Beschluss vom Landgericht Detmold - 4 Qs 32/15
Tenor
Auf die Beschwerde wird der angefochtene Beschluss dahingehend abgeändert, dass die der Sachverständigen Dr. L aus der Landeskasse zu erstattende Vergütung auf 741,13 € festgesetzt wird.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
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I.
3Durch Bußgeldbescheid des Kreises Lippe vom 29. Dezember 2012 wurde dem Betroffenen vorgeworfen, am 18. Oktober 2012 gegen 21:38 Uhr auf der B239 in Bad Salzuflen die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 74 km/h überschritten zu haben. In der auf den Einspruch des Betroffenen am 24. April 2013 stattfindenden Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Lemgo machte der Betroffene geltend, dass nicht er, sondern sein Bruder das Fahrzeug zur Tatzeit geführt habe. Das Amtsgericht beauftragte daraufhin die Beteiligte zu 2) mit der Erstellung eines anthropologischen Gutachtens, welches von der Beteiligten zu 2) in der Hauptverhandlung am 16. Oktober 2013 erstattet wurde. Auf Grundlage des Gutachtens wurde der Angeklagte durch Urteil vom gleichen Tage freigesprochen und die Kosten des Verfahrens der Staatskasse auferlegt.
4Mit Rechnung vom 25. Oktober 2013 stellte die Beteiligte zu 2) ihre Leistungen mit insgesamt 814,02 € – 612,50 € Honorar (6,125 Arbeitsstunden á 100,00 €) zuzüglich Fahrtkosten in Höhe von 71,55 € und Mehrwehrsteuer in Höhe von 129,97 € – in Rechnung. Der Rechnungsbetrag wurde ihr am 28. Oktober 2013 überwiesen.
5Unter dem 13. November 2014 beantragte der Beteiligte zu 1) die gerichtliche Festsetzung der Vergütung der Beteiligten zu 2) dahin, dass dieser – neben den Fahrtkosten und der Mehrwertsteuer – nur ein Honorar in Höhe von insgesamt 459,38 € netto (= 6,125 Stunden a 75,00 €) zustehe. Zur Begründung führte der Beteiligte zu 1) an, dass die Erstellung eines anthropologischen Vergleichsgutachtens der Honorargruppe M2 der Anlage zu § 9 Abs. 1 S. 2 JVEG zuzuordnen und daher nur ein Stundensatz von 75,00 € gerechtfertigt sei.
6Mit Beschluss vom 18. Februar 2015 setzte das Amtsgericht Lemgo die Vergütung der Beteiligten zu 2) auf 814,02 € fest. Seine Entscheidung begründete das Amtsgericht damit, dass eine Eingruppierung in die Honorargruppen M1 bis M3 nicht erfolgen könne, da die Gutachtertätigkeit der Beteiligten zu 2) nicht mit einer medizinischen Begutachtung verglichen werden könne. Vielmehr sei die Tätigkeit in Form der rein äußerlichen Beschreibung von Körpermerkmalen mit der der Erstellung eines Schriftgutachtens vergleichbar, so dass eine Eingruppierung in die Honorargruppe 8 mit einem Stundensatz von 100,00 € angemessen sei.
7Hiergegen wendet sich der Bezirksrevisor mit seiner Beschwerde vom 05. März 2015, mit der er weiterhin die Auffassung vertritt, dass die Tätigkeit der Beteiligten zu 2) der Honorargruppe M2 zuzuordnen sei.
8Mit Schriftsatz vom 02. April 2015 verteidigt die Beteiligte zu 2) im Rahmen des Beschwerdeverfahrens die amtsgerichtliche Entscheidung. Mit dem Amtsgericht ist die hauptberuflich als Gutachterin tätige Beteiligte zu 2) der Meinung, dass die Eingruppierung ihrer Tätigkeit in die Honorargruppe 8 gerechtfertigt sei. Der Beteiligte zu 1) verkenne, dass ihre Tätigkeit aufgrund des Spezialwissens und dem besonderen Einsatz weitergehender computergestützter, vor allem aber bildanalytischer Verfahren nicht mit dem üblichen Standard einfacher Bildbetrachtung und spontaner Wiedererkennung zu vergleichen sei.
9II.
10Die vom Amtsgericht zugelassene Beschwerde ist gemäß § 4 Abs. 3 JVEG statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache führt sie zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.
111. Gemäß § 9 Abs. 1 S. 3 JVEG ist das Honorar der Beteiligten zu 2) nach billigem Ermessen festzusetzen, da die Erstellung eines anthropologischen Vergleichsgutachtens in keiner der Honorargruppen der Anlage 1 zu § 9 JVEG genannt wird.
12Im Rahmen der insofern erforderlichen Ermessensausübung kommt eine Eingruppierung in die Honorargruppen M1 bis 3 – wie von dem Bezirksrevisor vertreten – nach Auffassung der Kammer nicht in Betracht, weil diese ausschließlich medizinischen Begutachtungen vorbehalten sind. Der Schwerpunkt des anthropologischen Vergleichsgutachtens liegt dagegen nicht in der Anwendung spezieller medizinische Kenntnisse, sondern auf dem rein äußerlichen Abgleich von Körpermerkmalen, ist also keinesfalls vergleichbar mit der Tätigkeit eines medizinischen oder psychologischen Sachverständigen [vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 22. Juni 2005, 2 Ws 115/05, NStZ 2006, 241; OLG Frankfurt, Beschluss vom 21. September 2005, 2 Ws 85/05, NStZ-RR 2005, 392]. Dieser Ansicht steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber in seiner Begründung des 2. Kostenmodernisierungsgesetzes vorgeschlagen hat, in diesen Fällen könne auf die Honorargruppen M1 bis M 3 zurückgegriffen werden [vgl. BT-Drucks. 17/11471, S. 355f.]. Denn diese Erwägung ist weder bindend noch formuliert sie die Basis der gesetzgeberischen Entscheidung [vgl. OLG Köln, Beschluss vom 04. August 2014 – III-2 Ws 419/14, 2 Ws 419/14]. Vielmehr soll sich die Vergütung des Sachverständigen nach dem im Kostenmodernisierungsgesetz zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Willen in erster Linie an dem unter den heutigen Verhältnissen herrschenden Marktverhältnissen orientieren. Zwar ist für anthropologische Gutachten ein Marktwert nicht zu ermitteln, da anthropologische Vergleichsgutachten auf dem freien Markt üblicherweise nicht nachgefragt werden. Aufgrund der seit Jahren bestehenden Rechtspraxis, anthropologische Gutachter nach der Honorargruppe 6 zu vergüten, hat sich aber zumindest innerhalb der Justiz ein bestimmter Marktwert gebildet, der das übliche Vergütungsniveau kennzeichnet und auf den nach Auffassung der Kammer in Ermangelung außerbehördlich feststellbarer üblicher Stundensätze zurückgegriffen werden kann, jedenfalls dann, wenn – wie hier – die Sachverständige als hauptberufliche Gutachterin tätig wird [vgl. OLG Köln, Beschluss vom 04. August 2014, III-2 Ws 419/14].
132. An den vorstehend genannten Maßstäben gemessen war die Vergütung für die Beteiligte zu 2) daher wie folgt festzusetzen:
14Honorar (Honorargruppe 6) 6,125 Stunden á 90,00 € 551,25 €
15Fahrtkosten 71,55 €
16Umsatzsteuer 118,33 €
17gesamt 741,13 €
183. Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG
194. Gemäß § 4 Abs. 5 JVEG hat die Kammer die weitere Beschwerde zugelassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat.
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