Urteil vom Landgericht Braunschweig (7. Zivilkammer) - 7 S 535/14
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18.11.2014 verkündete Urteil des Amtsgerichts Goslar teilweise abgeändert und wie folgt neugefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, 300,96 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2011 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Es tragen
die Kosten des ersten Rechtszugs der Kläger zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3,
die Kosten des Berufungsverfahrens der Kläger zu 46% und die Beklagte zu 54%; §§ 92, 97 ZPO.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar; die Parteien können jeweils eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% eines insgesamt gegen sie zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet; § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision wird zugelassen.
Zugleich wird beschlossen:
Der Wert für die erste Instanz beträgt 895,96 Euro.
Der Berufungsstreitwert wird auf 657,36 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
- 1
Der Kläger verfolgt aus abgetretenen Recht restliche Mietwagenkosten aus einem Verkehrsunfall vom 10.12.2010, für dessen Folgen die Beklagte in voller Höhe einzustehen hat.
- 2
Der Geschädigte mietete ein Ersatzfahrzeug vom 10.12.2010 bis 27.12.2010, am 28.12.2010 wurden ihm 2.499,43 € berechnet (Blatt 12), worauf die Beklagte 1.129,31 € zahlte. Von der Differenz verfolgt der Kläger den Teilbetrag von 895,96 € wobei die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 15.11.2011 zur Zahlung aufgefordert worden ist (Blatt 18).
- 3
Der Kläger stützt sich darauf, dass der Mietwagen mit Winterreifen ausgerüstet gewesen sei, der Geschädigte den Mietwagenpreis nicht habe vorfinanzieren können und nicht über eine Kreditkarte verfügt habe.
- 4
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 895,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.12.2011 zu zahlen. Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt, die Aktivlegitimation und Abtretung bestritten und sich darauf gestützt, dass im Raum Goslar im maßgebenden Zeitraum ein Fahrzeug für weniger als 1.129,31 € anzumieten gewesen wäre. Die Beklagte hat weiter angeführt, zulasten des Geschädigten sei eine Eigenersparnis anzurechnen, da er klassengleich angemietet habe.
- 5
Das Amtsgericht hat den Geschädigten als Zeugen vernommen, eine schriftliche Zeugenaussage sowie ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt.
- 6
In dem Gutachten des Diplomingenieur ... von der ..., Abteilung Unfallanalyse und Fahrzeugtechnik, Niederlassung ..., vom 19.2.2013 (Blatt 114 ff) heißt es unter anderem:
- 7
In seiner Erfahrung ..bei der Bearbeitung ähnlich gelagerte Fälle sei davon auszugehen, dass sich Mietwagenfirmen bei fernmündlichen Auskunftswünschen stark zurückhalten…
- 8
"Bei den mit… Mitarbeitern… geführten Gesprächen wurde… mitgeteilt, dass Fahrzeuge grundsätzlich zu 2 unterschiedlichen Tarifen angeboten werden: Für sogenannte "normale Mieter", welche das Fahrzeug aus rein privaten Gründen für einen bestimmten Zeitraum benötigen, werden Fahrzeuge zu einem sogenannten "Normaltarif" angeboten. Bezüglich dieses Normaltaries wurde von allen Unternehmen bereitwillig Auskunft erteilt. Bei Haftpflichtschadenfällen werden Fahrzeuge als "Unfallersatzfahrzeug" an Haftpflichtschadenanspruchsteller vermietet, deren Fahrzeuge unfallbedingt ausgefallen sind und für die Dauer der Reparatur bzw. der Wiederbeschaffung eines Fahrzeugs ein Mietfahrzeug benötigen. In derartigen Fällen kommt der sogenannte "Unfallersatztarif" zum Tragen, welcher (nach) den gleichlautenden Auskünften der angesprochenen Unternehmen jedoch mit den unterschiedlichen Versicherungen (und zum Teil auch mit Reparaturwerkstätten) jeweils sehr individuell ausgehandelt ist und hierbei untereinander sehr stark unterschiedlich ausfallen kann. Bezüglich dieses sogenannten Unfallersatztarifs waren die angesprochenen Mietwagenunternehmen unter keinen Umständen bereit, Auskünfte zu erteilen.…"
- 9
Bezüglich des Normaltarifs erhielt der Sachverständige verschiedene Informationen von den von ihm angesprochenen Unternehmen.
- 10
Zu Zahlungsmodalitäten hat der Sachverständige mitgeteilt, dass bei den von ihm befragten 4 Unternehmen bei Vermietung eines Fahrzeugs an eine Privatperson der Mietpreis zuzüglich einer Mietkaution grundsätzlich im Voraus per EC-/Kreditkarte zu bezahlen ist. Der sich hieraus ergebende vorab zu entrichtende Gesamtbetrag werde nach Rückgabe des Fahrzeugs mit den tatsächlichen Mietpreis verrechnet. Von dieser Vorgehensweise werde nur abgesehen, wenn die Anmietung des Fahrzeugs in Kooperation mit einer Haftpflichtversicherung bzw. einer Reparaturwerkstatt (sofern vertragliche Bindungen bestehen) erfolge, wobei in diesen Fällen der Unfallersatztarif zugrunde gelegt werde.
- 11
Das Erstgericht hat die Aktivlegitimation bejaht aufgrund glaubhafter Aussage des Geschädigten als Zeugen.
- 12
Den Anspruch gem. §§ 249,398 BGB, 115 VVG hat das Erstgericht an der Schwacke Liste 2003 orientiert und restliche 657,36 € für grundsätzlich erstattungsfähig erachtet. Insofern ist es von einem Grundtarif von 966 € zzgl. 323 € Vollkasko zzgl. 19 % (2 % pro Jahr und 3 % Mehrwertsteuerdifferenz ausgegangen mit einem Betrag von insgesamt 1.533,91 €. Die Anmietung eines klassengleichen Fahrzeug hat es als unstreitig erachtet und deshalb die Ersparnis auf 10 % geschätzt, mit 153,39 €. Hinzugenommen hat es 15 % als Pauschale für die Besonderheiten des Unfallersatzgeschäftes sowie 190,07 € Kosten für Winterreifen, wobei es zu Grunde gelegt hat, dass der Zeuge ... bestätigt hat, dass das Fahrzeug mit Winterreifen ausgestattet war. Von dem erstattungsfähigen Betrag von 1786,67 € hat es den Zahlbetrag mit 1129,31 € abgezogen und ist zu dem austenorierten Betrag gekommen, auf den die Beklagte gemäß § 286 BGB Verzugszinsen schulde.
- 13
Zustell-und Abholkosten hat das Amtsgericht als nicht gesondert erstattungsfähig und in der 15-prozentigen Pauschale enthalten erachtet.
- 14
Eine Verletzung der Schadensminderungspflicht hat das Amtsgericht verneint. Dazu hat es darauf abgestellt, dass nach dem Sachverständigengutachten alle darin angeführten Vermieter eine Vorfinanzierung verlangen, zu der der Geschädigte nicht in der Lage gewesen sei. Im Termin am 28.10.2014 habe die Beklagte geltend gemacht, es sei kein Vortrag zur EC-Karte gehalten worden, und der Vortrag des Klägers zur Vorfinanzierung sei bestritten, wobei der Kläger insofern Verspätung gerügt habe. Der Vortrag des Klägers sei indessen beklagtenseits am 28.10.2014 verspätet bestritten worden.
- 15
Wegen aller weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie des Verfahrensablaufs wird auf die erstinstanzliche Entscheidung nebst darin enthaltenen Bezugnahmen verwiesen.
- 16
Die Berufung macht geltend:
- 17
Der Geschädigte könne grundsätzlich nur den Normaltarif verlangen, wenn nicht besondere Umstände des Einzelfalles einen höheren Preis rechtfertigen. Diesen Normaltarif habe das Ausgangsgericht rechtsfehlerhaft geschätzt.
- 18
Die erstgerichtliche Schätzung sei im Hinblick auf die konkrete Berechnung rechtsfehlerhaft, da sie nicht nachprüfbar sei.
- 19
Unabhängig von konkreten und allgemeinen Beanstandungen der Schwacke-Liste sei die erstrichterliche Schätzung rechtsfehlerhaft, weil das Gericht lediglich pauschal angebe, den Grund- bzw. Normaltarif nach der Schwacke-Liste 2003 zu schätzen, ohne dies irgendwie zu begründen. Ein schlichter Verweis auf irgendeine andere Entscheidung reiche zur Begründung der tatrichterlichen Schätzung im konkreten zu entscheidenden Einzelfall nicht aus.
