Urteil vom Landgericht Dessau-Roßlau (5. Zivilkammer) - 5 S 237/13

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird unter Auflösung des Teilurteils des Amtsgerichts Halle (Saale) vom 15.10.2013 der Beklagte verurteilt,

1. die Stilllegung der in der Wohnung mit der Bezeichnung WE 3 im 1. Obergeschoß Vorderhaus des Objektes der Wohnungseigentumsanlage ... straße ... in ... Halle/Saale in der Küche, im großen und im kleinen Bad installierten Fußbodenheizungen jeweils durch technische Abkopplung der verlegten Fußbodenheizkreise am Rücklauf der zentralen Heizanlage des Objektes, Ausbau des FB-Anschlusskasten und Verfüllen der im Fußboden verlegten Heizschleifen mit Epoxidharz zu dulden, und zwar durch Öffnen der Eingangstür und der zur Küche und dem großen und kleinen Bad führenden Türen und Gewährung des Zutritt;

2. an die Klägerin 2.421,08 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Oktober 2012 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 179,27 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.01.2013 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen; die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klägerin 78/100 und der Beklagte 22/100. Von den Kosten der Nebenintervenientin in erster Instanz trägt der Beklagte 22/100; im Übrigen trägt die Nebenintervenientin ihre Kosten selbst.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 60/100 und der Beklagte 40/100. Von den Kosten der Nebenintervenientin im Berufungsverfahren trägt der Beklagte 40/100; im Übrigen trägt die Nebenintervenientin ihre Kosten im Berufungsverfahren selbst.

und beschlossen:

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 9.144,99 € (Stilllegungsantrag = 3.000 € und Zahlungsantrag = 6.144,99 €) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Wegen des zur Entscheidung anstehenden Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen, die keiner Abänderung oder Ergänzung bedürfen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

2

Mit diesem Urteil hat das Amtsgericht den Beklagten, weil die ursprüngliche Beklagte zu 1) und Ehefrau des Beklagten, Frau ... im Lauf des erstinstanzlichen Verfahrens verstorben ist, im Wege des Teilurteils verurteilt, an die Klägerin 1.716,16 € zu zahlen; im Übrigen hat das Amtsgericht die auf Stilllegung der Fußbodenheizung gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass das Verfahren gegen den Beklagten zu 1) trotz des Todes der Ehefrau habe fortgeführt werden können. Denn bei dem Beklagten und seiner verstorbenen Ehefrau habe es sich nicht um notwendige Streitgenossen i.S.v. § 62 Abs. 1 ZPO gehandelt.

3

Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft sei auch aktivlegitimiert, habe aber keinen Anspruch gegen den Beklagten, den Bauzustand bezüglich der Fußbodenheizung zu ändern. denn es liege insoweit keine bauliche Veränderung eines zunächst entsprechend der Teilungserklärung errichteten Objekts vor. Vielmehr sei das Objekt bereits ursprünglich abweichend von der Teilungserklärung hergestellt worden. In einem solchen Fall könne aber nur ein Anspruch bestehen, das Gebäude (erstmals) in einen den ursprünglichen Plänen entsprechenden Zustand zu versetzen. Da der Beklagte bereits Besitz an dem Sondereigentum gehabt habe, als die Eintragung im Grundbuch erfolgt sei, bestehe (gegen diesen) kein Anspruch auf bauliche Stilllegung der Fußbodenheizung und anschließende Herstellung des verbleibenden Heizkreislaufes.

4

Hinsichtlich des zuerkannten Zahlungsanspruchs hat das Amtsgericht seine Entscheidung darauf gestützt, dass der Beklagte die ihm obliegenden Pflichten aus dem besonderen Näheverhältnis zwischen den Wohnungseigentümern schuldhaft verletzt habe. Das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander sei durch eine besondere Dichte von Rücksichtnahmen geprägt, die insbesondere auch auf eine gerechte Lastentragung ausgerichtet seien. Deshalb sei der Beklagte verpflichtet gewesen, die anderen Wohnungseigentümer auf die Existenz der nicht von Wärmemengenzählern erfassten Fußbodenheizung hinzuweisen. Zudem habe er diese darauf aufmerksam machen müssen, dass - selbst wenn die Existenz der Fußbodenheizung bekannt gewesen wäre - die Einbeziehung der hierdurch verursachten Kosten in die Heizkostenabrechnung mangels Ablesegeräten unterblieben sei.

