Beschluss vom Landgericht Detmold - 10 T 146/16
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt
1
Die gemäß den §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Betroffenen hat in der Sache keinen Erfolg.
3Im Ergebnis zu Recht hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG Haft zur Sicherung der Rücküberstellung des Betroffenen nach Italien bis zum 12.08.2016 angeordnet. Rechtsgrundlage für die Haftanordnung ist dabei allerdings – wie später noch näher auszuführen sein wird – nicht § 62 AufenthG, sondern Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung i.V.m. § 2 Abs. 15 AufenthG.
4Das Beschwerdevorbringen des Betroffenen wie auch die weiteren Ermittlungen der Kammer rechtfertigen keine hiervon abweichende Entscheidung.
5I.
6Entgegen der Ansicht des Betroffenen leidet weder das erstinstanzliche Verfahren noch das Abhilfeverfahren an einem schwerwiegenden Mangel, der eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und eine Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht zu rechtfertigen vermag.
71.
8Zutreffend weist der Betroffene zwar darauf hin, dass eine Entscheidung über die Abhilfe grundsätzlich durch einen Beschluss zu erfolgen hat. Insoweit ist in der Tat fraglich, ob die „Verfügung“ auf der Rückseite von Bl. 13 der Akten diesen Anforderungen genügt. Dies kann letztlich aber dahinstehen, weil Mängel des amtsgerichtlichen Nichtabhilfeverfahrens (§ 68 Abs. 1 FamFG) grundsätzlich der Durchführung des Beschwerdeverfahrens nicht entgegenstehen (vgl. BGH, Beschluss vom 17.06.2010 – V ZB 13/10 m. w. N.).
92.
10Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass das Amtsgericht nicht zunächst die Beschwerdebegründung des Betroffenen abgewartet hat. Wird – wie vorliegend – eine Beschwerde entgegen § 65 Abs. 1 FamFG ohne Begründung eingelegt und darüber hinaus auch keine Beschwerdebegründung angekündigt, so darf das Gericht erster Instanz die Akten sofort dem Beschwerdegericht vorlegen. Ein Abwarten, ob noch eine Beschwerdebegründung nachgereicht wird, ist in der Regel nicht erforderlich (vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 18. Aufl., § 68 Rn. 11).
113.
12Ohne Erfolg rügt der Betroffene auch, das Amtsgericht habe bei seiner persönlichen Anhörung nicht dokumentiert, dass er in derselben Sprache mit dem hinzugezogenen Dolmetscher habe kommunizieren können. Richtig ist zwar, dass sich der Richter bei der persönlichen Anhörung eines Betroffenen, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, vor der Anordnung der Freiheitsentziehung vergewissern muss, dass der hinzugezogene Dolmetscher und der Betroffene in derselben Sprache miteinander kommunizieren können (vgl. BGH, Beschluss vom 04.03.2010 – V ZB 184 / 09). Eine Dokumentationspflicht ergibt sich entgegen der Ansicht des Betroffenen aber aus dieser Entscheidung des BGH nicht.
13Im Übrigen hat das Amtsgericht einen Dolmetscher für die französische Sprache beigezogen. Der der Kammer vorliegenden Ausländerakte des Betroffenen lässt sich entnehmen, dass insbesondere wichtige Belehrungen u. ä. bislang stets in französischer Sprache erfolgt sind. Darüber hinaus macht der Betroffene selbst nicht geltend, dass er sich nicht in der französischen Sprache mit dem Dolmetscher hat verständigen können. Schließlich ergibt sich auch aus dem Gang der Anhörung, so wie er im Protokoll des Amtsgerichts vom 01.07.2016 dokumentiert ist, dass eine Kommunikation zwischen dem Betroffenen und dem hinzugezogenen Dolmetscher in französischer Sprache sehr wohl möglich war. Der Betroffene hat nämlich auf die ihm gestellten Fragen und erteilten Hinweise, die ihm vom Dolmetscher übersetzt worden sind, adäquat und zielgerichtet geantwortet.
