Urteil vom Landgericht Braunschweig (7. Zivilkammer) - 7 S 98/15
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 29.1.2015 verkündete Urteil des Amtsgerichts Salzgitter teilweise abgeändert und wie folgt neugefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, 574,85 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. 8. 2014 zu zahlen.
Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Es tragen
die Kosten des ersten Rechtszugs der Kläger zu 43 % und die Beklagte zu 57 %,
die Kosten des Berufungsverfahrens der Kläger zu 45 % und die Beklagte zu 55 %; §§ 92, 97 ZPO.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar; die Parteien können jeweils eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% eines insgesamt gegen sie zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet; § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision wird zugelassen.
Zugleich wird beschlossen:
Der Wert für die erste Instanz beträgt 1.015,72 Euro.
Der Berufungsstreitwert wird auf 971,64 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
- 1
Die Parteien streiten um den Ersatz weiterer Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall am Freitag den 20.12.2013 gegen 20.20 Uhr in ... auf dem Parkplatz vor dem .... Der ... Pkw des in ... wohnenden Herrn ... wurde bei 100 %iger Haftung vom Fahrer eines bei der Beklagten haftpflichtversicherten Kfz beschädigt.
- 2
Gegen 21.30 Uhr mietete der Sohn des Herrn ... für diesen beim Kläger einen Pkw mit Abtretung der Erstattungsansprüche an den Kläger (Bl. 10 d. A.,
- 3
Mietvertrag vom 20.12.2013, Bl. 9: Vollkasko, SB bis 500 Euro, vereinbarter Zeitraum: 20.12., 21:30-27.12.2013, 21:30), ohne Vergleichsangebote von anderen Mietwagenunternehmen eingeholt zu haben. Unter dem 8.1.2014 stellte der Kläger Herrn ... Rechnung über Mietwagenkosten für 18 Tage (20.12. bis 7.1.) in Höhe von 1.891,72 € (Bl. 8 d. A.). Die Beklagte zahlte 876 €.
- 4
Der Kläger hat vorgetragen, der Sohn des Herrn ... sei auf Mobilität angewiesen gewesen, um nach Hause nach ... zu gelangen. Herr ... habe für die Dauer von 18 Tagen Ausfallzeit einen Mietwagen benötigt, der Winterreifen gehabt habe. Es sei erforderlich gewesen, einen Zusatzfahrer einzutragen. Er hat gemeint, wegen der Erforderlichkeit von Mietwagenkosten sei zur Vergleichsrechnung der Schwacke-Automietpreisspiegel heranzuziehen.
- 5
Der Kläger hat beantragt die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.015,72 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 6
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt. Sie hat gemeint, es mangele für den geltend gemachten Betrag an Erforderlichkeit. Wenn ein Tabellenwerk herangezogen werde, sei nach dem Fraunhofer-Marktpreisspiegel abzurechnen.
- 7
Das Erstgericht hat Herrn ... als Zeugen vernommen und die Klage zu einem geringen Betrag für begründet erachtet. Es hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 44,08 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20. 8. 2014 zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen.
- 8
Das Erstgericht hat dazu ausgeführt:
- 9
Mietwagenkosten seien aus abgetretenem Recht i.S.d. § 7 Abs. 1 StVG i. V. m. § 115 Abs. 1 S. 1 WG i. V. m. § 1 PflVG i. V. m. § 398 BGB, § 249 BGB noch in Höhe von 44,08 € G als günstig und deshalb erforderlich offen.
- 10
Eine Notsituation, in der der Unfallgeschädigte bzw. sein Sohn zwingend auf gerade den Mietwagen des Klägers angewiesen gewesen sei, habe es nicht gegeben. Nach 20.20 Uhr sei es am Freitagabend möglich gewesen, vom Zentrum von ... mit dem Zug nach ... zu kommen (Abfahrt am vom Unfallort in Sichtweite gelegenen Bahnhof in ... ca. 21.15 Uhr, Umstieg in ... gegen ca. 22.20 Uhr). Selbst wenn eine Zugverbindung wegen der infolge der Unfallabwicklung fortgeschrittenen Zeit nicht mehr möglich gewesen sein sollte, erscheine bei der Entfernung von ca. 25 Kilometern die Nutzung eines Taxis zumutbar, um nach Hause zu kommen, und der teureren Anmietung eines Pkws beim Kläger vorzuziehen, welche selbst ohne Berücksichtigung der einmaligen Notdienstgebühr von 60,52 € (einschl. Mwst.) noch immer 101,73 € (einschl. Mwst.) am Tag gekostet habe.
- 11
An Folgetagen seien weder ... noch sein Sohn auf den Pkw angewiesen gewesen. Herr ... habe ausgesagt, dass das Auto am Wochenende nicht gebraucht worden sei.
- 12
Als Ausfallzeit seien 18 Tage anzusetzen. Denn Herr ... habe ausgesagt, dass ein neuer Pkw erst am 5.1.2014 gekauft und am 6.1. (Montag) angemeldet worden sei. Wegen der zahlreichen Feiertage zwischen dem 20.12.2013 und dem 7.1.2014, welche auf Werktage fielen, müsse sich der Geschädigte kein Mitverschulden anrechnen lassen, weil er mit dem Kauf eines neuen Pkws bis zum 5.1. 2014 gewartet habe. Die Angaben des Zeugen seien glaubhaft. Es sei zu erkennen, dass er lediglich tatsächlich Erlebtes wiedergeben wollte. Wenn er etwas nicht genau gewusst gehabt habe, habe er dies deutlich gemacht. Trotz rechtlicher Nähe (als Mieter, Vertragspartner des Klägers) sei eine Tendenz zu Gunsten des Klägers nicht ersichtlich.
- 13
Wegen aller weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie des Verfahrensablaufs wird auf die erstinstanzliche Entscheidung nebst darin enthaltenen Bezugnahmen verwiesen.
- 14
Die Berufung beantragt, unter Änderung des angefochtenen Urteils vom 9. 20.1.2015, Aktenzeichen 23 C2 194/14, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 971,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 15
Der Kläger erklärt sich grundsätzlich dahin "bereit", eine Mittelwertberechnung aus den beiden Mietpreislisten zu akzeptieren, dafür sei mit den Listen aus dem Jahr 2013 zu rechnen (Bl. 177). Der Wochentarif dürfe aber nicht durch 7 multipliziert und mit der Anmietdauer hochgerechnet werden, sondern es müssten bei einer Anmietdauer von 18 Tagen wie 2 Wochentarife und ein Dreitagestarif addiert werden (Bl. 178). Zu den Nebenkosten sei mit den Tabellenwerten der Nebenkostentabelle der Schwacke Automietspreisspiegels zu rechnen. Zu berücksichtigen sei ein Kostenansatz für die Anmietung außerhalb der Öffnungszeiten.
- 16
Die Berufung macht geltend:
- 17
Die Beklagte habe zu beweisen, dass es dem Geschädigten problemlos möglich gewesen wäre, seinen konkreten Mobilitätsbedarf zu Preisen zu decken, die die Beklagte behaupte.
- 18
Die konkreten Umstände würden die Annahme einer Eil-und Notsituation und den Aufschlag von 20 % rechtfertigen, Bl. 179. Zu Unrecht habe das Amtsgericht bei der Anmietung am Freitagabend unmittelbar nach dem Unfall angesichts des unfallbeschädigten, nicht mehr fahrbereiten Fahrzeugs eine Notsituation verneint. Da sich der Sohn des Geschädigten unterwegs befunden haben und am Freitagabend wieder nach Hause kommen musste, dies zu einer kostenpflichtigen Beförderung auf jeden Fall führe, sei ein vorheriger Preisvergleich bei anderen Autovermietungen nicht möglich gewesen.
- 19
Der Kläger müsse immer damit rechnen, dass Kunden in Notsituationen sofort ein Auto anmieten möchten, er müsse ein wesentlich breiteres und größeres Angebot vorhalten, um entsprechend reagieren zu können. Dies rechtfertige einen höheren Preis (Bl. 125).
- 20
Der Geschädigte habe nicht per Kreditkarte in Vorleistung für einen anfangs nicht bekannten Mietbetrag treten können. Hilfsweise stellt die Berufung streitig, dass er dazu verpflichtet gewesen ist.
- 21
Um einen ungerechtfertigt überhöhten Unfallersatztarif gehe es hier nicht. Die Berufung beanstandet dazu, dass das Amtsgericht nicht erwähne und nicht erwäge, warum erstattungsfähige Mietwagenkosten nicht nach dem Schwacke Automietpreisspiegel ermittelt werden (können), obwohl der Kläger seine Kosten so berechne. Es habe für den Geschädigten keine besondere Pflicht bestanden, sich nach günstigeren Tarifen zu erkundigen. Durch einen Aufschlag wegen erforderlicher unfallbedingter Zusatzleistungen ergebe sich keine besondere Erkundigungspflicht des Geschädigten.