5

Die Höhe des Schadensersatzanspruches (für die Jahre 1997 bis 2002) hat das Amtsgericht nach § 287 Abs. 2 ZPO geschätzt. Als Grundlage der Schätzung hat das Amtsgericht hierbei auch die Gesamtgröße der Wohnung (von 137,8 m2) und die Größe der Räume mit Fußbodenheizung (insgesamt 24,15 m2) abgestellt. Da diese demnach 17,52 % der Gesamtfläche der Wohnung ausmachten, bedeutet dies umgekehrt, dass die tatsächlich erfassten und abgerechneten Heizkosten nur 82,48 % der Wohnfläche ausmachten. Wegen der weiteren Einzelheiten der Berechnungen wird auf die diesbezüglichen Ausführungen des Amtsgerichts (Seite 11 des Urteils) Bezug genommen.

6

Ein Schadensersatzanspruch hinsichtlich der Jahre 2009 und 2010 hat das Amtsgericht verneint. Insoweit hat es seine Entscheidung darauf gestützt, dass die am 15.06.2010 und 20.09.2011 gefassten Abrechnungsbeschlüsse eine Ausschlusswirkung entfalteten. Denn zum Zeitpunkt der Beschlussfassung sei die Wohnungseigentümergemeinschaft über die Sachlage (des nichterfassten Verbrauchs der Fußbodenheizung) informiert gewesen.

7

Gegen das ihr am 29.10.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 28.11.2013 (per Telefaxschreiben) eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, welche - nach antragsgemäßer Fristverlängerung bis zum 29.01.2014 - mit einem an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz begründet worden ist. Die Berufung macht geltend, dass ein Teilurteil nicht habe ergehen dürfen. Im Übrigen sei das Urteil des Amtsgerichts als Überraschungsentscheidung anzusehen. Denn das Amtsgericht sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Beklagten - trotz des gerichtlichen Hinweises vom 13.03.2013 - weiterhin allein die Beklagten auf Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes in Anspruch genommen hätten. Jedenfalls sei der richterliche Hinweis von den Klägern anders verstanden worden, weil er nicht eindeutig gewesen sei.

8

Das angefochtene Urteil habe aber auch fälschlich einen Anspruch auf weitergehenden Schadensersatz abgelehnt. Denn das Amtsgericht habe nicht berücksichtigt, dass durch die Fußbodenheizung nicht nur drei Räume - die Küche, das kleine und das große Badezimmer - beheizt würden, sondern auch die Diele. Es sei deshalb von einer Gesamtfläche von 59,27 m2 auszugehen, die durch die Fußbodenheizung versorgt werde.

9

Das Amtsgericht habe den Schadensersatzanspruch der Kläger auch nicht schätzen dürfen, sondern hierzu ein Sachverständigengutachten einholen müssen.

10

Schließlich sei das Amtsgericht auch fehlerhaft zu der Auffassung gelangt, dass die Abrechnungsbeschlüsse für die Jahre 2009 und 2010 eine Ausschlusswirkung entfalten würden. Eine Ausschlusswirkung scheitere schon daran, dass die Verbräuche der Fußbodenheizungen nicht erfasst worden seien. Im Übrigen entspreche es höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass ein Ersatzanspruch der Wohnungseigentümergemeinschaft nur dann in die Gesamt- oder Einzeljahresabrechnung eingestellt werden dürfe, wenn der Anspruch bereits tituliert sei oder sonst feststehe, etwa weil er von dem betreffenden Wohnungseigentümer anerkannt worden sei. Insoweit verweist die Klägerin auf die Entscheidung de Bundesgerichtshofs vom 04. März 2011 (V ZR 156/10).

