiten vermeiden, die bei einer Konkurrenz zwischen staatlichem Vermögensabschöpfungs- und zivilrechtlichem Schadensersatzanspruch bestehen würden.
265Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zudem die Regelung des § 73c Abs. 1 StGB, der die Anordnung des Verfalls in bestimmten Härtefällen ausschließt, auch im Rahmen der nach § 111i Abs. 2 StPO zu treffenden Feststellungsentscheidung zu berücksichtigen.
266Gem. § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB wird der Verfall nicht angeordnet, soweit er für den Betroffenen eine unbillige Härte wäre. Dies ist vorliegend bezogen auf den tenorierten Betrag nicht der Fall. Die 1.400 Euro, welche der Angeklagte an den Nebenkläger gezahlt hat, sind im Tenor bereits berücksichtigt und von der Beute in Höhe von 8.000 Euro in Abzug gebracht. Hinsichtlich der noch verbleibenden 6.600 Euro stellt der Verfall bzw. die Feststellungsentscheidung gem. § 111i Abs. 2 StPO keine unbillige Härte dar. Dies gilt bereits deshalb, weil der Angeklagte zusammen mit seinen Mittätern gesamtschuldnerisch haftet. Diese haften primär, da die 6.600 Euro an diese gelangt sind. Bei diesen kann der Angeklagte Regress nehmen, wenn er über seinen Beuteanteil von 1.400 Euro weiter in Anspruch genommen wird. Selbst aber, wenn – was derzeit nicht absehbar ist, aber eher fernliegt – ein (vollständiger) Regress gegen die Mittäter scheitern sollte, ist es nicht unbillig, dass der Angeklagte für diesen Ausfall aufkommt. Dies ist gerade die Konsequenz der gesamtschuldnerischen Haftung, welche das Gesetz in diesen Fällen vorsieht.
267Auch steht der Anordnung des Verfalls von Wertersatz § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB nicht entgegen. Danach kann die Anordnung unterbleiben, soweit der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung in dem Vermögen des von dem Verfall Betroffenen nicht mehr vorhanden ist.
268Tatbestandlich liegen die Voraussetzungen des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB vor, da die 6.600 Euro bei der Verteilung der Beute den Mittätern übergeben wurden. Die Kammer hält es aber in Ausübung des ihr zustehenden Ermessens nicht für sachgerecht, den Angeklagten insoweit aus seiner finanziellen Verantwortung zu entlassen.
269Bei der Ermessensentscheidung hat die Kammer berücksichtigt, dass ein Betrag von 6.600 Euro – auch angesichts der Regressmöglichkeit – nicht derart hoch ist, dass die Zahlungsverpflichtung den Angeklagten dauerhaft finanziell in einem solchen Maße belasten würde, dass es angezeigt sein könnte, ihn davon zu entlasten. Bereits deshalb wäre von einem Verfall nicht abzusehen.
270Unabhängig hiervon ist aber auch zu berücksichtigten, dass im konkreten Fall § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB nicht unmittelbar zur Anwendung kommt. Er ist hier lediglich tatbestandliche Voraussetzung für die Feststellungsentscheidung nach § 111i Abs. 2 Satz 1 StPO und daher nach Ansicht der Kammer im Lichte dieser Vorschrift anzuwenden.
271Würde von der Feststellungsentscheidung nach § 111i Abs. 2 Satz 1 StPO abgesehen, wäre auch der Arrestbefehl gegen den Angeklagten mit der Rechtskraft des Urteils hinfällig und aufzuheben. Folge wäre, dass die bisher zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe arretierten Vermögenswerte (zwei Fernseher und eine Playstation 3 des Angeklagten bzw. Ansprüche auf diese Gegenstände) an den Angeklagten zurückgegeben werden müssten. Der Staatsanwaltschaft wäre zudem die Möglichkeit genommen, in den kommenden drei Jahren den aus Libyen stammenden und dort wohnhaften Nebenkläger bei der Realisierung des gegen den Angeklagten bestehenden Anspruchs auf Ersatz der Beute zu unterstützen. Schließlich würde auch ein Auffangrechtserwerb des Staates nicht stattfinden.
272Nach Auffassung der Kammer könnte man vor diesem Hintergrund allein bezogen auf diesen Auffangrechtserwerb die Ansicht vertreten, dass dieser unbillig ist, wenn das aus der Tat Erlangte in seinem Vermögen nicht mehr vorhanden ist. Den Nebenkläger hingegen bei der Durchsetzung seines Anspruchs auf Ersatz der Beute zu unterstützen, erscheint der Kammer stets und ausnahmslos billig, aber insbesondere – wie ausgeführt – im konkreten Fall, weil der Nebenkläger als Libyer und mit dem bundesdeutschen Recht nicht vertrauten Ausländer auf diese Hilfe angewiesen ist.
273Der Auffangrechtserwerb ist jedoch, was man nicht verkennen darf, nicht etwa eine aufschiebend bedingte Verfallsanordnung, sondern bleibt hinter einer solchen Verfallsanordnung zurück. Während bei der Anordnung eines Wertersatzverfalls der Staat den sich daraus ergebenden Anspruch noch über Jahre hinweg durchsetzen kann, ist der Auffangrechtserwerbs wegen § 111i Abs. 4 Satz 4 StPO auf die Vermögenswerte beschränkt, welche bis zum Ablauf von drei Jahren arretiert worden sind. Nach Ablauf der Dreijahresfrist erwirbt der Staat gem. § 111i Abs. 5 Satz 1 StPO zwar einen Zahlungsanspruch in Höhe des tenorierten Betrages, konkret in Höhe der 6.600 Euro. Dies ermöglicht ihm aber nur den Zugriff auf bis dahin bereits arretiertes Vermögen. Im Übrigen erlischt gem. § 111i Abs. 4 Satz 4 StPO der Zahlungsanspruch. Dieser Zahlungsanspruch reduziert sich zudem auf Antrag, wenn der Nebenkläger innerhalb der drei Jahre nachweislich aus Vermögen befriedigt wird, welches nicht im Wege der Arrestvollziehung gepfändet worden ist, § 111i Abs. 3 Satz 5 StPO. Zudem kann der von dem Auffangrechtserwerb Betroffene binnen weiterer drei Jahre vom Staat aus dem diesem zugeflossenen arretierten Vermögen die Geldbeträge erstattet verlangen, welcher er nach dem Auffangrechtserwerb an den Geschädigten zahlt, § 111i Abs. 7 StPO.
274Nach Auffassung der Kammer ist es aufgrund dieser den Angeklagten nur wenig belastenden und ausgewogenen Regelung nicht angezeigt, bei diesem von dem zeitlich auf drei Jahre beschränkten Zugriff des Staates auf sein Vermögen abzusehen, zumal dieser Zugriff – jedenfalls zunächst – dazu dient, dem Nebenkläger den Wert des geraubten Geldes wieder zu beschaffen.
275VII.
276Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf §§ 465, 472 Abs. 1 StPO.
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