Urteil vom Landgericht Detmold - 1 O 224/14
Tenor
Es wird festgestellt, dass die zwischen den Parteien geschlossene Erb-, Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruchsverzichtserklärung vom 29. Oktober 2013 vor dem Notar E in P (UR-Nr. 161/2013) nichtig ist.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines notariellen Erb-, Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsverzichts vom 29.10.2013.
3Der Kläger ist der Sohn des Beklagten. Die Ehe des Beklagten mit der Mutter des Klägers ist vor vielen Jahren geschieden worden. Seitdem lebte der Kläger bei seiner Mutter. Nachdem der Kläger zunehmend unter schulischen Problemen litt, verließ er das Gymnasium vor dem Abitur und ging auf ein Internat, das er jedoch vorzeitig verlassen musste. Daraufhin bot der Beklagte dem damals 17 jährigen Kläger an, ein Praktikum in einem Dentallabor in D zu absolvieren, welches der Kläger schließlich vom 07. bis 11.01.2013 bewältigte. Am 01.08.2013 begann der Kläger eine Ausbildung zum Dentaltechniker. Während dieser Zeit wohnte er im Haus des Beklagten. In dieser Zeit lieh sich der Beklagte mehrfach den Sportwagen Nissan GT-R 35 Coupe von einem Freund. Das Fahrzeug erreicht eine Geschwindigkeit von ca. 320 km/h bei einer Beschleunigung von 0/100 in 2,8 Sekunden. In Begleitung des Beklagten und mit großer Begeisterung durfte der Kläger dieses Fahrzeug auch mehrfach selbst fahren.
4Zwei Tage nach dem 18. Geburtstag des Klägers fuhr der Beklagte mit diesem zu dem Notar E in P. Dort haben beide Parteien einen Erb-, Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruchsverzicht notariell beurkunden lassen. In der Vereinbarung heißt es unter anderem:
5„Als Gegenleistung für die Verzichte erhält der Erschienene zu 2. den Pkw Nissan GT-R 35 Coupé in der Farbe weiß, Fahrzeug-Identifikationsnummer JN1GANR35U0xxxxx, jedoch unter den aufschiebenden Bedingungen, dass
6a)
7der Erschienene zu 2. sein 25. Lebensjahr vollendet hat und
8b)
9der Erschienene zu 2. seine Gesellenprüfung zum Zahntechniker bis zum 31.12.2017 mit der Note 1 bestanden hat und
10c)
11der Erschienene zu 2. seine Meisterprüfung zum Zahntechniker bis zum 31.12.2021 mit der Note 1 bestanden hat.“
12Kurze Zeit später brach der Kläger seine Ausbildung zum Zahntechniker ab und zog zurück zu seiner Mutter nach K, wo er fortan das Wirtschaftsgymnasium besucht.
13Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigtem vom 28.07.2014 hat der Kläger die Anfechtung der notariellen Erklärung vom 29.10.2013 erklärt.
14Der Kläger ist der Ansicht, die notarielle Vereinbarung sei wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Er behauptet, der Beklagte habe ihm zwei Tage nach Vollendung des 18. Lebensjahres erklärt, es gebe eine Überraschung und er müsse mit ihm nach P fahren. Der Kläger habe nicht gewusst, dass beabsichtigt sei, die vorbezeichnete notarielle Vereinbarung abzuschließen. Diese habe er auch inhaltlich nicht verstanden. Der Beklagte habe ihm gegenüber geäußert, dass er eigentlich zahlungsunfähig sei und der Kläger froh sein solle, wenn er überhaupt etwas erhalte. Hierfür sei der notarielle Vertrag zu unterschreiben. Eine ordnungsgemäße Aufklärung durch den Notar habe es nicht gegeben. Der Kläger habe auch zuvor keinen Entwurf des Vertrages durch den Notar oder den Beklagten erhalten (insoweit unstreitig). Vor diesem Hintergrund habe der Kläger schließlich die anliegende Erb-, Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruchsverzichtserklärung unterzeichnet.