11

Die Klägerin beantragt,

12

1. auf die Berufung der Kläger die Sache unter Aufhebung des Teilurteils des Amtsgerichts Halle/Saale vom 15. Oktober 2013, Az.: 120 C 4307/12 zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das erstinstanzliche Gericht zurückzuweisen,

13

2. hilfsweise, unter Abänderung des Teilurteils des Amtsgerichts Halle/Saale vom 15. Oktober 2013, Az.: 120 C 4307/12

14

a) den Beklagten zu verurteilen, die Stilllegung der in der Wohnung mit der Bezeichnung WE 3 im 1. Obergeschoß Vorderhaus des Objektes der Wohnungseigentumsanlage ... straße ... in ... Halle/Saale in der Küche, im großen und im kleinen Bad installierten Fußbodenheizungen jeweils durch technische Abkopplung der verlegten Fußbodenheizkreise am Rücklauf der zentralen Heizanlage des Objektes, Ausbau des FB-Anschlusskasten und Verfüllen der im Fußboden verlegten Heizschleifen mit Epoxidharz zu dulden, und zwar durch Öffnen der Eingangstür und der zur Küche und dem großen und kleinen Bad führenden Türen und Gewährung des Zutritt.

15

b) an die Klägerin 6.114,99 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Oktober 2012 sowie weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 307,21 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.01.2013 zu zahlen.

16

Der Beklagte beantragt,

17

die Berufung zurückzuweisen.

18

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung. Insbesondere sei der Erlass eines Teilurteils zulässig gewesen. Es liege auch - anders als die Berufung meine - kein Überraschungsurteil vor. Denn das Amtsgericht habe in seinem Hinweis- und Auflagenbeschluss vom 13.03.2013 eindeutig seine Rechtsauffassung hinsichtlich des geltend gemachten Beseitigungsanspruchs dargelegt. Deshalb habe auch kein Anspruch bestanden, auf den nach Schluss der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrag die Verhandlung gemäß § 156 ZPO wieder zu eröffnen. Schließlich sei auch eine Schätzung der Schadenshöhe zulässig gewesen; die Schätzung sei auch inhaltlich nicht zu beanstanden.

19

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung vom 10.03.2014 (Bd. III Bl. 114-118 d. A.) verwiesen.

II.

20

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 517, 519, 520 ZPO. In der Sache hat die Berufung aber nur insoweit Erfolg, als der Klägerin auch für die Jahre 2009 und 2010 hinsichtlich der fehlerhaft abgerechneten Heizkosten ein Schadensersatzanspruch zuzubilligen war.

1.

21

Es kann im Ergebnis offen bleiben, ob und inwieweit dem Amtsgericht der Vorwurf gemacht werden kann, das erstinstanzliche Verfahren nicht in verfahrensfehlerfreier Weise behandelt zu haben. Denn es ist jedenfalls nicht (zwingend) geboten, als Folge eines solchen Verfahrensfehlers das erstinstanzlich ergangene Teilurteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

22

a) Ein Verstoß des Amtsgerichts gegen die richterliche Hinweispflicht nach § 139 ZPO liegt nicht vor. Insbesondere war das Amtsgericht nicht verpflichtet, in anderer Weise und weitergehendem Umfang auf seine Rechtsauffassung hinsichtlich der Stilllegung der Fußbodenheizung hinzuweisen. Denn das Amtsgericht hat auf seine Rechtsauffassung in eindeutiger und - nach Auffassung der Kammer - auch unmissverständlicher Weise hingewiesen, indem es in dem Hinweis- und Auflagenbeschluss vom 13.03.2013 wörtlich Folgendes ausgeführt hat:

23

"... Falls - wie es die Beklagtenseite darlegt - die Fußbodenheizung vor Entstehung der (werdenden) Wohnungseigentümergemeinschaft installiert wurde, dürfte kein Beseitigungsanspruch gegen die Beklagten bestehen (OLG Zweibrücken vom 23.11.2001 - 3 W 226/01). In Frage käme dann ein Anspruch auf Herstellung des plangerechten Zustandes durch die Wohnungseigentümergemeinschaft insgesamt (OLG Frankfurt vom 24.07.2007 - 20 W 538/05) auf Kosten aller."

