Urteil vom Landgericht Bonn - 1 O 206/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der V GmbH (im Folgenden: V bzw. Insolvenzschuldnerin), über die auf Eigenantrag vom 29.09.2009 am 08.01.2010 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde (Anl. K1). Die Beklagte zu 1) (im Folgenden: Beklagte) ist die Stadt C, für die die Beklagten zu 2) bis 4) tätig waren. Der Kläger begehrt Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten für Insolvenzverschleppungsschäden und trägt dafür vor, er sehe sich zur Bezifferung des Schadens angesichts des noch laufenden Insolvenzverfahrens und der noch nicht feststehenden Insolvenzquote bei Insolvenzforderungen von insgesamt ca. 200.000.000 € noch nicht in der Lage.
3Die Insolvenzschuldnerin war aufgrund des Projektvertrages mit der Beklagten vom 08.03.2006 (Anl. K5) mit der Verwirklichung des Projektes Internationales Kongresszentrum C betraut und nach dessen Nr. 7.6 verpflichtet, mindestens 40 Mio. € Eigenkapital beizubringen, wovon bei Beginn der Arbeiten 30 Mio. € als Finanzierungszusage der T2 vorliegen sollten. Zur Aufbringung der restlichen 10 Mio. € nahm der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin ein am 06.08.2007 fälliges Darlehen über 10,3 Mio. € bei der B Ltd. auf. Im März 2007 gewährte die T2 LC der Insolvenzschuldnerin einen ersten Kredit in Höhe von 30 Mio. € bis zum 31.08.2009 und weiteren 74,3 Mio. € für 25 Jahre (Anl. K25), wobei sich die Beklagte für den langfristigen Teil mit der sog. „1. Nebenabrede“ verbürgte (Anl. K10). Statt der Rückzahlung des Darlehens der B Ltd. wurden gem. Notarurkunde vom 15.08.2007 (Anl. K84) 94 % der Anteile an der Insolvenzschuldnerin auf die B Ltd. übertragen. Im Februar 2008 teilte die T2 der Beklagten mit, dass keine weiteren Eigenmittel eingegangen seien und mit Baukostensteigerungen um voraussichtlich 20 – 30 Mio. € zu rechnen sei. Im April 2008 wurden von der Insolvenzschuldnerin Schuldverschreibungen ausgegeben und durch die I Ltd. 20 Mio. US-$ auf ein an B Ltd. verpfändetes Konto und weitere 10 Mio. US-$ auf ein Konto bei der T2 eingezahlt, wobei letzter Betrag im März 2009 von I Ltd. freigegeben wurde (Anl. B18).
4Ende Januar 2009 berichtete die Beklagte der T2 über erhebliche Baukostensteigerungen (vgl. Anl. K45). In einem Memorandum vom 30.01.2009 (Anl. K94) zu einem Gespräch mit der T2 am 26.01.2009 gingen deren Berater von einer Finanzierungslücke von 40 Mio. € aus und empfohlen der Beklagten den sog. Heimfall durch Kündigung des Projektvertrages. In der Folgezeit kam es zu Verhandlungen der Beklagten mit der I Ltd. als möglichem neuen Investor. Im Februar 2009 mahnte die Beklagte die Insolvenzschuldnerin. Im März 2009 versprach die I Ltd. die Zahlung weiterer 30 Mio. € (Anl. B7, B19). Ende März 2009 schloss der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin einen Notarvertrag mit der I Ltd. über die Übertragung der Anteile, die bereits an die B Ltd. übertragen waren. Interne Sachstandspapiere der Beklagten vom 06.04.2009 (Anl. K75) warnten vor einem Fehlbetrag von 60 Mio. €. Am 19.05.2009 erwirkte die B Ltd. vor dem Landgericht C eine einstweilige Verfügung gegen die Eintragung der I Ltd. in die Gesellschafterliste der Insolvenzschuldnerin. Im Juli 2009 verbürgte sich die Beklagte mit der sog. „2. Nebenabrede“ (Anl. K13) für einen neuen T2kredit an die Insolvenzschuldnerin über 30 Mio. € und 25 Jahre (Anl. K32), der den im August 2009 auslaufenden kurzfristigen Teil des alten Kredits ersetzen sollte und bei dem die I Ltd. als Garantin auftrat. Nach Bestätigung der Einstweiligen Verfügung vom 19.05.2009 im Wesentlichen durch das Landgericht C - Az. ## O ###/## - machte die B Ltd. ihre Anteile geltend. Am 01.09.2009 scheiterten mit der I Ltd. geführte Verhandlungen über die Anteilsübernahme und die Beklagte mahnte die Insolvenzschuldnerin erneut (Anl. K56). Nach außerordentlicher Kündigung der Kreditvereinbarung durch die T2 am 25.09.2009 und außerordentlicher Kündigung des Projektvertrages durch die Beklagte am 28.09.2009 (Anl. K9) wurde auf Eigenantrag vom 29.09.2009 durch das Amtsgericht C am 08.01.2010 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet (Anl. K1).
5Am 31.01.2013 wies der Kläger durch seine Bevollmächtigten in einer Unterredung mit Bevollmächtigten der Beklagten erstmals darauf hin, dass gegen die Beklagte Ansprüche aus unerlaubter Handlung im Zusammenhang mit Insolvenzverschleppung geprüft würden und legte seine Rechtsauffassung in einem am 12.02.2013 der Beklagten zugegangenen Memorandum näher dar. Die Beklagte wies die Ansprüche mit Schreiben vom 27.03.2013 (Anlage K61) zurück, verlangte von dem Kläger bis zum 25.04.2013 die Abgabe einer Bestätigung, dass solche Ansprüche nicht bestünden und drohte andernfalls die Erhebung einer negativen Feststellungsklage an. Im April 2013 wandte sich der Kläger per SMS persönlich an den Oberbürgermeister der Beklagten, der ihm ebenfalls per SMS antwortete (Anl. K97 f.).
