Urteil vom Landgericht Dortmund - 8 O 318/90
Tenor
I.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall
der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis
zu DM 500.000,00 ersatzweise Ordnunghaft bis zu sechs Monaten gegen
die Inhaberin des Beklagten zu unterlassen, in seinen Allgemeinen
Geschäftsbedingungen nachfolgende Klauseln oder inhaltsgleiche Be-
stimmungen gegenüber Nichtkaufleuten zu verwenden:
1. Da auch bei verringerter Teilnehmerzahl die-selben festen Unkosten anfal-
len. ist eine vorzeitige Vertragsbeendigung ausgeschlossen.
2. Kommt das Mitglied mit 2 Monatsbeträgen in Rückstand, ist der gesamte Rest-
betrag sofort fällig.
3. Der Trainingsteilnehmer versichert, an keinen Krankheiten oder Verletzungen
zu leiden, die seine Lehrgangsteilnahme in Frage stellen.
4. Nebenabreden bedürfen der Schriftform.
5. Der Teilnehmer erkennt den Vertragsinhalt unter Einschluß der umsöitigen Ge-
schäftsbedigungen an, welche Bestandteil dieses Vertrages sind ....
6. .... und bestätigt, einen Formulardurchschlag erhalten zu haben.
7. Sachbeschädigungen in den Trainingsräumen werden auf Kosten dessen behoben, der sie verursacht hat
8. Die Tage, an denen trainiert werden kann, können vom Trainer festgelegt wer-
den.
9. Versäumt der Teilnehmer die festgelegten Trainingszeiten ganz oder teilwei-
se, so entbindet ihn dies nicht von der Zahlungsverpflichtung gegenüber dem
Sportstudio. Dieses ist weder zu irgendeiner Nachleistung noch zur ganzen
oder teilweisen Rückzahlung des Entgeltes oder zur Duldung irgendeiner Auf-
rechnung verpflichtet.
10. Das Sportstudio behält sich Änderungen der Öffnungszeiten vor.
11. Krankheiten, Wohnungswechsel U.A. entbinden den Teilnehmer nicht von den
Verpflichtungen aus dem Vertrag. Bei Unterbrechung infolge Krankheit, Unfäl-
le o.a. (oder auch anderen wichtigen Gründen) ist gegen Nachweis (z.B. ärzt-
liches Attest) eine Stundung des Programms möglich. Die vereinbarte Zah-
lungsweise des Programmes wird davon nicht betroffen bzw. unterbrochen. Die-
se versäumte Zeit kann nach Absprache an dem jeweils 2. Besuchstag pro
Woche innerhalb der Laufzeit des Vertrages nachgeholt werden. In nachgewie-
senen Ausnahmefällen, wie Dauererkrankung oder sonstige Härtefälle kann der
Teilnehmer im Einvernehmen mit dem Sportstudio einen Programmwechsel vornehmen oder eine Ersatzperson anmelden,unabhängig von der vereinbarten Zahlungsverpflichtung.
12. Wer grob gegen die Regeln des Anstandes oder der Hausordnung verstößt, er-
hält ohne Nachsicht Hausverbot, wobei jedoch die Monatsbeiräge weiter ent-
richtet werden müssen.
13. Da bei den vereinbarten Preisen eine wirtschaftliche Führung des Sportstu-
dios nur möglich ist, wenn alle Teilnehmer ihren Zahlungsverpflichtungen
pünktlich nachkommen, wird wegen des damit verbundenen Mehraufwandes an Per-
sonal- und Sachkosten für jede Mahnung DM 5,00 Mahngebühren erhoben.
14. Die vertraglichen Verpflichtungen werden durch Verkauf oder Verlegung des
Sportstudios innerhalb des Stadtgebietes nicht berührt.
II.
Dem Kläger wird die Befugnis zugesprochen, die Urteilsformel mit der Be-
zeichnung der verurteilten Verwenderin auf Kosten der Beklagten im Bundesan-
zeiger, im übrigen auf eigene Kosten bekannt zu machen.
lm übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte zu 93 %
und der Kläger zu 7 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen Sicherheits-
leistung in Höhe von 13.000,00 DM.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch vorbehaltlose Bürgschaft
eines als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen westdeutschen
Kreditinstituts erbracht werden.