24

Hiermit hat das Amtsgericht in hinreichender und nachvollziehbarer Weise dargelegt, dass weder ein Beseitigungsanspruch gegen die Beklagten bestand, noch diese (allein) für die Kosten eines (erstmaligen) plangerechten Zustandes in Anspruch genommen werden konnten. Denn in der vorgenannten Entscheidung des OLG Frankfurt ist (schon) in nicht amtlichen Leitsatz aufgeführt, dass keine bauliche Veränderung i.S.v. § 22 Abs. 1 S. 1 WEG vorliegt, wenn - wie hier - bereits der Bauträger in Abweichung vom Aufteilungsplan das Wohnungseigentum errichtet hat. In diesem Sinne hat auch das OLG Zweibrücken seine vorerwähnte Entscheidung begründet, indem es dort einen Beseitigungsanspruch deshalb verneint hat, weil sich das gemeinschaftliche Eigentum in seinem ursprünglichen - im Zeitpunkt der Entstehung der (werdenden) Wohnungseigentümergemeinschaft bereits gegebenen - Zustand befunden habe und eine spätere Umgestaltung nicht vorliege.

25

b) Anders verhält es sich aber grundsätzlich mit dem Einwand, dass das Amtsgericht kein Teilurteil habe erlassen dürfen. Dem Amtsgericht ist zwar insoweit darin zuzustimmen, dass die Beklagten hinsichtlich des geltend gemachten Zahlungsanspruches nur gewöhnliche Gesamtschuldner sind/waren und deshalb grundsätzlich auch eine unterschiedliche Entscheidung denkbar, aber auch zulässig gewesen wäre. Anders verhielt es sich indes bei dem Beseitigungsanspruch, bei dem das streitige Rechtsverhältnis allen Streitgenossen gegenüber nur einheitlich festgestellt werden konnte. Eine insoweit stattgebende Entscheidung hätte nämlich notwendigerweise auch in die Rechtsposition der früheren Beklagten zu 1) eingegriffen, die - ebenso wie ihr Ehemann, der frühere Beklagte zu 2) und jetzige Beklagte - Bruchteilseigentümer der Wohnung war. Eine stattgebende Entscheidung hätte deshalb zwangsläufig auch in ihre Eigentümerstellung eingegriffen, da sich ihr aus dem Bruchteilseigentum abgeleiteter Besitzanspruch auf das gesamte Eigentum, mithin auch auf alle Bestandteile der Fußbodenheizung erstreckte.

26

c) Dieser Verfahrensfehler führt indes nicht dazu, dass das erstinstanzliche Urteil (zwingend) aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen wäre. Die Kammer hat es insoweit für zulässig, vor allem aber für sachdienlich und deshalb im Ergebnis für geboten erachtet, den in erster Instanz verbliebenen Teil des Rechtsstreits herauszuziehen und darüber einheitlich im Berufungsurteil mit zu entscheiden. Denn zur Beseitigung des Verfahrensfehlers besteht für das Berufungsgericht die Möglichkeit, den im ersten Rechtszug anhängig gebliebenen Teil des Rechtsstreits an sich zu ziehen und darüber mit zu entscheiden (OLG Celle, Urteil vom 26.11.2008 - 14 U 45/08 -, zitiert nach juris, unter Hinweis auf BGH in NJW 1999, 1035). Denn durch diese Handhabung - so das Oberlandesgericht weiter - werde der Verfahrensfehler beseitigt und eine einheitliche Entscheidung herbei geführt, was gerade nach der Reform des Zivilprozessrechts weiterhin gelte .... Entgegen der früheren Regelung sei nämlich in § 538 Abs. 1 ZPO nunmehr der Grundsatz der Selbstentscheidung durch das Berufungsgericht normiert worden. Die eigene Entscheidung des Berufungsgerichts solle nach dem Willen des Gesetzgebers die Regel sein.