6Mit Schreiben vom 29.04.2013 (Anl. K99) machte der Kläger seine Rechtsansicht erneut deutlich und erklärte, er erwarte Rückmeldung bis zum 13.05.2013. Mit Telefax vom 13.05.2013 (Anl. K62) schlug die Beklagte eine Verlängerung der beiderseitig gesetzten Fristen bis zum 20.06.2013 vor und bat um Gegenbestätigung, die jedoch ausblieb. Mit Schreiben vom 02.07.2013 (Anl. K63) kündigte der Kläger schließlich an, unmittelbar Klage zu erheben.
7Der Kläger behauptet, die Beklagte habe entscheidenden Einfluss auf die Fortführung des Projektes "Bau des X" bis zur tatsächlichen Stellung des Eigeninsolvenzantrags genommen, indem sie die T2 durch die Nebenabrede und deren Erweiterung zur weiteren Darlehensvalutierung veranlasst habe, obwohl ihr die Insolvenzreife der Insolvenzschuldnerin jedenfalls seit dem 30.01.2009 bekannt gewesen sei. Die Beklagte sei daher unter dem Aspekt der Beihilfe zur Insolvenzverschleppung und der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch Veranlassung weiterer Kreditvalutierung zum Schadensersatz verpflichtet.
8Mit Schriftsatz vom 16.02.2015 stützt der Kläger seine Klage, soweit Schäden der T GmbH als Neugläubigerschäden geltend gemacht werden, auf eine als Anl. K100 (Bl. ### ff.) vorgelegte Abtretungserklärung.
9Der Kläger hat die Klage zunächst auch gegen die vormaligen Beklagten zu 2) bis 4) als Gesamtschuldner untereinander und mit der Beklagten gerichtet, sie insoweit aber mit Schriftsatz vom 16.02.2015 zurückgenommen.
10Der Kläger beantragt, festzustellen,
11dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der V GmbH den Schaden zu ersetzen, der den Insolvenzgläubigern der V GmbH nach dem 30. Januar 2009 wegen ausgefallener Forderungen gegen die V GmbH entstanden ist.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagte hält die Klage für unzulässig, soweit auch Ansprüche von Neugläubigern umfasst sind. Sie erhebt die Einrede der Verjährung und behauptet hierzu, der Kläger stütze den Klageanspruch auf Umstände, die ihm als Insolvenzverwalter von Anfang an bekannt gewesen seien oder sich aus der ihm seit Mitte 2010 zugänglichen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte ergäben. Zu Verhandlungen über die geltend gemachten Ansprüche sei es nicht gekommen.
15Die Beklagte ist ferner der Ansicht, ein festzustellender Anspruch bestehe schon deshalb nicht, weil Überschuldung erst unmittelbar vor tatsächlicher Stellung des Eigeninsolvenzantrages eingetreten sei, nämlich mit Kündigung des T2kredites am 25.09.2009 (Bl. ###, ###, ###). Der Kl. sei insoweit schon seiner Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen. Bis zu der Entscheidung des LG C vom 05.08.2009, dass nicht I, sondern B 94 % der Anteile der Insolvenzschuldnerin hält, und dem Scheitern der Verhandlungen über die Anteilsübernahme zwischen I und B am 01.09.2009 habe die Beklagte zudem berechtigterweise an eine Verwirklichung des Projektes geglaubt, was sich u. a. in der Übernahme der zweiten Bürgschaft zeige.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der zur Akte gereichten wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschrift.
17Entscheidungsgründe:
18Nach erfolgter Klagerücknahme hinsichtlich der Beklagten zu 2) bis 4) war allein über die Klage gegen die Beklagte zu 1) (Beklagte) zu entscheiden.
19Die Klage ist zum Teil unzulässig, im Übrigen unbegründet.
20Der Klageantrag ist dahingehend zu verstehen, dass mit ihm begehrt wird, Schadensersatzansprüche aller Insolvenzgläubiger festzustellen, unabhängig davon, ob sie mit der jeweiligen Forderung als Neugläubiger oder als Altgläubiger zu erfassen sind. Das ergibt sich sowohl aus der weiten Fassung des Klageantrages, als auch aus dem Vortrag in der Klageschrift und in den weiteren Schriftsätzen des Klägers, aber auch daraus, dass der im Wortlaut unveränderte Klageantrag im Laufe des Prozesses ausdrücklich auch auf eine Abtretung von Neugläubigerschäden gestützt worden ist.
21I.
22Die Klage ist zulässig, soweit der Kläger die Feststellung der Schadensersatzpflicht für Altgläubigerforderungen begehrt, die bis zum 30.01.2009 werthaltig geworden sind, ferner soweit er die Feststellung der Schadensersatzpflicht für Neugläubigerforderungen aus abgetretenem Recht begehrt, namentlich für solche, die als Masseforderungen in die Insolvenzmasse des Insolvenzverfahrens über die T GmbH fallen. Im Übrigen ist die Klage unzulässig.
231.
24Der Kläger ist nur in dem dargestellten Umfang prozessführungsbefugt.
25a)
26Soweit der Kläger Schadensersatz für den Ausfall von Altgläubigerforderungen geltend macht, ist er nach § 92 InsO prozessführungsbefugt.
