Beschluss vom Landgericht Dortmund - 14 (II) Qs 22/82
Tenor
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß gegen
den Zeugen C -Beschwerdeführer- ein Ordnungsgeld von
100, --DM, ersatzweise 2 Tage Ordnungshaft, festgesetzt wird.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Verfahrens.
Von den notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers trägt die
Staatskasse 3/4; 1/4 trägt der Beschwerdeführer selbst.
1
G r ü n d e:
2I.)
3In dem Strafverfahren 9 Ls 11Js 66/81 ist der Drogenabhängige
4E am 1.6.1981 vom Amtsgericht -Schöffengericht- Unna wegen fortgesetzten Erwerbs von Heroin zum Eigenverbrauch, in zwei
5Einzelfällen i n Tateinheit mit
6Handeltreiben mit Heroin in besonders schwerem Fall, zu einer
7Freiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt worden. Die Vollstreckung
8der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Als
9Bewährungsauflage hat das Amtsgericht dem Verurteilten
10aufgegeben, sich bei der Drogenhilfe in I zu melden und
11jeder Anweisung der Drogenberater Folge zu leisten. Bei der
12Drogenhilfe I handelt es sich um den Arbeitskreis für
13Jugendhilfe e.V., Beratungsstelle für Drogenfragen und
14Krisenhilfe, I. Zwischenzeitlich
15sind Anerkennungsverfahren für Drogenberatungsstellen
16durchgeführt worden, denen auch die Drogenhilfe I unterworfen
17worden ist. Als Betreuer für den Verurteilten wurde
18der Beschwerdeführer, von Beruf Sozialarbeiter, eingesetzt.
19Da der Amtsrichter sich ein Bild über das Bewährungsverhalten
20des Verurteilten machen wollte, forderte er von der Drogenhilfe
21I im Rahmen der Bewährungsüberwachung einen Bericht
22an. Mehrere Aufforderungen zur Abgabe dieses Berichts blieben
23jedoch erfolglos.
24Erst mit Schreiben vom 10.2.1982 übersandte der Verurteilte
25an den Amtsrichte r ein Schreiben folgenden Inhalts:
26"Am 2.11.1981 habe ich meine Therapie bei C
27nach knapp 3 Monaten abgebrochen, weil ich mich nicht richtig
28in die Gruppe integrieren konnte. Ich fühlte mich dort als
29Außenseiter. Trotzdem meine ich, daß die Therapie mir einiges
30gebracht hat, weil ich seitdem nicht wieder rückfällig
31geworden bin.
32Ich habe am 19.11.1981 eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme vom
33Arbeitsamt beim Kreis Unna bekommen, die aber schon am
348.1.1982 auslief. Seitdem bemühe ich mich beim Arbeitsamt um
35eine Umschulung bzw. Lehrstelle. Da aber die Lehrstellen zur
36Zeit sehr knapp sind und mein Antrag für die Umschulung noch
37nicht endgültig bearbeitet ist, kann ich darüber noch nichts
38genaueres sagen.
39Auch im privaten Bereich komme ich gut klar. Ich habe eine
40neue Freundin und einen neuen Freundeskreis, mit denen ich
41öfter Sport treibe. Außerdem habe ich noch regelmäßigen
42Kontakt mit der Drogenberatungsstelle in I."
43Dieses vom Verurteilten unterschriebene Schreiben ist vom
44Beschwerdeführer mitunterzeichnet worden.
45Da dem Amtsrichter nach eigenen Angaben der Inhalt dieses
46Schreibens zur Beurteilung des Bewährungsverhaltens des
47Verurteilten nicht ausreichte, beraumte er einen Vernehmungstermin
48an, indem der Beschwerdeführer förmlich, als
49Zeuge vernommen werden sollte.
