Urteil vom Landgericht Dortmund - 10 O 167/92
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der
Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist gegen SicherheitsIeistung von
4.400,00 DM vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Die Beklagte kaufte von der italienischen Herstellerin
3Manifattura B "M" in D (Brescia/ ltalien)
4große Mengen an Socken. Die Bestellungen erfolgten über einen
5Vertreter der Herstellerin, mit dem sich die Beklagte über
6einen Dolmetscher verständigte. Die Herstellerin erteilte
7unter dem 30.08.1991, 04.09.1991, 09.09.1991 und 30.09.1991
8ihre Rechnungen in italienischer Sprache.
9Am 02.09.1991, 05.09.1991, 10.09.1991 und 09.10.1991 trat die
10Herstellerin ihre Kaufpreisforderungen an die Bank mit dem
11Namen der Klägerin und dem Ortszusatz "Gussago-Mandolossa"
12ab. Mit Schreiben unter dem gleichen Datum teilte die so
13bezeichnete Bank der Beklagten die Abtretungen mit. Dazu
14bediente sie sich formularmäßig erstellter Texte, die in
15englischer und in französischer Sprache verfaßt waren. Sie
16gingen der Beklagten durch Einschreiben mit Rückschein am
1711.09.1991, 17.09.1991, 20.09.1991 und 18.10.1991 zu.
18Jeweils nach Erhalt der Abtretungsanzeigen bezahlte die Be-
19klagte die Rechnungen yor ihren Fälligkeitsterminen mit
20Schecks. Dabei leistete sie an die Herstellerin. über deren Ver-
21mögen wurde am 11.03.1992 das Konkursverfahren eröffnet.
22Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Bezahlung der
23Kaufpreisforderungen. Sie ist der Auffassung, sie sei In-
24haberin der Förderungen infolge der Abtretungen geworden.
25Die Klägerin beantragt,
26die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin
2769.264,00 DM und 16.520.000 italienische Lira
28nebst 14 % Zinsen aus 24.265,20 DM seit dem
2901.12.1991, 14 % aus 13.200,00 DM seit dem
3005.12.1991, 14% aus 31.798,80 DM seit dem
3110.12.1991 und 14 % aus 16.520.000 italienische
32Lira seit dem 10.01.1992 zu zahlen.
33Die Beklagte beantragt,
34die Klage abzuweisen.
35Die Beklagte bestreitet die Berechtigung der Klägerin, Forde-
36rungen der Zweigstelle Gussago-Mandolossa einzuklagen.
37Darüber hinaus hält sie die Abtretung für unwirksam, weil die
38Zustellung an den Schuldner nicht durch einen GerichtsvolI-
39zieher erfolgt sei. Schließlich meint sie, mit befreiender
40Wirkung an die Herstellerin gezahlt zu haben, weil die Ab-
41tretungsanzeigen für sie unbeachtlich gewesen seien, da sie
42in einem nicht leicht verständlichen fremdsprachigen Text
43abgefasst gewesen seien.
44Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird
45auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze
46und ihrer Anlagen Bezug genommen.
47Entscheidungsgründe
48Die Klage ist nicht begründet.
49Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Bezahlung der ihr abge-
50tretenen Kaufpreisforderungen gegen die Beklagte. Die Forde-
51rungen sind durch die schuldbefreienden Zahlungen der Be-
52klagten an die Herstellerin erloschen. Denn die Abtretungs-
53anzeigen der Klägerin waren unwirksam.
54Die Klägerin hat durch das überreichen der vollständigen
55Abtretungs Vereinbarungen zwischen der Bank ihres Namens und
56der Herstellerin den Abschluß eines Abtretungsvertrages In
57allen Einzelheiten dargelegt. Demgegenüber ist das pauschale
58Bestreiten durch die Beklagte unsubstantiiert.