- 22
Dem Geschädigten sei nicht der Vorwurf zu machen, er habe sich aufgrund erheblich überteuerter Preise erkundigen müssen, da er sich mit Mietwagenpreisen im Rahmen einer vom BGH in einer Erhebungsmethode anerkannten Markterhebung gehalten habe und sich lediglich Ersatzmobilität verschafft zu marktüblichen Preisen mit dem Schwacke Automietpreisspiegel als gültiger Schätzgrundlage.
- 23
Die Beklagte habe lediglich 2 Internet Mietwagenangebote von 2 Anbietern vorgelegt. Die beklagtenseits vorgelegten Internetangebote würden neben der Sache liegen, so könne es nicht gelingen, die Forderung des Klägers als überhöht darzustellen (Blatt 127). Der tatsächliche Anmietzeitraum sei fast schon ein Jahr abgelaufen als die Angebote der Beklagten für den Zeitraum vom 8.9.2014 bis zum 6.10.2014 recherchiert worden seien (Blatt 128).
- 24
Bei nachträglichen Internet Abfragen stehe der Mietzeitraum fest, bei der Anmietung durch den Geschädigten sei die tatsächliche Anmietzeit aber nicht bekannt, dies führe zu einem wesentlichen Unterschied beim preisbildenden Faktor (Bl. 135).
- 25
Die Fraunhofer Erhebung sei konkret nicht anzuwenden, da diese ausschließlich von einer Vorbuchungszeit von einer Woche ausgehe. Wenn keine Vorbuchungszeit vorhanden sei, könne sich der Kunde auf eine Anmietung nicht entsprechend vorbereiten.
- 26
Die Werte der Fraunhofer-Liste seien nicht der einer bestimmten Fahrzeuggruppe vergleichbar. Auch mit den Normalpreisen der Schwacke Liste seien diese Werte nicht vergleichbar und würde denn wegen der Methodik der Fahrzeugsortierung keine vergleichbare Basis erschließen. Die von Fraunhofer berücksichtigten Internetangebote seien bei genauer Betrachtung lediglich Angebote für ein nicht näher spezifiziertes Fahrzeug, ohne Details und ohne Mietwagengruppe (Blatt 126). So sei nicht sicherzustellen, dass das dem Mieter zustehende Fahrzeug zur Verfügung gestellt werde und dem Vermieter tatsächlichen angemieteten Fahrzeug vergleichbar sei (Blatt 126). Der Kunde des Klägers habe ein Fahrzeug der Gruppe 3 angemietet. Fahrzeuge unterschiedlicher Hersteller könnten aber selbst dann, wenn sie dem selbem Fahrzeugtyp angehören, in der Schwacke Liste in unterschiedlichen Fahrzeuggruppen eingruppiert sein (Blatt 126). Bei der Eingruppierung würden erhebliche Differenzen in den Anschaffungspreisen berücksichtigt, wie es für die Frage von Bedeutung sei, welchen Schadensersatz der Geschädigte verlangen könne. Auch für die Preisgestaltung gewerblicher Autovermieter seien die Anschaffungspreise von erheblicher Bedeutung. Die Fraunhofer Liste berücksichtige dergleichen nicht.
- 27
Der Kunde des Klägers habe mit unbestimmter Mietdauer ein Fahrzeug inklusive Haftungsreduzierung auf eine Selbstbeteiligung von 500 € angemietet.
- 28
Die beklagte Versicherung beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Das erstinstanzlich ausgeübte Schätzungsermessen sei berufungsrechtlich nur beschränkt nachprüfbar. Das Erstgericht habe sich zutreffend mit der dem Geschädigten obliegenden und verletzten Pflicht zur erforderlichen Erkundigung nach Alternativangeboten auseinandergesetzt. Hierzu sei erstinstanzlich in der Klageerwiderung substantiiert und nicht bestritten vorgetragen worden. Eine Eilsituation sei nicht nachgewiesen.
- 29
Von der Berufung eingeführte Screenshots rügt die Berufungserwiderung als verspätet (Bl. 162).
- 30
Die Erhebung durch das Fraunhofer-Institut sei betr. Die für statistische Erhebungen maßgebenden Kriterien der Validität, Reliabilität, Objektivität, Utilität, Testfairness, Transparenz und Unverfälschbarkeit gegenüber der Markterhebung durch Schwacke überlegen (Bl. 153). Reale Szenarien würden geschildert. Es erfolge eine strikt getrennte Erhebung am Telefon und im Internet. Das Verfahren von Fraunhofer sei repräsentativer. Die Repräsentativität werde durch regionale Gliederung erreicht und durch mindestens 30 Werte pro Datenzelle.
- 31
Die Erwiderung rügt die Höhe der Nebenkosten. Die vom Kläger berechneten Kosten für den zusätzlichen Fahrer seien übersetzt. Die Kosten für den Zusatzfahrer würden sich auf 11,43 € täglich bemessen. Kosten für Winterreifen seien nach der Rechnung 9,82 € anzusetzen. Umsatzsteuer sei nicht auf die Nebenkosten zu beziehen.
- 32
Der Kläger habe den Vollbeweis dafür zu erbringen, dass er einen klassenniedrigerer Mietwagen angemietet habe (Blatt 191). Erstinstanzlich sei streitig gewesen, ob ein Mietwagen der Klasse 4 angemietet worden sei. Da es am Nachweis fehle, sei zugrunde zu legen, dass gruppengleich angemietet worden sei, sodass sich der Kläger ersparte Eigenkosten zu anrechnen lassen müsse, wobei die Anrechnung mit 10 % anzusetzen sei.
- 33
Für alle weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zweiter Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
- 34
Bezug genommen wird auch auf die Hinweise vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung und das Protokoll der mündlichen Verhandlung.
II.
- 35
Die Berufung des Klägers ist statthaft (§ 511 ZPO) und verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517, 520 Abs. 2 ZPO). Die Berufung hat teilweise Erfolg.
1.
- 36
Das Berufungsgericht darf, selbst wenn es die erstinstanzliche Entscheidung für vertretbar, bei Berücksichtigung aller Gesichtspunkte aber sachlich nicht für überzeugend hält, zur Mietwagenkostenabrechnung eine Bewertung nach eigenem Ermessen vornehmen. Höchstrichterlich ist zur Anwendung des § 287 ZPO geklärt, dass der Prozessstoff (auf der Grundlage nach § 529 ZPO zu berücksichtigender Tatsachen) ohne Bindung an die Ermessensausübung des Erstgerichts geprüft und eine andere Schätzungsgrundlage als das Erstgericht verwenden darf (vgl. Kammer Urt. v. 23.5.2013, 7 S 380/12). So geschieht es aus nachfolgenden Gründen hier.
2.
- 37
Der Kläger stellt folgende Ansätze und Beträge zur Entscheidung:
- 38
EP
Tage
Grundgebühr
64,24
18
1.156,32
Zusatzfahrer
11,43
18
205,74
Winterreifen
9,82
18
176,76
Zwischensumme
1.538,82
Notdienstgebühr
50,68
Gesamtbetrag netto
1.589,50
USt
19%
302,01
Gesamtbetrag brutto rechnerisch
1.891,51
bzw.
1.891,72 €
- 39
Das Erstgericht hat zur Ermittlung des erforderlichen Betrages im Anschluss an LG Braunschweig Urt. v. 23.11.2011, 4 S 262/11, den Marktpreisspiegel Mietwagen des Fraunhofer Institutes für 2013 herangezogen.
- 40
Es hat sich darauf gestützt, dass an der Geeignetheit dieses Tabellenwerkes keine Zweifel bestünden. Es hat im Internet nach in etwa vergleichbaren aktuellen Angeboten recherchiert (www.billigermietwagen.de) und das Ergebnis in der mündlichen Verhandlung erörtert. Beim Ergebnis der Recherche hat sich gezeigt, dass ermittelte Preise teilweise weit unter denen des Fraunhofer Marktpreisspiegels liegen. Berücksichtige man, dass eine Vergleichbarkeit der heutigen Angebote mit damaligen möglichen Angeboten nicht uneingeschränkt gegeben sei und bei Internetangeboten möglicherweise auf den ersten Blick nicht erkennbare Besonderheiten bestehen, lasse sich doch der Schluss ziehen, dass die im Fraunhofer Marktpreisspiegel genannten Werte keinesfalls augenfällig niedrig sind. Im Übrigen geht das Erstgericht davon aus, dass der Internetmarkt jedenfalls bei Menschen unter 60 Jahre keinesfalls mehr als exotischer Sondermarkt angesehen werden könne, erst recht wenn man berücksichtige, wie verbreitet Smart-Phones heute seien. Auch die im Fraunhofer Marktpreisspiegel angenommene Vorbuchungsfrist stehe seiner Anwendung nicht entgegen, da gerade bei längerer Anmietzeit der Preis vom Anmietzeitpunkt fast unabhängig ist (Fraunhofer Marktpreisspiegel Mietwagen 2013, S. 53).