50Der Beschwerdeführer erschien zu diesem Termin in seiner
51Eigenschaft als Zeuge. Er weigerte sich jedoch, zur Sache
52Auszusagen. Insbesondere lehnte er es ab, selbst die Frage zu
53beantworten, ob der Verurteilte überhaupt Kontakt mit dem
54Arbeitskreis für Jugendhilfe aufgenommen habe. Der Beschwerdeführer
55erklärte vielmehr, grundsätzlich zur Sache
56nichts aussagen zu wollen. In diesem Zusammenhang berief er
57sich auf eine Schweigepflicht, die sich die Mitarbeiter der
58Beratungsstelle selbst auferlegt hätten.
59Das Amtsgericht erließ daraufhin den angefochtenen Ordnungsgeldbeschluß,
60durch den dem Beschwerdeführer wegen seiner
61Weigerung, als Zeuge auszusagen, die Kosten auferlegt wurden,
62die durch seine Weigerung entstanden sind. Zugleich wurde
63gegen den Zeugen ein Ordnungsgeld in Höhe von 4oo,--DM,
64ersatzweise 8 Tage Ordnungshaft festgesetzt.
65Mit dem zulässigen Rechtsmittel der Beschwerde wendet sich
66der Zeuge als Beschwerdeführer gegen den vorerwähnten
67Beschluß. Zur Begründung trägt er vor, ihm habe ein Zeugnisverweigerungsrecht
68zugestanden. Dazu führt der Beschwerdeführer
69aus, die Vorschriften über das Zeugnisverweigerungs-
70recht aus §§ 53, 54 StPO würden zwar nicht ausdrücklich
71Sozialarbeiter und Drogenberater nennen; hier komme jedoch
72eine analoge Anwendung in Betracht. Interessenlage und
73Schutzzweck seien vergleichbar mit den in § 53 Abs. I Ziffer 3
74a StPO aufgeführten Mitarbeitern von Beratungsstellen nach §
75218 b Abs. II Ziffer 1 StGB.
76Er ist im übrigen der Auffassung, daß ihm ein Zeugnisverweigerungsrecht
77direkt aus den verfassungsrechtlichen
78Prinzipien des Persönlichkeitsschutzes aus Artikel 1 in
79Verbindung mit Artikel 1 Abs. I GG sowie nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
80zustehe. Beide Artikel des Grundgesetzes
81würden sowohl die Einrichtung und das bestimmungsgemäße
82Wirken von Drogenberatungs-und Therapieeinrichtungen wie auch
83die Intim-und Privatsphäre der Personen schützen, die diese
84Einrichtungen aufsuchen würden. Ergebe eine Abwägung der
85beiderseitigen Interessen im konkreten Fall einen unverhältnismäßigen
86Eingriff des Staates in den Schutzbereich des
87Betroffenen bei überwiegenden Interessen des Betroffenen, so
88werde die Durchsetzung der Zeugnisverpflichtung unzulässig.
89In diesem Zusammenhang weist der Beschwerdeführer auf die
90Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 44, 372
91ff. hin.
92Im Hinblick auf die in dieser Entscheidung niedergelegten
93Grundsätze vertritt er die Ansicht, daß durch die Nichtabgabe
94des Zeugnisses die Ermittlung und Strafverfolgung erkennbar
95nicht beeinträchtigt werde. Zur Begründung führt er an, daß
96das Strafverfahren in dem vorliegenden Fall bereits zu einem
97rechtskräftigen Abschluß gekommen sei. Im übrigen, so führt
98der Beschwerdeführer weiter aus, habe das Amtsgericht
99wissentlich auf die Möglichkeit der Zeugniserlangung durch
100die Bewährungshilfe verzichtet. Schließlich weist der
101Beschwerdeführer darauf hin, daß das Amtsgericht mi t dem
102Schreiben des Probanden vom 10.2.1982 über den Bewährungs-
103verlauf unterrichtet gewesen sei. Er folgert hieraus, daß aus
104diesem Grund kein Anlaß für die Erzwingung des Zeugnisses
105über die Beweisgegenstände gegeben sei.
