Beschluss vom Landgericht Bonn - 5 T 110/13
Tenor
Die gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 12.12.2013 – 86 AR (99 IN 153/13) 36/13 – gerichtete sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beschwerdeführer als Gesamtschuldner.
1
G r ü n d e
2Die sofortige Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
3Misstrauen in die Unparteilichkeit einer (Insolvenz-) Richterin oder eines (Insolvenz-) Richters (§§ 4 InsO, 42 Abs. 2 ZPO) ist gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, dass der abgelehnte Richter ihm gegenüber eine innere Haltung eingenommen hat, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (vgl. BVerfGE 32, 288 (290); BVerfG NJW 1990, 2457; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 42 Rdnr. 9). Dabei kommt es zwar auf den Standpunkt des Ablehnenden an. Dieser Standpunkt orientiert sich aber nicht an einem rein subjektiven Eindruck des Ablehnenden oder an seiner möglicherweise unzutreffenden Vorstellung vom Sachverhalt. Es muss sich vielmehr um Gründe handeln, die nach Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (BVerfG NJW 1990, 2457; KG Berlin MDR 2001, 107). Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden hingegen aus (BayObLGZ 86, 252; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 42 Rdnr. 9, jeweils mwN.). Gründe, die vor diesem Hintergrund die Annahme der Befangenheit des abgelehnten Richters begründen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
41. Die in der richterlichen Verfügung vom 01.11.2013 festgehaltene Rechtsauffassung des Richters, die Einberufung einer besonderen Gläubigerversammlung für die Gläubiger der sog. Hybridanleihe sei nicht veranlasst, rechtfertigt nicht die Annahme der Unparteilichkeit. Es ist allgemein anerkannt, dass die Art und Weise der Verfahrensführung eines Richters sowie die von dem Richter innerhalb des Verfahrens vertretene Rechtsauffassung grundsätzlich nicht geeignet sind, einen Befangenheitsantrag zu begründen. Selbst eine unrichtige oder unzweckmäßige Behandlung der Sache lässt für sich allein regelmäßig nicht den Schluss auf eine Befangenheit zu (BayObLG FamRZ 1992, 574; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 42 Rdnr. 28, jeweils mwN.). Anderes gilt nur dann, wenn das Vorgehen auf einer unsachlichen Einstellung oder auf Willkür beruhen würde (vgl. OLGR Koblenz 2009, 843; KG Berlin MDR 2008, 1062; BayObLG FamRZ 1992, 574; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 42 Rdnr. 28, jeweils mwN.). Anhaltspunkte für die Annahme eines groben Fehlgriffs in diesem Sinne sind jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Umstand, dass der Richter ein gegenüber den Beschwerdeführern abweichendes Verständnis einer Norm des Schuldverschreibungsgesetzes hat, rechtfertigt für sich genommen – ersichtlich – nicht den Vorwurf, der Richter agiere aus einer sachfremden Motivation heraus. Dies gilt umso mehr, als der Richter seine Rechtsauffassung ausweislich des von ihm verfassten Vermerks und des später erlassenen Beschlusses auf der Grundlage rechtswissenschaftlicher Literatur und unter Anwendung anerkannter Auslegungsgrundsätze gebildet hat.
52. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Richter davon abgesehen hat, den Verfahrensbeteiligten den Aktenvermerk vom 01.11.2013 zur Kenntnis zu bringen. Der Aktenvermerk diente ganz offensichtlich dazu, die Lösung eines konkreten rechtlichen Problems festzuhalten, um auf dieser Basis über den Fortgang des Verfahrens zu befinden. In dem Vermerk sind demnach lediglich das weitere Handeln bloß vorbereitende Überlegungen festgehalten. Für deren Bekanntgabe an die Verfahrensbeteiligten, über die der Richter im Übrigen im Rahmen seiner richterlichen Unabhängigkeit zu befinden hatte, bestand kein Anlass.
63. Es ist kein Beleg fehlender Parteilichkeit, dass der Richter der Rechtsanwaltskanzlei H Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Antrag vom 04.11.2013 gegeben und er sodann davon abgesehen hat, die Stellungnahme vom 12.11.2013 vor einer Entscheidung noch einmal den Beschwerdeführern zuzuleiten. Abgesehen davon, dass insoweit auch lediglich die Art und Weise der Verfahrensführung gerügt wird, ohne dass sich aus dem Vorbringen Indizien für ein willkürliches Handeln ergeben, gebietet es die Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs auch nicht, jeden Schriftsatz eines Verfahrensbeteiligten zunächst den anderen Beteiligten zuzuleiten und eine Entscheidung erst dann zu treffen, wenn daraufhin keine weitere Stellungnahme eingeht. Dies gilt umso mehr, wenn – wie hier – ausschließlich Rechtsfragen zu beantworten sind.
74. Es begegnet keinen Bedenken, dass der Richter im Rahmen der Begründung seiner sodann getroffenen Entscheidung auf Ausführungen in der Stellungnahme der Rechtsanwaltskanzlei H verwiesen hat. Die Verweisung diente bei besonnener Betrachtung ersichtlich der Vermeidung einer bloßen Wiederholung als zutreffend erkannter Ausführungen und war nicht Ausdruck einer Neigung des Richters zu dem einen oder anderen Beteiligten.
85. Es ist nicht ersichtlich, dass es der Richter willkürlich unterlassen hätte, die Bewertung der Vermögensgegenstände der Insolvenzschuldnerin kritisch zu hinterfragen. Der entsprechende Vorwurf der Beschwerdeführer wird durch keinerlei objektivierbaren Sachvortrag untermauert, sondern letztlich ausschließlich daraus abgeleitet, dass es der Richter unterlassen hat, sich einer Ansicht der Beschwerdeführer anzuschließen. Abgesehen davon ist es auch schlicht unzutreffend, dass sich der Richter nicht mit den Ausführungen in dem von den Beschwerdeführern vorgelegten Gutachten auseinandergesetzt hätte (vgl. etwa S. 7 des Beschlusses vom 14.11.2013).