27Der Kläger begehrt die Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz der Schäden, die den Insolvenzgläubigern der V nach dem 30.01.2009 wegen ausgefallener Forderungen gegen die V entstanden sind. Damit macht er keine Ansprüche geltend, die originär zum Vermögen der V als Insolvenzschuldnerin gehören; der Insolvenzschuldnerin selbst entsteht durch die spätere Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch gar kein Schaden. Insofern ist der Kläger nicht schon gem. den §§ 35 I Fall 1, 80 I InsO kraft seiner allgemeinen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin (vgl. BGH NJW 1984, 739) prozessführungsbefugt.
28Etwaige Schadensersatzansprüche aufgrund Insolvenzverschleppung sind vielmehr solche der einzelnen Insolvenzgläubiger. Hinsichtlich der materiell-rechtlichen Forderungsinhaberschaft gilt dies uneingeschränkt (Jaeger/Müller, § 92 Rn. 27; Uhlenbruck/Hirte, § 92 Rn. 21). Prozessual ist hingegen im Hinblick auf die Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters zwischen sog. Neugläubigerforderungen und Altgläubigerforderungen zu unterscheiden (vgl. BGH NJW 1998, 2667, 2668; NJW-RR 2007, 759 Rn. 12 f.). Eine Altgläubigerstellung liegt vor, soweit eine Insolvenzforderung bereits in dem Zeitpunkt bestand und werthaltig war (vgl. BGH NJW-RR 2007, 759 Rn. 12 ff.), von dem an gem. § 15a InsO der Insolvenzantrag hätte gestellt werden müssen. In Abgrenzung dazu liegt eine Neugläubigerstellung vor, soweit Forderungen von Insolvenzgläubigern erst nach diesem Zeitpunkt entstanden oder werthaltig geworden sind.
29Nur hinsichtlich der Altgläubigerforderungen ergibt sich eine Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters aus der gesetzlichen Prozessstandschaft gem. § 92 InsO, weil nur insoweit ein Gesamtschaden vorliegt, also gemäß der Legaldefinition in § 92 InsO ein Schaden, den die Gläubiger gemeinschaftlich durch eine Verminderung des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens erlitten haben. Soweit dagegen Neugläubigerforderungen betroffen sind, liegt kein Gesamtschaden im Sinne von § 92 InsO vor, da der individuell erlittene Schaden anders als bei Altgläubigerforderungen nicht in einer durch Insolvenzverschleppung bedingten Masse- und Quotenverminderung besteht, sondern darin überhaupt noch Gläubiger und damit Insolvenzgläubiger geworden zu sein. Mangels eines Gesamtschadens ist der Insolvenzverwalter hinsichtlich der Neugläubigerschäden nicht nach § 92 InsO prozessführungsbefugt und seine Klage daher unzulässig (BGH NJW 1998, 2667; NJW-RR 2004, 1425, 1426). Dies gilt auch, wenn – wie vorliegend – keine Leistungs-, sondern eine Feststellungsklage erhoben wird (vgl. BGH NJW-RR 2004, 1425, 1426).
30Es ist vorliegend zwar davon auszugehen, dass der Kläger die Feststellung der Schadensersatzpflicht bezüglich aller ausgefallenen Insolvenzforderungen begehrt, gleich ob es Altgläubiger- oder Neugläubigerforderungen sind. Denn dem Klageantrag ist keine Einschränkung dahingehend zu entnehmen, dass Ansprüche nur wegen des Ausfalls mit bestimmten Forderungen oder mit Forderungen bestimmter Gläubiger oder Gläubigergruppen geltend gemacht werden. Dass die Klage dadurch auf Forderungen erstreckt ist, für die dem Kläger die Prozessführungsbefugnis fehlt, führt aber nicht zur Unzulässigkeit der Klage in Gänze. Vielmehr ist der Antrag dergestalt teilbar, dass die Klage nur insoweit als unzulässig abzuweisen und im Übrigen über sie in der Sache zu entscheiden ist, ohne dass das Gericht dadurch gegen die Bindung an den Klageantrag (§ 308 I ZPO) verstößt. Denn die Feststellung der Schadensersatzpflicht für eine bestimmte Gruppe von Insolvenzforderungen statt für alle Insolvenzforderungen stellt ein Minus zu dem Begehrten dar und nicht ein aliud, was im Falle einer entsprechenden Leistungsklage offensichtlich wird.
31In Anwendung dieser Grundsätze ist der Kläger zunächst insoweit prozessführungsbefugt, als er Ausfallschäden bei Altgläubigerforderungen geltend macht, wobei die Differenzierung nicht nach Personen, sondern zeitlich nach konkreten Forderungen zu erfolgen hat (BGH NJW-RR 2007, 759 Rn. 13). Der Benennung und Darlegung der hiervon erfassten Forderungen im Einzelnen bedurfte es im Rahmen der erhobenen Feststellungsklage noch nicht, sondern erst im Rahmen einer (bezifferten) Leistungsklage.
32b)
33Darüber hinaus ist der Kläger auch insoweit prozessführungsbefugt, als er Neugläubigerschäden nunmehr aus abgetretenem Recht geltend macht und sich hierzu auf eine Abtretung von entsprechenden Schadensersatzansprüchen der ebenfalls insolventen T GmbH beruft. Denn soweit Ansprüche an die Insolvenzmasse abgetreten sind, entscheidet nicht mehr die Anwendbarkeit von § 92 InsO über das Bestehen der Prozessführungsbefugnis; sie ergibt sich vielmehr aus der geltend gemachten zessionsbedingten materiellen Forderungsinhaberschaft. Dabei ist es für die Bejahung der Zulässigkeit unerheblich, ob die geltend gemachte Abtretung tatsächlich wirksam erfolgt ist. Abzustellen ist insoweit allein auf den Klägervortrag zur Forderungsinhaberschaft.
