Urteil vom Landgericht Detmold - 1 O 42/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
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Die Kläger begehren von der Beklagten die Rückabwicklung zweier von ihnen im Jahr 2009 zur Finanzierung ihres Eigenheims aufgenommen Darlehen. Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Frage, ob die Kläger die beiden Darlehensverträge durch Widerrufserklärungen aus September 2014 wirksam haben widerrufen können.
5Mit notariellem Kaufvertrag vom 19.1.2009 erwarben die Kläger eine Doppelhaushälfte als Eigenheim, in dem sie seitdem wohnen. Zur Finanzierung nahmen sie bei der Beklagten zwei Darlehen auf, nämlich das Darlehen mit der Nr. 6411… vom 9./16.2.2009 über 40.000,- € und das Darlehen mit der Nr. 6412… über 55.000,- €. Insoweit wird im Einzelnen auf die in Ablichtung als Anlagen K 1 (Bl. 8 d.A.) und K 2 (Bl. 11 d.A.) zu den Akten gereichten Darlehensverträge Bezug genommen. Zu beiden Darlehensverträgen gehört eine jeweils wortgleiche Widerrufsbelehrung vom 16.2.2009 (im Einzelnen Anlagen K 3, Bl. 14 d.A., und K 4, Bl. 15 d.A.). Diese hat folgenden Wortlaut:
6„Widerrufsrecht
7Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform, jedoch nicht, bevor Ihnen auch eine Vertragsurkunde, ihr schriftlicher Antrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrages zur Verfügung gestellt worden ist. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
8…“
9Im Einzelnen wird auf den Text der Anlagen K 3 und K 4 Bezug genommen. Hinsichtlich des Standes der Darlehen per 31.12.2014 wird auf die zu den Akten gereichten Jahreskontoauszüge Anlage K 5 (Bl. 16 d.A.) und Anlage K 6 (Bl. 17 d.A.) Bezug genommen.
10Mit Schreiben vom 25.9.2014, aber auch zusätzlich in der Klageschrift, erklärten die Kläger den Widerruf der Darlehensverträge. Zur Begründung beriefen sie sich auf eine Unwirksamkeit der Widerrufsbelehrungen und daraus folgend auch der Darlehensverträge. Darauf fußend verlangten sie die Rückabwicklung der Darlehensverträge.
11Die Kläger sind der Auffassung infolge der Widerruferklärungen der Beklagten nicht die in den Darlehensverträgen fixierten Zinsen, sondern lediglich die (niedrigeren) Marktzinsen zu schulden. Die Widerrufserklärungen seien unwirksam, weil diese in Abweichung von der Dritten Verordnung zur Änderung der BGB-Informationspflichten-Verordnung vom 4.3.2008, BGBl. 2008 I, Nr. 8 vom 12.3.2008 in unzulässiger Weise abwichen, da die Beklagte für den Beginn des Laufes der Widerrufsfrist mit der Formulierung „jedoch nicht, bevor Ihnen auch eine Vertragsurkunde, ihr schriftlicher Antrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrages zur Verfügung gestellt worden ist“ eine nicht der gesetzlichen Formulierung entsprechende Ergänzung vorgenommen habe. Danach solle es auf drei Urkunden ankommen, so dass Unklarheiten darüber entstehen könnten, wann der Lauf der Widerrufsfrist begonnen habe. Diese Gefahr von Unklarheiten sei auch offensichtlich von der Beklagten erkannt worden, da sie am Fuße der Widerrufsbelehrungen einen „Bearbeiterhinweis“ mit dem Inhalt „Bitte Widerrufsfrist im Einzelfall prüfen“ aufgenommen habe.
12Die Kläger beantragen,
13die Beklagte kostenpflichtig zu verurteilen,
141.
15ihnen eine Abrechnung zu erteilen hinsichtlich folgender Darlehen
16a)
17Nr. 6412…
18b)
19Nr. 6412…
20und zwar jeweils zum 30.1.2015 des Inhalts, dass statt der Vertragszinsen lediglich die marktüblichen Zinsen geschuldet werden;
212.
22nach Erteilung dieser Abrechnung den zu ihren Gunsten sich ergebenden Betrag an die Kläger auszuzahlen.
23Die Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Sie ist der Auffassung, dass bereits die Antragstellung der Kläger in Ermangelung hinreichender Bestimmtheit unzulässig sei. Im Übrigen vertritt sie die Auffassung, dass die von ihr gewählte Belehrung über das Widerrufsrecht gegenüber der gesetzlichen Vorgabe keine inhaltliche Bearbeitung beinhalte. Davon abgesehen hätten die vertraglich vereinbarten Zinsen den Marktzinsen entsprochen. Darüber hinaus beruft sich die Beklagte hinsichtlich der Widerrufserklärungen auf die Einrede der Verwirkung und die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung. Insoweit wird auf den Inhalt der Klageerwiderung Bl. 39 f. d.A. Bezug genommen.
26Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze einschließlich der beigefügten Anlagen Bezug genommen.
27Entscheidungsgründe
28Die Klage ist zulässig, insbesondere auch hinsichtlich der Formulierung der Anträge, in der Sache aber nicht begründet. Den Klägern steht für ihr Begehren keine Anspruchsgrundlage zur Verfügung, und zwar auch nicht aus §§ 355 Abs. 3, 357 BGB. Die Darlehensverträge sind nicht wirksam widerrufen worden.
29Bereits aufgrund des Vorbringens der Kläger lässt sich nicht feststellen, dass ein wirksamer Widerruf der beiden Darlehensverträge erfolgt wäre. Ein Verstoß gegen das in § 355 Abs. 2 BGB a.F. normierte Deutlichkeitsgebot liegt nicht vor. Die Beklagte kann sich zu Recht auf die Schutzwirkung des § 14 BGB-InfoV a.F. berufen.
30Die streitgegenständlichen Darlehensverträge wurden im Jahr 2009 geschlossen. § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der seinerzeit gültigen Fassung (2.9.2002 – 10.6.2010) besagte, dass die Belehrung über das Widerrufsrcht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB a.F. und den diesen ergänzenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches genügt, wenn das Muster der Anlage 2 in Textform verwandt wird. Verwendet der Unternehmer für die Belehrung das Muster der Anlage 2 oder 3, darf er in Format und Schriftgröße von dem Muster abweichen und Zusätze wie die Firma oder ein Kennzeichen des Unternehmens anbringen (§ 14 Abs. 3 BGB-InfoV). Das Muster sah in dem hier maßgeblichen Zeitraum (1.4.2008 – 3.8.2009; vgl. BGBl. 2008 I, Nr. 8 vom 12.3.2008) wie folgt aus:
31Widerrufsbelehrung Widerrufsrecht Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von [zwei Wochen] (1) ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) [oder –wenn Ihnen die Sache vor Fristablauf überlassen wird- durch Rücksendung der Sache] (2) widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform (3). Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs [oder der Sache] (2). Der Widerruf ist zu richten an: (4) Widerrufsfolgen Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf. (5) gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben. Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns insoweit ggf. Wertersatz leisten. (6) [Bei der Überlassung von Sachen gilt dies nicht, wenn die Verschlechterung der Sache ausschließlich auf deren Prüfung – wie sie Ihnen etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre – zurückzuführen ist. Im Übrigen können Sie die Pflicht zum Wertersatz für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung vermeiden, indem Sie die Sache nicht wie Ihr Eigentum in Gebrauch nehmen und alles unterlassen, was deren Wert beeinträchtigt. (7). Paketversandfähige Sachen sind auf unsere [Kosten und] (8) Gefahr zurückzusenden. Nicht paketversandfähige Sachen werden bei Ihnen abgeholt.] (2) Verpflichtungen zur Erstattung von Zahlungen müssen innerhalb von 30 Tagen erfüllt werden. Die Frist beginnt für Sie mit der Absendung Ihrer Widerrufserklärung [oder der Sache] (2), für uns mit deren Empfang. Besondere Hinweise (9) |
Finanzierte Geschäfte (10) (Ort), (Datum), (Unterschrift des Verbrauchers) (11) |
Gestaltungshinweise:
33…
34(3) Liegt einer der nachstehenden Sonderfälle vor, ist Folgendes einzufügen:
35a) bei schriftlich abzuschließenden Verträgen: „,jedoch nicht, bevor Ihnen auch eine Vertragsurkunde, Ihr schriftlicher Antrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt worden ist“;
36…
37(8) Die nachfolgenden Hinweise für finanzierte Geschäfte können entfallen, wenn ein verbundenes Geschäft nicht vorliegt.
38Wenn für das finanzierte Geschäft belehrt werden soll, lautet der Hinweis wie folgt:
39„Haben Sie diesen Vertrag durch ein Darlehen finanziert und widerrufen Sie den finanzierten Vertrag, sind Sie auch an den Darlehensvertrag nicht mehr gebunden, wenn beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn wir gleichzeitig Ihr Darlehensgeber sind oder wenn sich Ihr Darlehensgeber im Hinblick auf die Finanzierung unserer Mitwirkung bedient. Wenn uns das Darlehen bei Wirksamwerden des Widerrufs oder der Rückgabe bereits zugeflossen ist, tritt Ihr Darlehensgeber im Verhältnis zu Ihnen hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs oder der Rückgabe in unsere Rechte und Pflichten aus dem finanzierten Vertrag ein. Letzteres gilt nicht, wenn der vorliegende Vertrag den Erwerb von Wertpapieren, Devisen, Derivaten der Edelmetallen zum Gegenstand hat.
