Urteil vom Landgericht Dortmund - 17 S 163/80
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil
des Amtsgerichts Dortmund vom 28. April 1980
wird auf Ihre Kosten zurückgewiesen.
1
Tatbestand:
2Die Parteien sind Grundstücksnachbarn.
3In Jahre 1971 setzte der Kläger auf seinem Grundstück eine
4ca. 13 m lange, 2 m hohe Mauer entlang der Grundstücks-
5grenze zum Beklagten in einem Abstand von einigen Zentimetern
6zur Grenze. Auf den Lageplan (Bl. 4 der Akten) wird Bezug
7genommen,
8Zwischen den Parteien herrscht seit Jahren Streit
9um nachbarliche Rechte und Pflichten, insbesondere wegen
10dieser Mauer. In dem Verfahren 7 O 80/74 verlange der
11Kläger unter anderem vom Beklagten, zu dulden, daß das
12Grundstück des Beklagten zum Zwecke der Durchführung von
13Putzarbeiten an der Mauer von dem Kläger betreten werde.
14Die Parteien schlossen in diesen Verfahren am 17.2.1977
15folgenden Vergleich bezüglich der Mauer:
16"Der Beklagte ist damit einverstanden, daß der
17Kläger durch eine solvente Anstreicherfirma die
18zum Grundstück des Beklagten gelegene Wand der
19Grenzmauer im hinteren Teil des Grundstücks mit
20einer nicht pflanzenschädIichen Wetterschutzfarbe
21in weiß anstreichen läßt."
22Der Kläger nahm seine Rechte aus diesem Vergleich nicht
23wahr, so daß die Wand, die aus grauen Hohlblocksteinen
24errichtet wurde, zum Grundstück des Beklagten hin noch
25nicht gestrichen worden ist.
26Mit Schreiben vom 5.2.1980 wies der Beklagte den KIäger
27auf diesen Sachverhalt hin und erklärte:
28"Bis heute haben Sie in dieser Richtung nichts
29getan. Damit ich nicht unendlich auf Ihre häßliche
30Wand sehen muß, gebe ich Ihnen nunmehr acht Wochen
31Zeit, diese , ach, so notwendigen Arbeiten zu er-
32ledigen. Wenn bis dahin Ihre Mauer nicht entsprechend
33bearbeitet worden ist, setze ich eine Verblendung von
34wenigen Zentimetern davor."
35Daraufhin hat der Kläger Unterlassungsklage erhoben.
36Im Termin vom 28 .4.1980 hat der Beklagte erklärt, er
37wolle zur Verblendung der Mauer einen Holzflechtzaun
38errichten, in einem solchen Abstand von der Mauer,
39daß Laub usw. durch den Zwischenraum entfernt werden
40könne und die Mauer ausreichend belüftet werde.
41Der Kläger ist der Auffassung, die Verblendung der
42Mauer sei rechtswidrig. Der Beklagte müsse einen größeren
43Abstand wahren, damit das Hammerschlag-und Leiterrecht
44des Klägers nicht erschwert und verteuert werde.
45Er ist weiter der Auffassung, es handele sich bei der
46Mauer um eine Grenzwand im Sinne von § 19 Nachbarrechts-
47gesetz NRW. Der Beklagte sei daher verpflichtet, den Zwischen-
48raum so zu schließen, daß Schäden im Bereich des Zwischenraums
49vermieden würden.
50Der Kläger hat beantragt,
511. den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen,
52die östliche Seite der auf dem Grundstück der Kläger
53von Norden nach Süden verlaufenden Grenzwert zwischen
54den Grundstücken der Parteien mit einer Verblendung
55zu versehen.
562. Den Beklagten zu verurteilen, für den Fall der
57Anbringung einer Zierverblendung auf seinem eigenen
58Grundstück in einem geringen Abstand vor der vorhan-
59denen Mauer auf dem Grundstück der Kläger den ent-
60standenen Zwischenraum so zu schließen, daß Schäden
61im Bereich des Zwischenraumes insbesondere durch Ge-
62bäudebewegungen und Witterungseinflüsse an der zuerst
63errichteten baulichen Anlage der Kläger vermieden werde .
64Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
65Er vertritt die Auffassung, die Mauer sei nicht eine
66Grenzwand sondern eine Einfriedungsmauer.
67Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung
68hat es ausgeführt,, ein Unterlassungsanspruch gemäß
69§ 104 Abs. 1 Satz 2 BGB hinsichtlich des Klageantrags zu
701. stehe dem Kläger nicht zu. Der Klageantrag zu 2. sei
71nicht begründet, weil die Mauer keine Grenzwand im Sinne
72des § 19 Nachbarrechtsgesetz NRW sei.
73Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung
74trägt der Kläger zum Antrag zu 1. erneut vor, sein
75Hammerschlag und Leiterrecht werde durch die Verblendung
76beeinträchtigt. Bezüglich des Antrages zu 2. wiederholt
77er seine Auffassung, es handele sich bei der Mauer um
78eine Grenzwand.