14II.
15Es liegt auch ein gültiger und zulässiger Haftantrag des weiteren Beteiligten vor.
161.
17Insbesondere stimmen Antrag und Entscheidung des Amtsgerichts überein. Ausweislich des Antrages des weiteren Beteiligten vom 01.07.2016 hat dieser die vorläufige Freiheitsentziehung im Wege einer einstweiligen Anordnung beantragt. Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss auch eine entsprechende einstweilige Anordnung erlassen. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass das Amtsgericht im Tenor des Beschlusses den § 427 FamFG zitiert hat, der sich mit den Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung in Freiheitsentziehungssachen befasst. Dies allein mag zwar noch nicht die Annahme einer einstweiligen Anordnung rechtfertigen. Das Amtsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss aber darüber hinausgehend die aus § 427 FamFG stammende Formulierung benutzt, es lägen dringende Gründe dafür vor, dass gegen den Betroffenen die Abschiebehaft anzuordnen sei. Darüber hinaus entspricht auch die angeordnete Haftdauer von sechs Wochen (und nicht wie der Betroffene mit seiner Beschwerdebegründung in nicht nachvollziehbarer Weise geltend macht: zehn Wochen) der nach § 427 Abs. 1 S. 2 FamFG zulässigen Höchstdauer einer im Wege der einstweiligen Anordnung angeordneten Freiheitsentziehung.
182.
19Entgegen der Ansicht des Betroffenen erfüllt der Haftantrag des weiteren Beteiligten vom 01.07.2016 auch die Voraussetzungen eines zulässigen Haftantrages.
20Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrages ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrages knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Punkte ansprechen (vgl. BGH, Beschluss vom 21.01.2016 – V ZB 36 / 14).
21Diesen Voraussetzungen an einen zulässigen Haftantrag genügt der Antrag des weiteren Beteiligten vom 01.07.2016.
22a)
23Soweit der Betroffene seine Einwände gegen die Zulässigkeit des Haftantrages darauf stützt, dass dem Amtsgericht entgegen dem Sachvortrag des weiteren Beteiligten weder der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge – BAMF – vom 16.02.2016 noch entsprechend § 417 Abs. 2 S. 3 FamFG die Ausländerakte des weiteren Beteiligten vorgelegen habe, sind diese etwaigen Mängel geheilt. Denn der Kammer liegt die entsprechende Akte mit dem Stand: 14.07.2016 vor, die auch den vorgenannten Bescheid in vollständiger Form enthält.
24b)
25Im Antrag vom 01.07.2016 legt der weitere Beteiligte in ausreichendem Maße die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung (§ 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 FamFG) dar. Der weitere Beteiligte führt insoweit aus, dass aufgrund der beiden fehlgeschlagenen Versuche einer Rücküberstellung nach Italien, bei denen sich der Betroffene weder in der ihm zugewiesenen Asylbewerberunterkunft noch – bei dem Versuch am 23.06.2016 – in der Wohnung seiner Freundin im gegenüberliegenden Haus C-Straße in Lage aufgehalten hat, der dringende Verdacht bestehe, der Betroffene werde das Bundesgebiet nicht freiwillig verlassen, obwohl er mit Bestandskraft des Bescheides des BAMF seit dem 03.03.2016 vollziehbar ausreisepflichtig und hierüber auch mit Schreiben vom 21.04.2016 umfangreich belehrt worden sei.