106Der Beschwerdeführer ist ergänzend durch den Berichterstatter
107der Kammer zu den Gründen, die ihn veranlaßt haben, das
108Zeugnis vor dem Amtsgericht zu verweigern, gehört worden. Er
109hat hierzu u.a. angegeben, von vornherein den Klienten, die
110zu ihnen in die Drogenberatung kämen, absolute Verschwiegenheit
111zuzusichern. Dies gelte auch dann: wenn ein Proband die
112Drogenberater von der Schweigepflicht entbinden würde. Auch
113in diesem Fall würden keine Informationen herausgegeben. Der
114Beschwerdeführer äußerte in diesem Zusammenhang seine
115Hoffnung, daß bei Bekanntwerden von Zeugnisverweigerungsfällen
116der vorliegenden Art möglicherweise ein Gesetzentwurf
117zur Normierung eines Zeugnisverweigerungsrechts auch für
118Drogenberater eingebracht werden wird.
119Der Verurteilte hat in der vorerwähnten Anhörung erklärt,
120sein schriftlicher Bericht vom 10.2.1982 entspreche den
121Tatsachen. Insbesondere habe er nichts verschwiegen. Er sei
122zwar nicht damit einverstanden gewesen, daß sein Drogenberater
123im Termin vor dem Amtsgericht eine Aussage mache.
124Dies habe jedoch darauf beruht, daß er nicht habe Veranlassung
125geben wollen, daß Angelegenheiten von früher aufgedeckt
126würden.
127Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Anhörung wird auf den
128Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 18. November 1982 (Blatt
129179 bis Blatt 182 der Akten) verwiesen.
130II.)
131Die Beschwerde ist nur aus dem, sich aus dem Tenor der
132Entscheidung ergebenden Umfang begründet.
133Die generelle Weigerung des Beschwerdeführers in seiner
134Eigenschaft als Zeuge, jegliche Angaben über das Bewährungsverhalten
135des Verurteilten zu verweigern, ist ohne gesetz-
136lichen Grund im Sinne des § 70 Abs. I Satz 1 StPO erfolgt.
137Dies hat die zwingende gesetzliche Folge, daß dem Beschwerdeführer
138gem. § 70 Abs. I StPO ein Ordnungsgeld aufzuerlegen war.
139Es kann dahingestellt bleiben, ob dem Beschwerdeführer ein
140Zeugnisverweigerungsrecht hinsichtlich bestimmter, das
141Persönlichkeitsrecht des Verurteilten tangierender Fragen
142zusteht . Eine pauschale Verweigerung jeglicher Angaben ist
143jedenfalls weder durch ein ausdrückliches Zeugnisverweigerungsrecht
144noch auf Grund verfassungsrechtlicher Grundsätze im vorliegenden Falle gedeckt.
145Die vorab erwähnte Auffassung der Kammer beruht auf folgenden
146Erwägungen :
147A.)
1481.) Der Beschwerdeführer gehört nicht zu dem Personenkreis,
149dem in § 53 StPO ein Zeugnisverweigerungsrecht zugebilligt
150wird, Weder sein Beruf als Sozialarbeiter noch seine konkrete
151Tätigkeit als Drogenberater begründen für den Beschwerdeführer
152ein generelles Zeugnisverweigerungsrecht im Sinne der
153vorgenannten Vorschrift. Dabei ist in diesem Zusammenhang
154insbesondere zu berücksichtigen, daß nach der grundlegenden
155Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19.7.1972
156(Band 33 Seite 367) die Nichtaufnahme von Sozialarbeitern in
157den Katalog des § 53 StPO nicht verfassungswidrig ist. Die
158Kammer schließt sich dieser Auffassung an.
