Urteil vom Landgericht Dortmund - 20 O 50/92
Tenor
Die Beklagten zu 1)-3) werden verurteilt, an die Klägerin je
1.500.000,00 DM (i.W.: Deutsche Mark einemillionfünfhundert-
tausend) nebst
9 5/8 (9,6250) % Zinsen vom 24.06.91 - 26.08.91
9 3/4 (9,7500) % Zinsen vom 26.08.91 - 26.09.91
9 7/8 (9,8750) % Zinsen vom 26.09.91 - 28.10.91
9 7/8 (9,8750) % Zinsen vom 28.10.91 - 29.11.91
9 11/16 (9,6875) % Zinsen vom 29.11.91 - 31.12.91
10 9/16 (10,6525) % Zinsen vom 27.12.91 - 27.01.92
10,0500 % Zinsen vom 27.01.92 - 27.02.92
10 1/8 (10,1250) % Zinsen vom 27.02.92 - 27.03.92
10 5/16 (10,3125) % Zinsen vom 27.03.92 - 27.04.92
10,2500 % Zinsen vom 27.04.92 - 27.05.92
10 3/16 (10,1875) % Zinsen vom 27.05.92 - 29.06.92
10,2500 % Zinsen vom 29.06.92 - 29.07.92
10,5500 % Zinsen vom 29.07.92 - 31.08.93
10 3/8 (10,3750) % Zinsen vom 31.08.92 - 30.09.92
9 3/8 (9,3750) % Zinsen vom 30.09.92 - 30.10.92
9 3/8 (9,3750) % Zinsen vom 30.10.92 - 15.12.92
9 5/16 (9,3125) % Zinsen vom 26.11.92 - 28.12.92
8,000 % Zinsen vom 30.12.92 - 06.01.93
8,5625 % Zinsen vom 06.01.93 - 08.02.93
8,2500 % Zinsen vom 08.02.93 - 08.03.93
8,2500 % Zinsen vom 08.03.93 - 08.04.93
8,1000 % Zinsen vom 08.04.93 - 10.05.93
7,6000 % Zinsen vom 10.05.93 - 01.06.93
7,6250 % Zinsen vom 01.06.93 - 01.07.93
7,6250 % Zinsen vom 01.07.93 - 15.07.93
7,2500 % Zinsen vom 15.07.93 - 29.07.93
6,8750 % Zinsen vom 29.07.93 - 05.08.93
6,5000 % Zinsen vom 05.08.93 - 19.08.93
6,5000 % Zinsen vom 19.08.93 - 20.09.93
6,6875 % Zinsen vom 20.09.93 - 27.09.93
6,7000 % Zinsen vom 24.09.93 - 08.10.93
6,7000 % Zinsen vom 08.10.93 - 08.11.93
4 % Zinsen ab 08.11.93
zu zahlen.
Die Beklagten tragen je 1/3 der Gerichtskosten und je 1/3 der
außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Die Beklagten tragen ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist gegen jeden der Beklagten gegen Sicherheitsleistung
in Höhe von 2.000.000,00 DM vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz
3in Höhe von insgesamt 4,5 Mio. DM in Anspruch, da diese unter
4Verletzung ihrer Pflichten als ehemalige Vorstandsmitglieder
5der Klägerin der P einen ungesicherten Kredit
6in Höhe von 15 Mio. DM gegeben haben.
7Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft mit einem Grund-
8kapital von 127,6 Mio. DM. Hauptgesellschafterin war zum
9damaligen Zeitpunkt über Zwischengesellschaften die
10P (Bern) mit einer
11Beteiligung von 90 %. Hauptgesellschafter der P
12war der schweizer Kaufmann S, der zwischenzeitlich nach dem
13Zusammenbruch der Holding flüchtig ist.
14Seine Unternehmungen zielten größenteils darauf ab, Unter-
15nehmen zu erwerben, um diese nach einigen Jahren zu ver-
16kaufen. Die hierbei erzielten Gewinne brachten ihm großes
17Ansehen in der Wirtschaft ein. Das schlug sich auch in seiner
18dominierenden Rolle als Aufsichtsratsvorsitzender der
19Klägerin nieder. Seine Erfolge ermöglichten ihm, in der
20Regel seine Vorstellungen im Aufsichtsrat der Klägerin
21durchzusetzen.
22Der dreiköpfige Vorstand der Klägerin bestand damals aus den
23Beklagten zu 1) bis 3). Die Beklagten zu 1) und 2) waren am
2413.11.1989 zu Vorstandsmitgliedern bestellt worden, nachdem sie
25zuvor bereits als Mitarbeiter der P tätig gewesen
26waren. Der Beklagte zu 3) gehörte dem Vorstand seit 1985 an.
27Der Beklagte zu 2) war gleichzeitig Mitglied der General-
28direktion der P in der Schweiz. Hier war er u. a.
29zuständig für "Finanzanalysen".
30Der Beklagte zu 1) hatte mit seiner Berufung in den Vorstand
31seine Tätigkeit bei der P offiziell niedergelegt,
32bezog iedoch einen Teil des Gehalts weiterhin von der P,
33weil er - wie er vorträgt - als schweizer Staats-
34Bürger seine dortige Sozialversicherung und Altersversorgung
35in der Schweiz weiter gesichert haben wollte.