79Der Kläger beantragt,
80unter Aufhebung des angefochtenen Urteils nach den
81in der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz
82gestellten Anträgen zu entscheiden.
83Der Beklagte beantragt,
84die Berufung zurückzuweisen.
85Er verteidigt das angefochtene Urteil.
86Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der
87gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.
88Entscheidungsgründe:
89Die Berufung ist unbegründet,
90Zu Recht hat das Amtsgericht die Klage bezüglich des
91Antrages zu 1. abgewiesen, denn dem Kläger steht ein Unter-
92lassungsanspruch aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
93Die Voraussetzungen der vorbeugenden Unterlassungsklage
94gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB sind nicht gegeben. Durch
95die bevorstehende Errichtung eines Flechtzaunes wird ein
96Recht des Klägers nicht verletzt. Das Eigentum des Klägers
97an der Mauer wird nicht unmittelbar beeinträchtigt, denn
98der Beklagte wird die Verblendung nicht an der Mauer selbst
99anbringen.
100Der Kläger kann den Unterlassungsanspruch auch nicht aus
101einem etwa bestehenden Hammerschlag- und Leiterrecht gemäß
102§24 Nachbarrechtsgesetz von Nordrhein-Westfalen herleiten.
103§24 gibt die Befugnis, das Grundstück des Nachbarn zu be-
104treten, um an der eigenen baulichen Anlaqe Bau-, Instand-
105setzungs- und Verschönerungsarbeiten vorzunehmen bzw. vor-
106nehmen zu lassen sowie die Befugnis, auf den Nachbargrund-
107stück Leitern und Gerüste aufzustellen und Materialien zu
108lagern. Das Hammerschlag- und Leiterrecht besteht jedoch
109nur, soweit die tatsächlichen Verhältnisse seine Ausübung
110zulassen. Der Kläger hat mithin keinen Anspruch darauf, daß
111der Beklagte eine Möglichkeit, das besagte Recht auszuüben,
112nicht durch die Anbringung eines Flechtzaunes beeinträchtigt
113oder vereitelt. (vgl. Schäfer Kommentar zum Nachbarrechts-
114gesetz von Nordrhein-Westfalen, 4. Auflage, 1978, Seite 91 ).
115Im übrigen hat der Kläger schon nicht substantiiert vor-
116getragen, daß die Mauer irgendeiner Pflege bedarf, für die
117er sich auf das Hammerschlag- und Leiterrecht berufen müßte.
118Vielmehr trägt er selbst vor, daß die Mauer im Rohzustand
119praktisch und rentabel sei.
120Dem Kläger steht ein Unterlassungsanspruch auch nicht wegen
121einer bevorstehenden Verletzung nachbarrechtlicher Vor-
122schriften über die Einhaltung von Grenzabständen zu.
123Der Flechtzaun ist eine Anlage, die nicht fest mit dem
124Grundstück verbunden und nicht über 2 m hoch ist.
125(vql. Schäfer, a.a.O., Seite 109: Gerüst als "Anlage" ;
126Zimmermann-Steinke, Kommentar zum Nachbarrechtsgesetz
127von Nordrhein-Westfalen, 1969,, Seite 132: Holzgerüst
128als "Anlage") . Ihr Abstand zum Nachbargrundstück richtet
129sich nach § 31 Nachbarrechtsgesetz von Nordrhein-Westfalen.
130Zwar ist gemäß § 31 Abs. 1 ein Mindestabstand von
1310,50 m einzuhalten. In vorliegenden Fall gilt jedoch die
132Ausnahmevorschrift des § 31 Abs. 2 b aa, denn der Flecht-
133zaun wird die Mauer nicht überragen. Die Einhaltung eines
134Abstandes ist hier nicht erforderlich.
135Die Berufung war insoweit unbegründet.
136Dem Kläger steht auch ein Anspruch auf Schließung des
137Zwischenraumes nicht zu, denn die Mauer ist- wie das
138Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat- keine Grenz-
139wand im Sinne des § 19 Nachbarrechtsgesetz von Nordrhein-
140Westfalen, so daß die Voraussetzungen für einen Anspruch
141nach § 22 fehlen.
142Die Grenzwand dient, ebenso wie die Nachbarwand, dem
143Abschluß einer baulichen Anlage. Das ergibt sich bereits
144aus dem Wortlaut. Die Verbindung zur baulichen Anlage
145wird sowohl in der Definition der Nachbarwand in § 7
146als auch in § 20 bezüglich der Grenzwand hergestellt.
147Das die Grenzwand sich lediglich dadurch von der Nach-
148barwand unterscheidet, daß sie ganz auf dem Grundstück
149des Erbauers unmittelbar an der Nachbargrenze errichtet
150wird, ist im Schrifttum anerkannt (vgl. Schäfer, a.a.0. Seite 77) .
151Da die Mauer entlang der Grundstücksgrenze des Klägers nicht
152dem Abschluß einer baulichen Anlage dient, sind die Vorschriften
153über die Grenzwand nicht anwendbar.
154Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.
155Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO
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