- 41
Die Vergleichsberechnung ergebe sich wie folgt:
- 42
Zunächst sei der Normaltarif nach den Tabellen über die telefonische Erhebung zu ermitteln. Im Postleitzahlengebiet 3 betrage dieser nach dem Marktpreisspiegel 2013 für einen Wagen der Gruppe 3 (wie beim Kläger gemietet) bei achtzehntägiger Anmietung 601,74 €. Hierbei sei der Wochentarif durch sieben zu teilen und sodann mit 18 zu multiplizieren. Diese Berechnung sei der Addition von Wochentarif und einzelnen Einzeltarifen (2x 7 Tage, 1 x 3 Tage, 1x 1 Tag) vorzuziehen (vgl. LG Braunschweig v. 13. 1. 2009, 7 S 93/08), da in jedem Einzeltarif (Tages-, Dreitages- oder Wochentarif) ein Kostenanteil für die organisatorische Abwicklung enthalten ist. Würden Einzeltarife addiert, würde bei längerer Mietdauer jener Kostenanteil mehrfach berechnet, der nur einmal anfalle.
- 43
Ein Unfallersatzaufschlag komme hinzu wegen der Anmietung kurz nach einem Verkehrsunfall außerhalb gewöhnlicher Geschäftszeiten gegen 21.30 Uhr. Dieser sei in der Regel mit 20% anzusetzen, bei längerer Anmietzeit jedoch nur mit 10%, so bei der Mietzeit von 18 Tagen hier mit 60,17 €. Denn die im Fraunhofer Marktpreisspiegel genannten Preise würden zwar von einer Vorbuchungszeit ausgehen und ein im Unfallersatzgeschäft tätiges Mietwagenunternehmen müsse kurzfristig Pkws und Personal außerhalb gewöhnlicher Öffnungszeiten vorhalten. Bei längerer Anmietzeit sei der Preis vom Anmietzeitpunkt aber fast unabhängig (Fraunhofer Marktpreisspiegel Mietwagen 2013, S. 53) und habe deshalb der Aspekt der fehlenden Vorbuchungsfrist bei längerer Mietzeit unberücksichtigt zu bleiben. Besondere Kosten für Notfallbereitschaft würden pro Anmietung eines Pkws zudem nur einmal anfallen und in die Kalkulation einer üblichen Mietzeit mit einfließen. Setze man den Unfallersatzaufschlag uneingeschränkt prozentual an, würden bei einer längeren Mietzeit solche Kosten indessen unberechtigt mehrfach angesetzt. Folglich müsse die Dauer der Mietzeit in die Höhe des Unfallersatzaufschlages einfließen.
- 44
Ein Zuschlag für eine Vollkaskoversicherung sei nicht vorzunehmen, da diese im Normaltarif nach dem Fraunhofer Marktpreisspiegel enthalten sei unter Berücksichtigung eines im Mietwagengeschäft typischen Selbstbehaltes. Wenn ein Geschädigter zu einem Tarif mit geringerem Selbstbehalt anmiete, sei dies grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, da als erforderlich i.S.d. § 249 BGB nur typische Mietwagenkosten anzusehen sind. Im Übrigen sei gerichtsbekannt ist, dass die Tarife einer Kaskoversicherung zwar erheblich sinken, wenn ein Selbstbehalt vereinbart wird, die Höhe der Ersparnis bei steigendem Selbstbehalt jedoch nicht entsprechend steige. Bei der Mietwagenkostenberechnung könne die Höhe des Selbstbehaltes im Regelfall daher unberücksichtigt bleiben.
- 45
Für einen Zusatzfahrer erfolge der Zuschlag mit 10% (60,17 €.). Denn der Mietwagen sei sowohl vom Sohn des Herrn ... (wenn auch nur kurz, aber doch gleich zu Beginn des Mietverhältnisses) als auch von Herrn ... selbst genutzt worden, wie von diesem glaubhaft bekundet.
- 46
Hinzu komme der Zuschlag für Winterreifen mit 198 €. Derartige Zuschläge seien im Fraunhofer Marktpreisspiegel nicht enthalten (Fraunhofer Marktpreisspiegel Mietwagen 2013, S. 24), jedoch bei Verwendung der Reifen anzusetzen, da eine derartige gesonderte Leistung nicht zwingend in die allgemeine Mietpreiskalkulation der Vermieter eingehen müsse, sondern auch als Extraposition abgerechnet werden könne. Das Tatgericht hat sich dazu davon überzeugt, dass der vermietete Pkw mit Winterreifen ausgestattet gewesen ist. Die Winterreifen seien in der aufgeführt. Die Anmietung sei Ende Dezember / Anfang Januar erfolgt. Herr ... habe zwar ausgesagt, das Vorhandensein von Winterreifen nicht geprüft zu haben, jedoch habe zur Mietzeit zeitweise Schnee gelegen. Da das Auto von ihm gefahren worden sei, sei davon auszugehen, dass das Fehlen von Winterreifen aufgefallen wäre. Die durchschnittlichen Kosten für Winterreifen schätzt das Tatgericht gem. § 287 ZPO auf 11 € am Tag (mit LG Braunschweig Urt.v.13.1.2009, 7 S 93/08).
- 47
Von der Gesamtsumme von 920,08 € zieht das Erstgericht keine ersparte Aufwendungen vor. Der ... sei der Klasse 4 zuzuordnen, der Berechnung zugrunde gelegt sei ein Pkw der Klasse 3.
3.
- 48
Der Ersatzanspruch des Klägers wegen der Nutzung eines Mietfahrzeuges ist durch die Zahlung der Beklagten und die erstinstanzliche Verurteilung nicht in voller Höhe ausgeglichen. Es kommt aufgrund der gebotenen konkreten Schadensbetrachtung kraft Schätzung i.S.d. § 287 ZPO über den erstinstanzlich ausgeurteilten Betrag die Forderung weiterer 530,77 Euro hinzu.
a)
- 49
Für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges entstandene Mietwagenkosten sind Teil der Kosten der Schadensbehebung i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Die Schädigerseite hat die Mietwagenkosten in dem Umfang zu ersetzen, in dem sie zur Herstellung des Zustandes erforderlich sind, der ohne die Schädigung bestehen würde. Das ist der (Geld-) Aufwand, den ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf.
- 50
Dass in der Vermieterpraxis Mietern mit privatem Beweggrund zur Anmietung eines Fahrzeugs für einen bestimmten Zeitraum ein anderer Tarif (der verschiedentlich Normaltarif genannt wird) angeboten wird als zur Anmietung eines Unfallersatzfahrzeugs in Haftpflichtschadenfällen (wozu ohne bestimmte Ab- und Eingrenzung vom Unfallersatztarif gesprochen wird), kann hier im Einzelnen als Faktum auf sich beruhen bleiben. Auch bedarf es keiner grundlegenden Klärung zu und von Sondervereinbarungen mit Versicherern oder Sonderabsprachen mit Werkstätten für (einfache) Reparaturfälle.
- 51
Die Erforderlichkeit i.S.d. § 249 BGB ist grundsätzlich auf einen ortsüblichen Preis für Selbstzahler (als Normaltarif von Autovermietern) ausgerichtet. D.h., dass dann, wenn auf dem örtlichen Markt mehrere Tarife für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges erreichbar sind, dem Geschädigten innerhalb einer nicht durch das Gesetz oder die höchstrichterliche Rechtsprechung festgeschriebenen Spannbreite als Schätzungsfreiraum lediglich der wirtschaftlich günstigere Mietpreis ersetzt wird. Denn er muss von mehreren möglichen und zumutbaren Wegen den wirtschaftlichsten Weg wählen.
- 52
Über den objektiv günstigeren bzw. günstigsten (Normal-) Tarif hinausgehende Kosten werden dem Geschädigten kraft der subjektbezogenen Schadensbetrachtung ersetzt. Dies aber nur dann, wenn er darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer (Normal-) Tarif zugänglich war, BGH Urt. v. 14.10.2008, VI ZR 210/07. Der Darlegungs-und Beweispflicht des Geschädigten unterliegt m.a.W. der Nachweis zu den Voraussetzungen, die die Erforderlichkeit der Anmietung zu dem von dem Geschädigten konkret vereinbarten Tarif ausfüllen (sollen).