34Dieser Vortrag war auch zu berücksichtigen, obwohl er erst mit Schriftsatz vom 16.02.2015 erfolgte. Zwar stellt die nachträgliche Einführung der Abtretung in den Prozessstoff eine Klageänderung dar (vgl. BGH NJW 2005, 2004, 2005 f.). Sie war jedoch wirksam und daher in die gerichtliche Entscheidung einzubeziehen, weil die Beklagte in sie eingewilligt hat, indem sie sich in der mündlichen Verhandlung vom 13.05.2015 widerspruchslos darauf eingelassen hat (vgl. §§ 263, 267 ZPO), und zudem weil sie sachdienlich ist (§ 263 ZPO).
35c)
36Soweit hingegen der Ausfall mit anderen Neugläubigerforderungen betroffen ist, für die der Kläger bereits keine Abtretung der entsprechenden Schadensersatzansprüche behauptet, ist die Klage aus den dargelegten Gründen mangels Prozessführungsbefugnis unzulässig.
372.
38Soweit der Kläger wegen § 92 InsO oder aufgrund der behaupteten zessionsbedingten Forderungsinhaberschaft prozessführungsbefugt ist, besteht auch das notwendige Feststellungsinteresse. Es ergibt sich aus der jedenfalls drohenden Verjährung (vgl. BGH NJW 1952, 751). Ob die Verjährung bereits eingetreten ist, ist hingegen eine Frage der Begründetheit, weil auch und gerade dann eine Sachentscheidung erforderlich ist.
39Das sich aus dem Feststellungsinteresse ergebende Rechtsschutzbedürfnis fehlt auch nicht wegen des Vorranges der Leistungsklage, denn der Kläger kann die Schäden, für die er die Feststellung der Ersatzpflicht begehrt, noch nicht beziffern (vgl. BGH NJW 1952, 740, 741). Die Berechnung des Quotenschadens der Altgläubiger setzt die Ermittlung der tatsächlichen Insolvenzquote voraus, der die hypothetische Insolvenzquote bei pflichtgemäß rechtzeitiger Insolvenzantragstellung gegenüberzustellen wäre. Mangels Abschlusses des Insolvenzverfahrens im Übrigen steht die Insolvenzquote aber noch nicht fest. Nichts anderes gilt im Hinblick auf den Neugläubigerschaden. Insofern ist zwar kein Quotenschaden in dem soeben beschriebenen Sinne gegeben. Der Anspruch hängt aber ebenfalls der Höhe nach von der Insolvenzquote ab, weil der ersatzfähige Vertrauensschaden nur unter Abzug einer auf den jeweiligen Insolvenzgläubiger entfallenden Insolvenzquote zu errechnen ist (BGH NJW 1994, 2220, 2224).
40II.
41Der zulässige Teil der Klage ist unbegründet.
42Etwaige Ansprüche des Klägers waren bereits verjährt, als er am 02.06.2014 Klage erhoben hat. Der Kläger begehrt die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten für Insolvenzverschleppungsschäden und stützt sein Begehren auf § 826 BGB iVm den §§ 830 I, 840 BGB sowie auf die §§ 823 II, 830 II, 840 BGB iVm § 64 I GmbHG aF bzw. auf dieselben Sachgesichtspunkte unter dem Aspekt der Amtshaftung der Beklagten für ihre Mitarbeiter gem. § 839 BGB iVm Art. 34 GG. Ob entsprechende Ansprüche entstanden sind, kann jedoch dahinstehen. Denn sie sind nicht durchsetzbar, weil die Beklagte sich zu Recht auf Verjährung beruft (§§ 194 I, 214 I BGB).
431.
44Etwaige Ansprüche sind seit Ende 2013 verjährt. Maßgeblich ist die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB, wovon auch die Parteien übereinstimmend ausgehen (vgl. S. 72 der Klageschrift, Bl. ## d. A.). Dies gilt nicht nur, soweit der Kläger der Ansicht ist, ein Anspruch bestehe aufgrund sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gem. § 826 BGB iVm den §§ 830 I, 840 BGB, sondern auch soweit unter dem Gesichtspunkt der Teilnahme an einer durch den Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin begangenen Insolvenzverschleppung auf die §§ 823 II, 830 II, 840 BGB iVm § 64 I GmbHG aF bzw. § 15a I InsO nF als Anspruchsgrundlage gegen die Beklagte abgestellt wird. Dies gilt ferner unabhängig davon, ob Altgläubigerschäden oder Neugläubigerschäden betroffen sind, und unabhängig davon, ob das Geschehen unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung über § 839 BGB iVm Art. 34 GG zu bewerten ist.
45Die kenntnisunabhängige fünfjährige Verjährungsfrist des § 43 IV GmbHG ist nicht anwendbar. Die Verweisung auf diese Regelung in § 64 II 3 GmbHG aF erfasst nur die in § 64 II 1 GmbHG aF selbst vorgesehene Ersatzpflicht, nicht aber die sich aus § 64 I GmbHG aF als Schutzgesetz iSv § 823 II BGB ergebende Schadensersatzpflicht. Dies folgt bereits aus der systematischen Stellung der Verweisung in Satz 3 von Absatz 2 statt in einem eigenen dritten Absatz. Auch für eine analoge Anwendung des § 43 IV GmbHG bzw. der Verweisung auf diese Regelung ist kein Raum (BGH NJW 2011, 2427 Rn. 14 ff.). Insoweit fehlt es angesichts der Verjährungsregelungen im BGB bereits an einer planwidrigen Regelungslücke (BGH aaO Rn. 17). Die Sonderverjährungsvorschriften des GmbHG finden daher auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung grundsätzlich keine Anwendung (BGH aaO Rn. 14). Der sachliche Unterschied zu der Ersatzpflicht des § 64 II GmbHG aF, für die auf § 43 IV GmbHG verwiesen wird, liegt nämlich darin, dass dort keine deliktische Schadensersatzpflicht vorliegt, sondern eine Ersatzpflicht eigener Art, die zudem in ihrem persönlichen Anwendungsbereich auf die handelnden Geschäftsführer beschränkt ist und eine Haftung Dritter – wie vorliegend begehrt – nicht erlaubt.
