Urteil vom Landgericht Bonn - 5 S 248/11
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Euskirchen vom 26.08.2011 – 17 C 378/11 – abgeändert und unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen in der Hauptsache wie folgt neu gefasst:
„Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 438,62 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.12.2010 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.“
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 85% und die Beklagte zu 15%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Der Kläger begehrt die Rückzahlung von seiner Ansicht nach im Zeitraum vom 05.05.2004 bis zum 31.03.2009 zu viel gezahlten Entgelten für die Gasversorgung durch die Beklagte in Höhe von insgesamt 2.839,11 Euro. Mit Urteil vom 26.08.2011 – 17 C 378/11 – hat das Amtsgericht Euskirchen die Beklagte zur Zahlung von 1.959,01 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.12.2010 verurteilt und die Klage im übrigen hinsichtlich möglicher weiterer Ansprüche aus Gaslieferungen zwischen dem 05.05.2004 und dem 05.05.2006 wegen Verjährung abgewiesen. Die von der Beklagten eingelegte Berufung sowie die Anschlussberufung des Klägers hat die Kammer durch Urteil vom 08.02.2012 zurückgewiesen. Auf die von der Kammer zugelassene, von der Beklagten eingelegte Revision hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 23.01.2013 – VIII ZR 79/12 – das Urteil der Kammer aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an die Kammer zurückverwiesen, soweit in dem angefochtenen Urteil zum Nachteil der Beklagten erkannt worden war. Die Anschlussrevision des Klägers hat der Bundesgerichtshof zurückgewiesen.
4Die Darstellung des Tatbestandes im Übrigen entfällt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO. Da eine erneute Revision nicht zugelassen wurde und der für die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8 EGZPO erforderliche Beschwerdewert von über 20.000,00 Euro nicht erreicht ist, ist ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig.
5II.
61. Unter Berücksichtigung der rechtlichen Beurteilung des Revisionsgerichts, an die die Kammer gebunden ist (§ 563 Abs. 2 ZPO) und der sich die Kammer in parallel gelagerten Verfahren bereits mehrfach angeschlossen hat, hat die zulässige Berufung teilweise Erfolg. Zwar hat der Kläger dem Grunde nach einen Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Beträge gegen die Beklagte aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Energieversorgungsvertrag. Der Höhe nach geht dieser Anspruch jedoch nicht über den Betrag in Höhe von 438,62 Euro hinaus.
7a) Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass diese am 15./21.11.1991 einen Gasversorgungs-Sonderkundenvertrag mit Preisanpassungsklausel hinsichtlich des Objekts S-Straße in T abgeschlossen haben. Die in diesem wie in vergleichbaren Sonderverträgen durchgängig enthaltene Preisanpassungsklausel ist unwirksam. Zur Begründung wird auf die Entscheidung des BGH vom 17.12.2008 – VIII ZR 274/06 (BGHZ 179, 186 ff.) verwiesen, der sich die Kammer in ständiger Rechtsprechung angeschlossen hat. Dementsprechend besteht grundsätzlich ein Rückzahlungsanspruch des Klägers aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB im Hinblick auf diejenigen Rechnungsbeträge, die ihren Grund in einem über den vertraglich vereinbarten Arbeitspreis hinausgehenden Arbeitspreis haben.
8b) Der Rückzahlungsanspruch des Klägers ist jedoch nicht unter Zugrundelegung der der bei Vertragsschluss geltenden Anfangspreise zu berechnen. Vielmehr ist nach neuer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urt. v. 14.03.2012, VIII ZR 93/11 [juris Rdnr. 26]; BGH, Urt v. 14.03.2012, VIII ZR 113/11 [juris Rdnr. 21]; bestätigt durch das die Kammerentscheidung vom 08.02.2012 aufhebende Urteil vom 23.01.2013 – VIII ZR 79/12 [juris], eine ergänzende Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) mit dem Ergebnis vorzunehmen, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht mehr geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.
9Der Kläger hat den von der Beklagten vorgenommenen Preisanpassungen erstmals konkludent durch Beantragung eines Mahnbescheides, welcher der Beklagten am 15.12.2010 zugestellt worden ist, widersprochen. Maßgeblich ist daher der letzte vor dem 15.12.2007 angepasste Gaspreis. Der Berechnung des Anspruchs des Klägers ist daher der letzte Arbeitspreis aus der letzten, nicht wirksam widersprochenen Jahresabrechnung vom 13.06.2007 (Bl. ## d.A.) zugrunde zu legen. Hierbei handelt es sich um einen Arbeitspreis in Höhe von 4,32 Ct/kWh. Daraus ergibt sich folgende Berechnung:
10Rechnung | Zeitraum | Verbrauch in kWh | Geschuldeter AP in EUR/netto | Bezahlter AP in EUR/netto | Differenz in EUR |
12.06.2008 | 06.05.2007 - 03.05.2008 | 25.796 | 1.114,39 | 1.168,68 | 54,29 |
10.06.2009 | 04.05.2008 - 31.03.2009 | 19.929 | 860,93 | 1.175,23 | 314,30 |
368,59 | |||||
Setzt man zu dem sich daraus ergebenden Netto-Saldo in Höhe von 368,59 Euro die Umsatzsteuer in Höhe von 19% hinzu, ergibt sich ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von 438,62 Euro brutto.