1592.) Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer in
160seiner Eigenschaft als Drogenberater unter den Personenkreis
161des § 203 Abs. I Nr. 4 StGB fällt. Selbst wenn der Beschwerdeführer
162ein Geheimnisträger im Sinne dieser Vorschrift sein
163würde, so ist anerkannt, daß derartigen Personen ohne das
164Hinzutreten weiterer Umstände ein Zeugnisverweigerungsrecht
165nicht zusteht. (vgl. auch Kleinknecht, Kommentar zur StPO
16634. Aufl., Anm. 20 zu §53). Ein den "Mitgliedern oder
167Beauftragten einer anerkannten Beratungsstelle nach § 218 b
168Abs.II Nr. 1 des Strafgesetzbuches" in § 53 Abs. I Nr. 3 a
169StPO eingeräumtes Zeugnisverweigerungsrecht ist den Drogenberatern,
170die ihrerseits Geheimnisträger im Sinne von § 203
171Abs. I Nr. 4 StGB sind, gerade nicht eingeräumt. Grundsätzlich
172müssen daher derartige Geheimnisträger trotz ihrer
173Verschwiegenheitspflicht aussagen ( so auch Dreher-Tröndle,
174Kommentar zum StGB, 40 . Auflage, § 203 Anm. 30). Es kann
175somit auch offenbleiben, ob die Drogenhilfe I eine
176öffentlich anerkannte Institution im Sinne von § 203 Abs. I
177Nr. 4 StGB ist .
1783.) Eine analoge Anwendung des § 53 StPO auf den Beschwerdeführer
179kommt nicht in Betracht. Eine Analogie setzt eine
180Gesetzlücke voraus. Eine solche besteht aber nicht, denn dem
181Gesetzgeber ist die vorstehende Problematik seit längerem
182bekannt. Dies geht aus der Bundestagsdrucksache 7/2989
183hervor. Danach sind die Beratungen im Rechtsausschuß über den
184Entwurf der Bundesregierung vom 10.5.1974 (Bundestagsdruck-
185sache 7/2526), nach dem der zur Zeugnisverweigerung berech-
186tigte Personenkreis des § 53 Abs . I Nr . 3 auf Sozialarbeiter,
187Sozialpädagogen und Psychologen mit staatlich anerkannter
188Ausbildung ausgedehnt werden sollte, zurückgestellt worden.
189Aus einer schriftlichen Auskunft der Bundesregierung vom
19012.8.1977 (Bundestagsdrucksache) geht überdies hervor,
191daß nicht beabsichtigt ist, die Beratungen über den Regierungsentwurf
192vom 10.5.1974 im Hinblick auf eine Erweiterung
193des zur Zeugnisverweigerung berechtigten Personenkreise s nach
194§ 53 Abs. I Ziff. 3 a StPO wieder aufzunehmen.
195Es mag in diesem Zusammenhang zwar widersprüchlich erscheinen,
196daß Zeugen, die unter Umständen von der Tötung
197ungeborenen Lebens in ihrer Eigenschaft als Berater gem. §
198218 b StGB Kenntnis haben, ein Zeugnisverweigerungsrecht
199zusteht, Drogenberatern hingegen dieses Recht nicht eingeräumt
200wird. Das allein aber reicht zur Annahme einer Gesetzeslücke
201nicht aus. Vielmehr ist gerade im Hinblick auf
202die Neufassung des Betäubungsmittelgesetzes vom 1.1.1982
203davon auszugehen, daß der Gesetzgeber diese Problematik
204gekannt hat und gleichwohl den Drogenberatern bewußt kein
205generelles Zeugnisverweigerungsrecht eingeräumt hat.
2064.) Der Beschwerdeführer gehört in seinem konkreten Tätig-
207keitsbereich auch nicht zum Kreis der in § 53 a StPO ge
208nannten "Berufshelfer " ,da nicht ersichtIich ist, daß er bei
209seiner Beratung als Mitarbeiter einer Person tätig geworden
210ist, die ihrerseits zu den in § 53 StPO geschützten Berufsgruppen
211zählt.