46Zwar betraf die Entscheidung des BGH hinsichtlich der Anwendung der Regelverjährung auf Ansprüche aus den § 823 II BGB iVm 64 I GmbHG aF Neugläubigerforderungen. Eine Differenzierung zwischen Neu- und Altgläubigerforderungen ist in dieser Entscheidung aber gerade nicht erfolgt, obwohl in den Entscheidungsgründen dargestellt wird, dass eine solche Differenzierung von einem Teil der Stimmen in der Literatur vorgenommen wird (BGH aaO Rn. 16 aE). Auch die erkennende Kammer hält eine solche Differenzierung für nicht angebracht, weil eine die analoge Anwendung von § 43 IV GmbHG erst ermöglichende Regelungslücke angesichts der in § 823 II BGB wurzelnden Anspruchsgrundlage und der Verjährungsregelungen der §§ 195 ff. BGB nicht vorliegt. Ein faktischer Gleichlauf dieser Ansprüche mit solchen aus § 64 II GmbHG aF führt keineswegs zu einer Aushöhlung der Verjährungsvorschriften der §§ 64 II 3 iVm 43 IV GmbHG (ebenso Gottwald/Haas/Kolmann/Pauw, Insolvenzrechtshandbuch, 5. Aufl. 2015, § 92 Rn. 144), denn im Falle mehrerer nebeneinanderstehender Ansprüche ist allgemein anerkannt, dass jeder Anspruch selbständig in der für ihn maßgeblichen Frist verjährt (BGH NJW 1992, 1679, 1680; 2004, 3420, 3422; Palandt/Ellenberger, § 195 Rn. 17).
47Die Anwendung der regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB ist auch unabhängig davon, ob – wie der Kläger meint – intertemporal § 64 I GmbHG aF anwendbar ist oder die insoweit inhaltsgleiche Regelung des § 15a I InsO. Der BGH hat die Regelverjährung bereits auf einen nach § 64 I GmbHG aF zu beurteilenden Fall angewandt (BGH NJW 2011, 2427). Durch die Zusammenfassung der Antragspflichten in der InsO ändert sich daran nichts. Vielmehr wird gerade dadurch der Unterschied zu den nach Sondervorschriften des GmbHG verjährenden Ersatzansprüchen des § 64 II GmbHG aF (= § 64 GmbHG nF) deutlich. Dafür, dass sich die Verjährung nunmehr gerade nach Überführung der Schutzvorschrift der Antragspflicht in § 15a InsO nach den Sondervorschriften des GmbHG richten sollte, ist nichts ersichtlich.
48Die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB ist auch unabhängig davon anwendbar, ob das Geschehen unter staatshaftungsrechtlichen Gesichtspunkten zu werten ist; denn für Staatshaftungsansprüche gelten die allgemeinen Verjährungsvorschriften (BGHZ 181, 199 Rn. 40).
49Selbst wenn man hiervon abweichend eine fünfjährige kenntnisunabhängige Verjährungsfrist analog § 43 IV GmbHG annähme – was im Hinblick auf eine Beurteilung unter Staatshaftungsgesichtspunkten zusätzlichen Bedenken begegnet –, wären etwaige Ansprüche bei Klageerhebung ebenfalls bereits verjährt gewesen. Denn dann wäre mit der Rechtsprechung, die zu der § 64 II GmbHG aF entsprechenden Parallelvorschrift des § 130 HGB ergangenen ist, für den Beginn der Verjährung auch auf die Vornahme der pflichtwidrigen Handlung abzustellen (BGH NJW 2009, 1598 Rn. 20). Hier trägt der Kläger jedoch selbst vor, dass der – für die verjährungsrechtliche Beurteilung maßgebliche – Haftungstatbestand der "Haupttat" bereits vor November 2008 verwirklicht worden sei (vgl. S. 85 der Klageschrift, Bl. ## f. d. A.), woraus er die Anwendbarkeit des mit dem 01.11.2008 außer Kraft getretenen § 64 I GmbHG aF (= § 15a I InsO nF) ableitet. Dann aber wäre die fünfjährige Verjährungsfrist bereits vor November 2013 abgelaufen gewesen, so dass die Klageerhebung am 02.06.2014 selbst unter Zugrundelegung der Rechtsansicht des Klägers zur Verjährungshemmung durch Verhandlungen nicht mehr rechtzeitig erfolgt wäre.
502.
51Die Verjährungsfrist begann gem. § 199 I BGB mit Ablauf des Jahres 2010 zu laufen. Davon gehen auch sowohl der Kläger (S. 8 des Schriftsatzes vom 29.06.2015, Bl. ### d. A.) als auch die Beklagte aus (S. 39 f. des Schriftsatzes vom 17.10.2014, B. ### f. d. A.), denn zu diesem Zeitpunkt waren etwaige Ansprüche bereits entstanden und die subjektiven Voraussetzungen für den Beginn der Verjährungsfrist erfüllt, indem der Kläger Kenntnis von den nach seiner Ansicht anspruchsbegründenden Umständen erlangt hatte.