12Entgegen der Annahme des Klägers steht diese Art und Weise der Berechnung des Rückzahlungsanspruchs im Einklang mit dem Recht der Europäischen Union. Sie steht insbesondere nicht in Widerspruch zu den Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs in dessen Urteil vom 14.06.2012 – C-618/10 – (NJW 2012, 2257). In dem durch den Europäischen Gerichtshof beurteilten Fall hatte das nationale Gericht eine Klausel eines spanischen Kreditinstituts zur Höhe eines Überziehungskredits für unwirksam erklärt und zugleich eine so genannte geltungserhaltende Reduktion der Klausel bis auf eine gerade noch angemessene und zulässige Höhe vorgenommen. Ein solches Vorgehen ist als mit maßgeblichen europäischen Rechtssätzen, namentlich mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13, unvereinbar angesehen worden. Das dort beanstandete Vorgehen entspricht aber nicht der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Bemessung des im Rahmen der Rückforderung zugrunde zu legenden Gaspreises. Es wird gerade keine geltungserhaltende Reduktion der Klausel selbst vorgenommen. Die Klausel wird vielmehr als vollumfänglich unwirksam beurteilt. Sodann tritt an die so entstehende Lücke das dispositive Recht. Auf Grundlage dieser Überlegung wird eine ergänzende Vertragsauslegung vorgenommen, die wiederum regelmäßig zu dem Ergebnis gelangt, dass eben nicht der anfänglich vereinbarte Gaspreis auf Dauer geschuldet war, sondern ein Preis, der vor der letzten, für einen Rückzahlungsanspruch noch maßgeblichen Jahresabrechnung erhoben worden ist. Eine solche ergänzende Vertragsauslegung mag im Einzelfall hinsichtlich der wirtschaftlichen Folgen einer geltungserhaltenden Reduktion nahe kommen, ist jedoch in rechtlicher Hinsicht etwas gänzlich anderes. Dementsprechend hat auch der Bundesgerichtshof keine Veranlassung zu einer Vorlage des hiesigen Rechtsstreits Sache an den Europäischen Gerichtshof gesehen (vgl. Rdnr. 24ff. des Urt. vom 23.01.2013 – VIII ZR 60/12). Die vom Kläger vorgelegte Kritik aus der Wissenschaft (Markert, ZNER 2013, 156) an der Entscheidung des BGH gibt der Kammer zu einer abweichenden Entscheidung keine Veranlassung. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 21.03.2013 – C-92/11, EuZW 2013, 461). Die Entscheidung betrifft zunächst unmittelbar nur die Frage der Vereinbarkeit einer Preisanpassungsklausel eines anderen Gasversorgungsunternehmens mit dem Recht der Europäischen Union, im vorliegenden Rechtsstreit steht hingegen die bereits aus nationalem Recht folgende Unwirksamkeit der Vertragsklausel nicht im Zweifel. Der Gerichtshof hat in der vorgenannten Entscheidung eine zeitliche Begrenzung seiner Rechtsprechung auch mit der Begründung abgelehnt, dass deren finanziellen Folgen für die Gasversorgungsunternehmen nicht alleine auf der Grundlage der von ihm im Rahmen der vorliegenden Rechtssache vorgenommenen Auslegung des Unionsrechts bestimmt werden könnten (EuGH aaO, Tz. 61). Vielmehr sei es Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung der maßgeblichen Kriterien über die konkrete Bewertung einer bestimmten Vertragsklausel anhand der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (Tz. 60).
13c) Ein Anspruch für den Zeitraum vom 06.05.2006 bis zum 05.05.2007 besteht jedoch nicht.
14Zwar wäre ein solcher Anspruch nicht verjährt. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer beginnt der Lauf der Verjährungsfrist hinsichtlich des Rückzahlungsanspruchs erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Kunde in Kenntnis der möglichen Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel die jeweilige Jahresschlussrechnung erhält. Der sich aufgrund der Jahresschlussrechnung vom 13.06.2007 ergebende Rückzahlungsanspruch wäre folglich erst mit Ablauf des 31.12.2010 verjährt. Die verjährungshemmende Beantragung eines Mahnbescheids erfolgte jedoch bereits im Dezember 2010.
15Es besteht jedoch kein Anspruch, weil der Kläger durch die Beantragung des Mahnbescheides im Dezember 2010 den Preisanpassungen aus der Jahresabrechnung vom 13.06.2007 nicht rechtzeitig innerhalb von drei Jahren nach Zugang dieser Jahresabrechnung widersprochen hat. Auf eine Unwirksamkeit der darin zugrundegelegten Arbeitspreise kann er sich mangels rechtzeitigen Widerspruchs daher nicht berufen.
16d) Soweit bereits das Amtsgericht die ausdrücklich (vgl. Schriftsatz vom 29.04.2013, Bl. ###ff. d.A.) weiterhin verfolgten Ansprüche des Klägers für den Zeitraum zwischen dem 05.05.2004 und dem 05.05.2006 wegen Verjährung abgewiesen hat, hat die Kammer die von ihm eingelegte Anschlussberufung mit Urteil vom 08.02.2012 zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Anschlussrevision des Klägers hat der Bundesgerichtshof mit seinem Urteil vom 23.01.2013 zurückgewiesen (vgl. BGH, aaO, Tz. 17 und 45ff.). Die Abweisung weitergehender Ansprüche des Klägers ist damit in Rechtskraft erwachsen; einer erneuten Zurückweisung der Anschlussberufung bedurfte es daher nicht.
17e) Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
182. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
19III.
20Eine erneute Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO). Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind durch die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 23.01.2013 – VIII ZR 100/12, 60/12, 79/12, 80/12 u.a. – vollständig geklärt.
21Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 2.839,11 Euro.
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Referenzen
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