26c)
27Der weitere Beteiligte hat auch ausreichende Ausführungen zur Dauer der beantragten Rücküberstellung gemacht (§ 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 FamFG). Zwar musste vorliegend nicht mehr auf das Eintreffen entsprechender Papiere des Betroffenen gewartet werden, da das BAMF dem Betroffenen bereits unter dem 29.04.2016 ein Laissez-passer (vgl. Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO) für die Überstellung von Deutschland nach Italien ausgestellt hatte. Aus dem Antrag des weiteren Beteiligten wie auch aus dem Inhalt der Ausländerakte des Betroffenen lässt sich jedoch entnehmen, dass die tatsächliche Durchführung der Rücküberstellung, insbesondere die Buchung eines geeigneten Fluges eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Vor diesem Hintergrund ist eine sechswöchige Haftdauer nicht zu beanstanden, die vorliegend wegen der für den 28.07.2016 vorgesehenen Rücküberstellung noch nicht einmal vollständig ausgeschöpft werden muss.
28d)
29Schließlich hat der weitere Beteiligte auch die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführung der Rücküberstellung (§ 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 5 FamFG) im Antrag ausreichend dargestellt. Mit dem im Antrag zitierten und näher beschriebenen Bescheid des BAMF vom 16.02.2016 ist der Asylantrag des Betroffenen als unzulässig abgelehnt, die Abschiebung nach Italien angeordnet und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 75 Z. 12 AufenthG nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf zwölf Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet worden. Dieser Bescheid ist nach einer Mitteilung des BAMF vom 17.03.2016 seit dem 03.03.2016 bestandskräftig. Damit ist insbesondere die Verlassenspflicht des Betroffenen ausreichend begründet. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Antrag wie auch der beigezogenen Ausländerakte des Betroffenen mit hinreichender Deutlichkeit, unter welchen Voraussetzungen die Rücküberstellung letztlich durchgeführt werden soll.
30III.
31Im Ergebnis zu Recht hat das Amtsgericht angenommen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung der Haft zur Sicherung der Rücküberstellung des Betroffenen vorliegen.
321.
33Allerdings ist vorliegend Rechtsgrundlage für die Haftanordnung entgegen der Annahme des Amtsgerichts nicht § 62 AufenthG, sondern Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-VO i.V.m. § 2 Abs. 15 AufenthG. Die Voraussetzungen für die Anordnung von Haft zur Sicherung der Rücküberstellung nach der Dublin-III-VO sind in deren Art. 28 abschließend und mit unmittelbarer Geltung in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, ausgenommen Dänemark, geregelt. Diese unionsrechtliche Regelung sperrt den Rückgriff auf die nationalen Haftgründe. Der unionsrechtliche Haftgrund der erheblichen Fluchtgefahr kann dessen ungeachtet erst angewendet werden, wenn die Mitgliedstaaten ihrer Konkretisierungspflicht nach Art. 2 Buchst. n der Dublin-III-VO nachgekommen sind (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 18.02.2016 – V ZB 23 / 15 – bei juris Rn. 14). Der genannten Konkretisierungspflicht ist die Bundesrepublik Deutschland mit dem am 01.08.2015 in Kraft getretenen Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (BGBl. I 2015,1386) nachgekommen, indem sie in § 2 Abs. 15 S. 1 AufenthG die in § 2 Abs. 14 AufenthG tatbestandlich ausformulierten Haftgründe in Dublin-Fällen als objektive Kriterien im Sinne von Art. 2 Buchst. n der Dublin-III-VO für entsprechend anwendbar erklärt hat.
34Die Annahme einer anderen Rechtsgrundlage für die Haftanordnung steht der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses nicht entgegen, da das Beschwerdegericht grundsätzlich nicht an die Haftgründe des Amtsgerichts gebunden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 01.03.2012 – V ZB 183/11).
352.
36Das BAMF hat – wie bereits ausgeführt – mit Bescheid vom 16.02.2016, bestandskräftig seit dem 03.03.2016, die Abschiebung des Betroffenen nach Italien angeordnet. Damit ist der Betroffene spätestens seit dem 03.03.2016 vollziehbar ausreisepflichtig. An diesen Bescheid ist die Kammer gebunden und hat die damit bestehende Ausreisepflicht des Betroffenen hinzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 06.05.2010 – V ZB 193/09).