52Ansprüche auf Ersatz des Insolvenzverschleppungsschadens entstehen spätestens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens (vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 140a; Gottwald/Haas/Kolmann/Pauw, Insolvenzrechtshandbuch, 5. Aufl. 2015, § 92 Rn. 145), nach anderer Ansicht bereits mit Versäumung des letztmöglichen Zeitpunkts der rechtzeitigen Insolvenzantragstellung (vgl. die Nachweise bei den Genannten). Die Ansprüche entstanden hier also spätestens am 08.01.2010.
53Der Kläger hatte im Jahre 2010 auch Kenntnis von den Umständen, auf die er seinen Klageantrag stützt, oder hätte diese ohne grobe Fahrlässigkeit aus der in den entscheidenden Punkten für ihn zugänglichen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft C gewinnen müssen. Soweit der Kläger zunächst geltend gemacht hat, erst durch das in den Jahren 2011 – 2013 laufende Strafverfahren vor dem LG C, Az. ## KLs #/##, die erforderliche Kenntnis erlangt zu haben, war dieser Vortrag zu pauschal, um die von der beweisbelasteten Beklagten behauptete Kenntnis der nach dem Klägervortrag maßgeblichen Umstände aufgrund der Einsichtnahme in die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft C wirksam zu bestreiten, denn der Kläger hat in keiner Weise ausgeführt, welche Informationen, auf die er seinen Klageantrag stützt, er nicht bereits 2010 aus der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte, sondern erst ab 2011 aus dem gerichtlichen Strafverfahren entnehmen konnte. Überdies hat der Kläger seine Kenntniserlangung vor Ende 2010 implizit auch unstreitig gestellt, indem er auf S. 8 des Schriftsatzes vom 29.06.2015 (Bl. ### d. A.) den Beginn der Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 2010 als „unstreitige Tatsache“ bezeichnet.
54Nichts Abweichendes folgt aus der Entscheidung BGH NJW-RR 2004, 1425, wo der Verjährungsbeginn für einen Schadensersatzanspruch wegen Verringerung der Insolvenzquote erst mit Abschluss des Insolvenzverfahrens angenommen wurde. Denn die Entscheidung betraf die Sonderkonstellation, in der es um einen Schadensersatzanspruch der Insolvenzgläubiger gegen den Insolvenzverwalter ging. In dieser Konstellation konnte die Verjährungsfrist allein deshalb nicht vor Abschluss des Insolvenzverfahrens beginnen, weil es vorher wegen § 92 InsO und mangels Sonderverwalters keinen zur Anspruchsdurchsetzung Auserkorenen gab (vgl. BGH NJW-RR 2014, 1457).
553.
56Der Lauf der Verjährungsfrist wurde auch nicht durch Verhandlungen gem. § 203 BGB gehemmt. Zu Verhandlungen über den streitgegenständlichen Anspruch ist es zwischen den Parteien nicht gekommen. Der Begriff der schwebenden Verhandlungen in § 203 BGB ist zwar weit zu verstehen (BGH NJW 2001, 1723; 2007, 64). Sie liegen bereits vor, solange zwischen den Parteien ein Meinungsaustausch über den geltend gemachten Anspruch erfolgt oder der in Anspruch Genommene Erklärungen abgibt, die dem Anspruchsteller die Annahme gestatten, er lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung der Ansprüche ein. Nicht erforderlich ist, dass dabei eine Vergleichsbereitschaft oder eine Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird. Verhandlungen sind jedoch nicht aufgenommen bzw. beendet, wenn der in Anspruch Genommene eindeutig jeden Ersatz ablehnt (vgl. BGH NJW 2001, 1723; 2007, 64).
57In Anwendung dieser Kriterien haben zwischen den Parteien keine Verhandlungen stattgefunden. Die von dem Kläger gegenüber der Beklagten erstmals in einer Unterredung am 31.01.2013 geltend gemachten und mit Übersendung einer schriftlichen Ausarbeitung des Klägerstandpunktes am 12.02.2013 begründeten Ansprüche wies die Beklagte schon in ihrer ersten Reaktion mit Schreiben vom 27.03.2013 (Anlage K61) entschieden zurück. In diesem Schreiben machte die Beklagte deutlich, dass nach ihrer Ansicht keine Ansprüche gegen sie bestünden. Soweit der Kläger die in dem Antwortschreiben gesetzte Frist zur Rückäußerung des Klägers als Aufnahme von Verhandlungen bewerten will, geht dies am Inhalt des Schreibens vom 27.03.2013 vorbei. Denn dort wurde dem Kläger gerade eine Frist gesetzt, binnen deren er bestätigen sollte, dass der von ihm geltend gemachte Anspruch nicht besteht, und ihm andernfalls die Erhebung einer negativen Feststellungsklage angedroht. Dies stellt eine klare und unmissverständliche Zurückweisung eines Anspruchs dar und bietet keinen Raum für die Annahme schwebender Verhandlungen. Auch der Kläger ist ausweislich des von seinen Prozessbevollmächtigten verfassten Schreibens vom 29.04.2013 (Anl. K99) an die Beklagte davon ausgegangen, dass „die gerichtliche Durchsetzung (…) der Ansprüche für die Insolvenzmasse nach Ihrem Schreiben vom 27.03.2013 unvermeidbar“ ist. Aus der von dem Kläger vorgelegten SMS des Klägers an den Oberbürgermeister der Beklagten persönlich und aus dessen Antwort vom April 2013 (Anl. K97 f.) folgt nichts Abweichendes. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern sich daraus eine Aufnahme von Verhandlungen ergeben sollte. Die Antwort des Oberbürgermeisters der Beklagten vermag in ihrer Allgemeinheit auch im Zusammenhang mit der vorangegangenen SMS des Klägers keine Aufnahme von Verhandlungen zu begründen. Die Äußerung des Oberbürgermeisters, die „Alte Linie der Gespräche bleibt“, kann Verhandlungen über eine Haftung der Stadt gegenüber der Insolvenzmasse nicht gemeint haben, denn mit entsprechenden Forderungen wurde die Stadt unstreitig erstmals und ausschließlich in einem Gespräch am 31.01.2013 konfrontiert, an dem der Oberbürgermeister ausweislich der Aufzählung in dem Schreiben Anlage K61 nicht teilgenommen hatte.
