Urteil vom Landgericht Bonn - 9 O 384/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Der zwischenzeitlich verstorbene Ehemann der Klägerin, Herr C (Versicherungsnehmer), beantragte im Jahr 2001 bei der Beklagten den Abschluss einer sofort beginnenden Rentenversicherung mit einer Rentengarantiezeit von zehn Jahren nach Tarif R4. Gemäß des Vertrages (Versicherungsscheinnummer #########/##) leistete der Versicherungsnehmer eine Einmalzahlung in Höhe von 400.000,00 DM (204.516,75 €). Es wurde eine monatliche Rente ab dem 01.10.2001 in Höhe von 1.721,53 DM (880,20 €) garantiert. Daneben wurde die Zahlung einer nicht garantierten Rente vereinbart, die durch die Überschussbeteiligung finanziert wurde. Gemäß dem Versicherungsschein wurden in jedem Versicherungsjahr 70 % des laufenden Überschussanteils mit den fälligen Renten ausgezahlt. 30 % des laufenden Überschussanteils waren als Einmalbetrag für eine zusätzliche Rente (Bonusrente) zu verwenden, die zusammen mit der Rente fällig wurde. Die Überschussbeteiligung der Bonusrente war vollständig zur Bildung einer weiteren zusätzlichen Rente zu verwenden. Die Beteiligung des Versicherungsnehmers an den Überschüssen wurde in § 18 der Versicherungsbedingungen näher dargelegt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Versicherungsscheins und der Versicherungsbedingungen wird auf die Anlagen zur Gerichtsakte Bezug genommen. Die Rentenzahlungen begannen am 01.10.2001. Im Laufe der Rentenzahlungszeit kam es wiederholt zu einer Absenkung der Überschussbeteiligung und damit zu einer Reduzierung der nicht garantierten Rentenleistung. Die Beklagte unterrichtete den Versicherungsnehmer hierüber in jährlichen Wertmitteilungen und in weiteren Schreiben. Mit Schreiben vom 31.08.2004 unterrichtete die Beklagte den Versicherungsnehmer über die Grundsätze zur Überschussermittlung und stellte die Überschusssätze für den streitgegenständlichen Vertrag anhand der Zinsüberschussbeteiligung dar. Die Rentenzahlungen endeten mit dem Tod des Versicherungsnehmers im Oktober 2011. Die Klägerin ist neben ihrem Sohn zu 3/4 Erbin des Versicherungsnehmers. Bezüglich des Erbteils ihres Sohnes (1/4) ist die Klägerin als Testamentsvollstreckerin eingesetzt.
3Die Klägerin begehrt im Wege der Stufenklage Auskunft und Zahlung. Sie trägt vor, sie habe als Erbin auf Grundlage des geschlossenen Versicherungsvertrages sowie aufgrund der gesetzlichen Neuregelung im VVG einen Auskunftsanspruch hinsichtlich der Überschussbeteiligung und hinsichtlich der Bewertungsreserven.
4Die Klägerin beantragt,
51. die Beklagte zu verurteilen, ihr Auskunft zu erteilen hinsichtlich der Überschussbeteiligung (insbesondere der Berechnung, der Höhe, der Entwicklung und der Verwendung der erwirtschafteten Überschüsse) und ebenso hinsichtlich der Bewertungsreserven bezogen auf den Versicherungsvertrag mit der Versicherungsscheinnummer #########/## zwischen Herrn C und der Beklagten;
62. die Beklagte nach erteilter Auskunft zu verurteilen, an sie Zahlung zu leisten in Höhe des Fehlbetrages, der durch die nicht vertragskonforme bzw. gesetzeskonforme Ermittlung und Verwendung der Überschüsse sowie der Bewertungsreserven hinsichtlich des genannten Vertrages entstanden ist und diesen Betrag in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen.
7Die Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Die Beklagte ist der Ansicht, die Klage sei unzulässig, da der Klageantrag zu 1) nicht hinreichend bestimmt sei.
10Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien eingereichten, vorgetragenen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
11Die zulässige Klage ist unbegründet.
12I. Der Klageantrag zu 1) ist hinreichend bestimmt i. S. d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es genügt, dass der Anspruch als solcher identifizierbar ist, indem er durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt werden kann, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein kann und dem Schuldner die Beurteilung ermöglicht, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzten will (vgl. BGH, Urt. v. 26.06.2013 – IV ZR 39/10, juris, Rn. 34 m.w.N.). Der geltend gemachte Anspruch auf Auskunftserteilung über die Berechnung, die Höhe, die Entwicklung und die Verwendung der erwirtschafteten Überschüsse sowie hinsichtlich der Bewertungsreserven ist hinreichend identifizierbar. Er lässt die begehrte Auskunft in Art und Umfang erkennen. Ob ein Anspruch auf diese Auskunft besteht, ist eine Frage der Begründetheit.