40Wollen Sie eine vertragliche Bindung so weitgehend wie möglich vermeiden, widerrufen Sie beide Vertragserklärungen gesondert.“
41Wenn für den Darlehensvertrag belehrt werden soll, lautet der Hinweis wie folgt:
42„Widerrufen Sie diesen Darlehensvertrag, mit dem Sie Ihre Verpflichtungen aus einem anderen Vertrag finanzieren, so sind Sie auch an den anderen Vertrag nicht gebunden, wenn beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrags sind oder wenn wir uns bei Vorbereitung und Abschluss des Darlehensvertrags der Mitwirkung Ihres Vertragspartners bedienen. Steht Ihnen in Bezug auf den anderen Vertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu, ist der Widerruf gegenüber Ihrem diesbezüglichen Vertragspartner zu erklären. Widerrufen Sie dennoch diesen Darlehensvertrag, gilt dies als Widerruf des anderen Vertrags. Wenn Ihrem Vertragspartner das Darlehen bei Wirksamwerden des Widerrufs oder der Rückgabe bereits zugeflossen ist, treten wir im Verhältnis zu Ihnen hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs oder der Rückgabe in die Rechte und Pflichten Ihres Vertragspartners aus dem finanzierten Vertrag ein.
43Wollen Sie eine vertragliche Bindung so weitgehend wie möglich vermeiden, widerrufen Sie beide Vertragserklärungen gesondert.“
44Wird mit diesem Darlehensvertrag die Überlassung einer Sache finanziert, gilt Folgendes: Wenn Sie diese Sache im Falle des Widerrufs ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgeben können, haben Sie dafür ggf. Wertersatz zu leisten. Dies gilt nicht, wenn die Verschlechterung der Sache ausschließlich auf deren Prüfung – wie sie Ihnen etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre – zurückzuführen ist. Im Übrigen können Sie die Pflicht zum Wertersatz für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung vermeiden, indem Sie die Sache nicht wie Ihr Eigentum in Gebrauch nehmen und alles unterlassen, was deren Wert beeinträchtigt. (7) Paketversandfähige Sachen sind auf [Kosten und] (8) Gefahr Ihres Vertragspartners zurückzusenden. Nicht paketversandfähige Sachen werden bei Ihnen abgeholt.“
45Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder eines grundstücksgleichen Rechts sind die vorstehenden Hinweise wie folgt zu ändern:
46Satz 2 wird durch den folgenden Satz ersetzt:
47„Die ist nur anzunehmen, wenn die Vertragspartner in beiden Verträgen identisch sind oder wenn der Darlehensgeber über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinausgeht und Ihr Grundstücksgeschäft durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördert, indem er sich dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu Eigen macht, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projekts Funktionen des Veräußerers übernimmt oder den Veräußerer einseitig begünstigt.“
48Außerdem entfallen in dem Hinweis für den Darlehensvertrag die Sätze 11 und 12 sowie der Zusatz in Gedankenstrichen in Satz 9.
49…
50Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs greift die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1, Abs. 3 BGB-InfoV a.F. grundsätzlich nur, wenn der Verwender ein Formular verwendet, das dem Muster sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht. Eine Abweichung von dem Muster steht einer Anwendung des § 14 Abs., 1, Abs. 3 BGB-InfoV a.F. dann nicht entgegen, wenn die Abweichung unerheblich ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Beklagte damit nur weitere zutreffende Zusatzinformationen aufgenommen hat und nur zu Gunsten des Belehrungsempfängers vom Muster abgewichen ist (BGH, Urteil vom 18.3.2014; Az. II ZR 109/13).
51Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Beklagte in der Gestaltung ihrer Widerrufsbelehrung den Vorgaben des Musters entsprochen hat.
52Die von den Klägern gerügte Textpassage „, jedoch nicht,…“ entspricht wörtlich dem Gestaltungshinweis Nr. 3 a).
53Der von den Klägern angesprochene (inhaltlich jedoch nicht gerügte) und am Ende des Widerrufsformulars befindliche Text „Bearbeiterhinweise: Bitte Widerrufsfrist im Einzelfall prüfen. …“, stellt eine unwesentliche Abweichung von den Mustervorgaben dar und ist ersichtlich an den Sparkassenmitarbeiter gerichtet.
54Im Ergebnis liegt hier eine wirksame Widerrufsbelehrung vor. Die Zweiwochenfrist zum Widerruf war im Zeitpunkt der Widerrufserklärungen der Kläger am 25.9.2014 abgelaufen.
55Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 91ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
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