58Auch aus dem Telefaxschreiben der Beklagten vom 13.05.2013 (Anl. K62), in dem die Beklagte eine Verlängerung der von beiden Seiten einander gesetzten Fristen bis zum 20.06.2013 zwecks abschließender Stellungnahmen vorschlägt, lässt sich keine Durchführung von Verhandlungen ableiten. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Kläger auf dieses Schreiben unbestritten nicht reagierte, obwohl die Beklagte darin gerade um Gegenbestätigung des von ihr unterbreiteten Vorschlages zur beiderseitigen Fristverlängerung gebeten hatte. Bis zum Ablauf der vorgeschlagenen, aber nicht vereinbarten verlängerten Frist am 20.06.2013 kam es zu keinen weiteren Schreiben oder Gesprächen. Die Beklagte wich zu keinem Zeitpunkt von der in ihrem Schreiben vom 27.03.2013 geltend gemachten klaren Zurückweisung der gegen sie gerichteten Ansprüchen ab.
59Selbst wenn man mit der Rechtsansicht des Klägers trotz der eindeutigen Zurückweisung von Ansprüchen in dem Schreiben der Beklagten vom 27.03.2013 das Schweben von Verhandlungen im Frühjahr 2013 bejahen würde, wären etwaige Ansprüche des Klägers bei Klageerhebung bereits verjährt gewesen. Denn der Kläger hat in dem Schreiben vom 29.04.2013 unter Androhung einer Klage für eine Rückmeldung der Beklagten einseitig eine Frist bis zum 13.05.2013 gesetzt. Weder bis zum Ende dieser Frist noch bis zum Ende einer vorgeschlagenen, aber von dem Kläger nicht bestätigten Verlängerung der Frist bis zum 20.06.2013 ist es zu einem für das Schweben von Verhandlungen erforderlichen Meinungsaustausch zwischen den Parteien gekommen, auch nicht einseitig zu weiteren Stellungnahmen. Angesichts der deutlichen Fristsetzung unter gegenseitigen Klagedrohungen wären etwaige Verhandlungen spätestens mit Ablauf des 13.05.2013 beendet gewesen. Zu diesem Zeitpunkt wäre angesichts der ausdrücklichen Bitte der Beklagten um Rückmeldung eine Reaktion des Klägers zu erwarten gewesen. Angesichts deren Ausbleibens konnte der Kläger nach dem 13.05.2013 keinen Fortgang etwaiger Verhandlungen mehr erwarten. Erst recht gilt dies mit Ablauf des 20.06.2013, dem von der Beklagtenseite für abschließende Erklärungen beider Seiten vorgeschlagenen, von Klägerseite aber nicht bestätigten Datum. Auch bis dahin kam es weder zu keinem Austausch von Meinungen. Das erneute, ohne Reaktion gebliebene Schreiben des Klägers vom 02.07.2013 (Anl. K63) ändert daran nichts, zumal Verhandlungen nicht nur dadurch einschlafen können, dass sie von Anspruchstellerseite nicht fortgeführt werden, sondern auch durch fehlendes Betreiben des Anspruchsgegners (BGH NJW 2008, 576 Rn. 23 f.). In einem solchen Fall wäre der Anspruchsteller durch die dreimonatige Ablaufhemmung des § 203 S. 2 BGB stets hinreichend geschützt, worauf es indes hier angesichts des sechsmonatigen Zeitraumes bis zum Jahresende 2013 ohnehin nicht ankommt. Eine – hier einmal unterstellte – Hemmung der Verjährung vom 31.01.2013 bis zum 20.06.2013, also von weniger als fünf Monaten, hätte ebenfalls nicht ausgereicht, um den Ablauf der Verjährungsfrist vom Jahresende 2013 bis zur Klageerhebung am 02.06.2014, also über mehr als fünf Monate hinauszuschieben.
604.
61Andere Anspruchsgrundlagen, die einer längeren Verjährungsfrist oder einem späteren Verjährungsbeginn unterliegen, sind nicht ersichtlich und auch von dem Kläger nicht angeführt worden.
625.
63Die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche sind auch insoweit verjährt, als Neugläubigeransprüche betroffen sind und der Kläger sich auf die Abtretung dieser Ansprüche stützt.
64Im Falle einer Abtretung beginnt die Verjährung nicht erneut. Abzustellen ist vielmehr auch für den Zessionar auf den Beginn der Verjährungsfrist unter dem Zedenten. Neugläubigeransprüche entstehen - wie Altgläubigeransprüche - spätestens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Für die subjektiven Voraussetzungen des Verjährungsbeginns ist auf den Zedenten abzustellen. Zedentin ist vorliegend die gleichfalls insolvente T GmbH (Eröffnungsbeschluss des AG C2-D vom 07.10.2010, Az. ##s IN ####/##), über deren Vermögen ebenfalls der Kläger als Insolvenzverwalter eingesetzt ist. Für den Zeitpunkt der Kenntnis der anspruchsrelevanten Umstände gilt daher dasselbe wie für Schadensersatzansprüche wegen Altgläubigerforderungen.