1
Tatbestand
2Der Kläger, ein gerichtsbekannter Verbraucherschutzverein
3im Sinne von § 13 Abs. 2 AGBG, begehrt von dem Beklagten,
4der in E ein Sportstudio betreibt und Trainings-
5verträge für unterschiedliche Bereiche anbietet, die
6Unterlassung der Verwendung bestimmter AGB-Klauseln,
7die nach Auffassung des Klägers gegen Vorschriften des
8AGB-Gesetzes verstoßen.
9Die von dem Kläger vorprozessual verlangte Unterzeichnung
10einer strafbewehrten Unterlassungserklärung lehnte der
11Beklagte durch Schreiben seines Anwalts vom 29.05.1990
12ab. In diesem Schreiben wurde darauf hingewiesen, daß
13einige der beanstandeten Klauseln zwischenzeitlich
14geändert worden seien und daß sämtliche Vertrags-
15Neuabschlüsse unter Berücksichtigung dieser Änderungen
16getätigt würden und daß alle bereits bestehenden
17Vertragsverhältnisse so behandelt würden, als wären
18dort diese Änderungen ausnahmslos schon erfolgt.
19Der Kläger beantragt,
20I.
21Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung
22eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom
23Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis
24zu DM 500.000,00 ersatzweise Ordnungshaft
25bis zu sechs Monaten gegen die Inhaberin des
26Beklagten zu unterlassen, in seine Allgemeinen
27Geschäftsbedingungen nachfolgende Klauseln
28oder inhaltsgleiche Bestimmungen gegenüber
29Nichtkaufleuten zu verwenden:
301. Da auch bei verringerter Teilnehmerzahl
31dieselben festen Unkosten anfallen, ist
32eine vorzeitige Vertragsbeendigung aus-
33geschlossen.
342. Kommt das Mitglied mit zwei Monatsbeträgen
35in Rückstand, ist der gesamte Restbetrag
36sofort fällig.
373. Der Trainingsteilnehmer versichert, an keinen
38Krankheiten oder Verletzungen zu leiden,
39die seine Lehrgangsteilnahme in Frage stellen.
404. Nebenabreden bedürfen der Schriftform.
415. Der Teilnehmer erkennt den Vertragsinhalt
42unter Einschluß der umseitigen Geschäfts-
43bedingungen an, welche Bestandteil dieses
44Vertrages sind ...
456. ... und bestätigt, einen Formulardurchschlag
46erhalten zu haben.
477. Jeder Teilnehmer muß den Anweisungen des
48Lehrpersonals und der Hausordnung Folge leisten.
498. Sachbeschädigungen in den Trainingsräumen
50werden auf Kosten dessen behoben, der sie
51verursacht hat.
529. Die Tage, an denen trainiert werden kann,
53können vom Trainer festgelegt werden.
5410. Versäumt der Teilnehmer die festgelegten
55Trainingszeiten ganz oder teilweise, so
56entbindet ihn dies nicht von der Zahlungs-
57verpflichtung gegenüber dem Sportstudio.
58Dieses ist weder zu irgendeiner Nachleistung
59noch zur ganzen oder teilweisen Rückzahlung
60des Entgeltes oder zur Duldung irgendeiner
61Aufrechnung verpflichtet.
6211. Das Sportstudio behält sich Änderungen der
63Öffnungszeiten vor.
6412. Krankheiten, Wohnungswechsel u.a. entbinden
65den Teilnehmer nicht von den Verpflichtungen
66aus dem Vertrag. Bei Unterbrechung infolge
67Krankheit, Unfälle o.a. (oder auch anderen
68wichtigen Gründen) ist gegen Nachweis (z.B.
69ärztliches Attest) eine Stundung des Programms
70möglich. Die vereinbarte Zahlungsweise des
71Programmes wird davon nicht betroffen bzw.