15Der Kläger behauptet, der Beklagte verfüge über erhebliche Vermögenswerte, etwa in Gestalt von Immobilienvermögen und diversen Sachwerten. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 3 und 4 d. A. verwiesen. Dem Kläger sei sich nicht bewusst gewesen, welche Tragweite die Unterzeichnung der notariellen Vereinbarung für ihn habe. Er habe sich in einer Überrumpelungssituation befunden, auf die er von Seiten des Beklagten im Vorfeld nicht vorbereitet worden sei. Der Beklagte habe ihm gegenüber auch eine Drucksituation aufgebaut und ihn angehalten, den notariellen Vertrag ad-hoc zu unterzeichnen.
16Der Kläger hat die notarielle Vereinbarung vom 29.10.2013 hilfsweise wegen arglistiger Täuschung angefochten. Der Beklagte habe dem Kläger erklärt, dass er eine Überraschung für diesen habe und die spontane Fahrt zu dem Notar E sei eine Täuschungshandlung zu seinen Lasten gewesen.
17Der Kläger beantragt,
18festzustellen, dass die zwischen den Parteien geschlossene Erb-, Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruchsverzichtserklärung des Klägers vom 29. Oktober 2013 vor dem Notar Hans E in P, Nr. 161 der Urkundenrolle für 2013, nichtig ist.
19Hilfsweise wird beantragt,
20festzustellen, dass die zwischen den Parteien geschlossene Erb-, Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruchsverzichtserklärung des Klägers vom 29. Oktober 2013 vor dem Notar E in Paderborn, Nr. 161 der Urkundenrolle für 2013, unwirksam ist.
21Der Beklagte beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Er behauptet, er habe sich Sorgen um die berufliche und persönliche Entwicklung des Klägers aufgrund seiner schlechten schulischen Noten gemacht. Vor diesem Hintergrund habe er versucht, ihm durch Vermittlung eines Praktikums in einem Dentallabor eine Zukunftsperspektive zu eröffnen. Nachdem der Beklagte festgestellt habe, dass sich der Kläger für Sportwagen interessiere, habe er den Nissan GT-R 35 Coupé von seinem Freund ausgeliehen. Der Kläger habe sich für dieses Fahrzeug sogleich begeistern können. Aufgrund dieser Begeisterung habe der Beklagte eine Veränderung im Lern- und Arbeitsverhalten des Klägers feststellen können. Dieses habe der Beklagte zum Anlass nehmen wollen, den Kläger mittels des Fahrzeuges auf den – aus seiner Sicht richtigen – Y-Weg zu lenken. Der Beklagte habe mit dem Kläger mehrfach im Vorfeld der notariellen Vereinbarung darüber gesprochen, dass er sich vorstellen könne, dem Kläger das Fahrzeug Nissan GT-R 35 Coupé zu schenken. Da es sich jedoch hierbei um einen erheblichen Vermögenswert handeln würde, habe er dem Kläger auch mitgeteilt, dass dieses nur im Gegenzug zu einem Verzicht auf seine erbrechtlichen Ansprüche möglich sein würde. Er habe dem Kläger auch erörtert, dass es für die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung einer notariellen Beurkundung bedürfe. Damit habe sich der Kläger bereits einige Zeit vor Abschluss der notariellen Vereinbarung auch einverstanden erklärt. Der Kläger habe auch gewusst, dass diese Vereinbarung erst nach Erlangung der Volljährigkeit getroffen werden könne. Mithin sei der Besuch der Parteien bei dem Notar E für den Kläger auch in keiner Weise überraschend gewesen.
24Der Kläger habe auch im Vorfeld der notariellen Vereinbarung gegenüber den Zeugen M und L erklärt, dass er kein Interesse an erbrechtlichen Ansprüchen gegen seinen Vater habe, sondern ihm nur wichtig sei, den Nissan GT-R 35 Coupé zu erhalten. Er habe den Zeugen auch erklärt, dass es für ihn als ehemaligen Gymnasiasten kein Problem sei, die Gesellenprüfung zum Zahntechniker und die Meisterprüfung zum Zahntechniker jeweils mit der Note 1 zu bestehen.
25Wegen des weiteren Tatsachenvortrages der Parteien und der wechselseitig geäußerten Rechtsauffassungen wird vollinhaltlich Bezug genommen auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.
26Die Kammer hat die Parteien nach § 141 ZPO angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen E, M und L. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 17.03.2015 (Bl. 94 ff. d. A.) verwiesen.