- 20
Nicht ersichtlich sei, ob das Gericht auf Eintagespauschalen abstelle oder auf Wochenpauschalen und aus der Wochenpauschale den Eintageswert ausgerechnet und sodann mit der tatsächlichen Anzahl der Miettage multipliziert habe. Falsch sei, auf den Listenbetrag 19 % Mehrwertsteuer hinzuzusetzen, weil Mehrwertsteuer in den Listenbeträgen enthalten ist. Sowohl die Fraunhofer Erhebung als auch der Schwacke Mietpreisspiegel wiesen Bruttopreise aus (Blatt 240), wie in den Listenwerken ausgewiesen sei.
- 21
Nicht klar werde, wie das Erstgericht den hinzugesetzten Betrag für die Winterreifen errechnet habe oder wo dieser Betrag herkomme.
- 22
Rechtsfehlerhaft sei der Zuspruch eines unfallbedingten pauschalen Aufschlags von 15 % für Besonderheiten des Unfallersatzgeschäfts. Die Klägerseite mache einen Unfallersatztarif als Normaltarif zuzüglich eines unfallbedingten Pauschalaufschlages. Unfallbedingte Mehrkosten seien im konkreten Fall aber nicht angefallen, derartige Mehrkosten seien mit dem Geschädigten nicht vereinbart worden, derartige Mehrkosten habe der Kläger gegenüber dem Geschädigten nicht berechnet. Es gebe weder einen Mietvertrag, aus dem sich eine Vereinbarung eines pauschalen Aufschlages ergebe, noch sei er dem Geschädigten ausweislich der klägerseits vorgelegten Mietwagenrechnung berechnet. Selbst wenn ein pauschaler Aufschlag mietvertraglich vereinbart gewesen wäre und derartige Leistungen durch den Kläger erbracht und letztlich zur Abrechnung gebracht worden wären, wäre ein pauschaler Aufschlag aus anderen Gründen nicht erstattungsfähig, da es an den anderweitigen notwendigen tatsächlichen Voraussetzungen für die Erstattungsfähigkeit eines unfallbedingten Pauschalaufschlags fehle: Die Klägerseite würde insofern zunächst konkret darzulegen und zu beweisen haben, warum es dem Geschädigten in seiner konkreten Anmietsituation unter den ihm zur Verfügung stehenden individuellen Erkenntnisquellen nicht möglich gewesen sein soll, ein Fahrzeug zum Normaltarif anzumieten. Ein unfallbedingter Aufschlag sei nicht als solcher hinzuzusetzen (Blatt 212). Denn es gehe nicht an, nachträglich zu versuchen, eine überteuerte Rechnung mit nachträglichen Erwägungen zu rechtfertigen, die sich nicht aus der Rechnung ergeben.
- 23
Es seien nicht einzelne Abrechnungseinheiten zu addieren (Wochenpauschale und Dreitagespauschale; Blatt 240).
- 24
Kosten der Haftungsreduzierung (Vollkaskoversicherung) seien nicht erstattungsfähig, weil die klägerische Rechnung keine Zusatzkosten ausweisen. Nach dem Mietvertrag seien Kosten für die Reduzierung der Selbstbeteiligung im Rahmen der Kaskoversicherung nicht einzustellen, da der vereinbarte Selbstbeteiligungsbetrag bei 500 € liege und derartige mittlere Selbstbeteiligungen in den Grundmietpreisen bei der Listenwerke einkalkuliert seien.
- 25
Kosten für Winterreifen seien nicht separat erstattungsfähig, weil ein Mietwagenunternehmen im Winter grundsätzlich dazu verpflichtet sei, ein wintertaugliches Fahrzeug zur Verfügung zu stellen, dazu gehöre grundsätzlich die Ausrüstung mit Winterbereifung, es handele sich insofern nicht um eine Sonder-, sondern eine Standardleistung, die mit dem Normaltarif abgegolten sei (Blatt 210). Vorsorglich bestreitet die Berufung, dass für die Winterbereifung ein Zusatzbetrag vereinbart worden wäre.
- 26
Das Ausgangsgericht habe die Schwacke-Liste nicht als taugliche Schätzgrundlage ansehen und daher auf die Fraunhofer-Erhebung zurückgreifen bzw. zumindest (entsprechend OLG Celle, Urteil vom 29.02.2012, 14 U 49/11) auf eine kombinierte Methode zwischen Schwacke und Fraunhofer abstellen müssen. Bei der Mittelwertbildung ergebe sich kein Betrag zu Gunsten des Klägers.
- 27
Sämtliche von der Beklagten vorgebrachte konkrete und generelle Mängel an der Schwacke-Liste habe das Erstgericht vollständig übergangen, dies bedeute einen Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör, zugleich seien insoweit (infolgedessen) wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder bei der Schätzung jedenfalls unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt worden. Die tatrichterliche Schätzung erster Instanz sei im Prinzip nicht einmal auf Richtigkeit hin zu überprüfen, da sie schlicht nicht begründet sei.
- 28
Aus nicht nachvollziehbaren Gründen habe das Erstgericht das eingeholte Gutachten nicht als Schätzungshilfe herangezogen, sondern auf die Schwacke-Liste aus dem Jahr 2003 abgestellt. Wenn es aber der Meinung sei, dass das eingeholte Gutachten als Hilfe zur Schätzung nicht brauchbar sei, habe es sich jedenfalls, wenn es die Schwacke-Liste zur Schätzung in Betracht zieht, mit den von der Beklagten aufgezeigten konkreten Mängel an der Liste auseinandersetzen müssen.
- 29
Das Gutachten habe voll umfänglich den Beklagtenvortrag bestätigt, auf Basis dieses Gutachtens habe die Klage in erster Instanz abgewiesen werden müssen.
- 30
Bedenken gegen die Vorlage der Internet-Angebote würden – jedenfalls wenn es um das Aufzeigen von Mängeln an der Schwacke-Liste gehe - nicht durchgreifen. Die Beklagte habe mit der Klageerwiderung drei alternative Internet-Angebote vorgelegt, die für ein vergleichbares Fahrzeug deutlich günstigere Preise ausweisen würden. Diese würden für den konkreten Fall zeigen, dass die Schwacke-Liste offensichtlich viel zu hohe Preise ausweise, die keinesfalls dem Normaltarif entsprechen könn(t)en, da die Schwacke-Liste durch Mitteilung falscher - überteuerter - Preise durch die Vermietunternehmer von diesen interessengeneigt manipuliert worden sei.
- 31
Irrelevant sei, ob das konkret abgebildete Fahrzeug angemietet werden könne oder nicht. Fakt sei, dass jedenfalls ein Fahrzeug der entsprechenden Fahrzeugklasse mithin als gleichwertig angemietet werden kann. Preise, wie sie sich aus dem Internet entnehmen lassen, seien – auch - direkt an jeder Mietwagenstation des jeweiligen Anbieters oder über die entsprechende Reservierungshotline realisierbar. Da der Schwacke-Mietpreisspiegel angeblich einen Normaltarif ausweisen soll - mithin einen Tarif ohne irgendwelche Neben- oder sonstiger Zusatzleistungen (was bekanntlich nicht der Fall sei), mit Ausnahme einer Vollkaskoversicherung mit Selbstbeteiligung seit dem Jahre 2011 – sei es folgerichtig, auch nur Angebote zur Begründung von Mängeln an der Schwacke-Liste vorzulegen, die einen Preis ausweisen, der ebenfalls keine gesonderten Nebenleistungen berücksichtigt. So habe der BGH mit Urt. v. 22.02.2011, VI 353/09, Angebote, die erst ein dreiviertel Jahr nach dem Anmietzeitraum eingeholt worden seien, berücksichtigt. Nach BGH Urt. v. 18.12.2012,- VI ZR 316/11, sei es ausreichend, wenn Online-Offerten vorgelegt werden, die zu einem späteren Zeitpunkt eingeholt worden sind, wenn gleichzeitig vorgetragen wird, dass derartige Preise auch zum konkreten Zeitraum entsprechend realisierbar gewesen sein.