- 53
Dass ein zumutbares Ersatzfahrzeug nicht zu günstigeren Konditionen anmietbar gewesen ist, ist nicht als selbstverständlich zugrunde zu legen – eher drängt sich lebenspraktisch bei Anmietung unter Abtretung an ein Mietwagenunternehmen oder eine Werkstatt oder ein Autohaus mit Blick auf einen Haftpflichtfall das Gegenteil auf. Insbesondere ist nicht zu Gunsten des Geschädigten zugrunde zu legen, dass ihm kein günstigerer Tarif zugänglich gewesen ist, wenn und weil ihm ein Unternehmer nur einen bestimmten Tarif genannt oder angeboten hat.
- 54
Die gebotene Klarheit zur Zugänglichkeit auf bestimmte Fahrzeuge ist tatrichterlich nicht wirklich zu gewinnen. "Die Praxis … zeigt, dass .. als Zeugen vernommene Mitarbeiter von Mietwagenfirmen keine Angaben ... machen .. (können), ob in ihrer Firma am Unfalltag tatsächlich ein Fahrzeug entsprechend ihren Internetangeboten anzumieten war, …weil sich rückwirkend keine Angebote erstellen lassen." so treffend AG Trier, Urt. v. 18. 3. 2011, 7 C 364/10.
- 55
Ein Sachverständiger kann aller richterlichen Erfahrung nach erst recht nicht feststellen, ob zu einem mehr oder weniger lange zurückliegenden Anmietzeitpunkt tatsächlich ein Fahrzeug verfügbar war. Denn es fehlt an Daten, an Archivierung bei den Mietstationen oder Zentralen der Vermietungsunternehmen.
- 56
Bei Anmietung eines Ersatzfahrzeuges mehrere Tage nach dem Unfallereignis ist regelmäßig offensichtlich, dass der Geschädigten keinen Grund dafür hat, dass ihm unter Berücksichtigung seiner Erkenntnis– und Einflussmöglichkeiten und der für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich gewesen ist. Schon bei Anmietung erst zwei Tage nach dem Unfall ohne nachgewiesenen Versuch, ein Mietfahrzeug zu einem günstigen Tarif, zu erhalten, steht der geschädigten Person ausschließlich der ortsübliche Mietpreis für Selbstzahler zu, OLG Bamberg, Urt. v. 4.8.2015, 5 U 272/14.
- 57
Dass eine geschädigte Person bei Anmietung nicht aus Böswilligkeit handelt, sie erstmalig anlässlich eines Verkehrsunfalles ein Mietfahrzeug anmietet, sie im Anmietzeitpunkt persönlich oder objektiv nicht in der Lage gewesen ist, sämtliche mit dem Verkehrsunfall im Zusammenhang stehenden Kosten zu überschauen, ist aus sich heraus nicht absolut entscheidungserheblich. Wie die Kammer schon im Urteil vom 23.05.2013, 7 S 380/12, betont hat, ist über die Frage, ob eine Maßnahme des Geschädigten zur Schadensbeseitigung erforderlich oder unwirtschaftlich und deshalb nicht erforderlich ist, im Hinblick auf die konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.
- 58
Letztlich hat der Geschädigte – um die Erforderlichkeit des § 249 BGB zu wahren - Nachfrage zu halten und sich über Vergleichsangebote zu informieren, wenn, soweit und solange ihm dies möglich und zumutbar ist.
- 59
Die Grundgebühr als Tagespreis mit netto rund 64 Euro mag noch nicht als auffällig erschienen sein, der rechnerische Tagespreis mit netto rund 88 Euro und brutto rund 105 Euro bei einer Dauer von mehr als 2 Wochen hat aber Aufmerksamkeit vom Geschädigten und seinem Sohn verlangt, an der sie es haben fehlen lassen.
- 60
Dass ein vorheriger Preisvergleich bei anderen Autovermietungen unmöglich gewesen sein soll, veranschaulicht der Kläger – für den Geschädigten, den er z.B. im Einzelnen über die verschiedenen Angebote und Möglichkeiten hat informieren können - nicht. Dass der Kläger selbst damit rechnen muss, dass Kunden sofort ein Auto anmieten möchten, ist sein Geschäftsmodell. Dies rechtfertigt indessen quasi aus sich heraus einen höheren Preis letztlich zu Lasten der Schädigerseite in Haftpflichtfällen.
- 61
Soweit die Berufung anführt, der Geschädigte habe nicht per Kreditkarte in Vorleistung für einen anfangs nicht bekannten Mietbetrag treten können, und sie hilfsweise streitig stellt, dass er dazu verpflichtet gewesen ist, setzt sich die Berufung nicht durch.
- 62
Für Selbstzahler entspricht es aller Erfahrung (durch Bearbeitung von Unfallschadensfällen), dass angesichts der Anmietung durch eine Privatperson zu privaten Zwecken vom Vermieter eine Vorfinanzierung zum voraussichtlichen Mietpreis bzw./und eine Kaution verlangt wird. Dies befreit die Geschädigten, die eine konkrete Abrechnung zu konkreten Nachteilen wählen, aber nicht davon, ggf. einen gewissen Aufwand im Rahmen des § 249 BGB betreiben zu müssen, der von der Rechtsfolge her im Grundsatz Angelegenheit des Schädigers ist, der Restitution schuldet.
- 63
Dass der Mietbetrag anfangs nicht bekannt ist, weil die Dauer der Reparatur oder Ersatzbeschaffung und damit die letztlich tatsächliche Anmietzeit zur Unfallzeit (noch) nicht exakt bekannt ist, ist zu Haftpflichtfällen kein eigenständig tragendes Sachargument. Denn auch bei Selbstzahlern steht anfangs der endgültige Zahlungsumfang nicht fest.
- 64
Über Rechtsfragen ist kein Beweis zu erheben. Die Pflicht zur Vorfinanzierung (oder nicht) ist indessen Rechtsfrage und zwar innerhalb der Erforderlichkeitsprüfung nach § 249 BGB und/oder nach Maßgabe des § 254 BGB, worauf es hier mangels vereinzelten Parteivortrags nicht ankommt.
b)
- 65
Nach dem Verständnis der Kammer achtet es auf das konkrete, individuelle Schadensbild sowie das Maß der Erforderlichkeit und liegt es im Rahmen des tatrichterlichen Schätzungsermessens, je nach den Umständen des Einzelfalls wegen der besonderen Situation des Geschädigten, die der Schädiger zu verantworten hat, bei sofortiger Anmietung nach dem Unfall den konkreten anteiligen Aufwand für die ersten drei Werktage (incl. Samstag), ggf. zzgl. Sonn- und Feiertagen rechnerisch vorrangig zu berücksichtigen, wie im nachstehenden Berechnungsgang verdeutlicht. Denn die konkrete Schadensberechnung legt es zumindest nahe und verlangt es eigentlich sogar, im Rahmen des Möglichen in die Abrechnung konkrete Positionen einzustellen – wie es auf diese Weise geschieht - und nicht stattdessen auf fiktive (Prozent-) Einschätzungen auszuweichen. Zudem hat der Bundesgerichtshof in zahlreichen Entscheidungen ausgeführt, dass dem Tatrichter ein weites Ermessen bei der Schätzung zusteht.
- 66
Diese Möglichkeit zur Abrechnung über die konkrete Mietwagenrechnung für die ersten 3 Werktage (zzgl. ggf. Sonn- und Feiertage) ist nicht schematisch abstrakt bei allen Unfällen anzuwenden. Soweit gegen die entsprechende Erwägung der Kammer im Verhandlungstermin angeführt worden ist, die Kammer übersehe, dass Geschädigte regelmäßig erst einige Tage nach dem Unfallereignis Mietwagen anmieten, ist die Erwägung vielmehr gerade missverstanden worden. Die Dreitagesschätzung gilt von der Grunderwägung her nur, wenn direkt am Unfalltag angemietet wird und ohne Verletzung der Schadensminderungspflicht angemietet werden durfte, weil die geschädigte Person dann keine Zeit hat, Alternativangebote in ruhiger Besonnenheit zu suchen und zu prüfen. Dass der Zeitraum von 3 Tagen bedeuten soll, dass ein Tarifwechsel oder ein Wechsel des Fahrzeugs nach 3 Tagen möglich sein muss – wie es nicht praxisgerecht sein soll -, und die Rechtsprechung keine Pflicht des Unfallgeschädigten vorsehe, ein Mietfahrzeug nach mehreren Tagen der Anmietung zu wechseln und bei einem anderen, möglicherweise günstigeren Anbieter ein Fahrzeug anzumieten, der der Geschädigte das angemietete Fahrzeug bis zum tatsächlichen Mietende weiter nutzen könne, ein Autovermieter nicht mehrere Tarife vorhalte, es keine Tarifspaltung dahin gebe, dass an den ersten Tagen ein höherer Tarif gezahlt werde und in den späteren Tagen ein niedriger Tarif, verzeichnet die Grunderwägung der Kammer ebenso. Die Kammer bezieht lediglich in die Schätzung des wirtschaftlichsten Weges den Umstand der konkreten Gegebenheiten (bei sofortiger Anmietung) mit den konkret vom Geschädigten kraft Vertrages verlangten Preisen ein.