27Entscheidungsgründe:
28Die zulässige Klage ist in der Sache begründet, da der notarielle Erb-, Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruchsverzichtsvertrag vom 29. Oktober 2013 wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig war und ist.
29I.
30Die Kammer folgt der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, wonach sich die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäftes auch aus einer Gesamtwürdigung ergeben kann, nämlich wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist (BGHZ 86, 82,88; BGHZ 107, 92, 97; BGH NJW 2001, 1127; Palandt/Heinrichs, BGB, 74. Auflage, § 138 Rdnr. 8). Hierbei ist weder das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit noch eine Schädigungsabsicht erforderlich, es genügt vielmehr, wenn der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen die Sittenwidrigkeit folgt (BGH NJW 2001, 1127; OLG München, NJOZ 2006, 2155). Ein Rechtsgeschäft ist gemäß § 138 BGB sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (OLG Hamm ZEV 2006 167). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Im Einzelnen:
311.)
32Der Kläger hat durch die notarielle Vereinbarung auf sämtliche ihm zustehenden erbrechtlichen Ansprüche, insbesondere Erb-, Pflichtteils- und Pflichtteilergänzungsansprüche, nach dem Beklagten verzichtet. Die gesetzlichen Pflichtteilsregelungen nach den §§ 2303 ff. BGB sollen einen Ausgleich zwischen der gewillkürten und gesetzlichen Erbfolge schaffen, indem sie die Freiheit des Erblassers ohne Rücksicht auf seine bessere Kenntnis der Dinge und eine vorteilhaftere Gestaltung der Erbfolge für die Familie einschränkt, um das gesellschaftspolitische Ideal der Gleichbehandlung der Angehörigen wenigstens teilweise durchzusetzen. Die gesetzgeberische Zielsetzung besteht darin, die Versorgung und Sicherung oder Besserung der wirtschaftlichen Lage der Familienmitglieder zu gewährleisten, auch wenn dies im Einzelfall gegen den Willen des Erblassers geschieht. Deshalb darf im Hinblick auf § 138 BGB nicht die Dominanz eines Vertragspartners ein tatbestandlicher Störungsfaktor sein, sondern lediglich der Missbrauch der Stärke gegenüber dem anderen Teil, der sich in der Ausnutzung, Täuschung und möglicherweise Nötigung seines Partners offenbaren muss. Werden unentgeltliche Verzichtsverträge geschlossen, so besteht der Verdacht, dass ein einseitiger Druck auf den Partner ausgeübt wurde, dem er sich nicht entziehen konnte (Kuchinke, FPR 2006, 125).
33Hier sollte der erbrechtliche Verzicht zwar vordergründig nicht unentgeltlich erfolgen, da dem Kläger nach der notariellen Vereinbarung als Gegenleistung der mittels Angabe der Fahrzeugidentifikationsnummer spezifizierte Pkw Nissan GT-R 35 Coupe versprochen worden ist. Diese Gegenleistung wurde jedoch unter drei kumulativ zu erfüllenden aufschiebenden Bedingungen gestellt, die in der Gesamtschau gegen die guten Sitten verstoßen. Im Einzelnen:
34a)
35Die erste Bedingung besagt, dass der Kläger sein 25. Lebensjahr vollendet haben muss. Damit sieht sie einen weiteren Zeitablauf von 7 Jahren vor. Allein durch diese zeitliche Komponente reduziert sich der als Gegenleistung versprochene Wert des Sportwagens erheblich. Bereits im Zeitpunkt der notariellen Vereinbarung handelte es sich bei dem konkretisierten Fahrzeug um einen Gebrauchtwagen, für den der von den Parteien übereinstimmend angegebene Neuwert von ca. 100.000,00 € nicht mehr in Ansatz gebracht werden konnte.