27

Diesen Ausführungen tritt die Kammer uneingeschränkt bei. Die Kammer hält es auch hier - vor allem aus Gründen der Prozessökonomie - für sachgerecht, den im ersten Rechtszug anhängigen Teil des Verfahrens an sich zu ziehen und den Rechtsstreit durch Schlussurteil zu beenden. Hierfür spricht zum einen, dass der Beklagte (zu 2) als Erbe seiner verstorbenen Frau, der Beklagten zu 1), in vollem Umfang in deren Rechtsstellung eingetreten ist; zum anderen ist der Rechtsstreit insgesamt entscheidungsreif (siehe hierzu nachfolgend).

28

d) Gegen eine einheitliche Sachentscheidung in der Berufungsinstanz spricht auch nicht, dass die Klägerin nunmehr zu Ziffer 1. und 2. geänderte Klageanträge gestellt hat. Insoweit handelt es sich zwar um eine (echte) Klageänderung, weil die Klägerin mit diesen Anträgen nicht lediglich hinterm den Anträgen erster Instanz zurückbleibt, indem sie lediglich ein Minus begehrt, sondern nunmehr statt der erstinstanzlich begehrten Handlung auf Kosten des/der Beklagten Duldung eines ordnungsgemäßen, plangerechten Zustandes auf Kosten der gesamten Wohnungseigentümergemeinschaft erstrebt.

29

Dass der Beklagte nicht ausdrücklich in diese Klageänderung eingewilligt hat, ist hier unbeachtlich. Denn die Kammer erachtet es für sachdienlich, durch die Zulassung der geänderten Klageanträge einen - jedenfalls vorläufigen - endgültigen Abschluss des Rechtsstreits herbeizuführen, § 533 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung kann zudem auch auf Tatsachen gestützt werden, die das Berufungsgericht seiner Entscheidung ohnehin zugrunde zu legen hat, § 533 Nr. 2 ZPO.

2.

30

Der geänderte Klageantrag zur Stilllegung der Fußbodenheizung ist auch begründet.

31

Nach § 21 Abs. 4 WEG kann jeder Wohnungseigentümer eine Verwaltung verlangen, die den Vereinbarungen und Beschlüssen ... entspricht. Dieser Anspruch besteht auch bei baulichen Maßnahmen, unabhängig davon, ob diese eine bauliche Veränderung i.S.d. § 22 Abs. 1 WEG darstellen. Eine solche Veränderung liegt allerdings - wie hier auch - dann nicht vor, wenn ein Wohnungseigentum vom Bauträger abweichend vom Aufteilungsplan erstellt wird. In derartigen Fällen besteht kein Beseitigungsanspruch gegen den einzelnen Wohnungseigentümer, sondern allenfalls ein gegen die Gesamtheit der Wohnungseigentümer gerichteter Anspruch auf Herstellung eines den Plänen entsprechenden Zustandes (OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.07.2007 - 20 W 538/05 - m.w.N., zitiert nach juris). Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann deshalb von dem Beklagten verlangen, dass er die Beseitigung der Fußbodenheizung (auf Kosten aller) duldet und so ein Zustand hergestellt wird, wie er zur erstmaligen ordnungsgemäßen Herstellung des Gebäudes geschuldet ist.