59Es ist unerheblich., dass die Abtretungsvereinbarungen mit der
60Zweigstelle in Gussago-Mandolossa zustande kamen. Abtretungs-
61empfängerin war die Bank mit dem Namen der Klägerin, die eine
62Aktiengesellschaft ist. Für eine rechtliche Selbständigkeit der
63Zweigstelle ist nichts ersichtlich. Nach dem überreichten
64Auszug aus der Satzung ist jede Filiale und damit auch die,
65die als Klägerin dieses Verfahrens auftritt, berechtigt,
66zivilrechtliche Ansprüche der Bank durchzusetzen.
67Die Abtretungen sind aber nicht gegenüber der Beklagten
68wirksam geworden, weil sie ihr nicht in der richtigen Sprache
69angezeigt wurden. Welche Sprache zu verwenden war, läßt sich
70- soweit ersichtlich - aus keinem Gesetz entnehmen. Art. 33
71EGBGB verweist in seinem Absatz 2 für das Verhältnis zwischen
72dem neuen Gläubiger - der Klägerin- und dem Schuldner -der
73Beklagten- und für die Voraussetzungen, unter denen die Über-
74tragung der Forderung dem Schuldner - der Beklagten -entgegen-
75gehalten werden kann, sowie für die befreiende Wirkung einer
76Leistung durch den Schuldner- die Beklagte- auf das Recht,
77dem die übertragene Forderung unterliegt. Die übertragenen
78Forderungen sind Kaufpreisforderungen. Sie unterliegen im
79internationalen Warenkauf zwischen Deutschland und Italien
80dem UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen
81Warenkauf. Das Übereinkommen enthält keine Regelung über die
82Abtretung und auch keine Regelung über die Sprache, die für
83Erklärungen rechtsgeschäftlicher Art zu verwenden ist. Da das
84übereinkommen die Abtretung nicht regelt, kann das deutsche
85oder das italienische Zivilrecht ergänzend heranzuziehen
86sein. Weder das deutsche BGB noch das deutsche HGB noch. das
87italienische Zivilgesetzbuch geben eine Bestimmung über die
88anzuwendende Sprache.
89In der Rechtsprechung ist - soweit ersichtlich - über diese
90Frage noch nicht entschieden worden. Allerdings liegt eine
91Entscheidung vor zu der Frage, in welcher Sprache allgemeine
92Geschäftsbedingungen, durch die eine Gerichtsstandsverein-
93barung herbeigeführt werden soll , im internationalen Rechts-
94verkehr abgefaßt sein müssen (OLG Düsseldorf DB 1973, 2390,
952391). In diesem Urteil wird maßgebend auf den Gesichtspunkt
96der Verhandlungssprache abgestellt. Im vorliegenden Fall ist
97die Verhandlungssprache italienisch. Einer anderen Sprache
98bedienten sich die Beklagte und ihr Lieferant, die
99italienische Herstellerin, nicht. Mit der Klägerin kam es
100nicht zu Verhandlungen auf Seiten der Beklagten. Die Ab-
101tretungsanzeigen aber sind nicht in italienischer Sprache
102verfaßt.
103In einer anderen Entscheidung über die Einbeziehung von
104Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird wiederum der Gesichts-
105punkt der Verhandlungssprache erwähnt und auch das (schutz-
106würdige) Interesse des Ausländers genannt, wonach ein Hinweis
107auf Allgemeine Geschäftsbedingungen für ihn verständlich sein
108müsse (OLG Hamm NJW 1983, 523, 524). Für die Klägerin, die
109ihre Abtretung durchsetzen wollte, war die Beklagte Aus-
110länderin. Danach hätte die Klägerin sich für die Abtretungs-
111anzeigen der deutschen Sprache bedienen müssen.
112Ein Grundsatz, daß jeder, der sich am internationalen Waren-
113kauf beteiligt, Erklärungen gegen sich gelten lassen muß, die
114in einer der Welthandelssprachen Englisch oder Französisch
115abgefaßt sind, wird - soweit ersichtlich- weder in der Recht-
116sprechung noch im .Schrifttum vertreten. Die Klägerin, die
117sich auf einen solchen Grundsatz beruft, führt keine Belege
118an.