37Dem Betroffenen ist darüber hinausgehend mit dem Bescheid des weiteren Beteiligten vom 21.04.2016, an den die Kammer ebenfalls gebunden ist, aufgegeben worden, die Bundesrepublik Deutschland unverzüglich zu verlassen und innerhalb einer bestimmten Frist die Aufenthaltsgestattung zurückzugeben, einen gültigen Pass oder ein Passersatzpapier vorzulegen, dem weiteren Beteiligten mitzuteilen, wann und auf welchem Wege der Betroffene beabsichtige, die Bundesrepublik zu verlassen und aktuelle Passbilder einzureichen. Zugleich ist in diesem Bescheid auf die Mitwirkungspflicht des Betroffenen und darauf hingewiesen worden, dass bei Verstößen gegen die Mitwirkungspflicht Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gekürzt werden könnten. Schließlich ist der Betroffene auch darüber belehrt worden, dass er nach § 58 AufenthG abzuschieben sei, wenn er seiner Ausreisepflicht nicht nachkomme.
383.
39Der Haftgrund des Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-VO i.V.m. § 2 Abs. 15 und Abs. 14 Nr. 1 AufenthG liegt auch vor. Es besteht eine erhebliche Fluchtgefahr im Sinne der genannten Vorschriften. Der weitere Beteiligte hat sowohl am 18.05. wie auch am 23.06.2016 versucht, den Betroffenen abzuschieben. In beiden Fällen haben die Mitarbeiter des weiteren Beteiligten den Betroffenen nicht in der ihm zugewiesenen Asylbewerberunterkunft angetroffen. Nach dem Vermerk der zuständigen Sachbearbeiterin vom 23.06.2016 haben die ursprünglich vom Betroffene genutzten Räumlichkeiten den Eindruck erweckt, als seien sie seit dem letzten Versuch einer Abschiebung vom Betroffene nicht mehr genutzt worden. Bei dem Abschiebungsversuch am 23.06.2016 gegen 04.45 Uhr haben die Mitarbeiter des weiteren Beteiligten darüber hinaus nach entsprechendem Hinweis des Hausmeisters der Stadt L versucht, mit dem Betroffenen Kontakt in der der Asylbewerberunterkunft gegenüberliegenden Privatwohnung seiner Freundin aufzunehmen. Aber auch dieser Versuch schlug fehl, weil auf entsprechendes Klingeln keine Reaktion aus dieser Wohnung erfolgte. Da der Betroffene zwischenzeitlich, nämlich am 20.06.2016, von dem Einwohnermeldeamt der Stadt L als Fortzug nach unbekannt abgemeldet worden ist, wurde er in der Folgezeit zur Fahndung ausgeschrieben und am 01.07.2016 in D festgenommen.
40Bereits dieses Verhalten des Betroffenen zeigt, dass er offensichtlich nicht gewillt ist, seiner Ausreisepflicht freiwillig nachzukommen. Darüber hinaus hat er bei seiner Anhörung durch das Amtsgericht erklärt, nicht nach Italien ausreisen zu wollen, weil er in Deutschland mehr Leute kenne. Diese Begründung rechtfertigt ebenfalls die Annahme, dass sich der Betroffene auf weiteren Rücküberstellungsversuchen der Ausländerbehörde durch Flucht entziehen wird.
41Der Annahme einer erheblichen Fluchtgefahr steht auch nicht entgegen, dass der Betroffene nach seinem Sachvortrag unter X. seiner Beschwerdebegründung vom 19.07.2016 ab dem 01.06.2016 mehrfach versucht habe, bei der Ausländerbehörde vorstellig zu werden, um dort mitzuteilen, dass er sich etwa ein bis zweimal pro Woche während der Nachtzeit bei seiner Freundin im Hause C-Straße aufhalte. Zutreffend weist der weitere Beteiligte in seiner Stellungnahme vom 22.07.2016 darauf hin, dass der Betroffene ohne weiteres die Möglichkeit gehabt hätte, die der Ausländerbehörde schriftlich mitzuteilen. Dies gilt nach Auffassung der Kammer umso mehr, als sich der Betroffene nach seinem eigenen Vortrag in Begleitung von Herrn u vom Verein F e. V. befunden hat, der ihm ohne weiteres bei der Abfassung einer entsprechenden Mitteilung hätte behilflich sein können.