- 32
Nicht entscheidungserheblich sei, ob der Geschädigte aus eigenen finanziellen Mitteln dazu in der Lage gewesen sei, in Vorleistung zu treten oder nicht. Konkret sei dem Geschädigten freilich eine Vorfinanzierung der Mietwagenkosten in seiner damaligen konkreten Situation möglich und zumutbar gewesen (Zeugnis ...). Erstinstanzlich sei insofern die erste Reaktionsmöglichkeit wahrgenommen worden, so dass ihr entsprechender Vortrag (im Termin) nicht als verspätet habe zurückgewiesen werden dürfen.
- 33
Das Erstgericht sei wohl der Meinung, dass das Dekra-Gutachten nicht herangezogen werden könne, da danach bei Vermietung eines Fahrzeugs an Privatpersonen grundsätzlich im Voraus per EC- oder Kreditkarte zu bezahlen sei und der Geschädigte dazu nicht in der Lage gewesen sein soll. Aus dem Gutachten ergebe sich jedoch gleichfalls, dass von einer derartigen Vorgehensweise von dem Mietwagenunternehmer abgesehen wird, wenn eine Zahlung durch einen Haftpflichtversicherer – wie hier - zu erfolgen hat. Dies sei relevant in Prozessen, wenn Mietwagenunternehmen ohne sonstige Sicherheitsleistung oder Vorfinanzierung kraft Abtretung versuchen, Tarife, die im realen Marktpreisgebilde nicht vorhanden seien, aufzurufen.
- 34
Die Berufungserwiderung verteidigt die angefochtene Entscheidung mit dem Ansatz der Schätzung im Schwackeautomietpreisspiegel. Die Schätzung sei vom tatrichterlichen Ermessen gedeckt.
- 35
Insgesamt seien die von der Beklagten vorgelegten Angebote nicht geeignet, den Automietpreisspiegel als taugliche Schätzungsgrundlage zu erschüttern.
- 36
Mit dem eingeholten Sachverständigengutachten habe sich das Erstgericht zutreffend auseinandergesetzt. Die beweisbelastete Beklagte habe mit dem Gutachten die Behauptung, es sei für den Anmietzeitraum ein vergleichbares Fahrzeug deutlich günstiger verfügbar gewesen, nicht beweisen können.
- 37
Zur Vorfinanzierung sei der Vortrag der Beklagten zu Recht als verspätet unberücksichtigt geblieben, der im Berufungsverfahren gehaltene Vortrag sei erst recht verspätet.
- 38
Die Beklagte habe erstinstanzlich keine konkreten erheblichen Mängel der Schätzungsgrundlage aufgezeigt hätten. Schon der Zeitraum der Anmietung (Beginn 9.5.2012, Ende 20.5.2012) liege rund anderthalb Jahre nach dem entscheidenden Zeitraum (Blatt 190). Eine Internetbuchung würde den schadensrechtlich unzumutbaren Einsatz der Kreditkartendaten im Internet voraussetzen.
- 39
Der Kläger sei grundsätzlich bereit, eine Mittelwertberechnung aus den Mietpreislisten-wie vom Berufungsgericht angesprochen-zu akzeptieren (Blatt 230).
- 40
Einschlägig sei insofern die Schwacke Liste 2010. Der Grundtarif sei aber nicht durch sieben zu teilen und auf 17 Anmiettage zu beziehen, sondern aus 2 Wochentarifen und einem Dreitagestarif zu errechnen. Es sei der Zuschlag von 20 % vorzunehmen. Maßgebend sei eine Eil-und Notsituation (Blatt 230).
- 41
Für alle weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zweiter Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Bezug genommen wird auch auf die Hinweise vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung und das Protokoll der mündlichen Verhandlung.
II.
- 42
Die Berufung der beklagten Versicherung ist statthaft (§ 511 ZPO) und verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517, 520 Abs. 2 ZPO).
- 43
Die Berufung hat teilweise Erfolg.
1.
- 44
Das Berufungsgericht darf, selbst wenn es die erstinstanzliche Entscheidung für vertretbar, bei Berücksichtigung aller Gesichtspunkte aber sachlich nicht für überzeugend hält, zur Mietwagenkostenabrechnung eine Bewertung nach eigenem Ermessen vornehmen. Höchstrichterlich ist zur Anwendung des § 287 ZPO geklärt, dass der Prozessstoff (auf der Grundlage nach § 529 ZPO zu berücksichtigender Tatsachen) ohne Bindung an die Ermessensausübung des Erstgerichts geprüft und eine andere Schätzungsgrundlage als das Erstgericht verwenden darf (vgl. Kammer Urt. v. 23.5.2013, 7 S 380/12). So geschieht es aus nachfolgenden Gründen hier.
2.
- 45
Der Kläger stellt folgende Ansätze und Beträge zur Entscheidung:
- 46
Zahlungsanweisung vom 10.12.2010, Bl. 10; Abtretung 18.3.2011, Bl. 11
Mietvertrag vom 10.12.2010, Bl. 233: angegebene Mietzeit: 10.12.2010, 13:00, bis 20.12.2010: 18:00.
Rechnung vom 28.12.2010, Bl. 12
Grundgebühr (Tagespreis incl. VK, IU und ZF)
110,17
17
1.872,86
Winterreifen Tagespreis
10,34
17
175,78
Zwischensumme
2.048,64
Zustellung/Abholung
51,72
Zuschlag
Gesamtbetrag netto
2.100,36
USt
19%
399,07
Gesamtbetrag brutto
2.499,43
- 47
Das Amtsgericht hat den Anspruch demgegenüber wie folgt ermittelt und geschätzt:
- 48
Grundtarif
966,00
Vollkasko
323,00
Summe
1.289,00
Aufschlag
19%
244,91
Summe
1.533,91
Ersparnis
10%
153,39
Summe
1.380,52
Pauschalzuschlag
15%
207,08
Winterreifen
199,07
Summe
1.786,67
- 49
Das Amtsgericht hat damit insgesamt betrachtet einen Tagespreis von rund 105 Euro für durchsetzbar erachtet.
- 50
Das Amtsgericht hat sich dabei nicht näher mit dem von ihm eingeholten Sachverständigengutachten auseinandergesetzt, in dem es an zentraler Stelle heißt, dass bei Anmietung eines Fahrzeugs von einer Privatperson bei allen befragten Unternehmen eine Vorfinanzierung des Mietpreises zuzüglich einer Kaution erforderlich sei (Bl. 123 d. A.). Insgesamt kommt der Sachverständige bei verschiedenen Unterstellungen zu der von ihm für mögliche gehaltenen Feststellung, dass im Raum Goslar für den betreffenden Zeitraum ein vergleichbares Fahrzeug für weniger als Euro 1129,31 € erhältlich gewesen wäre. Sowohl bezüglich der Preisentwicklung seit dem Dezember 2010 als auch bezüglich der Verfügbarkeit eines entsprechenden Fahrzeugs zum 10.12.2010 konnten von den befragten Unternehmen mangels entsprechender gespeicherter Daten keine Auskünfte erteilt werden.
3.
- 51
Der Ersatzanspruch des Klägers wegen der Nutzung eines Mietfahrzeuges ist durch die Zahlung der Beklagten nicht in voller Höhe ausgeglichen, wie das Amtsgericht angenommen hat. Es verbleibt aufgrund der gebotenen konkreten Schadensbetrachtung kraft Schätzung i.S.d. § 287 ZPO aber nur eine Forderung in Höhe von 300,96 Euro.
a)
- 52
Für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges entstandene Mietwagenkosten sind Teil der Kosten der Schadensbehebung i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Die Schädigerseite hat die Mietwagenkosten in dem Umfang zu ersetzen, in dem sie zur Herstellung des Zustandes erforderlich sind, der ohne die Schädigung bestehen würde. Das ist der (Geld-) Aufwand, den ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf.
- 53
Dass in der Vermieterpraxis Mietern mit privatem Beweggrund zur Anmietung eines Fahrzeugs für einen bestimmten Zeitraum ein anderer Tarif (der verschiedentlich Normaltarif genannt wird) angeboten wird als zur Anmietung eines Unfallersatzfahrzeugs in Haftpflichtschadenfällen (wozu ohne bestimmte Ab- und Eingrenzung vom Unfallersatztarif gesprochen wird), kann hier im Einzelnen als Faktum auf sich beruhen bleiben. Auch bedarf es keiner grundlegenden Klärung zu und von Sondervereinbarungen mit Versicherern oder Sonderabsprachen mit Werkstätten für (einfache) Reparaturfälle.
