Urteil vom Landgericht Dortmund - 15 S 82/79
Tenor
Unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts
Hamm vom 15.3.1979 werden die Beklagten
verurteilt, an die Klägerin als Gesamt-
Schuldner 438,89 DM ( i. W. vierhundert-
achtunddreißig 89/100 Deutsche Mark)
nebst 4 v. H. Zinsen seit dem 1. März 1977
zu zahIen.
Die Kosten des 1. Rechtszuges tragen
die Klägerin zu 2/3 und die Beklagten
zu 1/3.
Die Kosten der Berufung tragen die
Klägerin zu 1/3 und die Beklagten zu 2/3.
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten wegen der Folgen eines Verkehrs-
3Unfalls, der sich am 5.2.1977 gegen 16.15 Uhr auf dem
4Parkplatz des M - Einkaufs-Zentrums in I ereignet
5hat.
6Die Klägerin befuhr am Unfalltag mit ihrem PKW den oben
7genannten Parkplatz und beabsichtigte, diesen zu ver-
8lassen. Zu diesem Zweck begab sie sich mit ihrem PKW/
9nachdem sie den inne gehabten Einstellplatz verlassen
10hatte, auf den in nördlicher Richtung verlaufenden
11Fahrstreifen, welcher beidseitig von Einstellplätzen
12eingegrenzt ist. Der von der Klägerin befahrene Fahrstreifen
13mündet in die den ganzen Parkplatz des M-Einkaufs-
14Zentrums umführende Ein- und Ausfahrt. Zum gleichen
15Zeitpunkt befuhr die Beklagten zu 1. mit dem PKW des
16Beklagten zu 2. die Ein- bzw. Ausfahrt des Parkplatzes
17in ostwärtiger Richtung. An der Einmündung des von der
18Klägerin befahrenen Fahrstreifens in die Parkplatzein-
19und ausfahrt kam es zu einem Zusammenstoß beider Fahrzeuge.
20Die Klägerin verlangt nun den Ersatz des Ihr unfallbedingt
21entstandenen Schadens in Höhe von insgesamt 1400, 90 DM.
22Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte zu 1. sei in ihr
23bereits stehendes Fahrzeug hineingefahren. Dabei habe die
24Beklagte zu 1. ihr Fahrzeug mit überhöhter Geschwindigkeit
25geführt.
26Die Klägerin hat beantragt,
27die Beklagte zu verurteilen, als Gesamtschuldner
28an sie 1700, 90 DM nebst 4 % Zinsen von 839,40 DM
29seit dem 1.4.1979 zuzüglich 4 % Zinsen von
30561, 50 DM seit Zustellung der Klageschrift zu
31zahlen.
32Die Beklagten haben beantragt,
33die Klage abzuweisen.
34Die Beklagten haben behauptet, die Klägerin habe unmittel-
35bar nach dem Unfall gegenüber dem herbeigerufenen Polizei-
36beamten angegeben, daß sie einem ihr vorausfahrenden PKW
37ohne anzuhalten gefolgt sei. Die Beklagten haben die An-
38sicht vertreten, die von der Beklagten zu 1. befahrene
39Straße sei bevorrechtigt, da diese eindeutig Straßencharakter
40habe.
41Das Gericht erster Instanz hat über den Unfallhergang Beweis
42erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das
43Sitzungsprotokoll des Amtsgerichts Hamm vom 4.4.1978 -Bl. 34
44und 35 der Akten- verwiesen.
45Sodann hat es der Klage mit Urteil vom 15.4.1979 in Höhe von
46658, 34 DM stattgegeben. Das Gericht erster Instanz hat die
47Ansicht vertreten, beide Parteien treffe ein Verursachungs-
48beitrag in Höhe von 50 %.
49Gegen dieses am 2.4.1979 zugestellte Urteil haben die Beklagen
50am 27.4.1979 Berufung eingelegt und sie am 17.5.1979 begründet.
51Die Beklagten sind der Ansicht, es könne nicht generell gesagt
52werden, welche Vorfahrtsregel auf einem Parkplatz gelte. Die
53Entscheidung dieser Frage richte sich vielmehr nach den jeweili-
54gen Gegebenheiten des Einzelfalles. Da die Zu- und Abfahrt
55zu bzw. von den einzelnen Stellplätzen des M - Einkaufs-
56Zentrums nur über die von der Beklagten zu 2. befahrenen Straße
57möglich sei, müsse davon ausgegangen werden, daß die Beklagte
58zu 2. vorfahrtberechtigt gewesen sei.
59Die Beklagten beantragen,
60nach ihrem In erster Instanz gestellten Antrag
61zu erkennen.
62Die Klägerin beantragt,
63die Berufung zurückzuweisen.
64Die Klägerin ist der Ansicht, zwischen den Parteien habe
65eine Verständigungspflicht, gegen die von beiden Seiten
66gleich schwer verstoßen worden sei, bestanden.
67Das Berufungsgericht hat die Akte 30/8-4265/77 des Ober-
68stadtdirektors der Stadt I zu Informationszwecken bei-
69gezogen. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird
70auf den vorgetragenen Inhalt Ihrer Schriftsätze erster und
71zweiter Instanz verwiesen.
72Entscheidungsgründe;
73Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts
74Hamm vom 15.4.1979 ist zwar zulässig, aber nur teilweise
75begründet.