96. Die Ansicht des Richters, die Beschwerdeführer seien nicht in ihren Grundrechten verletzt (S. 6 des Beschlusses vom 14.11.2013), ist eine der richterlichen Unabhängigkeit unterliegende Bewertung der Sach- und Rechtslage, die – wie ausgeführt – grundsätzlich nicht geeignet ist, ein Befangenheitsgesuch zu begründen. Für die Annahme einer der Rechtsordnung gänzlich entrückten Entscheidung ist wiederum nichts vorgetragen oder ersichtlich.
107. Es ist unzutreffend, dass der Richter von ihm zu erfüllende Aufgaben auf Dritte delegiert habe. Wie der Richter in seiner dienstlichen Äußerung zutreffend ausführt, wurden Dritte allenfalls zur Stellungnahme und Mitwirkung aufgefordert, ohne ihnen eine eigene Entscheidungskompetenz einzuräumen. Aus den Ausführungen in dem Befangenheitsgesuch ergibt sich nichts anderes. Insbesondere lässt dieses Vorbringen nicht den Schluss zu, dass Dritte eigenständig über die Gewährung von Akteneinsicht entscheiden durften. Die Rechtsanwaltskanzlei H und der Sachwalter haben lediglich rechtliche Stellungnahmen zu Akteneinsichtsgesuchen abgegeben oder einen an sie herangetragenen Verzicht auf Akteneinsicht an den Richter weitergeleitet. Aus dem Aktenvermerk der Rechtspflegerin – nicht des Richters – vom 08.11.2013 ergibt sich nichts Gegenteiliges. Wenngleich der Vermerk bei vordergründiger Betrachtung missverständlich formuliert sein mag, werden in ihm lediglich organisatorische Maßnahmen zur Abwicklung des umfangreichen Verfahrens festgehalten. Schon der Wortlaut des Vermerks lässt nicht den Schluss zu, dass tatsächlich richterliche Entscheidungen auf Dritte verlagert worden wären. Erst Recht erschließt sich das aber aus der Verfügung des Richters vom 12.11.2013 (Bl. ### d.A.). Dort verfügt der Richter die Übersendung eines Akteneinsichtsgesuchs an den Sachwalter zur Stellungnahme und gerade nicht zur eigenständigen Entscheidung. Dementsprechend verhält sich auch das Antwortschreiben des Sachwalters vom 06.11.2013 (Bl. ### d.A.) nicht zu dem Akteneinsichtsgesuch, sondern lediglich dazu, dass Inhaber der Hybridanleihe nicht am Verfahren beteiligt seien, weil das Gericht nicht zur Anmeldung nachrangiger Forderungen aufgefordert habe. Insofern hat der Sachwalter keine eigene Entscheidung getroffen, die zwingend von einem Richter hätte getroffen werden müssen, sondern der Sachwalter hat lediglich von Entscheidungen des Gerichts in der Vergangenheit berichtet. Das hat auch die den Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht stellende Rechtsanwaltskanzlei so gesehen, denn sie hat mit Schriftsatz vom 15.11.2013 an die Erledigung ihres Antrags auf Gewährung von Akteneinsicht erinnert. Der Antrag wurde daraufhin am 21.11.2013 positiv beschieden, und zwar durch das Gericht. Ob es zulässig wäre, die Entscheidungen über die Gewährung von Akteneinsicht auf den Sachwalter zu übertragen und – verneinendenfalls – eine solche Handhabung im Rahmen eines Befangenheitsgesuchs vor dem Hintergrund des Art. 97 GG zu hinterfragen wäre, bedarf hier keiner Entscheidung.
118. Selbst wenn dem Richter entsprechend der Annahme der Beschwerdeführer aus Rechtsgründen versagt wäre, bei Anfragen und Anträgen nachrangiger Gläubiger den Sachwalter und die Schuldnerin zu beteiligen, wäre der dahingehende Vorwurf nicht geeignet, das Befangenheitsgesuch zu begründen. Die Frage, wer auf welche Weise am Verfahren zu beteiligen ist, hat der Richter im Rahmen seiner durch Art. 97 GG geschützten Unabhängigkeit zu beantworten. Dass er sie überhaupt und dann ggf. auch aus sachfremden Erwägungen heraus zu Lasten der Beschwerdeführer beantwortet hat, ist nicht ersichtlich.
129. Des Weiteren ist auch der Inhalt der dienstlichen Äußerung des Richters nicht geeignet, den Befangenheitsantrag zu begründen. Soweit in der dienstlichen Äußerung von einem gesuchfremden Zweck die Rede ist, wird damit lediglich zum Ausdruck gebracht, dass das Verfahren über ein Befangenheitsgesuch generell nicht dazu dienen soll, eine als fehlerhaft empfundene gerichtliche Entscheidung zur Überprüfung zu stellen. Im Falle der Rüge einer gerichtlichen Entscheidung als fehlerhaft im Rahmen eines Befangenheitsgesuchs mit dem Ziel, eine andere Entscheidung herbeizuführen, wird so verstanden stets ein gesuchfremder Zweck verfolgt, ohne dass durch die Unvoreingenommenheit in Frage gestellt würde. Dass die Beschwerdeführer Entscheidungen des Richters als fehlerhaft moniert und ihr handeln darauf abzielt, eine abweichende Verfahrensführung herbeizuführen, ist evident.
1310. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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