- 67
Die Einholung von Vergleichsangeboten kann im Einzelfall ohnehin aufgrund einer besonderen Eil- bzw. Notsituation des Geschädigten, in die ihn der Schädiger gebracht hat und für die der Schädiger verantwortlich ist, nicht möglich, ausgeschlossen oder jedenfalls nicht zumutbar sein. Eine besondere Situation in der Anmietphase hat die Kammer (im Urt. v. 23.5.2013, 7 S 380/12) als Basis für einen Aufschlag von 10% z.B. beim Unfall am Sonntagabend gegen 21 h an einem von Wohnort etwa 115 km entfernt gelegenen Unfallort und der Tatsache bejaht, dass am nächsten Morgen ein Pkw für die Fahrt zur Arbeit benötigt worden ist.
- 68
Eine Erfassung der konkreten Umstände insbesondere als Notlage bereitet Tatrichtern als Erstgericht indessen immer wieder Probleme, die nicht durch Sachnotwendigkeit und das Maß der Erforderlichkeit des § 249 BGB bedingt sind und den Lebensverhältnissen und dem Eingriff des Schädigers in den für ihn fremden Gestaltungsfreiraum nicht gerecht werden. Mit der vorstehend beschriebenen Schätzung für die ersten drei Tage zuzüglich ggf. Sonn-, Feiertage ist es entbehrlich, unter einem Aspekt einer Eil-, Notlage in Unfallhaftpflichtfällen einem jeweils besonderen Konfliktstoff und sprachlich besonders gelungenen Darstellungen von Parteien nachzugehen.
- 69
Soweit die Berufung im Streitfall auf eine Notsituation hinweist, weil es Freitagabend gewesen sei (Bl. 120), ist schadenrechtlich zur relevanten Zeit als Notlage nichts dargetan. Mit dem Vortrag zum Kinobesuch (BB 17 unten, Bl. 135) erschließt sich gegenüber den erstinstanzlichen Feststellungen nichts anderes, auch nicht zum Weg von ... nach ....
c)
- 70
Der Schädiger schuldet bei Anmietung eines Mietwagens Kostenausgleich für den Zeitraum, der objektiv für die Reparatur des Fahrzeugs des Geschädigten bzw. bis zur Anschaffung eines zumutbaren Ersatzfahrzeuges erforderlich ist.
- 71
Eine geringe Fahrleistung mit dem eigenen Fahrzeug und/bzw. konkret mit dem Mietfahrzeug in der relevanten Anmietzeit kann der Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten entgegenstehen. Dies gilt jedenfalls, wenn der Geschädigte von vornherein erkennen und einschätzen kann, dass geringe Strecken zurückzulegen sein werden. Pauschal ist eine Kilometerleistung von z.B. 20 km täglich aber nicht ausschlaggebend. Im Einzelfall kann selbst bei geringer Fahrleistung eine Anmietung erforderlich erscheinen, wenn und weil der Geschädigte auf die ständige Verfügbarkeit des Kraftfahrzeugs angewiesen ist, BGH Urt. v. 5.2.2013, VI ZR 290/11.
- 72
Der konkrete Ersatzanspruch wird durch eine persönliche Fahruntauglichkeit nicht in Frage gestellt, wenn der Geschädigte das Fahrzeug aufgrund einer vor dem Unfall getroffenen Vereinbarung einem Dritten – etwa einem Angehörigen, einem Ehepartner oder einer sonst nahestehenden Person – (unentgeltlich) zur Nutzung überlassen hätte und das Fahrzeug nach dem Unfall tatsächlich genutzt wird.
d)
- 73
Der (Normal-) Tarif für Selbstzahler ist keine feste Größe, weil es keine fixen Mietpreise gibt und nach der Rechts- und Wirtschaftsordnung nicht geben kann. Weder ein Schwacke-Automietpreisspiegel noch ein Fraunhofer-Mietpreisspiegel erfasst vom Grundsatz her oder als Grundsatz den Normaltarif (vgl. zum Fraunhofer-Mietpreisspiegel freilich u.a. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 26.3.2014, 17 U 150/13).
- 74
Die Geldgröße, die sich als solcher Tarif bzw. als günstigste wirtschaftliche Möglichkeit darstellt, ist zu schätzen, § 287 ZPO. Der Rechtsprechung ist es - unabhängig von regionalen Marktdifferenzen - bisher nicht gelungen, zu Mietwagenersatzkosten ein einheitliches Bewertungs- und Schätzungskonzept zu entwickeln, s. Scholten, DAR 2014, 72, 74.
- 75
Bei der gebotenen Schadensschätzung können Listen oder Tabellen verwendet werden.
- 76
Meinungsunterschiede zur Konkretisierung eines Angriffs gegen eine Liste als Schätzgrundlage verzeichnen in erstinstanzlichen Verfahren insofern häufig die Kernproblematik: Erschütterungsrechtsprechung genannte Äußerungen des BGH werden dahin fehl interpretiert, dass der Schwacke Mietpreisspiegel als Regelgröße zur Bestimmung des bzw. eines Normaltarif gilt. Tatrichter sind indessen weder gehindert noch gehalten, der Schadensschätzung die Schwacke-Liste oder den Fraunhofer-Mietpreisspiegel zugrunde zu legen. Tatrichter müssen ohnehin nicht Tabellen anwenden. Die Verwendung einer geeigneten Tabelle macht lediglich eine Schätzgrundlage in gewissem Umfang transparent(er); vgl. LG Dortmund Urt. v. 1.3.2012, 4 S 97/11.
- 77
Die Schadenshöhe darf niemals auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen bestimmt werden. Es dürfen nicht wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen außer Acht gelassen. Ggfs. darf zu für die Streitentscheidung zentralen Fragen auch nicht auf nach Sachlage unerlässliche fachliche Erkenntnisse verzichtet werden.
- 78
Unterlagen für die Einschätzung – also ggf. entsprechende Listen – sind grundsätzlich vom jeweiligen Anspruchsteller beizubringen. Wird auf die Beibringung erforderlicher Unterlagen und Anhaltspunkte verzichtet, geht dies zum Nachteil der darlegungsbelasteten Partei. Das Tatgericht ist nicht gehalten, aus Haushaltsmitteln Unterlagen zu beschaffen, ggf. aber im Rahmen einer Beweisaufnahme mit entsprechenden Kostenlasten der Parteien.
- 79
Die Kammer hält durchgängig in erstinstanzlichen wie in zweitinstanzlichen Verfahren eine Einschätzung der Mietwagenkosten mit Einholung eines Gutachtens für fernliegend bis ausgeschlossen, zumal allermeist zu erwartende Kosten eines Gutachtens in keinem angemessenen Verhältnis zum streitigen Betrag stehen, s. u.a. Kammer Urt. v. 30.01.2015, 7 O 1216/11. Die dem Tatrichter obliegende Aufgabe i.S.d. § 287 ZPO ist von diesem zu lösen und nicht einem Sachverständigen zu überantworten. Zur Ermittlung von Tatsachen kann der Sachverständige nur dann herangezogen werden, wenn dessen besondere Sachkunde erforderlich ist.
- 80
Ist mit konkreten Tatsachen aufgezeigt, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken und eine Liste für den betroffenen regionalen Markt den maßgebenden durchschnittlichen Marktpreis nicht realistisch abbildet, darf die betroffene konkrete Liste nicht verwendet werden, eindrucksvoll und überzeugend für den Großraum ... OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.4.2015, 1 U 114/14s.
- 81
Für den Landgerichtsbezirk ... hat die (früher wie jetzt nach dem Geschäftsverteilungsplan im Turnussystem zuständige, nicht spezialisierte Berufungs-) Kammer in der Vergangenheit angenommen, dass der Schwacke-Automietpreisspiegel 2006 keine Schätzung eines Normaltarifs zulässt, für die Schadensschätzung deshalb von dem Schwacke-Automietpreisspiegel 2003 auszugehen ist und für eine Zeit danach bis zum Schadensjahr wegen der jährlichen Preissteigerung ein Zuschlag vorzunehmen ist, der für die Zeiträume 2004 bis 2006 mit 2 % pro Jahr angenommen worden ist (u.a. Urt. v. 13.1.2009, 7 S 394/08; Urt. v. 15.1.2009, 7 S 278/08; Urt. v. 13.1.2009, 7 S 93/08). Die Verhältnisse haben sich seitdem verändert.