42Im Übrigen übersieht der Betroffene bei seinem dahingehenden Sachvortrag, dass die Mitarbeiter des weiteren Beteiligten bei dem Versuch einer Rücküberstellung am 23.06.2016 erfolglos versucht haben, den Betroffenen in der Wohnung seiner Freundin zu erreichen, so dass auch eine entsprechende persönliche Mitteilung über einen zeitweiligen anderen Aufenthalt dem Versuch der Rücküberstellung nicht zum Erfolg verholfen hätte.
434.
44Anhaltspunkte für das Vorliegen von Abschiebehindernissen im Sinne der §§ 56, 60 und 60 a AufenthG sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
455.
46Soweit der Betroffene eine Haftdauer von einer Gesamtlänge von über zehn Wochen beanstandet, ist sein Sachvortrag nicht nachvollziehbar. Der Betroffene ist am 01.07.2016 festgenommen worden. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 01.07.2016 ist die Rücküberstellungshaft bis zum 12.08.2016 und damit für die zulässige Höchstdauer von sechs Wochen angeordnet worden.
47Im Weiteren ist diese Haftdauer auch nicht zu beanstanden. Wie bereits dargelegt lagen zwar die erforderlichen Ausreisepapiere in Form eines Laissez-passer vor. Die Organisation der Rücküberstellung durch die hierfür zuständige zentrale Ausländerbehörde der Stadt B bedarf aber einer angemessenen Zeit, wie auch der weitere Verfahrensgang zeigt. Hierauf wird noch im Rahmen der Erörterungen zum Beschleunigungsgebot zurückzukommen sein. Die Prognose des Amtsgerichts, eine Haftdauer von sechs Wochen sei erforderlich, erweist sich damit als zutreffend.
486.
49Die Anordnung von Rücküberstellungshaft ist auch verhältnismäßig im Sinne von Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-VO. Das bisherige Verhalten des Betroffenen wie auch seine Äußerung anlässlich der amtsgerichtlichen Anhörung zeigen, dass er offensichtlich nicht bereit ist, freiwillig das Bundesgebiet in Richtung Italien zu verlassen. Er war für die Ausländerbehörde weder unter der ihm zugewiesenen Anschrift noch unter der Anschrift seiner Freundin erreichbar und hat erklärt, nicht nach Italien zurückkehren zu wollen. Bezeichnenderweise stellt auch der Betroffene im Rahmen seiner umfangreichen Ausführungen in der Beschwerdebegründung vom 19.07.2016 in keiner Weise dar, welche angeblich milderen Mittel in Betracht kommen, um seine Rücküberstellung nach Italien sicherzustellen. Auch für die Kammer sind keine gleich geeigneten Mittel oder Verfahrensweisen erkennbar, die eine zukünftig sichere Rücküberstellung gewährleisten könnten.
507.
51Vorliegend liegt auch kein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vor. Bekanntlich ist die Haftanordnung am 01.07.2016 erlassen worden. Ausweislich der vorliegenden Ausländerakte des Betroffenen hat der weitere Beteiligte bereits am nächsten Werktag, nämlich Montag, den 04.07.2016 bei der für die Durchführung der Rücküberstellung zuständigen Zentralen Ausländerbehörde der Stadt B um Amtshilfe nachgesucht. Bereits einen Tag später, unter dem 05.07.2016 hat die Zentralstelle für Flugabschiebung NRW in B der zentralen Ausländerbehörde der Stadt B mitgeteilt, dass die Rückführung des Betroffenen auf dem Luftweg gemäß Rückführungsersuchen vom 04.07.2016 am 28.07.2016 mit einem Flug von D nach Rom durchgeführt werden solle. Mit Bescheid vom 06.07.2016 hat sodann das BAMF gegenüber dem weiteren Beteiligten die Modalitäten der vorbereiteten Rücküberstellung bestätigt. Dies zeigt, dass die beteiligten Stellen dem Beschleunigungsgebot in erheblichem Maße Rechnung getragen haben und die Rücküberstellung unverzüglich nach der Anordnung der Haft organisiert haben. Ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot lässt sich bei dieser Sachlage nicht feststellen.