13II. Die Klägerin hat gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf weitere Auskunftserteilung hinsichtlich der Überschussbeteiligung oder der Bewertungsreserven.
14Ein solcher Anspruch folgt insbesondere nicht aus § 242 BGB. Im Rahmen einer Rechtsbeziehung trifft den Schuldner nach Treu und Glauben ausnahmsweise eine Auskunftspflicht, wenn der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann (BGH, Urt. v. 26.06.2013 – IV ZR 39/10, juris, Rn. 24 m.w.N.).
15Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass die Ermittlung und Verwendung der Überschussbeteiligung durch die Beklagte den vertraglichen Vereinbarungen widerspricht und aus diesem Grund ein Nachzahlungsanspruch der Klägerin besteht. Weder aus dem Vorbringen der Klägerin noch aus den vorprozessualen Schreiben der Beklagten ergeben sich belastbare Anhaltspunkte, dass die Beklagte die Überschussbeteiligung nicht nur für die Bildung der nicht garantierten Rente, sondern etwa zum Auffüllen einer Deckungslücke im Bereich der in Höhe von 880,20 € garantierten Rente verwendet hat. Insofern kann sich die Klägerin nicht auf die Entscheidung des BGH vom 08.07.2009 (IV ZR 102/06, juris) berufen, wonach bei einer Leibrentenversicherung während einer Aufschubzeit erzielte Überschüsse nicht dazu verwendet werden dürfen, eine Lücke in der Deckungsrückstellung für die Garantierente aufzufüllen. Im dort zugrunde liegenden Sachverhalt ging es um eine unzulässige Vermischung dreier Rentenkomponenten. Für eine solche Vermischung bestehen im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte.
16Ein Auskunftsanspruch ergibt sich auch nicht aus den Bestimmungen zur Überschussbeteiligung in § 153 VVG n. F. Dies folgt bereits daraus, dass in § 153 VVG n. F. keine Auskunftspflicht normiert ist.
17Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass Auskunftsansprüche nur bestehen, soweit der Berechtigte Informationen benötigt, um einen Anspruch geltend zu machen, soweit dem nicht Zumutbarkeitsgesichtspunkte oder andere Grenzen entgegenstehen (vgl. BGH, Urt. v. 26.06.2013 – IV ZR 39/10, juris, Rn. 25; Urt. v. 07.01.2014 ‑ IV ZR 216/13, juris, Rn. 19). Es sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalls und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urt. v. 26.06.2013 – XIV ZR 39/10, juris, Rn. 26). Hieraus folgt insbesondere, dass der Auskunftsanspruch nicht die Verpflichtung zur Vorlage der fiktiven versicherungstechnischen Bilanzen oder anderer Geschäftsgrundlagen und auch kein Einsichtsrecht umfasst (vgl. BGH, Urt. v. 07.01.2014 ‑ IV ZR 216/13, juris, Rn. 19).
18Unter Anwendung dieser Rechtsprechungsgrundsätze sind die von der Beklagten bereits erteilten Auskünfte ausreichend. Aus diesen ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass die Beklagte die Überschussbeteiligung fehlerhaft bzw. vertragswidrig ermittelt hat. Die Beklagte hat im Versicherungsschein die Grundsätze der Überschussverwendung dargelegt. In § 18 der Versicherungsbedingungen wird näher erläutert, wie der Versicherungsnehmer an den Überschüssen beteiligt ist. Des Weiteren hat die Beklagte den Versicherungsnehmer in jährlichen Wertmitteilungen und in zahlreichen weiteren Schreiben über die Höhe der Überschussbeteiligung und der Bewertungsreserven unterrichtet. Zudem wurde dem Versicherungsnehmer in grundsätzlicher Hinsicht in den Schreiben der Beklagten mitgeteilt, welche Faktoren bei der Bestimmung der Überschussbeteiligung und der Bewertungsreserven eine Rolle spielen.
19Die von der Klägerin darüber hinaus begehrte Auskunft über die Berechnung, die Höhe, die Entwicklung und die Verwendung erwirtschafteten Überschüsse sowie hinsichtlich der Bewertungsreserven könnte von der Beklagten nur in einer Art und Weise erteilt werden, die auf eine nicht geschuldete Rechnungslegung i. S. d. § 259 Abs. 1 BGB hinausliefe. Unter Rücksichtname auf die berechtigten Geheimhaltungsinteressen der Beklagten ist diese nicht verpflichtet, zu den Einzelpositionen der auf den konkreten Vertrag bezogenen Berechnung Auskunft zu erteilen.
20III. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 709 S. 2 ZPO.
21Streitwert: 20.000,00 €
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