- 82
Bei mehreren die Preise einer Fraunhofer-Erhebung übersteigenden Angeboten auf das teuerste Angebot zurückzugreifen - so offenbar OLG Koblenz, Urt. v. 2.2.2015, 12 U 925/13 -, entspricht nach Auffassung der Kammer nicht dem Prinzip des § 249 BGB.
e)
- 83
OLG Koblenz, Urt. v. 2.2. 2015, 12 U 925/13 (s. auch OLG Koblenz, Urt. v. 2.2.2015 12 U 1429/13) will Geschädigten, die binnen Wochenfrist nach dem Unfall einen Mietwagen übernehmen, einen Zuschlag von 20 % auf einen Grundmietpreis wegen unfallspezifischer Sonderleistungen zubilligen. Denn in dieser Zeit müsse der Geschädigte ggf. schnell auf ein Mietfahrzeug zugreifen können, Mietdauer und Haftungsfrage seien häufig ungewiss. Damit ein Mietwagenunternehmen flexibel reagieren könne, würden erhöhte Vorhaltekosten anfallen und sei der pauschale Aufschlag von 20 % auf den Normaltarif gerechtfertigt.
- 84
Dem folgt die Kammer in dieser Allgemeinheit und mit solchen Prozentrahmen nicht. Die Kammer sieht insoweit zudem eine Abweichung von dem Urteil des OLG Celle v. 29.2.2012, 14 U 49/11, das einen pauschalen prozentualen Aufschlag auf den Normaltarif nicht für gerechtfertigt hält, wenn bei der Anmietung weder eine unfallbedingte Not- oder Eilsituation vorgelegen hat noch der Geschädigte nachweist, nicht über eine Kreditkarte oder sonst ausreichende finanzielle Mittel zur Vorfinanzierung der Anmietung verfügt zu haben.
- 85
Tarife können bei Vermietung an Unfallgeschädigte höher sein als bei Vermietung an Selbstzahler, weil die Unfallsituation den gegenüber höheren Preis rechtfertigt und besondere Leistungen des Vermieters durch die Unfallsituation veranlasst sind. Solche Leistungen bestehen regelmäßig im höheren Verwaltungsaufwand und Zinsverlusten aufgrund längerer Zahlungsfrist. Die Notwendigkeit, Personal rund um die Uhr zu beschäftigen, um eine Vermietung zu jeder Tageszeit möglich ist, und die häufige Notwendigkeit, das Mietfahrzeug dem Kunden direkt zur Verfügung stellen zu können, sind Leistungen, die jedenfalls dann erforderlich erscheinen sind, wenn die Fahrzeuganmietung durch Zwänge der Unfallsituation gekennzeichnet ist und für die der Schädiger wegen seines Ursachen- und Verantwortungsbeitrags verantwortlich ist. Höhere Kosten sind in solchen Fällen – auch - betriebswirtschaftlich veranlasst. Die Inanspruchnahme entsprechenden Leistungen ist gerechtfertigt, also schadensrechtlich als erforderlich zu bewerten (vgl. BGH NJW 2006, 360).
- 86
Die Kammer hat noch im Urt. v. 23.5.2013, 7 S 380/12, die Frage, ob wegen unfallbedingter Zusatzkosten ein Aufschlag von 10% oder u.U. von bis zu 20% auf einen errechneten bzw. geschätzten, ortüblichen (regelmäßigen Normal-) Tarif in Betracht kommt, von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängig gemacht. Denn welche konkreten Bemühungen zur Ermittlung des günstigsten Mietwagentarifs von einem Geschädigten abzuverlangen sind, ist einzelfallbezogen unter Berücksichtigung der konkreten Situation zu beurteilen. Dem wird indessen die beschrieben Einschätzung über den konkreten anteiligen Aufwand für die ersten drei Werktage (ggf. zzgl. Sonn-, Feiertage) eher gerecht.
- 87
Überzeugende Grenzen für die Bemessung und Einschätzung eines Aufschlags auf den Wert, den die Praxis für einen Normaltarif hält, sind indessen nicht wirklich zu finden. Auch dies spricht für die Einschätzung über den konkreten anteiligen Aufwand für die ersten drei Werktage.
- 88
Das Vorfinanzierungsrisiko und das Risiko der Reduzierung einer Bewertung von Haftungsanteilen am Unfallgeschehen ist im Übrigen eher ein Problem, das den individuell Geschädigten betrifft, und vermag kaum als Teil des Merkmals der Erforderlichkeit einen (im Vergleich mit Selbstzahlern) höheren Tarif zu legitimieren.
- 89
Internet-Angebote oder die Nachschau im Internet lässt plausible Größenordnungen einschätzen, um der Frage eines etwaigen Mangels einer Liste oder Tabelle zu Autovermietungen nachzugehen oder andere Dissonanzen aufzuhellen. Entscheidungssicherheit ergibt sich so und darüber aber nicht.
- 90
Konkret günstige(re) Angebote für den Geschädigten in der Unfallsituation lassen sich durch Internet-Angebote nicht erschließen.
f)
- 91
Im Anschluss an eine verbreitete Ansicht tritt die Kammer angesichts der aktuellen, veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse und der geänderten, aktuellen Listengrundlagen für eine Kombination der Schwacke-Liste und des Fraunhofer-Mietpreisspiegels in der Weise ein, dass aus der Summe der einschlägigen Mietpreise dieser Listen das arithmetische Mittel zu bilden ist.
- 92
Da die Schwacke-Liste zu überhöhten Werten führen soll, die Fraunhofer-Liste aber zu zu geringen Werten, lässt das arithmetische Mittel einen annähernd realistischen Wert erkennen. Dies gilt jedenfalls hinsichtlich der Listen seit 2008, Kammer Urt. v. 23.5.2013, 7 S 380/12, dazu Gutt, jurisPR-VerkR 19/2013 Anm. 3; s. auch LG Stuttgart, Urt. v. 7.8.2015, 24 O 421/14, bei juris Rn. 33 ff., ohne dass freilich die Zumutbarkeit eines höheren oder geringeren Bearbeitungsaufwands für Gerichte entscheidungstragend sein kann, von dem aber LG Stuttgart a.a.O. Rn. 36 spricht.
g)
- 93
Zur Errechnung des Mittelwertes ist auf den Postleitzahlenbezirk des Anmietorts abzustellen, also regelmäßig den Postleitzahlenbezirk des Vermieters (OLG Köln, Urt. v. 30.7.2013, 15 U 186/12), nur dann nicht, wenn wegen der besonderen örtlichen Lage beim Geschädigten oder wegen Verletzung einer Schadensminderungspflicht anderes geboten ist.
- 94
Relevant ist grundsätzlich die Fahrzeugklasse des bei dem Unfall beschädigten Fahrzeugs. Als Fahrzeugklasse bezeichnet man eine abgegrenzte Gruppe von Pkw-Modellen, die von der Form, von ihrer Größe oder preislich untereinander konkurrieren. Bisher durchgängige Praxis bei Abrechnung von Mietwagenkosten als Schadensfolge ist es, der Schwacke – Eingruppierung zu folgen, soweit es eine solche gibt.
- 95
Es drängt sich nicht auf, die Nachschau in einer Schwacke-Liste zu der Einstufung in eine Fahrzeuggruppe dem Sachverständigenbeweis zuzuführen.
- 96
Dabei darf zugleich nicht ignoriert werden, dass die aktuell übliche Mietwagenklassifizierung bei Autovermietungen nach einem vierstelligen Code abhängig von verschiedenen Parametern wie Größe, Ausstattung und Antrieb erfolgt, nicht nach Herstellern oder Modellen.
- 97
Grundsätzlich kommt es auf das Anmietjahr an. Bei einem Unfallereignis und der Anmietung im Dezember ist es u.U. sachgerecht, Listen betreffend das Folgejahr heranzuziehen, Kammer Urt. v. 23.5.2013, 7 S 380/12.
- 98
Bei den Werten aus der Schwacke-Liste ist vom Modus (gewichteten Mittel = häufigst genannter Preis) auszugehen. Nur für den Fall, dass kein solcher Modus angegeben ist, ist vom ausgewiesenen nahen (arithmetischen) Mittel auszugehen. Soweit die Fraunhofer-Liste keinen Modus enthält, ist an das in der Liste ausgewiesene Mittel erhobener Einzelwerte anzuknüpfen.
- 99
Nach Auffassung der Kammer wird die Schätzung demgegenüber nicht dadurch plausibler und wirklichkeitsnäher, dass jeweils ein arithmetisches Mittel für jede Liste gebildet bzw. aus einer Liste entnommen und erst aus den sich so ergebenden zwei Werten für beide Listen (wiederum) ein (gemeinsames) arithmetisches Mittel berechnet wird; so jedoch OLG Bamberg, Urt. v. 4.8.015, 5 U 272/14.