2125.) Der Beschwerdeführer fällt auch nicht unter den in § 54
213StPO geschützten Personenkreis. Er ist Angehöriger eines
214eingetragenen Vereins und damit nicht Angehöriger des
215öffentlichen Dienstes. Zwar ist nach herrschender Meinung
216(vgl. die Nachweise bei Löwe-Rosenberg-Meyer StPO 23. Aufl., §
21754 Randnummer 9) davon auszugehen, daß auch nicht dem
218öffentlichen Dienst angehörige Personen unter § 54 StPO
219fallen können, wenn nur ihre Amtsfunktion mit der einer
220Behörde im weitesten Sinne in Zusammenhang steht. Dies mag
221für eine Drogenberatungsstelle, die in gewissem Maße mit
222Strafvollstreckungsbehörden zusammenarbeitet, noch bejaht
223werden können. Erforderlich ist jedoch auf jeden Fall, daß
224der Verein seinerseits behördlich oder zumindest behördenähnlich
225organisiert ist. Dies aber läßt sich für die Drogenhilfe
226I nicht feststellen.
227B.) Da kein ausdrückliches gesetzliches Zeugnisverweigerungsrecht
228für den Beschwerdeführer besteht, kommt nur ein solches
229aus verfassungsrechtlichen Grundsätzen (Artikel 1 und 2 GG)
230in Betracht. Daß im Einzelfall ein sich aus dem Grundgesetz
231ergebendes Zeugnisverweigerungsrecht gegeben sein kann, hat
232das Bundesverfassungsgericht bereits in seiner Entscheidung
233vom 19.7.1.972 angedeutet und in der Entscheidung vom
23424.5.1977 (Band 44 Seite 372 ff.) grundlegend dargelegt.
235Danach ist von folgenden Grundsätzen auszugehen.
236I.) Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz gewährleistet dem eingetragenen
237Verein der Drogenhilfe I den Schutz seiner
238allgemeinen Handlungsfreiheit (vgl. BVerfGE 29, 260 ff.).
239Dieser Schutz umfaßt nicht nur die Einrichtung der Beratungsstelle
240als solche, sondern auch deren bestimmungsgemäßes
241Wirken im Rahmen der Gesetze. Den Klienten der
242Beratungsstelle, zu denen auch der Beschwerdeführer zählt,
243steht das Grundrecht auf Achtung ihrer Intim-und Privatsphäre
244zu (Artikel 2 Abs. I i.V. mit Artikel 1 Abs. I GG). Die
245Gespräche, Tests, therapeutischen Maßnahmen und die eigenen
246Schriftlichen Äußerungen des Klienten betreffen zwar nicht
247die unantastbare Intimssphäre , wohl aber den privaten
248Bereich. Sie nehmen damit teil an dem Schutz, den das
249Grundrecht aus Artikel 2 Abs. I i.V. mit Artikel 1 Abs. 1 GG
250dem einzelnen vor dem Zugriff der öffentlichen Gewalt gewährt
251(vgl. BVerfG 32, 373).
252Staatliche Eingriffe in den Schutzbereich der vorgenannten
253Grundrechte sind dagegen nicht schlechthin. ausgeschlossen.
254Insbesondere kann grundsätzlich dem schutzwürdigen Interesse
255drogenabhängiger Personen an der Geheimhaltung von Informationen
256aus ihrem Intim-oder Privatbereich kein Vorrang vor
257anderen Interessen, insbesondere denjenigen des Staates
258zuerkannt werden (BVerfG Entscheidung a.a.O. Seite 378).
259Andererseits überwiegen die Belange einer funktionstüchtigen
260Strafrechtspflege im Bereich der Bekämpfung des Drogenmißbrauchs
261und das öffentliche Interesse an der Suchtkrankenberatung
262ebenfalls nicht generell. Wäre ein Überwiegen strafrechtlicher
263Belange und damit Eingriffe des Staates in dem
264Bereich der Suchtkrankenberatungsstellen unter den in der
265Strafprozeßordnung normierten Voraussetzungen stets zulässig,
266so würde dies im Regelfall die für die Arbeit der betroffenen
267Stellen notwendige Vertrauensbasis zerstören und zugleich die
268Tätigkeit aller anderen Beratungsstellen gefährden. Dies kann
269im Interesse einer leistungsfähigen Gesundheitsfürsorge auf
270dem Gebiet der Suchtkrankenberatung nicht hingenommen werden.