- 54
Die Erforderlichkeit i.S.d. § 249 BGB ist grundsätzlich auf einen ortsüblichen Preis für Selbstzahler (als Normaltarif von Autovermietern) ausgerichtet. D.h., dass dann, wenn auf dem örtlichen Markt mehrere Tarife für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges erreichbar sind, dem Geschädigten innerhalb einer nicht durch das Gesetz oder die höchstrichterliche Rechtsprechung festgeschriebenen Spannbreite als Schätzungsfreiraum lediglich der wirtschaftlich günstigere Mietpreis ersetzt wird. Denn er muss von mehreren möglichen und zumutbaren Wegen den wirtschaftlichsten Weg wählen.
- 55
Über den objektiv günstigeren bzw. günstigsten (Normal-) Tarif hinausgehende Kosten werden dem Geschädigten kraft der subjektbezogenen Schadensbetrachtung ersetzt. Dies aber nur dann, wenn er darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer (Normal-) Tarif zugänglich war, BGH Urt. v. 14.10.2008, VI ZR 210/07. Der Darlegungs-und Beweispflicht des Geschädigten unterliegt m.a.W. der Nachweis zu den Voraussetzungen, die die Erforderlichkeit der Anmietung zu dem von dem Geschädigten konkret vereinbarten Tarif ausfüllen (sollen).
- 56
Dass ein zumutbares Ersatzfahrzeug nicht zu günstigeren Konditionen anmietbar gewesen ist, ist nicht als selbstverständlich zugrunde zu legen – eher drängt sich lebenspraktisch bei Anmietung unter Abtretung an ein Mietwagenunternehmen oder eine Werkstatt oder ein Autohaus mit Blick auf einen Haftpflichtfall das Gegenteil auf. Insbesondere ist nicht zu Gunsten des Geschädigten zugrunde zu legen, dass ihm kein günstigerer Tarif zugänglich gewesen ist, wenn und weil ihm ein Unternehmer nur einen bestimmten Tarif genannt oder angeboten hat.
- 57
Die gebotene Klarheit zur Zugänglichkeit auf bestimmte Fahrzeuge ist tatrichterlich nicht wirklich zu gewinnen. "Die Praxis … zeigt, dass .. als Zeugen vernommene Mitarbeiter von Mietwagenfirmen keine Angaben ... machen .. (können), ob in ihrer Firma am Unfalltag tatsächlich ein Fahrzeug entsprechend ihren Internetangeboten anzumieten war, …weil sich rückwirkend keine Angebote erstellen lassen." so treffend AG Trier, Urt. v. 18. 3. 2011, 7 C 364/10.
- 58
Ein Sachverständiger kann aller richterlichen Erfahrung nach erst recht nicht feststellen, ob zu einem mehr oder weniger lange zurückliegenden Anmietzeitpunkt tatsächlich ein Fahrzeug verfügbar war. Denn es fehlt an Daten, an Archivierung bei den Mietstationen oder Zentralen der Vermietungsunternehmen.
- 59
Bei Anmietung eines Ersatzfahrzeuges mehrere Tage nach dem Unfallereignis ist regelmäßig offensichtlich, dass der Geschädigten keinen Grund dafür hat, dass ihm unter Berücksichtigung seiner Erkenntnis– und Einflussmöglichkeiten und der für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich gewesen ist. Schon bei Anmietung erst zwei Tage nach dem Unfall ohne nachgewiesenen Versuch, ein Mietfahrzeug zu einem günstigen Tarif, zu erhalten, steht der geschädigten Person ausschließlich der ortsübliche Mietpreis für Selbstzahler zu, OLG Bamberg, Urt. v. 4.8.2015, 5 U 272/14.
- 60
Dass eine geschädigte Person bei Anmietung nicht aus Böswilligkeit handelt, sie erstmalig anlässlich eines Verkehrsunfalles ein Mietfahrzeug anmietet, sie im Anmietzeitpunkt persönlich oder objektiv nicht in der Lage gewesen ist, sämtliche mit dem Verkehrsunfall im Zusammenhang stehenden Kosten zu überschauen, ist aus sich heraus nicht absolut entscheidungserheblich. Wie die Kammer schon im Urteil vom 23.05.2013, 7 S 380/12, betont hat, ist über die Frage, ob eine Maßnahme des Geschädigten zur Schadensbeseitigung erforderlich oder unwirtschaftlich und deshalb nicht erforderlich ist, im Hinblick auf die konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.
- 61
Letztlich hat der Geschädigte – um die Erforderlichkeit des § 249 BGB zu wahren - Nachfrage zu halten und sich über Vergleichsangebote zu informieren, wenn, soweit und solange ihm dies möglich und zumutbar ist.
- 62
Hier ist schon die Grundgebühr als Tagespreis incl. VK, IU und ZF von über 110,- Euro auffällig gewesen und ein rechnerischer Tagespreis insgesamt brutto von über 140 Euro bei einer Dauer von mehr als 2 Wochen.
b)
- 63
Nach dem Verständnis der Kammer achtet es auf das konkrete, individuelle Schadensbild sowie das Maß der Erforderlichkeit und liegt es im Rahmen des tatrichterlichen Schätzungsermessens, je nach den Umständen des Einzelfalls wegen der besonderen Situation des Geschädigten, die der Schädiger zu verantworten hat, bei sofortiger Anmietung nach dem Unfall den konkreten anteiligen Aufwand für die ersten drei Werktage (incl. Samstag), ggf. zzgl. Sonn- und Feiertagen rechnerisch vorrangig zu berücksichtigen, wie im nachstehenden Berechnungsgang verdeutlicht. Denn die konkrete Schadensberechnung legt es zumindest nahe und verlangt es eigentlich sogar, im Rahmen des Möglichen in die Abrechnung konkrete Positionen einzustellen – wie es auf diese Weise geschieht - und nicht stattdessen auf fiktive (Prozent-) Einschätzungen auszuweichen. Zudem hat der Bundesgerichtshof in zahlreichen Entscheidungen ausgeführt, dass dem Tatrichter ein weites Ermessen bei der Schätzung zusteht.
- 64
Diese Möglichkeit zur Abrechnung über die konkrete Mietwagenrechnung für die ersten 3 Werktage (zzgl. ggf. Sonn- und Feiertage) ist nicht schematisch abstrakt bei allen Unfällen anzuwenden. Soweit gegen die entsprechende Erwägung der Kammer im Verhandlungstermin angeführt worden ist, die Kammer übersehe, dass Geschädigte regelmäßig erst einige Tage nach dem Unfallereignis Mietwagen anmieten, ist die Erwägung vielmehr gerade missverstanden worden. Die Dreitagesschätzung gilt von der Grunderwägung her nur, wenn direkt am Unfalltag angemietet wird und ohne Verletzung der Schadensminderungspflicht angemietet werden durfte, weil die geschädigte Person dann keine Zeit hat, Alternativangebote in ruhiger Besonnenheit zu suchen und zu prüfen. Dass der Zeitraum von 3 Tagen bedeuten soll, dass ein Tarifwechsel oder ein Wechsel des Fahrzeugs nach 3 Tagen möglich sein muss – wie es nicht praxisgerecht sein soll -, und die Rechtsprechung keine Pflicht des Unfallgeschädigten vorsehe, ein Mietfahrzeug nach mehreren Tagen der Anmietung zu wechseln und bei einem anderen, möglicherweise günstigeren Anbieter ein Fahrzeug anzumieten, der der Geschädigte das angemietete Fahrzeug bis zum tatsächlichen Mietende weiter nutzen könne, ein Autovermieter nicht mehrere Tarife vorhalte, es keine Tarifspaltung dahin gebe, dass an den ersten Tagen ein höherer Tarif gezahlt werde und in den späteren Tagen ein niedriger Tarif, verzeichnet die Grunderwägung der Kammer ebenso. Die Kammer bezieht lediglich in die Schätzung des wirtschaftlichsten Weges den Umstand der konkreten Gegebenheiten (bei sofortiger Anmietung) mit den konkret vom Geschädigten kraft Vertrages verlangten Preisen ein.