- 100
Listenwerte sind vor der Mittelwertbildung zu den Listen nicht zusätzlich um konkrete Beträge für eine Haftungsbefreiung unter 500 oder 1.000 Euro (Vollkasko/Selbstbeteiligung) oder aus einer Nebenkostentabelle in voller Höhe oder zur Hälfte zu erhöhen oder zu verändern. Denn es gibt keine abstrakten Ansätze innerhalb der Systeme, die gleichmäßige und gleichwertige(re) Basis ermitteln lassen können. Dass die Listen teilweise unterschiedliche Grundpositionen aufnehmen, macht gerade einen Unterschied aus, der es verwehrt auf die eine oder die andere Liste als absolut geeignet abzustellen und für die Schätzung über die Mittelwertbildung zu den Listenergebnissen spricht.
- 101
Hinsichtlich der in der Praxis unterschiedlich gelösten Frage, welche Abrechnungseinheit für die Ermittlung des Normalpreises zur relevanten Mietdauer anzuwenden ist, ist die Kammer im Urt. v. 23.5.2013, 7 S 380/12, dafür eingetreten, die erforderliche Gesamtmietzeit in entsprechende maximale Zeitabschnitte von 7 Tagen bzw. 1 Woche, 3 Tagen und 1 Tag aufzuteilen und sodann Preise aus Tabellen zu ermitteln. Dies ist indessen nur eine mögliche Schätzungsidee. Mit OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.4.2015, 1 U 114/14, und OLG Köln, Urt. v. 30.7.2013, 15 U 186/12, tritt die Kammer nun dafür ein, für die pauschalierende Mittelwertbildung im Hinblick auf die tatsächliche Gesamtzeit den höchsten realen Anmietzeitraum heranzuziehen und daraus durch Teilung einen Tageswert einzuschätzen. Das achtet auf die Bedeutung der Tage, hat nichts mit Scheingenauigkeit zu tun. Anschließend ist mit der Zahl der Miettage zu multiplizieren, die nach den vorstehenden Erwägungen der Kammer für die Mittelwertbildung noch zur Schätzung heranzuziehen sind.
- 102
Gelegentlich wird eine Abrechnung auf Tagessatzbasis bei längerer Anmietung für nicht erlaubt oder nicht gerechtfertigt gehalten. Argumentiert wird mit fixen, von der Dauer der Anmietung unabhängigen Kostenfaktoren (die dann mehrfach angesetzt würden) oder umgekehrt. Da es aber lediglich um Einschätzungsaspekte geht, die nah an die Wirklichkeit heranführen sollen, aber aus sich heraus die Realität nicht abzubilden vermögen, kommt es auf betriebswirtschaftliche Realgrößen insofern nicht an.
- 103
Darauf, ob dem Geschädigte höhere Tagespreise konkret in Rechnung gestellt worden sind, kommt es - auch angesichts des § 308 ZPO - nicht an. § 308 ZPO begrenzt nur die Durchsetzbarkeit einer Forderung auf von der Klagepartei insgesamt wegen des Mietwageneinsatzes eingeklagten Betrag und begrenzt nicht einzelne Berechnungselemente bzw. Rechenposten, die als solche höher sein dürfen als ein in der konkreten Rechnung ausgewiesener (korrespondierender) Betrag.
h)
- 104
Konkrete kausale Zusatzkosten sind nach Maßgabe der wirtschaftlichen, objektiv-subjektiven Erforderlichkeit ersatzfähig, soweit sich diese nach den örtlichen und zeitlichen Verhältnissen im Rahmen des üblichen bzw. angemessenen bzw. erforderlich halten und der Geschädigte insofern nicht seine Schadensminderungspflicht missachtet, vgl. Kammer Urt. v. 23.05.2013, 7 S 380/12. Mit vergleichsweise höheren Schwacke-Tarifen sind solche Zusätze nicht als abgegolten anzusehen. Sonderleistungen sind insbesondere - abhängig vom Einzelfall - konkret angefallene und gezahlte bzw. zu zahlende Kosten einer Haftungsbefreiung (also zur Vollkaskoversicherung) und Zuschläge im Winterhalbjahr z.B. für Winterreifen.
- 105
Unter dem Aspekt der Erforderlichkeit ist im Einzelfall zu prüfen, ob und inwieweit es sich um eine Sonderleistung handelt, die Autovermieter üblicherweise und angemessen gegen zusätzliche Zahlung erbringen. Über Zusatzkosten ist für Autovermieter nicht ein Weg zu eröffnen, Beträge in Rechnung stellen und vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer aufbringen zu lassen, die nach Maßgabe des § 249 BGB von der Rechtsprechung nicht akzeptiert werden.
- 106
Auf Angaben in Nebenkostentabellen (des Schwacke-Automietpreisspiegels) kommt es nicht ausschlaggebend an. Nebenkostentabellen geben allenfalls einen gewissen Anhaltspunkt dafür, inwiefern eine Nebenposition akzeptabel sein kann, weil sie üblich ist und den Verkehrsgepflogenheiten entspricht.
- 107
Bei den tatsächlich aus der konkreten Rechnung ersichtlichen Kosten sind – dem Prinzip der konkreten Schadensberechnung entsprechend - nur diese realen Kosten maßgebend. Es ist nicht etwa auf Basis einer Nebenkostentabelle abstrakt abzurechnen. Abstrakt oder fiktiv ist ein Gebrauchsentgang nur über die Regeln für den Nutzungsausfall abzurechnen.
- 108
Bei umsatzsteuerpflichtigen Leistungen sind Umsatzsteuern nach deutschem Steuerrecht und nach deutschem Schadensrecht anzusetzen.
aa)
- 109
Um eine zusätzliche Kostenposition für eine Anmietung außerhalb regelmäßiger Öffnungszeiten, eine erstattungsfähige Notdienstgebühr kann es mit der vorbezeichneten Einschätzung für die ersten Tage nicht gehen.
bb)
- 110
Formulierungen in Mietverträgen sind zum Teil nicht eindeutig. Eine Haftungsfreistellung bedeutet nicht schlechthin den Haftungsausschluss. Meist ist dies indessen nicht entscheidungserheblich.
- 111
Denn konkrete Kosten für eine Haftungsreduzierung bei Anmietung eines Ersatzfahrzeugs hält die Kammer regelmäßig in voller angemessener Höhe für erstattungsfähig, nicht nur im hälftigen Umfang und dies unabhängig davon, ob das bei dem Verkehrsunfall beschädigte Fahrzeug voll- oder teilkaskoversichert war, Urt. v. 23.05.2013, 7 S 380/12. Grundsätzlich hat jeder Betroffene ein schutzwürdiges Interesse, für Kosten der eventuellen Beschädigung des Mietfahrzeugs allenfalls in geringem Umfang selbst aufkommen zu müssen, zumal Mietwagen regelmäßig neuer und höherwertiger sind als das beschädigte Fahrzeug, was einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko des Mieters führt.
- 112
Soweit in jüngere Tabellen Kosten einer Vollkaskoversicherung mit unterschiedlichen Höhen der Selbstbeteiligung eingepreist sind, wird mittels des arithmetischen Mittels in gewisser Weise das zusätzliche Haftungsrisiko bei Anmietung eines hochwertigeren Mietwagens ausgeglichen.
- 113
Indessen handelt es sich um Schätzfaktoren mit unterschiedlichen Schätzelementen, die nicht verlangen, einem Selbstbeteiligungsansatz von 750 € - 950 € (Fraunhofer 2014) oder 500 € - 1500 € (Schwacke 2014) nachzugehen. Es kann also eine Zusatzposition nicht nur geltend gemacht werden, wenn ein Selbstbehalt unter den in Tabellenwerte eingeflossene Selbstbehalte (je nach Liste auch von 500 € bis 1.000 €) ausdrücklich abgesprochen ist.
- 114
Kosten für die Haftungsbefreiung sind ggf. zeitanteilig zu schätzen.
- 115
Es gibt keinen Maximalbetrag pro Tag von z.B. 2 € oder einen sonst abstrakt verbindlichen Tagessatz.
cc)
- 116
Im Urt.v.13.1.2009, 7 S 93/08, hat die Kammer als ihr durch Internetrecherchen bekannt bezeichnet, dass die Zurverfügungstellung von Winterreifen regelmäßig nur gegen zusätzliche Gebühr erfolgt. Dazu ist als gerichtsbekannt zugrunde gelegt worden, dass entstehende Kosten durchschnittlich 11,- € täglich. Dies bedeutet aber nicht, dass die Kammer mit jenem Urteil zu Verhältnissen in 2007 abstrakt den Kostenrahmen für Winterreifen als gerichtsbekannt festschreiben wollte oder konnte.