32

Wie dieser Zustand sein muss, ergibt sich aus der Teilungserklärung des Notars H. vom 11.04.1996 (Bd. I Bl. 27 d. A.), in welcher die Baubeschreibung in Bezug genommen und als Bestandteil der Teilungserklärung ausgewiesen ist. In dieser Baubeschreibung ist unter "6. Heizungsinstallation" ausgeführt, dass sich die Lieferung und Montage von Heizflächen in den Wohnungen nach den baulichen Gegebenheiten und der Wärmemengenbedarfsberechnung richtet. Die Heizflächen sind im Farbton: weiß, bestehend mit Thermostatköpfen und Rücklaufverschraubung. Die Verteilung des Heizsystems erfolgt durch CU-Rohr im Decken- und Bodenbereich und am Verlauf der Wände.

33

Hieraus wird nach Auffassung der Kammer unzweifelhaft deutlich, dass zu keinem Zeitpunkt die Errichtung einer Fußbodenheizung vorgesehen war. In der Baubeschreibung vorgesehen und damit als verbindlicher Bestandteil der Teilungserklärung vorgeschrieben war lediglich die Anbringung von Konvektorheizkörpern, nicht aber der Einbau einer Fußbodenheizung. Einwände gegen diese Auslegung der Teilungserklärung hat auch der Beklagte nicht vorgebracht; Anhaltspunkte dafür, dass die Teilungserklärung in anderer Weise auszulegen wäre, sind auch sonst wie nicht ersichtlich.

34

Mithin jedoch ist der Beklagte zur erstmaligen ordnungsgemäßen Errichtung der Wohnungseigentumsanlage aufgrund der bindenden Festlegungen in der Teilungserklärung verpflichtet, die Stilllegung der Fußbodenheizung in der im Tenor erkannten Weise zu dulden.

3.

35

Der mit der Berufung weiterverfolgte Zahlungsanspruch ist nur hinsichtlich der Jahre 2009 und 2010 teilweise begründet; im Übrigen ist er unbegründet mit der Folge, dass die weitergehende Berufung zurückzuweisen war.

36

a) Die Berufung dringt nicht damit durch, dass der (Mehr-) Verbrauch der Beklagten für die Jahre 1997/98 bis 2008 höher ist, als vom Amtsgericht im Wege der Schätzung ermittelt.

37

aa) Die Kammer vermag der Berufung nicht darin zu folgen, dass das Amtsgericht gehalten wäre, zur Höhe des tatsächlichen Wärmeverbrauchs ein Sachverständigengutachten einzuholen. Denn das Amtsgericht wäre - ebenso wie die Kammer - nicht in der Lage (gewesen), dem Sachverständigen verlässliche Beurteilungsgrundlagen an die Hand zu geben, anhand derer er die Höhe des tatsächlichen Verbrauchs in verlässlicher Weise hätte ermitteln können. Zwar könnte ein Sachverständiger problemlos herausfinden, welcher Verbrauch beim Betrieb der Fußbodenheizung unter Berücksichtigung der Außentemperaturen zur Erreichung einer vorgegebenen Temperatur in den einzelnen Räumen anfällt; das allein ermöglicht jedoch keine hinreichend verlässliche Ermittlung des tatsächlich angefallenen Verbrauchs. Denn zum einen ist zum individuellen Heizverhalten der Beklagten nichts Näheres bekannt; zum anderen - und das ist von entscheidender Bedeutung - ist nicht bekannt und auch nicht feststellbar, ob und in welcher Weise die übrigen, mit Konvektorheizkörpern ausgestatteten Räume beheizt worden sind und ob tatsächlich alle Räume, die mit einer Fußbodenheizung versehen waren, auch beheizt worden sind. So hat die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ausdrücklich geltend gemacht, dass das große Bad von dem Beklagten und seiner verstorbenen Ehefrau überhaupt nicht benutzt und deshalb auch nicht beheizt worden sei.