36b)
37Als weitere Bedingungen war vorgesehen, dass der Kläger seine Gesellenprüfung zum Zahntechniker bis zum 31.12.2017 mit der Note 1 und seine Meisterprüfung zum Zahntechniker bis zum 31.12.2021 ebenfalls mit der Note 1 bestanden hat. Zum Zeitpunkt der notariellen Vereinbarung hatte der Kläger diese Ausbildung gerade erst begonnen. Zuvor hatte er mit erheblichen schulischen Schwierigkeiten zu kämpfen, auf Grund derer er mehrfach die Schule wechseln musste. Durch die starre Vorgabe der zu absolvierenden Ausbildung in einem fest vorgegebenen Zeitplan unter der Prämisse des Abschlusses mit der jeweiligen Bestnote wird ein unzumutbarer Druck für den Kläger aufgebaut, der für ihn eine geradezu knebelnde Wirkung entfaltet. Denn ein Spielraum für eine berufliche Umorientierung, die bei jungen Menschen nicht unüblich ist, sieht die Regelung nicht vor. Damit stellt die aufschiebende Bedingung ein derart schwerwiegendes Druckmittel dar, dass von einer mit den guten Sitten zu vereinbarenden Beschränkung der Handlungsfreiheit des Klägers nicht mehr gesprochen werden kann (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 28.12.2010 - 1 U 113/10).
382.)
39Hierbei ist auch zu bedenken, dass der Kläger im Zeitpunkt des Abschlusses der notariellen Vereinbarung soeben volljährig geworden worden ist. Die Volljährigkeit sagt indes wenig über die Fähigkeiten zur Selbstbestimmung gerade im Verhältnis zu den eigenen Eltern aus. Im Gegenteil: Eher ist wahrscheinlich, dass erziehungstypische Beherrschungs- und Belohnungsmuster ungebrochen weiterwirken und das Verhalten von Kindern gegenüber ihren Eltern maßgeblich prägen; sozio-ökonomische und psychologische Ungleichgewichtslagen sind in dieser Situation sowohl wahrscheinlicher als auch unausweichlicher. In einem solchen situationstypischen Durchsetzungsgefälle, in denen rollenspezifisch unterschiedliche Durchsetzungskraft, Konfliktbereitschaft und Geschäftserfahrenheit aufeinandertreffen, kann es dazu kommen, dass Verträge im Wesentlichen auf emotionaler Verbundenheit und nicht auf wechselseitigem Aushandeln beruhen (hierzu Röthel, NJW 2012, 337). Hinzu kommen verzichtstypische Rationalitätsdefizite und Überforderungen der Selbstverantwortung in personalen dynamischen Beziehungen. Der Verzicht auf den späteren Pflichtteilsanspruch ist – wie jeder Verzicht auf zukünftige Ansprüche aus familiärer Nähebeziehung – für das verzichtende Kind anfällig für spezifische Rationalitätsdefizite. Es besteht die Gefahr von überoptimistischen Fehleinschätzungen der Vermögens- und Beziehungsentwicklung und in ähnlicher Weise behindert die personale Beziehungsstruktur Nachverhandlungen und Anpassungen (Röthe, a.a.O.).
403.)
41Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass sich der Kläger im Zeitpunkt des Abschlusses der notariellen Vereinbarung in einer extremen Überforderungssituation befunden hat, in der er aufgrund seiner Alters- und Persönlichkeitsstruktur ein Rationalitätsdefizit hatte. Die von dem Beklagten im Rahmen der mündlichen Anhörung zi-
42tierten Schulberichte haben gezeigt, in welch schwieriger emotionaler Situation sich der Kläger befunden haben muss, bevor er zu seinem Vater gekommen ist, zu dem er bis dato nur wenig Kontakt hatte. Die Konfrontation mit dem Sportwagen Nissan GT-R 35 Coupe, den er zuvor nur aus diversen Fernsehsendungen kannte, muss den Kläger geradezu überwältigt haben. Diese Begeisterung für ein Statussymbol, das für den Kläger bislang finanziell unerreichbar war, haben der Kläger selbst, der Beklagte und auch die Zeugen M, E und L übereinstimmend und lebendig geschildert. Hierdurch ist erkennbar ein Rationalitätsdefizit bei dem Kläger entstanden, dass auch nicht aufgrund der von dem Beklagten behaupteten Belehrung des Notars E ausgeglichen wurde.