528.
53Ohne Erfolg rügt der Betroffene auch, dass die einschlägige Frist des § 29 Abs. 1 Dublin-III-VO nicht gewahrt werde. Folgt man dem eigenen Sachvortrag des Betroffenen in der Beschwerdebegründung endet die Überstellungsfrist am 16.08.2016. Damit wäre die Frist dann aber durch die für den 28.07.2016 vorgesehene Rücküberstellung gewahrt. Tatsächlich verhält es sich aber so, dass nach dem Bescheid des BAMF vom 16.02.2016 unter dem 23.12.2015 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin-III-VO an Italien gerichtet worden ist. Da eine entsprechende Antwort der italienischen Behörden ausblieb, gilt die Zustimmungsfiktion des Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO, mit deren Ablauf am 06.01.2016 Italien für die Bescheidung des Asylantrages des Betroffenen zuständig geworden ist. Entsprechend der Mitteilung des BAMF vom 24.03.2016 lief damit die Frist zur Überstellung zunächst am 07.07.2016 aus. Allerdings übersieht der Betroffene, dass er sich der Rücküberstellung durch Flucht entzogen hat, so dass sich gemäß Art. 29 Abs. 2 S. 2 Dublin-III-VO die Frist auf 18 Monate verlängert. Dementsprechend hat das BAM F dem weiteren Beteiligten mit Schreiben vom 28.06.2016 mitgeteilt, dass die Überstellung des Betroffenen gemäß Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO längstens bis zum 07.07.2017 möglich sei.
54Soweit der Betroffene demgegenüber einwendet, der weitere Beteiligte weigere sich, den Nachweis zu erbringen, dass Art. 9 Abs. 2 Dublin, III-Durchführung VO eingehalten worden sei, ist dies unbeachtlich. Denn wie der Einleitung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission vom 30.01.2014 unter (3) zu entnehmen ist, dient die Durchführungsverordnung in erster Linie dem Zweck, die Effizienz des Systems zu erhöhen und die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden zu verbessern. Dementsprechend dient auch die in Art. 9 Abs. 2 dieser Verordnung normierte Benachrichtigungspflicht der beteiligten Staaten der Verbesserung des Zusammenwirkens der Mitgliedstaaten bei der Rücküberstellung und enthält eben keine dem Schutz der betroffenen Ausreisepflichtigen dienende Pflichten der beteiligten Behörden, deren Verletzung die Rechtswidrigkeit einer Rücküberstellungshaftanordnung nach sich zöge. Auch Art. 29 Abs. 2 S. 2 Dublin-III-VO zeigt, dass der ersuchte Staat auch innerhalb der verlängerten Überstellungsfrist zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet ist.
559.
56Auch die Unterbringung des Betroffenen in der Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige in Büren steht der angeordneten Rücküberstellungshaft nicht entgegen. Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 14.04.2016 – V ZB 112/15 – ausgeführt, dass der Haftrichter im Hinblick auf das Gebot einer möglichst wirksamen Anwendung des Rechts der Union die Anordnung von Sicherungshaft ablehnen muss, wenn absehbar ist, dass der Betroffene entgegen den Vorgaben des Unionsrechts untergebracht werden wird. Eine derartige unionsrechtskonforme Unterbringung ist in der Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtigen in Büren aber inzwischen gewährleistet, nach dem die Einrichtung in Büren nur noch diesem Zweck dient und dort nicht mehr gleichzeitig Strafgefangene untergebracht sind.