38

Unter Berücksichtigung dieser nicht feststellbaren Parameter (über das tatsächliche Heizverhalten der Beklagten) erscheint es der Kammer durchaus sachgerecht, den Verbrauch in der Weise zu schätzen, wie ihn das Amtsgericht in seiner Entscheidung in nachvollziehbarer Weiseermittelt hat. Zwar ist der Klägerin durchaus zuzugeben, dass bei dieser Berechnung nicht berücksichtigt worden ist, dass nicht alle Räume in der Wohnung des Beklagten überhaupt mit Heizkörpern ausgestattet sind und deshalb - wenn auch nicht zwangsläufig, aber doch naheliegend - davon auszugehen ist, dass auch die nicht über einen Heizkörper verfügenden, innen liegenden Räume durch die Fußbodenheizung anteilig mitbeheizt worden sind. Andererseits spricht für die Berechnungsweise des Amtsgerichts, dass der Beklagte und seine verstorbene Ehefrau über die Jahre hin in der Gesamtschau Heizkosten entrichtet haben, die ihren prozentualen Anteil an der Gesamtwohnfläche von 14,4 % nicht unterschreiten. Dies ergibt sich aus der nachfolgenden Aufstellung:

39

 Jahr 

 Anteil des/der Beklagten (in Euro)

 Gesamtkosten

 Anteil in %

 1998 

 997 (DM)

 13.990 (DM)

 7,1   

 2001 

 782   

 7.255

 10,7 

 2003 

 846   

 6.747

 12,5 

 2005 

 1.524

 11.089

 13,7 

 2006 

 1.485

 9.194

 16,4 

 2007 

 1.714

 8.967

 19,1 

 2008 

 1.963

 10.005

 19,6 

 2009 

 2.111

 10.274

 20,5 

 2010 

 2.030

 9.539

 19,6 

40

bb) Es kommt hinzu, dass die Klägerin die Heizkosten nicht in der Weise ermittelt hat, wie nach der Heizkostenverordnung vorgeschrieben. Zwar kommt es hier nicht in Betracht, den Verbrauch nach § 9 a Abs. 1 1. Alt HeizkostenV zu ermitteln. Danach ist der Verbrauch auf der Grundlage des Verbrauchs der betroffenen Räume in vergleichbaren Zeiträumen zu ermitteln. Hier wäre jedoch in Betracht gekommen, den Verbrauch anhand des Verbrauches anderer vergleichbarer Räume im jeweiligen Abrechnungszeitraum zu ermitteln, § 9 a Abs. 1 S. 1 2. Alt. HeizkostenV.

41

Da die Klägerin diesen Weg nicht beschritten hat und auch nicht auf den Durchschnittsverbrauch des Gebäude abgestellt hat (§ 9 a Abs. 1 S. 2 3. Alt, HeizkostenV), hat der Nutzer gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 HeizkostenV das Recht, den auf ihn anfallenden Anteil um 15 v.H. zu kürzen.

42

Nach alledem kann nicht davon ausgegangen werden, dass die vom Amtsgericht vorgenommene Schätzung für die Jahre bis 2007 zu gering ausgefallen ist. Ob der geschätzte Betrag zu hoch ausgefallen ist, braucht nicht entschieden zu werden. Denn der Beklagte hat die Schätzung des Amtsgerichts hingenommen und auf die Einlegung einer Berufung verzichtet.

43

b) Aus den vorerwähnten Gründen hält es die Kammer für sachgerecht, den Mehrverbrauch für die Jahre 2008 und 2009 in derselben Weise zu ermitteln.