43An die konkreten Einzelheiten der notariellen Belehrung im Vorfeld des Abschlusses der Vereinbarung vermochte sich der Zeuge E nicht mehr zu erinnern. Zwar hat er bekundet, dass er den Eindruck gehabt habe, dass der Kläger gewusst und verstanden habe, was er dort unterzeichnet. Dieser Eindruck konnte jedoch von Seiten des Notars nicht weiter substantiiert werden. Er vermochte sich auch weder daran zu erinnern, ob der Kläger im Vorfeld der Beurkundung den Entwurf der notariellen Vereinbarung erhalten hat, noch daran, ob er dem Kläger die Begrifflichkeiten „Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruchsverzicht“ erklärt hat. Von einem juristischen Laien, der gerade volljährig geworden ist, kann dieses Verständnis jedoch nicht ohne weiteres erwartet werden. Die noch vage Erinnerung des Zeugen, wonach er dem Kläger gesagt habe, dass er im Falle des Ablebens des Beklagten nichts bekommen werde, mit Ausnahme des Wagens, ist schon inhaltlich unzutreffend, da die aufschiebenden Bedingungen unberücksichtigt bleiben.
444.)
45Zur Überzeugung der Kammer steht auch nach Vernehmung der Zeugen M und L nicht fest, dass dem Kläger zum Zeitpunkt des Abschlusses der notariellen Vereinbarung bewusst war, welche Auswirkungen die Unterzeichnung dieser Vereinbarung für ihn haben würde. Die streitige Behauptung des Beklagten, dass er im Vorfeld der notariellen Vereinbarung eingehend mit dem Kläger über die rechtlichen Konsequenzen der notariellen Vereinbarung gesprochen habe, ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung der Kammer gelangt. Im Einzelnen:
46a)
47Die Zeugin M hat im Rahmen ihrer mündlichen Vernehmung bekundet, dass ihr gegenüber der Kläger mit großer Begeisterung von dem in der notariellen Vereinbarung aufgeführten Pkw Nissan GT-R berichtet habe. Er habe ihr auch gesagt, dass er das Fahrzeug zum Geburtstag bekommen würde und als Gegenleistung auf sein Erbe verzichten und seine Ausbildung absolvieren würde. Die Aussage der Zeugin ist jedoch nicht belastbar. Die Zeugin vermochte zwar zum Kerngeschehen, das heißt zu den hier entscheidungserheblichen Fragen, noch im Einzelnen Auskunft zu geben. Auf die Nachfrage der Kammer zum Nebengeschehen – etwa zu den weiteren Gesprächsthemen während des mehrstündigen Zusammentreffens zwischen ihr und dem Kläger – vermochte sie sich nicht mehr im Einzelnen zu erinnern. Hier zog sich die Zeugin auf rudimentäre und allgemein gehaltene Ausführungen zurück. Auch die entscheidungserhebliche Aussage des Klägers habe sie lediglich entgegengenommen. Darüber hinaus erscheint es auch nicht lebensnah, dass der Kläger, der die Zeugin zuvor lediglich zweimal getroffen hat, wobei es nach den Bekundungen der Zeugin und den Ausführungen des Klägers nicht zu einem tieferen Vertrauensverhältnis gekommen ist, ohne Motivation während eines dritten Zusammentreffens berichtet, dass er für das Auto auf sein Erbe verzichten wolle und seine Ausbildung absolvieren müsse, ohne das die Zeugin hierzu im Einzelnen nachgefragt hat.
48b)
49Der Zeuge L hat zwar bekundet, dass ihm gegenüber der Kläger bei einem flüchtigen Zusammentreffen im Hause des Beklagten während einer Bandprobe gesagt habe, dass er den Nissan GT-R nach Beendigung seiner Ausbildung zum Zahntechniker und seiner Meisterprüfung bekommen würde. Konkrete Ausführungen zu dem später erfolgten notariellen Erb-, Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruchsverzicht des Klägers seien jedoch nicht gegenüber dem Zeugen L geäußert worden. Mithin ist die Aussage nicht ergiebig.
506.)
51Vor dem Hintergrund vorstehender Erwägungen verdient die notarielle Vereinbarung vom 29.10.2013 nicht die Anerkennung der Rechtsordnung. Der Vertrag war und ist gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
52II.
53Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
54III.
55Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre gesetzliche Grundlage in § 709 S. 2 ZPO.
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