- 65
Die Einholung von Vergleichsangeboten kann im Einzelfall ohnehin aufgrund einer besonderen Eil- bzw. Notsituation des Geschädigten, in die ihn der Schädiger gebracht hat und für die der Schädiger verantwortlich ist, nicht möglich, ausgeschlossen oder jedenfalls nicht zumutbar sein. Eine besondere Situation in der Anmietphase hat die Kammer (im Urt. v. 23.5.2013, 7 S 380/12) als Basis für einen Aufschlag von 10% z.B. beim Unfall am Sonntagabend gegen 21 h an einem von Wohnort etwa 115 km entfernt gelegenen Unfallort und der Tatsache bejaht, dass am nächsten Morgen ein Pkw für die Fahrt zur Arbeit benötigt worden ist.
- 66
Eine Erfassung der konkreten Umstände insbesondere als Notlage bereitet Tatrichtern als Erstgericht indessen immer wieder Probleme, die nicht durch Sachnotwendigkeit und das Maß der Erforderlichkeit des § 249 BGB bedingt sind und den Lebensverhältnissen und dem Eingriff des Schädigers in den für ihn fremden Gestaltungsfreiraum nicht gerecht werden. Mit der vorstehend beschriebenen Schätzung für die ersten drei Tage zuzüglich ggf. Sonn-, Feiertage ist es entbehrlich, unter einem Aspekt einer Eil-, Notlage in Unfallhaftpflichtfällen einem jeweils besonderen Konfliktstoff und sprachlich besonders gelungenen Darstellungen von Parteien nachzugehen.
c)
- 67
Der Schädiger schuldet bei Anmietung eines Mietwagens Kostenausgleich für den Zeitraum, der objektiv für die Reparatur des Fahrzeugs des Geschädigten bzw. bis zur Anschaffung eines zumutbaren Ersatzfahrzeuges erforderlich ist.
- 68
Eine geringe Fahrleistung mit dem eigenen Fahrzeug und/bzw. konkret mit dem Mietfahrzeug in der relevanten Anmietzeit kann der Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten entgegenstehen. Dies gilt jedenfalls, wenn der Geschädigte von vornherein erkennen und einschätzen kann, dass geringe Strecken zurückzulegen sein werden. Pauschal ist eine Kilometerleistung von z.B. 20 km täglich aber nicht ausschlaggebend. Im Einzelfall kann selbst bei geringer Fahrleistung eine Anmietung erforderlich erscheinen, wenn und weil der Geschädigte auf die ständige Verfügbarkeit des Kraftfahrzeugs angewiesen ist, BGH Urt. v. 5.2.2013, VI ZR 290/11.
- 69
Der konkrete Ersatzanspruch wird durch eine persönliche Fahruntauglichkeit nicht in Frage gestellt, wenn der Geschädigte das Fahrzeug aufgrund einer vor dem Unfall getroffenen Vereinbarung einem Dritten – etwa einem Angehörigen, einem Ehepartner oder einer sonst nahestehenden Person – (unentgeltlich) zur Nutzung überlassen hätte und das Fahrzeug nach dem Unfall tatsächlich genutzt wird.
d)
- 70
Der (Normal-) Tarif für Selbstzahler ist keine feste Größe, weil es keine fixen Mietpreise gibt und nach der Rechts- und Wirtschaftsordnung nicht geben kann. Weder ein Schwacke-Automietpreisspiegel noch ein Fraunhofer-Mietpreisspiegel erfasst vom Grundsatz her oder als Grundsatz den Normaltarif (vgl. zum Fraunhofer-Mietpreisspiegel freilich u.a. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 26.3.2014, 17 U 150/13).
- 71
Die Geldgröße, die sich als solcher Tarif bzw. als günstigste wirtschaftliche Möglichkeit darstellt, ist zu schätzen, § 287 ZPO. Der Rechtsprechung ist es - unabhängig von regionalen Marktdifferenzen - bisher nicht gelungen, zu Mietwagenersatzkosten ein einheitliches Bewertungs- und Schätzungskonzept zu entwickeln, s. Scholten, DAR 2014, 72, 74.
- 72
Bei der gebotenen Schadensschätzung können Listen oder Tabellen verwendet werden.
- 73
Meinungsunterschiede zur Konkretisierung eines Angriffs gegen eine Liste als Schätzgrundlage verzeichnen in erstinstanzlichen Verfahren insofern häufig die Kernproblematik: Erschütterungsrechtsprechung genannte Äußerungen des BGH werden dahin fehl interpretiert, dass der Schwacke Mietpreisspiegel als Regelgröße zur Bestimmung des bzw. eines Normaltarif gilt. Tatrichter sind indessen weder gehindert noch gehalten, der Schadensschätzung die Schwacke-Liste oder den Fraunhofer-Mietpreisspiegel zugrunde zu legen. Tatrichter müssen ohnehin nicht Tabellen anwenden. Die Verwendung einer geeigneten Tabelle macht lediglich eine Schätzgrundlage in gewissem Umfang transparent(er); vgl. LG Dortmund Urt. v. 1.3.2012, 4 S 97/11.
- 74
Die Schadenshöhe darf niemals auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen bestimmt werden. Es dürfen nicht wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen außer Acht gelassen. Ggfs. darf zu für die Streitentscheidung zentralen Fragen auch nicht auf nach Sachlage unerlässliche fachliche Erkenntnisse verzichtet werden.
- 75
Unterlagen für die Einschätzung – also ggf. entsprechende Listen – sind grundsätzlich vom jeweiligen Anspruchsteller beizubringen. Wird auf die Beibringung erforderlicher Unterlagen und Anhaltspunkte verzichtet, geht dies zum Nachteil der darlegungsbelasteten Partei. Das Tatgericht ist nicht gehalten, aus Haushaltsmitteln Unterlagen zu beschaffen, ggf. aber im Rahmen einer Beweisaufnahme mit entsprechenden Kostenlasten der Parteien.
- 76
Die Kammer hält durchgängig in erstinstanzlichen wie in zweitinstanzlichen Verfahren eine Einschätzung der Mietwagenkosten mit Einholung eines Gutachtens für fernliegend bis ausgeschlossen, zumal allermeist zu erwartende Kosten eines Gutachtens in keinem angemessenen Verhältnis zum streitigen Betrag stehen, s. u.a. Kammer Urt. v. 30.01.2015, 7 O 1216/11. Die dem Tatrichter obliegende Aufgabe i.S.d. § 287 ZPO ist von diesem zu lösen und nicht einem Sachverständigen zu überantworten. Zur Ermittlung von Tatsachen kann der Sachverständige nur dann herangezogen werden, wenn dessen besondere Sachkunde erforderlich ist.
- 77
Ist mit konkreten Tatsachen aufgezeigt, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken und eine Liste für den betroffenen regionalen Markt den maßgebenden durchschnittlichen Marktpreis nicht realistisch abbildet, darf die betroffene konkrete Liste nicht verwendet werden, eindrucksvoll und überzeugend für den Großraum Düsseldorf OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.4.2015, 1 U 114/14s.
- 78
Für den Landgerichtsbezirk Braunschweig hat die (früher wie jetzt nach dem Geschäftsverteilungsplan im Turnussystem zuständige, nicht spezialisierte Berufungs-) Kammer in der Vergangenheit angenommen, dass der Schwacke-Automietpreisspiegel 2006 keine Schätzung eines Normaltarifs zulässt, für die Schadensschätzung deshalb von dem Schwacke-Automietpreisspiegel 2003 auszugehen ist und für eine Zeit danach bis zum Schadensjahr wegen der jährlichen Preissteigerung ein Zuschlag vorzunehmen ist, der für die Zeiträume 2004 bis 2006 mit 2 % pro Jahr angenommen worden ist (u.a. Urt. v. 13.1.2009, 7 S 394/08; Urt. v. 15.1.2009, 7 S 278/08; Urt. v. 13.1.2009, 7 S 93/08). Die Verhältnisse haben sich seitdem verändert.
- 79
Bei mehreren die Preise einer Fraunhofer-Erhebung übersteigenden Angeboten auf das teuerste Angebot zurückzugreifen - so offenbar OLG Koblenz, Urt. v. 2.2.2015, 12 U 925/13 -, entspricht nach Auffassung der Kammer nicht dem Prinzip des § 249 BGB.
e)
- 80
OLG Koblenz, Urt. v. 2.2. 2015, 12 U 925/13 (s. auch OLG Koblenz, Urt. v. 2.2.2015 12 U 1429/13) will Geschädigten, die binnen Wochenfrist nach dem Unfall einen Mietwagen übernehmen, einen Zuschlag von 20 % auf einen Grundmietpreis wegen unfallspezifischer Sonderleistungen zubilligen. Denn in dieser Zeit müsse der Geschädigte ggf. schnell auf ein Mietfahrzeug zugreifen können, Mietdauer und Haftungsfrage seien häufig ungewiss. Damit ein Mietwagenunternehmen flexibel reagieren könne, würden erhöhte Vorhaltekosten anfallen und sei der pauschale Aufschlag von 20 % auf den Normaltarif gerechtfertigt.