- 117
Indessen ist der Neupreis pro Reifen nicht außer Acht zu lassen. Soll sich von daher eine Obergrenze der Erstattungsfähigkeit ergeben, bedarf es indessen näheren Sachvortrags der Schädigerseite zu Art, Qualität und Preis pro Reifen, nicht allgemein spekulative Andeutungen.
dd)
- 118
Kosten für die Einräumung der Möglichkeit, das Fahrzeug einem Zusatzfahrer zu überlassen, sind nur erforderlich, wenn die Überlassung des Mietfahrzeuges an einen weiteren Fahrer den Gepflogenheiten entspricht und real wahrscheinlich ist, Kammer, Urt.v.13.1.2009, 7 S 93/08.
ee)
- 119
Kosten der Zustellung und Abholung des Fahrzeuges hat die Kammer früher in einem (Unfallersatz-) Zuschlag bzw. in einem Aufschlag wegen Mehrleistungen und –Risiken bei Vermietung im Unfallersatzgeschäft aufgehen lassen. Dies gilt so nicht mehr.
i)
- 120
Der ersparte Eigenaufwand für das eigene Fahrzeug wegen der Nutzung eines fremden Fahrzeugs ist anzurechnen. Die Mittelwertbildung bedeutet nicht, dass deshalb der Ersparnisabzug auszuscheiden hat, weil über den Mittelwert der angemessene und i.S.d. § 249 BGB erforderliche Betrag eingeschätzt wird. Bei dem Abzug handelt es sich vielmehr um eine zusätzliche Frage nach einem Vorteilsausgleich wegen Gebrauchsvorteils bzw. konkreter Ersparnis.
- 121
Grundsätzlich ist die Höhe des vom Geschädigten ersparten Betrages nicht zwingend von der Höhe der Mietwagenkosten abhängig, bei einer teueren Anmietung werden nicht unbedingt höhere Eigenausgaben gespart.
- 122
Ersparnisanteile schätzt die Kammer vereinfachend auf 10 % des durchsetzbaren (Normal- bzw. Grund-) Tarifwerts, Urt. v. 13.01.2009, 7 S 394/08, und Urt. v. 10.02.2009, 7 S 404/08. Auf 5% stellt die Kammer pauschalierend bei Anmietung eines klassetieferen Fahrzeugs oder bei älteren beschädigten Fahrzeugen der um 2 Klassen tieferen Anmietung ab. Einen Rechts-, Schätzungsgrundsatz, dass es bei gruppentieferer Anmietung keinen Abzug wegen Eigenersparnis geben darf, kennen die höchstrichterliche Rechtsprechung und § 287 ZPO nicht. Anders als zum abstrakten Nutzungsausfall) kommt es zum konkreten Schaden nicht darauf an, ob klassetiefer angemietet worden ist, Kammer-Urteil v. 13.1.2009, 7 S 394/08; anders offenbar OLG Koblenz, Urt. v. 2.2. 2015, 12 U 925/13.
- 123
Die Ersparnis ist nicht etwa von dem Gesamtersatzbetrag abzuziehen, wie nachfolgend dargestellt.
j)
- 124
Zu berechnen ist nach alledem der im Streitfall gem. § 287 ZPO durchsetzbare Anspruch wie folgt:
- 125
(1) Unfall, Freitag
20.12.2013
20:20
Mietbeginn/Übernahme des Fahrzeugs
20.12.2013
21:30
Konkrete Rückgabe des Fahrzeugs
07.01.2014
17:35
(2) Berücksichtigungsfähige Anmietdauer
18 Tage
Fahrstrecke von
11.426 km
bis
mit12.060 km
634 km
(3) Um Notdienstgebühr korrigierter konkreter Rechnungsbetrag netto
1.538,82
USt
19%
292,38
(4) Wegen sofortiger Anmietung konkreter anteiliger Aufwand für die ersten drei Werktage incl. Samstag zzgl. Sonntag 4 Tage
netto - USt – brutto
341,96
64,97
406,93
(5) Unfallfahrzeug: ... 55 kw; Fahrzeuggruppe des gemieteten Fahrzeugs ...: 3 oder auch 4
(6) (Regional) Tarif nach Schwacke – Automietpreisspiegel , Modus
Längste Zeitpauschale (AMP 2013, in Betracht zu ziehen wäre wegen des Unfalls zZt des Jahreswechsels auch der AMP 2014)
584,43
umzurechnen für Tage
7
Tagessatz als Kalkulations- bzw. Schätzungsgröße: 83,49
zu berücksichtigende Nutzungstage nach Abzug des konkreten Aufwands
14
1.168,86
(7) (Regional-) Tarif nach Fraunhofer Mietpreisspiegel
Längste Zeitpauschale
227,33
umzurechnen für Tage
7
Tagessatz als Kalkulations- bzw. Schätzungsgröße: 32,48
zu berücksichtigende Nutzungstage nach Abzug des konkreten Aufwands : 14
454,66
(8) Mittelwert aus (6) und (7) als netto = brutto
811,76
Tagessatz (umgerechnet): 57,98
(9) Konkret angefallene Zusatzkosten
Winterreifen (Höhe nicht substantiiert in Frage gestellt durch Beklagte, Modus nach Tabelle Bl. 20: 10,00 Euro/Tag):
9,82
Nutzungstage wie vor
14
137,48
zusätzlicher Fahrer (Modus nach Tabelle Bl. 20: 12,00 Euro)
11,43
für Tage wie vor
14
160,02
Zwischensumme (9)
297,50
USt
19%
56,53
Gesamt (4) + (8) + (9) - netto bzw. netto = brutto
1.451,22
konkrete USt dazu
1.572,72
(10) Ersparter Eigenaufwand, mindestens klassengleiche (oder klassenhöhere) Anmietung: Ausreichende (bindende) Feststellungen für eine klassenniedrigeren Anmietung enthält das angefochtene Urteil nicht.
10%
121,87
Erstattungsfähig verbleiben
1.450,85
Zahlung, Bl. 27
876,00
- 126
Offene Differenz: 574,85
- 127
Es zeigen sich dabei folgende Unterschiede der Wertansätze:
- 128
Ausgleichswert berechnet über den Tagessatz bei 100% Haftung nach Schwacke:
1.502,82
Rechnungsbetrag demgegenüber höher um
388,69
- 129
Ausgleichswert berechnet über den Tagessatz bei 100% Haftung nach Fraunhofer:
584,56
Rechnungsbetrag demgegenüber höher um
1.306,94
Ausgleichswert berechnet über den Tagessatz bei 100% Haftung nach Fraunhofer zzgl. 20%:
701,48
Rechnungsbetrag demgegenüber höher um
1.190,03
5.
- 130
Ob und welche Aufklärungspflichten ein Mietwagenunternehmer zum verlangten Tarif oder wegen möglicher Tarife mit welchen Folgen bei einer Pflichtverletzung haben kann, ist nicht entscheidungserheblich.
- 131
Ob und inwiefern ein ergänzender Nutzungsausfallanspruch im Einzelfall in Folge der höchstrichterlichen Rechtsprechung durchgesetzt werden könnte, bedarf im Streitfall keiner zusätzlicher Erwägungen, weil dazu nichts gefordert wird.
- 132
Auf die Verspätungsrüge (BE 17, Bl. 162) kommt es nicht an.
- 133
6. Die Pflicht, Verzugszinsen auf den zuerkannten Betrag zu zahlen, folgt aus §§ 280, 286, 288 BGB.
- 134
7. Der Schriftsatz vom 29.12.2015 gibt keinen Anlass zu anderer Entscheidung oder anderem Vorgehen. Die Winterbereifung ist in vorstehenden Erwägungen und in vorstehender Berechnung berücksichtigt.
8.
- 135
Die Revision wird zugelassen.
- 136
Es geht freilich nur um die Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze im Einzelfall und die Ausfüllung des Schätzungsfreiraums des Tatrichters in den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gesetzten Grenzen.
- 137
Wegen der Frage, bei Anmietung in den ersten 3 Werktagen nach dem Unfall für diesen Zeitraum auf den konkreten (anteiligen) Rechnungsbetrag abzustellen, ist die Revision nicht zuzulassen. Denn dies ist kein eigenständiges Rechtsprinzip, sondern nach Ansicht der Kammer im Rahmen tatrichterlicher Schätzung ein Aspekt der Schadensabrechnung i.S.d. § 287 ZPO, der auf die jeweils besondere Lage des Streitfalls abzustimmen ist.
- 138
Die Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung lässt jedoch eine Entscheidung des Revisionsgerichts als sachgerecht erscheinen (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
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