72unterbrochen. Diese versäumte Zeit kann nach
73Absprache an dem jeweils zweiten Besuchstag
74pro Woche innerhalb der Laufzeit des Vertrages
75nachgeholt werden. In nachgewiesenen Ausnahme-
76fällen, wie Dauererkrankung oder sonstige
77Härtefälle kann der Teilnehmer im Einvernehmen
78mit dem Sportstudio einen Programmwechsel
79vornehmen oder eine Ersatzperson anmelden,
80unabhängig von der vereinbarten Zahlungsver-
81pflichtung.
8213. Wer grob gegen die Regeln des Anstandes oder
83der Hausordnung verstößt, erhält ohne Nachsicht
84Hausverbot, wobei jedoch die Monatsbeträge
85weiter entrichtet werden müssen.
8614. Da bei den vereinbarten Preisen eine wirt-
87schaftliche Führung des Sportstudios nur
88möglich ist, wenn alle Teilnehmer ihren
89Zahlungsverpflichtungen pünktlich nachkommen,
90wird wegen des damit verbundenen Mehraufwandes
91an Personal- und Sachkosten für jede Mahnung
92DM 5,00 Mahngebühren erhoben.
9315. Die vertraglichen Verpflichtungen werden durch
94Verkauf oder Verlegung des Sportstudios innerhalb
95des Stadtgebietes nicht berührt.
96II.
97Dem Kläger wird die Befugnis zugesprochen,
98die Urteilsformel mit der Bezeichnung der
99verurteilten Verwenderin auf Kosten der
100Beklagten im Bundesanzeiger, im übrigen auf
101eigene Kosten bekannt zu machen;
102ihm zu gestatten, eine von ihm zu erbringende
103Sicherheit durch eine selbstschuldnerische
104Bürgschaft einer deutschen Großbank oder Sparkasse
105zu erbringen.
106Der Beklagte beantragt,
107die Klage abzuweisen.
108Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes
109wird verwiesen auf den vorgetragenen Inhalt der von
110den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen,
111die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
112Entscheidungsgründe
113Die Klage ist zum überwiegenden Teil begründet:
114Die für die vom Kläger geltend gemachten Unterlassungs-
115ansprüche nach § 13 AGB-Gesetz erforderliche Wiederholungs
116gefahr ist im vorliegenden Fall gegeben. Im Hinblick
117darauf, daß Allgemeine Geschäftsbedingungen gerade in
118einer Vielzahl von Fällen verwendet werden sollen,
119streitet für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr
120in der Regel eine tatsächliche Vermutung (Palandt-
121Heinrichs, § 13 Anm. 2 e), diese tatsächliche Vermutung
122hat der Beklagte vorliegend nicht entkräftet. Seine
123einfache Erklärung, die alten AGB's auch bei Abwicklung
124von Altverträgen nicht mehr zu verwenden, reicht nicht.
125Sie bietet keine hinreichende Gewähr dafür, daß sich
126der Beklagte tatsächlich an diese Erklärung hält, zumal
127er einige Klauseln noch immer verteidigt.
128Hinsichtlich der im einzelnen vom Kläger beanstandeten
129Klauseln liegen folgende Verstöße gegen das AGB-Gesetz
130vor:
131Ziffer l. l. der Klageschrift:
132Diese Klausel verstößt gegen § 9 Abs. 2 Nr. l AGBG,
133denn bei Vorliegen eines wichtigen Grundes muß eine
134außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB möglich sein,
135da die vom Beklagten angebotenen Trainingsverträge
136dienstvertragliche Elemente enthalten.
137Ziffer l. 2. der Klageschrift:
138Insoweit liegt ein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 sowie Abs.
1392 Nr. 1 AGBG vor. Diese Bestimmung steht im Widerspruch
140zu der gesetzlichen Regelung, wonach ein Verzug ohne
141Verschulden nicht möglich ist (§ 285 BGB), außerdem
142werden durch diese Bestimmungen etwaige Leistungs-
143verweigerungsrechte des Kunden ausgehöhlt.
144Ziffer l. 3. der Klageschrift:
145Diese Bestimmung verletzt § 11 Nr. 15 b AGBG, hierdurch
146wird zwar nicht die Beweislast geändert, das heißt
147umgekehrt, aber zuungunsten des Kunden wird die
148Beweisführung erschwert.