271Die generelle Abwägung beider Interessen ergibt vielmehr, daß
272das zum Gewährleistungsbereich des Staates gehörende Interesse
273an einer leistungsfähigen Strafjustiz in den vorstehenden
274Interessen eines Drogenabhängigen zumindest gleichwertig ist.
2752.) Eine Verletzung von Grundrechten der Betroffenen kann in
276diesem Zusammenhang nur dann angenommen werden, wenn durch
277den staatlichen Eingriff die gesundheitsfürsorgerischen
278Belange in einem solchen Maße beeinträchtigt werden, daß der
279durch den Eingriff verursachte Schaden außer Verhältnis zu
280dem mit dem Eingriff angestrebten und erreichbaren Erfolg
281steht. Bei dieser Abwägung unter dem Gesichtspunkt des
282Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist allgemein zu berücksichtigen:
283a.) das generelle Interesse der Allgemeinheit an der
284ordnungsgemäßen Durchsetzung von Strafansprüchen des Staates,
285b.) die Möglichkeit zur Erlangung desselben Beweisergebnisses
286über andere Beweismittel
287c.) der Wert des angestrebten Beweismittels für das weitere
288Verfahren
289d.) die Erheblichkeit des dem Verfahren zugrundeliegenden
290Delikts und das konkrete Strafverfolgungsinteresse der
291zuständigen Behörde und
292e.) die Schutzwürdigkeit der Institutionen, von der das
293Beweismittel abgefordert wird.
294II.) Unter Zugrundelegung der Vorstehend ,aufgeführten
295Grundsätze war für die Entscheidung der Kammer im vorliegenden
296Fall folgendes zu berücksichtigen:
2971.) Der Verurteilte ist wegen fortgesetzten Erwerbes von
298Heroin zum Eigenverbrauch in zwei Fällen in Tateinheit mit
299Handeltreiben mit Heroin in besonders schwerem Fall zu einer
300Freiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt worden. Der Strafanspruch
301des Staates ist von daher gesehen, auch wenn es sich
302bei dem Delikt bereits um eine Verwirklichung eines gesetzlichen
303Qualifikationsmerkmales handelt, vielleicht noch als
304verhältnismäßig gering anzusehen, zumal es hier nicht vorwiegend
305um die Verfolgung eines Dealers, sondern eines
306Drogenabhängigen ging.
307Das Amtsgericht hätte außerdem zur Erlangung des erstrebten
308Beweisergebnisses sich anderer Mittel bedienen können. Es
309hätte einen Bewährungshelfer einschalten können; auch wäre
310es möglich gewesen, den Verurteilten selbst zu hören und
311dadurch den Informatinsstand, wie er sich aus dem Schreiben
312vom 10.2.1982 ergab, zu überprüfen.
313Auf der anderen Seite war jedoch zu berücksichtigen, daß der
314Wert des angestrebten Beweismittels ist aber für das weitere
315Verfahren durchaus bedeutend gewesen ist. Der Beschwerdeführer
316hätte aufschlußreiche Angaben über das Bewährungsverhalten
317des Verurteilten abgeben können. Zwar haben sich keine
318Anhaltspunkte für ein Bewährungsversagen des Verurteilten
319ergeben. Das Amtsgericht war jedoch gehalten, in regelmäßigen
320Abständen von amtswegen das Bewährungsverhalten des Verur-
321teilten zu überprüfen. Im übrigen hat die Anhörung des
322Beschwerdeführers vor der Kammer gezeigt, daß es ihm kaum um
323eine Konfliktlösung im Einzelfall ging, sondern ganz über-
324wiegend um eine politische Aktion, zur Erstreitung eines
325generellen Zeugnisverweigerungsrechts für bestimmte Berufsgruppen.