- 81
Dem folgt die Kammer in dieser Allgemeinheit und mit solchen Prozentrahmen nicht. Die Kammer sieht insoweit zudem eine Abweichung von dem Urteil des OLG Celle v. 29.2.2012, 14 U 49/11, das einen pauschalen prozentualen Aufschlag auf den Normaltarif nicht für gerechtfertigt hält, wenn bei der Anmietung weder eine unfallbedingte Not- oder Eilsituation vorgelegen hat noch der Geschädigte nachweist, nicht über eine Kreditkarte oder sonst ausreichende finanzielle Mittel zur Vorfinanzierung der Anmietung verfügt zu haben.
- 82
Tarife können bei Vermietung an Unfallgeschädigte höher sein als bei Vermietung an Selbstzahler, weil die Unfallsituation den gegenüber höheren Preis rechtfertigt und besondere Leistungen des Vermieters durch die Unfallsituation veranlasst sind. Solche Leistungen bestehen regelmäßig im höheren Verwaltungsaufwand und Zinsverlusten aufgrund längerer Zahlungsfrist. Die Notwendigkeit, Personal rund um die Uhr zu beschäftigen, um eine Vermietung zu jeder Tageszeit möglich ist, und die häufige Notwendigkeit, das Mietfahrzeug dem Kunden direkt zur Verfügung stellen zu können, sind Leistungen, die jedenfalls dann erforderlich erscheinen sind, wenn die Fahrzeuganmietung durch Zwänge der Unfallsituation gekennzeichnet ist und für die der Schädiger wegen seines Ursachen- und Verantwortungsbeitrags verantwortlich ist. Höhere Kosten sind in solchen Fällen – auch - betriebswirtschaftlich veranlasst. Die Inanspruchnahme entsprechenden Leistungen ist gerechtfertigt, also schadensrechtlich als erforderlich zu bewerten (vgl. BGH NJW 2006, 360).
- 83
Die Kammer hat noch im Urt. v. 23.5.2013, 7 S 380/12, die Frage, ob wegen unfallbedingter Zusatzkosten ein Aufschlag von 10% oder u.U. von bis zu 20% auf einen errechneten bzw. geschätzten, ortüblichen (regelmäßigen Normal-) Tarif in Betracht kommt, von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängig gemacht. Denn welche konkreten Bemühungen zur Ermittlung des günstigsten Mietwagentarifs von einem Geschädigten abzuverlangen sind, ist einzelfallbezogen unter Berücksichtigung der konkreten Situation zu beurteilen. Dem wird indessen die beschrieben Einschätzung über den konkreten anteiligen Aufwand für die ersten drei Werktage (ggf. zzgl. Sonn-, Feiertage) eher gerecht.
- 84
Überzeugende Grenzen für die Bemessung und Einschätzung eines Aufschlags auf den Wert, den die Praxis für einen Normaltarif hält, sind indessen nicht wirklich zu finden. Auch dies spricht für die Einschätzung über den konkreten anteiligen Aufwand für die ersten drei Werktage.
- 85
Das Vorfinanzierungsrisiko und das Risiko der Reduzierung einer Bewertung von Haftungsanteilen am Unfallgeschehen ist im Übrigen eher ein Problem, das den individuell Geschädigten betrifft, und vermag kaum als Teil des Merkmals der Erforderlichkeit einen (im Vergleich mit Selbstzahlern) höheren Tarif zu legitimieren.
- 86
Internet-Angebote oder die Nachschau im Internet lässt plausible Größenordnungen einschätzen, um der Frage eines etwaigen Mangels einer Liste oder Tabelle zu Autovermietungen nachzugehen oder andere Dissonanzen aufzuhellen. Entscheidungssicherheit ergibt sich so und darüber aber nicht.
- 87
Konkret günstige(re) Angebote für den Geschädigten in der Unfallsituation lassen sich durch Internet-Angebote nicht erschließen.
f)
- 88
Im Anschluss an eine verbreitete Ansicht tritt die Kammer angesichts der aktuellen, veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse und der geänderten, aktuellen Listengrundlagen für eine Kombination der Schwacke-Liste und des Fraunhofer-Mietpreisspiegels in der Weise ein, dass aus der Summe der einschlägigen Mietpreise dieser Listen das arithmetische Mittel zu bilden ist.
- 89
Da die Schwacke-Liste zu überhöhten Werten führen soll, die Fraunhofer-Liste aber zu zu geringen Werten, lässt das arithmetische Mittel einen annähernd realistischen Wert erkennen. Dies gilt jedenfalls hinsichtlich der Listen seit 2008, Kammer Urt. v. 23.5.2013, 7 S 380/12, dazu Gutt, jurisPR-VerkR 19/2013 Anm. 3; s. auch LG Stuttgart, Urt. v. 7.8.2015, 24 O 421/14, bei juris Rn. 33 ff., ohne dass freilich die Zumutbarkeit eines höheren oder geringeren Bearbeitungsaufwands für Gerichte entscheidungstragend sein kann, von dem aber LG Stuttgart a.a.O. Rn. 36 spricht.
g)
- 90
Zur Errechnung des Mittelwertes ist auf den Postleitzahlenbezirk des Anmietorts abzustellen, also regelmäßig den Postleitzahlenbezirk des Vermieters (OLG Köln, Urt. v. 30.7.2013, 15 U 186/12), nur dann nicht, wenn wegen der besonderen örtlichen Lage beim Geschädigten oder wegen Verletzung einer Schadensminderungspflicht anderes geboten ist.
- 91
Relevant ist grundsätzlich die Fahrzeugklasse des bei dem Unfall beschädigten Fahrzeugs. Als Fahrzeugklasse bezeichnet man eine abgegrenzte Gruppe von Pkw-Modellen, die von der Form, von ihrer Größe oder preislich untereinander konkurrieren. Bisher durchgängige Praxis bei Abrechnung von Mietwagenkosten als Schadensfolge ist es, der Schwacke – Eingruppierung zu folgen, soweit es eine solche gibt.
- 92
Es drängt sich nicht auf, die Nachschau in einer Schwacke-Liste zu der Einstufung in eine Fahrzeuggruppe dem Sachverständigenbeweis zuzuführen.
- 93
Dabei darf zugleich nicht ignoriert werden, dass die aktuell übliche Mietwagenklassifizierung bei Autovermietungen nach einem vierstelligen Code abhängig von verschiedenen Parametern wie Größe, Ausstattung und Antrieb erfolgt, nicht nach Herstellern oder Modellen.
- 94
Grundsätzlich kommt es auf das Anmietjahr an. Bei einem Unfallereignis und der Anmietung im Dezember ist es u.U. sachgerecht, Listen betreffend das Folgejahr heranzuziehen, Kammer Urt. v. 23.5.2013, 7 S 380/12.
- 95
Bei den Werten aus der Schwacke-Liste ist vom Modus (gewichteten Mittel = häufigst genannter Preis) auszugehen. Nur für den Fall, dass kein solcher Modus angegeben ist, ist vom ausgewiesenen nahen (arithmetischen) Mittel auszugehen. Soweit die Fraunhofer-Liste keinen Modus enthält, ist an das in der Liste ausgewiesene Mittel erhobener Einzelwerte anzuknüpfen.
- 96
Nach Auffassung der Kammer wird die Schätzung demgegenüber nicht dadurch plausibler und wirklichkeitsnäher, dass jeweils ein arithmetisches Mittel für jede Liste gebildet bzw. aus einer Liste entnommen und erst aus den sich so ergebenden zwei Werten für beide Listen (wiederum) ein (gemeinsames) arithmetisches Mittel berechnet wird; so jedoch OLG Bamberg, Urt. v. 4.8.015, 5 U 272/14.