44

Insoweit kann dem Amtsgericht nicht darin gefolgt werden, dass eine Nachforderung schon deshalb ausgeschlossen ist, weil der Beschluss der Eigentümerversammlung über die Jahresabrechnungen der Jahre 2008 und 2009 in Bestandskraft erwachsen ist. Maßgeblich für die Umlegung der Kostenpositionen auf die einzelnen Wohnungseigentümer ist, wie der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 04.03.2011 - V ZR 156/10 - ausgeführt hat, der jeweils einschlägige Verteilungsschlüssel, wie er sich aus einer Vereinbarung, einem Beschluss nach § 16 Abs. 3, 4 WEG, aus § 16 Abs. 2 WEG oder einer gerichtlichen Entscheidung ergibt. Stehe ein Ersatzanspruch gegen einen Wohnungseigentümer in Rede, rechtfertige dies nur dann eine hiervon abweichende Kostenverteilung, wenn der Anspruch tituliert ist oder sonst feststeht, etwa weil er von dem betreffenden Wohnungseigentümer anerkannt worden sei. ... Es erscheine nicht sachgerecht, das Verfahren über die Anfechtung von Beschlüssen über die Jahresabrechnung mit dem Streit über das Bestehen materiell-rechtlicher Ersatzansprüche gegen Wohnungseigentümer zu betrachten. Dies gelte umso mehr, wenn für eine Berücksichtigung materiell-rechtlicher Ansprüche sogar verlangt werde, dass jedenfalls bei der Beschlussfassung "in nachvollziehbarer und nachprüfbarer Weise die tatsächliche und rechtliche Grundlage der Forderung dargelegt" werde, weil ansonsten Beschlussanfechtungen provoziert würden.

45

Vorliegend war im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Jahresabrechnungen 2008 und 2009 bekannt, dass wegen des Verbrauchs wegen des Verbrauchs durch die Fußbodenheizung gegen den Beklagten und seine verstorbene Ehefrau ein Ersatzanspruch in Betracht kam. Ein solcher Anspruch lag zwar weder in der Höhe unstreitig noch ohne Weiteres rechnerisch zu ermitteln. Dies zeigt schon der Umstand, dass die Parteien auch jetzt vehement über die Höhe über die Höhe des tatsächlichen Mehrverbrauchs streiten, dieser einer Ermittlung durch Sachverständigengutachten nicht zugänglich ist und die Kammer deshalb letztendlich gezwungen war, den Mehrverbrauch nach § 287 ZPO zu schätzen.

46

bb) Auf der Grundlage der vom Amtsgericht vorgenommenen Berechnungsweise ergibt sich für die Jahre 2009 und 2010 ein Mehrverbrauch in Höhe von 704,92 €. Hierbei ist die Kammer davon ausgegangen, dass der für das Jahr 2009 ermittelte Wärmekostenanteil von 1.686,52 € 82,48 % der tatsächlich angefallenen verbrauchsabhängigen Kosten entspricht. Hieraus resultiert eine Differenz in Höhe von 359,45 €. Für das Jahr 2010 beträgt diese Differenz 345,47 €, ausgehend von ermittelten Verbrauchskosten in Höhe von 1.626,42 €.

III.

47

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92, 97, 101 ZPO.

48

Obwohl die Nebenintervenientin in den mündlichen Verhandlung erster oder zweiter Instanz keine Anträge gestellt, waren dem Beklagten insoweit die Kosten der Nebenintervenientin aufzuerlegen, wie er nach der Vorschrift des § 92 ZPO die Kosten zu tragen hat, § 101 Abs. 1 1. HS ZPO. Denn der Grundsatz der Kostenparallelität zwischen Partei und Streithelfer gilt selbst dann, wenn der Streithelfer nach seinem Beitritt nicht mehr aktiv am Prozess teilnimmt; der Beitritt ist als Prozesshandlung unwiderruflich (vgl.: Zöller/Herget 30. Aufl. § 101 Rn 1): Auch eine Rücknahme des Beitritts ist nicht möglich (OLG Naumburg, Beschluss vom 17.01.2012 - 1 U 73/11 -, zitiert nach Juris).

IV.

49

Die Revision war nicht zuzulassen. Denn die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert keine Entscheidung des Revisionsgerichts, § 543 Abs. 2 ZPO.

50

Es bestand auch keine Veranlassung, den Rechtsstreit vor Erlass des Berufungsurteils dem Berufungsgericht zur Übernahme vorzulegen. Denn die Parteien haben dies weder übereinstimmend beantragt noch haben sich aufgrund einer wesentlichen Änderung der Prozesslage besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Sache oder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergeben.


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