149Ziffer l. 4. der Klageschrift:
150Wegen des grundsätzlichen Vorranges auch mündlich
151getroffenen Individualabreden (§ 4 AGBG) verstößt
152diese Klausel gegen § 9 Abs. 1 AGBG.
153Ziffer l. 5. sowie l. 6. der Klageschrift:
154Diese Bestimmungen sind wegen Verstoßes gegen § 11
155Nr. 15 b AGBG unwirksam. Sie beinhalten Tatsachen-
156erklärungen des Kunden (Anerkennung der AGB sowie die
157Bestätigung, einen Durchschlag erhalten zu haben),
158die zum Nachteil des Kunden die Beweislast hinsichtlich
159der Einbeziehungsvoraussetzungen nach § 2 AGBG verändern.
160Insoweit handelt es sich auch nicht um gesondert
161unterschriebene Empfangsbekenntnisse im Sinne von § 11
162Nr. 15 des AGB-Gesetzes.
163Ziffer l. 7. der Klageschrift:
164Eine AGB-Rechtswidrigkeit dieser Klausel vermag die
165Kammer nicht festzustellen. Denn Allgemeine Geschäfts-
166bedingungen sind so auszulegen, wie sie von verständigen
167und redlichen Vertragspartnern verstanden werden
168(Palandt-Heinrichs, § 5 AGBG Anm. 3). Dem Betreiber
169eines Sportstudios muß es möglich sein, sein Hausrecht
170durcheine Hausordnung bzw. durch entsprechend bevoll-
171mächtigte Dritte zu regeln, eine unangemessene Be-
172nachteiligung der Kunden ist hiermit noch nicht ver-
173bunden. Eine Auslegung, daß hiermit auch schikanöse
174oder willkürliche Anweisungen gemeint sein könnten,
175ist bei der gebotenen objektiven Auslegung zu weit-
176gehend. Auch eine Bestätigung, Kenntnis über die Be-
177stimmungen der Hausordnung erlangt zu haben, die möglicher-
178weise gegen § 11 Nr. 15 b AGBG verstoßen würde, ist
179in der beanstandeten Klausel nicht enthalten.
180Ziffer l. 8. der Klageschrift:
181Diese Regelung verstößt gegen § 9 Abs. 1 AGBG, grundsätz-
182lich setzt eine Haftung für Schadensersatz ein Verschulden
183voraus.
184Ziffer l. 9., l. 11. und l. 15. der Klageschrift:
185Diese Bestimmungen verletzen § 10 Nr. 4 des AGBG.
186Sie bergen die Gefahr, daß es unter Berufung auf diese
187Klauseln zu unzumutbaren Einschränkungen der Trainings-
188möglichkeiten kommt.
189Ziffer l. 10. der Klageschrift:
190Insoweit liegt ein Verstoß gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG
191vor: Daß in jedem Fall der Vergütungsanspruch des
192Beklagten bestehen bleiben soll, auch wenn er selbst
193die ihm obliegende Leistung nicht erbracht hat, ver-
194stößt gegen wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen
195Regelungen, insbesondere des § 323 BGB.
196Ziffer l. 12. der Klageschrift:
197Diese Bestimmung verletzt § 9 Abs. 1 sowie Abs. 2 Nr. 1
198AGBG, weil hierdurch eine Kündigung aus wichtigem
199Grund ausgeschlossen wird.
200Ziffer l. 13. der Klageschrift:
201Bei ungünstigster Auslegung könnte unter Hinweis auf
202diese Bestimmung einem Kunden wegen eines einmaligen
203Verstoßes gegen die Hausordnung ein dauerndes Hausverbot
204erteilt werden, obwohl die Monatsbeiträge weitergezahlt
205werden müssen. Dies beinhaltet einen Verstoß gegen
206§ 9 Abs. 1 AGBG.
207Ziffer l. Nr. 14. der Klageschrift:
208Diese Bedingung verstößt gegen § 11 Nr. 5 AGBG. In der-
209artigen. Fällen ist davon auszugehen, daß nur Porto-
210und Materialaufwand entsteht, angemessen sind daher
211höchstens 1,00 bis 2,00 DM pro Mahnung (OLG Stuttgart,
212NJW RR 1988, 1082).
213Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.
214Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
215auf § 709 ZPO.
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Referenzen
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