57Die Kammer vermag auch nicht zu erkennen, dass eine getrennte Unterbringung von Rücküberstellungshäftlingen und sonstigen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in der Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtigen B der Inhaftierung entgegensteht. Zwar verweist Art. 28 Abs. 4 der Dublin-III-VO hinsichtlich der Haftbedingungen und der Garantien für in Haft befindliche Personen auf die Art. 9, 10 und 11 der Richtlinie 2013/33/EU. Zutreffend weist insofern der weitere Beteiligte in seiner Stellungnahme vom 22.07.2016 darauf hin, dass der dahingehende Sachvortrag des Betroffenen kaum nachzuvollziehen sei. Unabhängig davon verlangt Art. 10 Abs. 1 (a. E.) dieser Richtlinie für den Fall, dass in Haft genommene Antragsteller im Sinne von Art. 2 Buchst. b) nicht getrennt von anderen Drittstaatsangehörigen untergebracht werden können, dass der betreffende Mitgliedstaat dafür zu sorgen habe, dass die in der Richtlinie vorgesehenen Haftbedingungen angewandt werden. Dass dies in der Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtigen in Büren nicht der Fall ist, ist vom Betroffenen weder nachvollziehbar dargelegt, noch der Kammer sonst bekannt.
58IV.
59Die Kammer hat von einer erneuten persönlichen Anhörung des Betroffenen gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG abgesehen, weil der Betroffene erst am 01.07.2016 vom Amtsgericht angehört worden ist und darüber hinaus von einer erneuten persönlichen Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Letzteres beruht im Wesentlichen darauf, dass der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerdebegründung mit Ausnahme von X. ausschließlich formelle Einwände gegen den angefochtenen Beschluss geltend macht, die nicht durch seine erneute persönliche Anhörung, sondern vielmehr durch Auswertung der vorliegenden schriftlichen Unterlagen, insbesondere der Ausländerakte des Betroffenen aufgeklärt werden können. Persönliche Gründe, die der angeordneten Rücküberstellungshaft entgegen stehen könnten, hat der Betroffene gerade nicht geltend gemacht.
60Etwas anderes gilt im Ergebnis auch nicht für die unter X. der Beschwerdebegründung vom 19.07.2016 gemachten Ausführungen. Der weitere Beteiligte hat in seiner Stellungnahme vom 22.07.2016 die in der Beschwerdebegründung geschilderten Geschehnisse nicht explizit in Abrede gestellt. Es ist bereits vorstehend ausgeführt, dass dieser Sachvortrag des Betroffenen auch nicht der Annahme einer erheblichen Fluchtgefahr entgegensteht. Denn zutreffend hat der weitere Beteiligte darauf hingewiesen, dass es dem Betroffenen ohne weiteres möglich gewesen wäre, die entsprechende Mitteilung über seinen teilweise wechselnden Aufenthaltsort schriftlich mitzuteilen. Der vom Betroffenen offensichtlich bevollmächtigte Herr u der Flüchtlingshilfe L e. V., der den Betroffenen nach seinem eigenen Vorbringen begleitet hatte, hätte dem Betroffenen hierbei behilflich sein können.
61Im Übrigen hat die Kammer bereits vorstehend ausgeführt, dass auch eine entsprechende persönliche Information des weiteren Beteiligten in diesem Punkt nicht dazu geführt hätte, dass der Betroffene am 23.06.2016 hätte kontaktiert werden können, da er sich offensichtlich zum Zeitpunkt der versuchten Abholung auch nicht in der Wohnung seiner Freundin aufhielt.
62Eine weitere Sachaufklärung wäre insofern auch durch eine erneute persönliche Anhörung des Betroffenen nicht zu erzielen gewesen.
63V.
64Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.
65Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 61 Abs. 1 und 2, 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.
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