76Die Zulässigkeit der Berufung ergibt sich aus § 511 a ZPO.
77Da die Beklagten entgegen ihrem in erster Instanz gestellten
78Antrag auf Klageabweisung durch das Urteil des Amtsgerichts
79Hamm zur Zahlung von 658, 34 DM verurteilt wurden, ist ins-
80besondere die für die Zulässigkeit des Rechtsmittels
81erforderliche Beschwerde in Höhe von mindestens 500,- DM
82gegeben.
83In sofern die Beklagten sich zur Begründung ihres Rechtsmittels
84darauf berufen haben, die Klägerin sei gegenüber der Beklagten
85vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Das Berufungsgericht
86ist der Ansicht, daß es sich bei dem von der Klägerin befahrenen
87Stichweg nicht um einen anderen Straßenteil im Sinne des
8810 StVO handelt. Nach dem Regelungsgehalt des § 10 StVO
89gehören nämlich zu den anderen Straßenteilen im Sinne der
90genannten Vorschrift nur solche Plätze und Wege, die
91sich in ihrer Zweckbestimmung eindeutig von der den fließenden
92Kraftfahrzeugverkehr dienenden Fahrbahn abgrenzen lassen.
93Von einer derartigen Unterschiedlichkeit der Zweckbestimmung
94kann aber bei dem von der Klägerin befahrenen Stichweg nicht
95ausgegangen werden. Zwar stimmt die Kammer der von den Be-
96klagten geäußerten Rechtsansicht insofern zu, als daß die von
97den ankommenden Parkplatzbenutzern befahrenen Stichwege primär
98der Suche nach einem Stellplatz dienen. Die Kammer hat aber
99auch berücksichtigt, daß diejenigen Autofahrer, die den Park
100platz verlassen wollen und sich zu diesem Zweck bereits auf
101einem der Stichwege befinden, bereits wieder am fließenden
102Verkehr teilnehmen, bzw. als solcher anzusehen sind.
103Ein anderes Ergebnis vermag auch die Meinung der Beklagten,
104ein reibungsloser Verkehrsablauf auf dem Parkplatz des M -
105Einkaufs-Zentrums erfordere die Überordnung des von der
106Beklagten zu 1. befahrenen Weges, nicht zu rechtfertigen.
107Die Überlassung eines Parkplatzes kann nämlich ebenso gut
108darauf beruhen, daß dem von den einzelnen Stichwegen abfließen-
109den Fahrzeugverkehr keine Möglichkeit gegeben wird, von den
110Parkbuchten auf die den Parkplatz umfassende Zu- und Abfahrt
111aufzufahren.
112Die Kammer geht des weiteren auch davon aus, daß die Regelung
113des § 8 Abs. 1 StVO nicht anwendbar ist. Es ist anerkannt, daß
114die Grundregel "rechts vor links" nur auf solchen Parkplätzen
115Anwendung finden kann, deren Fahrbahnen im wesentlichen gleich-
116artige Merkmale hinsichtlich Markierung, Breite und Verkehrs-
117führung aufweisen. Nach der von den Beklagten vorgelegten und
118von der Klägerin unwidersprochen gebliebenen Skizze kann von
119einer Gleichordnung der von den Parteien jeweils benutzten
120Fahrbahnen aber nicht die Rede sein. Dies wird ebenfalls
121durch die in der Bußgeldakte des Oberstadtdirektors der Stadt I
122auf Blatt 4 der Akte befindliche Skizze und die von dem Be-
123klagten zu den Akten gereichten Lichtbilder bestätigt. Auf
124Grund des den Parkplatz umschließenden Charakters der von
125der Beklagten zu 1. befahrenen Zu- und Abfahrt, sowie wegen
126der durch die Markierung der einzelnen Stellplätze geschaffenen
127systematischen Abgrenzung der jeweiligen Parkbuchten, geht
128die Kammer davon aus, daß eine Abstufung der einzelnen Stich-
129wege rein tatsächlicher Art im Verhältnis zu der dem Parkplatz,
130umfassenden Zu- und Abfahrt erfolgt ist. Dieser Abstufung führt
131allerdings, wie auch das Gericht erster Instanz richtig fest-
132gestellt hat, nicht zu einer Bevorrechtigung der von der Be-
133klagten zu 1. befahrenen Straße. Es verbleibt gleichwohl bei
134der Anwendung der allgemeinen Regelung des § 1 StVO. Das
135Berufungsgericht ist aber der Auffassung, daß sich die Ab-
136stufung rein tatsächlicher Art in dem unter Verstoß gegen
137§1 StVO begründeten Verursachungsbeitrag beider Parteien
138niederschlagen muß. Es hält deshalb eine Schadensquote von
139einem Drittel zu zwei Dritteln zum Nachteil der Klägerin
140für gerechtfertigt.
141Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 und 97 Abs. 1
142StPO. Da die Klägerin lediglich in Höhe von einem Drittel
143der Klageforderung obsiegt hat, trägt sie die Kosten des
144Rechtsstreits in erster Instanz zu zwei Dritteln. Insoweit
145die Beklagten auch in der Berufungsinstanz bei ihrem Antrag
146auf uneingeschränkte Klageabweisung geblieben sind, tragen
147sie die Kosten der Rechtsmittelinstanz zu 2/3.
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