- 97
Listenwerte sind vor der Mittelwertbildung zu den Listen nicht zusätzlich um konkrete Beträge für eine Haftungsbefreiung unter 500 oder 1.000 Euro (Vollkasko/Selbstbeteiligung) oder aus einer Nebenkostentabelle in voller Höhe oder zur Hälfte zu erhöhen oder zu verändern. Denn es gibt keine abstrakten Ansätze innerhalb der Systeme, die gleichmäßige und gleichwertige(re) Basis ermitteln lassen können. Dass die Listen teilweise unterschiedliche Grundpositionen aufnehmen, macht gerade einen Unterschied aus, der es verwehrt auf die eine oder die andere Liste als absolut geeignet abzustellen und für die Schätzung über die Mittelwertbildung zu den Listenergebnissen spricht.
- 98
Hinsichtlich der in der Praxis unterschiedlich gelösten Frage, welche Abrechnungseinheit für die Ermittlung des Normalpreises zur relevanten Mietdauer anzuwenden ist, ist die Kammer im Urt. v. 23.5.2013, 7 S 380/12, dafür eingetreten, die erforderliche Gesamtmietzeit in entsprechende maximale Zeitabschnitte von 7 Tagen bzw. 1 Woche, 3 Tagen und 1 Tag aufzuteilen und sodann Preise aus Tabellen zu ermitteln. Dies ist indessen nur eine mögliche Schätzungsidee. Mit OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.4.2015, 1 U 114/14, und OLG Köln, Urt. v. 30.7.2013, 15 U 186/12, tritt die Kammer nun dafür ein, für die pauschalierende Mittelwertbildung im Hinblick auf die tatsächliche Gesamtzeit den höchsten realen Anmietzeitraum heranzuziehen und daraus durch Teilung einen Tageswert einzuschätzen. Das achtet auf die Bedeutung der Tage und hat nichts mit Scheingenauigkeit zu tun. Anschließend ist mit der Zahl der Miettage zu multiplizieren, die nach den vorstehenden Erwägungen der Kammer für die Mittelwertbildung noch zur Schätzung heranzuziehen sind.
- 99
Gelegentlich wird eine Abrechnung auf Tagessatzbasis bei längerer Anmietung für nicht erlaubt oder nicht gerechtfertigt gehalten. Argumentiert wird mit fixen, von der Dauer der Anmietung unabhängigen Kostenfaktoren (die dann mehrfach angesetzt würden) oder umgekehrt. Da es aber lediglich um Einschätzungsaspekte geht, die nah an die Wirklichkeit heranführen sollen, aber aus sich heraus die Realität nicht abzubilden vermögen, kommt es auf betriebswirtschaftliche Realgrößen insofern nicht an.
- 100
Darauf, ob dem Geschädigten höhere Tagespreise konkret in Rechnung gestellt worden sind, kommt es - auch angesichts des § 308 ZPO - nicht an. § 308 ZPO begrenzt nur die Durchsetzbarkeit einer Forderung auf von der Klagepartei insgesamt wegen des Mietwageneinsatzes eingeklagten Betrag und begrenzt nicht einzelne Berechnungselemente bzw. Rechenposten, die als solche höher sein dürfen als ein in der konkreten Rechnung ausgewiesener (korrespondierender) Betrag.
h)
- 101
Konkrete kausale Zusatzkosten sind nach Maßgabe der wirtschaftlichen, objektiv-subjektiven Erforderlichkeit ersatzfähig, soweit sich diese nach den örtlichen und zeitlichen Verhältnissen im Rahmen des üblichen bzw. angemessenen bzw. erforderlich halten und der Geschädigte insofern nicht seine Schadensminderungspflicht missachtet, vgl. Kammer Urt. v. 23.05.2013, 7 S 380/12. Mit vergleichsweise höheren Schwacke-Tarifen sind solche Zusätze nicht als abgegolten anzusehen. Sonderleistungen sind insbesondere - abhängig vom Einzelfall - konkret angefallene und gezahlte bzw. zu zahlende Kosten einer Haftungsbefreiung (also zur Vollkaskoversicherung) und Zuschläge im Winterhalbjahr z.B. für Winterreifen.
- 102
Unter dem Aspekt der Erforderlichkeit ist im Einzelfall zu prüfen, ob und inwieweit es sich um eine Sonderleistung handelt, die Autovermieter üblicherweise und angemessen gegen zusätzliche Zahlung erbringen. Über Zusatzkosten ist für Autovermieter nicht ein Weg zu eröffnen, Beträge in Rechnung stellen und vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer aufbringen zu lassen, die nach Maßgabe des § 249 BGB von der Rechtsprechung nicht akzeptiert werden.
- 103
Auf Angaben in Nebenkostentabellen (des Schwacke-Automietpreisspiegels) kommt es nicht ausschlaggebend an. Nebenkostentabellen geben allenfalls einen gewissen Anhaltspunkt dafür, inwiefern eine Nebenposition akzeptabel sein kann, weil sie üblich ist und den Verkehrsgepflogenheiten entspricht.
- 104
Bei den tatsächlich aus der konkreten Rechnung ersichtlichen Kosten sind – dem Prinzip der konkreten Schadensberechnung entsprechend - nur diese realen Kosten maßgebend. Es ist nicht etwa auf Basis einer Nebenkostentabelle abstrakt abzurechnen. Abstrakt oder fiktiv ist ein Gebrauchsentgang nur über die Regeln für den Nutzungsausfall abzurechnen.
- 105
Bei umsatzsteuerpflichtigen Leistungen sind Umsatzsteuern nach deutschem Steuerrecht und nach deutschem Schadensrecht anzusetzen.
aa)
- 106
Um eine zusätzliche Kostenposition für eine Anmietung außerhalb regelmäßiger Öffnungszeiten, eine erstattungsfähige Notdienstgebühr kann es mit der vorbezeichneten Einschätzung für die ersten Tage allerdings niemals gehen.
bb)
- 107
Formulierungen in Mietverträgen sind zum Teil nicht eindeutig. Eine Haftungsfreistellung bedeutet nicht schlechthin den Haftungsausschluss. Meist ist dies indessen nicht entscheidungserheblich.
- 108
Denn konkrete Kosten für eine Haftungsreduzierung bei Anmietung eines Ersatzfahrzeugs hält die Kammer regelmäßig in voller angemessener Höhe für erstattungsfähig, nicht nur im hälftigen Umfang und dies unabhängig davon, ob das bei dem Verkehrsunfall beschädigte Fahrzeug voll- oder teilkaskoversichert war, Urt. v. 23.05.2013, 7 S 380/12. Grundsätzlich hat jeder Betroffene ein schutzwürdiges Interesse, für Kosten der eventuellen Beschädigung des Mietfahrzeugs allenfalls in geringem Umfang selbst aufkommen zu müssen, zumal Mietwagen regelmäßig neuer und höherwertiger sind als das beschädigte Fahrzeug, was einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko des Mieters führt.
- 109
Soweit in jüngere Tabellen Kosten einer Vollkaskoversicherung mit unterschiedlichen Höhen der Selbstbeteiligung eingepreist sind, wird mittels des arithmetischen Mittels in gewisser Weise das zusätzliche Haftungsrisiko bei Anmietung eines hochwertigeren Mietwagens ausgeglichen.
- 110
Indessen handelt es sich um Schätzfaktoren mit unterschiedlichen Schätzelementen, die nicht verlangen, einem Selbstbeteiligungsansatz von 750 € - 950 € (Fraunhofer 2014) oder 500 € - 1500 € (Schwacke 2014) nachzugehen. Es kann also eine Zusatzposition nicht nur geltend gemacht werden, wenn ein Selbstbehalt unter den in Tabellenwerte eingeflossene Selbstbehalte (je nach Liste auch von 500 € bis 1.000 €) ausdrücklich abgesprochen ist.
- 111
Kosten für die Haftungsbefreiung sind ggf. zeitanteilig zu schätzen.
- 112
Es gibt keinen Maximalbetrag pro Tag von z.B. 2 € oder einen sonst abstrakt verbindlichen Tagessatz.
cc)
- 113
Im Urt.v.13.1.2009, 7 S 93/08, hat die Kammer als ihr durch Internetrecherchen bekannt bezeichnet, dass die Zurverfügungstellung von Winterreifen regelmäßig nur gegen zusätzliche Gebühr erfolgt. Dazu ist als gerichtsbekannt zugrunde gelegt worden, dass entstehende Kosten durchschnittlich 11,- € täglich.
- 114
Dies bedeutet aber nicht, dass die Kammer mit jenem Urteil zu Verhältnissen in 2007 abstrakt den Kostenrahmen für Winterreifen als gerichtsbekannt festschreiben wollte oder konnte.