65Darüber hinaus wird für diese Neugläubigeransprüche der Zedentin eine Verjährungshemmung durch schwebende Verhandlungen (§ 203 BGB) von dem Kläger bereits nicht vorgetragen. Außerdem hätte auch die Klageerhebung am 02.06.2014 – selbst bei unterstellter fehlender Verjährung bis dahin – zu diesem Zeitpunkt die Verjährung nicht gehemmt. Eine Hemmung hätte erst mit Einführung der Abtretung in den Prozess durch Schriftsatz vom 16.02.2015 eintreten können. Denn dadurch wurde im Wege einer – jedenfalls wegen Sachdienlichkeit zulässigen – Klageänderung ein neuer Streitgegenstand rechtshängig (vgl. BGH NJW 1990, 53, 54; 2005, 2004, 2005). Zu diesem Zeitpunkt war die Forderung aber ohne Zweifel bereits verjährt.
66III.
67Andere Anspruchsgrundlagen, die einer längeren Verjährungsfrist oder einem späteren Verjährungsbeginn unterliegen, sind nicht ersichtlich und auch von dem Kläger nicht angeführt worden. Angesichts eingetretener Verjährung bedarf es keiner weiteren Erörterung, dass Schadensersatzansprüche überdies daran scheitern dürften, dass die Beklagte von einer etwaigen Insolvenzreife der Insolvenzschuldnerin vor Sommer 2009 weder Kenntnis hatte noch haben musste.
68IV.
69Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 I und 269 III ZPO bzw. aus § 709 ZPO.
70V.
71Der Streitwert wird auf 10.000.000,00 EUR festgesetzt.
72Gem. § 48 I GKG in Verbindung mit § 3 ZPO ist der Wert von dem Gericht nach freiem Ermessen festzusetzen. Dabei war der sich aus dem Antrag des Klägers und seiner Klagebegründung ergebende Streitgegenstand zugrundezulegen. Die Angaben des Klägers zu dem Streitwert sind insoweit lediglich ein – wichtiges – Indiz (BGH NJW 1967, 2402, 2403). Soweit – wie vorliegend – mit der Klage kein konkreter Betrag geltend gemacht wird, ist der Streitwert anhand der zum Zeitpunkt der Klageerhebung (§ 4 I ZPO) vorliegenden Umstände zu schätzen. Unbeschadet der mit einer Schätzung zwangsläufig verbundenen Unsicherheitsmomente sind dabei objektive Gesichtspunkte zugrunde zu legen. Dies gilt auch dann, wenn geltend gemacht wird, dass gerade deswegen Feststellungsklage erhoben werde, weil ein behaupteter Schaden noch nicht abschließend bezifferbar sei.
73Zu berücksichtigen ist ferner bei Feststellungsklagen ein Abschlag gegenüber dem im Hintergrund stehenden Leistungsinteresse des Klägers, der regelmäßig mit 20 % angesetzt wird (BGH NJW 1965, 2298). Dabei handelt es sich aber nur um einen ersten Anhalt für den Regelfall; eine schematische Betrachtungsweise wird dem Gebot der Einzelfallbewertung nicht gerecht (vgl. BGH NJW-RR 1991, 509, 510). Insbesondere in Fällen, in denen umfangreiche und schwierige Darlegungen bzw. Beweisführungen im Hinblick auf die Bemessung des konkreten Schadens zu erwarten sind, kommen für den Feststellungsantrag höhere Abschläge in Betracht (vgl. OLG Celle, JurBüro 1969, 978). Zu berücksichtigen ist auch die Ungewissheit zukünftiger, für die Schadenshöhe relevanter Entwicklungen wie vorliegend der Umfang der Feststellung von berechtigten Insolvenzforderungen.
74In Anwendung dieser Grundsätze schätzt das Gericht den Streitwert für den Hauptantrag vorliegend auf 10.000.000 €. Das entspricht 5 % der laut Kläger angemeldeten Forderungen von Alt- und Neugläubigern in Höhe von 200.000.000 €. Hintergrund der Schätzung ist, dass insbesondere die Bemessung des Insolvenzverschleppungsschadens für Altgläubiger in der Praxis kaum zu bewältigende Schwierigkeiten bereitet (vgl. MüKoInsO/Klöhn, 3. Aufl. 2013, § 15a Rn. 184). Dies gilt in besonderem Maße, wenn gerade deshalb eine Feststellungsklage erhoben wird, weil aufgrund anderer Rechtsstreitigkeiten sowohl die Höhe der Insolvenzmasse als auch die Höhe der Insolvenzforderungen noch nicht feststehen. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich zudem aus der erforderlichen Differenzierung zwischen quotal zu entschädigenden Altgläubigern und individuell zu entschädigenden Neugläubigern, wobei die Differenzierung nicht nach Personen, sondern nach dem Zeitpunkt, in dem die jeweilige Forderung werthaltig wurde, vorzunehmen ist (BGH NJW-RR 2007, 759 Rn. 13), so dass derselbe Insolvenzschuldner mit einem Teil seiner Forderungen Alt- und im Übrigen Neugläubiger sein kann. Vor diesem Hintergrund erscheint es angebracht, im Rahmen gerichtlicher Schätzung für die Streitwertbestimmung zunächst 10 % der gesamten Insolvenzforderungen anzusetzen und von diesem Wert sodann im Hinblick auf die besonderen Schwierigkeiten eines Betragsverfahrens im konkreten Fall einen hälftigen Feststellungsabschlag vorzunehmen, so dass hier von einem Streitwert von 10.000.000 € auszugehen ist.
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