326So hat er bei der Anhörung vor dem Berichterstatter
327der Kammer darauf hingewiesen, daß er sich ziemlich sicher
328sei, daß bei einer vermehrten Anzahl von Beschwerdeverfahren
329der vorliegenden Art ein neuer Gesetzentwurf zur Erweiterung
330des Zeugnisverweigerungsrechts für bestimmte Berufsgruppen
331eingebracht werden würde. Mit seiner Unterschrift unter das
332Schreiben vom 10.2.1982 hat er sich bereits in Widerspruch zu
333dem von ihm selbst geschilderten Prinzip, grundsätzlich keine
334Angaben über das Klientenverhalten zu machen, gesetzt.
3352.) Es kann dahingestellt bleiben, ob Fragen des Amtsgerichts
336über die in dem Schreiben vom 10.2.1982 angegebenen Daten
337hinaus bereits in den schutzwürdigen Intim-und Privatbereich
338des Verurteilten eingegriffen hätten. Eine Abwägung ergibt
339jedenfalls, daß ein schutzwürdiges Interesse des Betroffenen
340sowie des Beschwerdeführers an der Geheimhaltung von
341"Rahmendaten der Therapie" (wie z.B. Beginn, Umwandlung in
342eine Therapieform, Ende und Nachbetreuung) nicht vorliegt.
343Der staatliche Eingriff zur Erlangung derartiger Daten sowie
344darüber hinaus zur Erlangung der in dem Schreiben vom
34510.2.1982 niedergelegten Angaben ist derart geringfügig , daß
346ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Interessen des
347Betroffenen bzw. des Beschwerdeführers nicht gegeben ist.
348Derartige Angaben liegen überdies in der gegebenen Situation
349auch im dringenden Interesse gerade des Betroffenen, denn
350eine pauschale Verweigerung jeglicher Auskunft hätte zur
351Folge, daß Strafverfolgungsbehörden mangels einer Kenntnis
352darüber, ob beispielsweise eine Therapie überhaupt abge-
353schlossen wurde, gegebenenfalls härtere Maßnahmen ergreifen
354müßten.
3553.) Damit steht fest, daß dem Beschwerdeführer ein Zeugnisver-
356we igerungsrecht jedenfalls insoweit nich t zustand, als von
357ihm Angaben über äußere Therapiedaten und darüber, ob die
358Therapie erfolgreich abgeschlossen werden kann, begehrt
359wurden.
360Der Umstand, daß dem Amtsgericht aus dem vorgenannten
361Schreiben bereits Informationen zugegangen waren, rechtfertigt
362keine andere Beurteilung; denn es steht nicht im
363Ermessen eines Zeugen zu bestimmen, welche Fragen an ihn
364gestellt werden. Dem Amtsgericht steht es frei, bereits
365beantwortete Fragen gegebenenfalls zu wiederholen. Auf welche
366Art und Weise dies erfolgt, ob durch schriftlichen Bericht
367oder durch eine Zeugenaussage, liegt allein im Ermessen des
368Gerichts.
369Der Beschwerdeführer handelte auch schuldhaft. Der Gesamtzusammenhang
370des Verhaltens des Zeugen wie auch die insoweit
371zu beachtenden Stellungnahmen der Berufskollegen des Beschwerdeführers
372ergeben vielmehr, daß er hier -in Kenntnis
373der derzeitigen gesetzlichen Regelung- ein allgemeines
374Zeugnisverweigerungsrecht reklamieren will, welches in der
375geltend gemachten generellen Form und insbesondere in dem
376Umfang nicht besteht.
3774.) Bei der Höhe des festzusetzenden Ordnungsgeldes war zu
378berücksichtigen, daß der Beschwerdeführer erstmals das
379Zeugnis verweigert hat und daß die Kammer den Ordnungsverstoß
380des Beschwerdeführers vorliegend ausschließlich auf die
381generelle Verweigerung und auf die Nichtabgabe von Rahmendaten
382der Therapie gestützt hat. Bei dieser Sachlage erschien
383es angemessen, das festgesetzte Ordnungsgeld in der erkannten
384Form zu reduzieren.
3855.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs.IV StPO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.