119Im deutschen Schrifttum wird allerdings die Auffassung vertreten,
120daß man von einem Kaufmann, der die fremde Sprache nicht
121versteht, verlangen dürfe, daß er sich mit Hilfe sprachkun-
122diger Dritter Kenntnis vom Inhalt der Erklärung verschaffe,
123wenn die Sprache nicht außergewöhnlich sei, z. B. eine
124gängige Handelssprache sei (Dölle, Einheitskaufrecht, Rdn. 43
125zu Art. 15). Dieser Auffassung wird aber keine Begründung
126beigegeben.
127Die Kommentarstelle, die die Klägerin zu Art. 1335 des
128Italienischen Zivilgesetzbuchs mitteilt, läßt nicht ersehen,
129daß das italienische Recht eine Fremdsprache für rechtsge-
130schäftliche Erklärungen zulasse, weil der Empfänger ver-
131pflichtet sei, sie zu übersetzen. Die Kommentatoren verlan-
132gen, daß der Empfänger bei der konkreten Würdigung der Er-
133klärung die im Verkehr übliche Sorgfalt walten lassen müsse.
134Dazu gehört aber nicht das Einholen einer Übersetzung. Die
135Kommentatoren fahren nämlich fort, daß das Walten lassen der
136im Verkehr üblichen Sorgfalt nicht die direkte Mitarbeit des
137Empfängers beinhalte. Gefordert wird nur die Fähigkeit, die
138Erklärung wahrzunehmen und das Wahrgenommene zu erfassen.
139Daran fehlt es aber, weil die Beklagte weder der englischen
140noch der französischen Sprache mächtig ist. Da dies un-
141streitig ist, braucht die Beklagte es auch nicht zu belegen.
142Aus der Kommentarstelle ist nicht zu ersehen, daß Sprach-
143unkenntnis ein Verschulden darstellen könne.
144Nach allem ist nur ein Zurückgreifen auf allgemeine Erwägun-
145gen möglich. Danach ist vor allem zu berücksichtigen, daß
146sich die Klägerin mit dem Verlangen, daß die Beklagte nunmehr
147an sie zahle, sich in ein bestehendes Vertragsverhältnis,das
148zwischen der Beklagten und ihrer Herstellerin bestand,
149gleichsam hineindrängte. Deshalb mußte sie sich der Sprache
150bedienen, derer sich die Beklagte im Verkehr mit ihrer Her-
151stellerin bedient hatte. Das war Italienisch. Ferner ist zu
152bedenken, daß sich die Klägerin mit ihrem Zahlungsverlangen
153an eine Person wandte, die aus der Sicht der Klägerin im
154Ausland wohnte. Aus der Sicht der Beklagten war die Klägerin
155- für diese erkennbar- eine unbekannte Person. Danach war es
156geboten, daß sich die Klägerin in deutscher Sprache an die
157Beklagte hätte wenden müssen. Es entspricht auch der Billig-
158keit, daß derjenige, der von einem anderen eine Leistung
159verlangt, sich dem anderen gegenüber verständlich macht.
160Dagegen erscheint. es als unbillig, jemandem, auch wenn er
161Kaufmann ist, zuzumuten, ein unerwartet zugesandtes Schrift-
162stück, das in einer fremden Sprache abgefasst ist, auf seine
163Kosten übersetzen zu lassen.
164Welche Erwägung als maßgebend für die Entscheidung des
165Rechtsstreits anzusehen ist, kann offen bleiben. Denn die
166Abtretungsanzeigen der Klägerin sind weder in der
167italienischen noch in der deutschen Sprache verfaßt worden.
168Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung
169über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils auf § 709 ZPO.
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Referenzen
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