- 115
Indessen ist der Neupreis pro Reifen nicht außer Acht zu lassen. Soll sich von daher eine Obergrenze der Erstattungsfähigkeit ergeben, bedarf es indessen näheren Sachvortrags der Schädigerseite zu Art, Qualität und Preis pro Reifen, nicht allgemein spekulative Andeutungen.
dd)
- 116
Kosten für die Einräumung der Möglichkeit, das Fahrzeug einem Zusatzfahrer zu überlassen, sind nur erforderlich, wenn die Überlassung des Mietfahrzeuges an einen weiteren Fahrer den Gepflogenheiten entspricht und real wahrscheinlich ist, Kammer, Urt.v.13.1.2009, 7 S 93/08.
ee)
- 117
Kosten der Zustellung und Abholung des Fahrzeuges hat die Kammer früher in einem (Unfallersatz-) Zuschlag bzw. in einem Aufschlag wegen Mehrleistungen und –Risiken bei Vermietung im Unfallersatzgeschäft aufgehen lassen. Dies gilt so nicht mehr.
i)
- 118
Der ersparte Eigenaufwand für das eigene Fahrzeug wegen der Nutzung eines fremden Fahrzeugs ist anzurechnen. Die Mittelwertbildung bedeutet nicht, dass deshalb der Ersparnisabzug auszuscheiden hat, weil über den Mittelwert der angemessene und i.S.d. § 249 BGB erforderliche Betrag eingeschätzt wird. Bei dem Abzug handelt es sich vielmehr um eine zusätzliche Frage nach einem Vorteilsausgleich wegen Gebrauchsvorteils bzw. konkreter Ersparnis.
- 119
Grundsätzlich ist die Höhe des vom Geschädigten ersparten Betrages nicht zwingend von der Höhe der Mietwagenkosten abhängig, bei einer teueren Anmietung werden nicht unbedingt höhere Eigenausgaben gespart.
- 120
Ersparnisanteile schätzt die Kammer vereinfachend auf 10 % des durchsetzbaren (Normal- bzw. Grund-) Tarifwerts, Urt. v. 13.01.2009, 7 S 394/08, und Urt. v. 10.02.2009, 7 S 404/08. Auf 5% stellt die Kammer pauschalierend bei Anmietung eines klassetieferen Fahrzeugs oder bei älteren beschädigten Fahrzeugen der um 2 Klassen tieferen Anmietung ab. Einen Rechts-, Schätzungsgrundsatz, dass es bei gruppentieferer Anmietung keinen Abzug wegen Eigenersparnis geben darf, kennen die höchstrichterliche Rechtsprechung und § 287 ZPO nicht. Anders als zum abstrakten Nutzungsausfall kommt es zum konkreten Schaden nicht darauf an, ob klassentiefer angemietet worden ist, Kammer-Urteil v. 13.1.2009, 7 S 394/08; anders offenbar OLG Koblenz, Urt. v. 2.2. 2015, 12 U 925/13.
- 121
Die Ersparnis ist nicht etwa von dem Gesamtersatzbetrag abzuziehen, wie nachfolgend dargestellt.
j)
- 122
Zu berechnen ist nach alledem der im Streitfall gem. § 287 ZPO als Mietwagenkostenersatz durchsetzbare Anspruch wie folgt:
- 123
(1) Unfall (Freitag)
10.12.2010
Mietbeginn/Übernahme des Fahrzeugs
10.12.2010
13:00
Konkrete Rückgabe des Fahrzeugs
27.12.2010
14:00
(2) Berücksichtigungsfähige Anmietdauer
17 Tage
Fahrstrecke von
8.923 km
bis
mit9.499 km
576 km
(3) Konkreter Rechnungsbetrag netto
2.100,36
USt
19%
399,07
(4) Wegen sofortiger Anmietung konkreter anteiliger Aufwand für die ersten drei Werktage incl. Samstag, zzgl. Sonntag
4 Tage
netto - USt - brutto
494,20
93,90
588,10
(5) Fahrzeuggruppe des gemieteten Fahrzeugs 5 (Ford Focus Turnier)
PLZ Gebiet: 386
(6) (Regional) Tarif nach Schwacke – Automietpreisspiegel , Modus
Längste Zeitpauschale
532,82
umzurechnen für Tage
7
Tagessatz als Kalkulations- bzw. Schätzungsgröße
76,12zu berücksichtigende Nutzungstage nach Abzug des konkreten Aufwands
13
989,52
(7) (Regional-) Tarif nach Fraunhofer Mietpreisspiegel
Längste Zeitpauschale
280,23
umzurechnen für Tage
7
Tagessatz als Kalkulations- bzw. Schätzungsgröße
40,03
zu berücksichtigende Nutzungstage nach Abzug des konkreten Aufwands
13
520,43
(8) Mittelwert aus (6) und (7) als netto = brutto
754,98
Tagessatz (umgerechnet) 58,08
(9) Konkrete Zusatzkosten:
Vollkasko (Kein abstrakter Ansatz direkt nach Tabelle - kein zusätzlicher Ausglich für eingerechnete Ansätze ohne konkreten Nachweis des Aufwands.)
Bringen (Zustellen)/Abholen
51,72
51,72
Winterreifen (Modus nach Tabelle 11,71 Euro/Tag, kein konkreter Einwand der Beklagten gegen die Höhe. Es wird nur geltend gemacht, Kosten seien übersetzt.)
10,34
Nutzungstage
13
134,42
Zusätzlicher Fahrer (Kosten bestritten durch Beklagte Bl. 30. Es gibt aber gar keinen konkreten klägerischen Ansatz und es ist nicht abstrakt nach Tabelle ein zusätzlicher Wert in Ansatz zu bringen.
Zwischensumme
186,14
USt
19%
35,37
Zwischensumme
809,61
Gesamt (4) + (8) + (9) - netto bzw. netto = brutto
1.435,32
Gesamt zzgl. konkreter USt
1.564,58
(10) Ersparter Eigenaufwand (klassengleiche Anmietung)
10%
134,31
Erstattungsfähig verbleiben
1.430,27
Zahlung
1.129,31
- 124
Offene Differenz mithin: 300,96 Euro.
- 125
Es zeigen sich dabei folgende Unterschiede der Wertansätze:
- 126
Ausgleichswert berechnet über den Tagessatz bei 100% Haftung nach Schwacke:
1.293,99
Rechnungsbetrag demgegenüber höher um
1.205,44
Ausgleichswert berechnet über den Tagessatz bei 100% Haftung nach Fraunhofer:
680,56
Rechnungsbetrag demgegenüber höher um
1.818,87
Ausgleichswert berechnet über den Tagessatz bei 100% Haftung nach Fraunhofer zzgl. 20%:
816,67
Rechnungsbetrag demgegenüber höher um
1.682,76
5.
- 127
Ob und welche Aufklärungspflichten ein Mietwagenunternehmer zum verlangten Tarif oder wegen möglicher Tarife mit welchen Folgen bei einer Pflichtverletzung haben kann, ist nicht entscheidungserheblich.
- 128
Ob und inwiefern ein ergänzender Nutzungsausfallanspruch im Einzelfall in Folge der höchstrichterlichen Rechtsprechung durchgesetzt werden könnte, bedarf im Streitfall keiner zusätzlicher Erwägungen, weil dazu nichts gefordert wird.
6.
- 129
Die Pflicht, Verzugszinsen auf den zuerkannten Betrag zu zahlen, folgt aus §§ 280, 286, 288 BGB.
7.
- 130
Die Revision wird zugelassen.
- 131
Es geht freilich nur um die Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze im Einzelfall und die Ausfüllung des Schätzungsfreiraums des Tatrichters in den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gesetzten Grenzen.
- 132
Wegen der Frage, bei Anmietung in den ersten 3 Werktagen nach dem Unfall für diesen Zeitraum auf den konkreten (anteiligen) Rechnungsbetrag abzustellen, ist die Revision nicht zuzulassen. Denn dies ist kein eigenständiges Rechtsprinzip, sondern nach Ansicht der Kammer im Rahmen tatrichterlicher Schätzung ein Aspekt der Schadensabrechnung i.S.d. § 287 ZPO, der auf die jeweils besondere Lage des Streitfalls abzustimmen ist.
- 133
Die Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung lässt jedoch eine Entscheidung des Revisionsgerichts als sachgerecht erscheinen (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
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