36Die Aufgabenverteilung innerhalb des Vorstandes der Klägerin
37war durch eine Geschäftsordnung des Vorstandes geregelt.
38Danach waren dem Beklagten zu 1) die Geschäftsbereiche
39"Koordination und Information", Controlling, "betriebswirt-
40schaftliche Abteilung" u. a. zugeordnet; dem Beklagten zu 2)
41oblagen die Stäbe "Treasury", "Finanzanalysen und Immo-
42bilien-Strategie" sowie deren Durchführung. Der Beklagte
43zu 3) hatte die Aufgaben "allgemeine Verwaltung", "Rechnungs-
44wesen" und Consolidierung", "Bauabteilung", die "Haus- und
45Grundstücksverwaltung" sowie "Kraftwirtschaft, Steuern und
46Schiffahrt mit Beteiligungen" wahrzunehmen.
47Die grundsätzlichen Zuständigkeitsregelungen sind in der
48Satzung der Klägerin vom 29.06.1990 enthalten. Hier heißt es
49u. a. in
50§ 10
51Besondere Zuständigkeit
521. Für die Übernahme der nachfolgenden Geschäfte, deren
53Gegenstandswert im Einzelfall die vom Aufsichtsrat fest-
54gelegte Grenze überschreitet, bedarf der Vorstand der
55Zustimmung des Aufsichtsrats:
56...
57...
58g) Gewährung von Darlehen und sonstigen Krediten außerhalb
59des üblichen Geschäftsbetriebes;
60...
61Vorsitzender des Aufsichtsrats war - wie erwähnt -
62der schweizer Kaufmann S, Mitglied des Aufsichtsrats war
63H, der zugleich Verwaltungsratsmitglied der P
64war und gegen den die Klägerin in dem abgetrennten
65Verfahren eine Schadensersatzforderung in Höhe von 1,5 Mio.
66DM geltend macht.
67Der Darlehnsvergabe, auf die die Schadensersatzforderung
68gründet, war folgendes Geschehen vorausgegangen:
69Im September 1990 beschloß der Vorstand der Klägerin auf
70Veranlassung der P, von der P2, einer Tochtergesellschaft der P, deren
71Mitbeteiligung an der M2 (M2) zum
72Preis von 90 Mio. GBP zu erwerben. In der folgenden Auf-
73sichtsratssitzung vom 19.10.1990 billigte der Aufsichtsrat
74diesen Erwerb unter der Bedingung, daß ein unabhängiges Gut-
75achten die Angemessenheit des Kaufpreises bestätige.
76Am 30.10.1990 schlossen die Beklagten einen Kaufvertrag über
773 Aktien a $ 1,00 der J7 (Cayman-
78Islands). Die J7, vermittelte über die O2
79(Honkong) Beteiligungen an der J (J),
80die "wiederum Beteiligungen an der M2 hielt.
81Unter dem 27.11.1990 ging dem Vorstand der Klägerin eine
82sogenannte "Fairness opinion" der Wirtschaftsprüfer D2,
83London, über die Angemessenheit der M2-Transaktion
84zu. Hierin führten die Wirtschaftsprüfer u. a. aus, daß sie
85"- wie vereinbart weder so etwas wie eine Wirtschafts-
86prüfung bei J7, O2 oder J durchgeführt noch die
87geschäftlichen Unterlagen dieser Firmen untersucht" hätten.
88Ihre Meinung beruhe "ausschließlich auf Besprechungen mit Vor-
89standsmitgliedern und Mitarbeitern der P2-
90Unternehmensgruppe, von denen zwei ebenfalls
91Direktoren von J seien"...
92Die vorgelegte "Fairness opinion" erklärte die gesamte Trans-
93aktion, basierend auf diesen Informationen, als "fair".
94Am 29.11.1990 richteten hausintern die Herren K (zu-
95ständiger Projektleiter) und J2 (Leiter der Rechtsab-
96teilung der Klägerin) ein gemeinsames Schreiben an die Be-
97klagten, in welchem sie auf die Einschränkungen der D2-Vorlage
98und die Anforderungen des Aufsichtsratsbe-
99schlusses vom 19.10.1990 hinwiesen.
100Am 11.12.1990 wurde - da der Vertrag vom 30.10.1990 sich als
101unwirksam herausgestellt hatte - ein neuer Kaufvertrag über
102den Erwerb der M2-Anteile unter Einschaltung der eigens
103hierfür gegründeten J4 unter der
104aufschiebenden Bedingung einer Aufsichtsratsgenehmigung ge-
105schlossen. In seiner Sitzung vom 13.12.1990 genehmigte der
106Aufsichtsrat gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertreter
107diesen Erwerb. In derselben Sitzung erklärten die Beklagten
108in ihrem Vorstandsbericht, daß derzeit keine Liquiditäts-
109überschüsse bei der Klägerin vorhanden seien, da der Kredit-
110rahmen von 240,5 Mio. DM vollständig in Anspruch genommen
111worden sei.
112Kurze Zeit später, im Januar 1991, stellte sich heraus, daß
113die M2-Gruppe sich in erheblichen wirtschaftlichen
114Schwierigkeiten befand.
115Die Beklagten zu 1) und 3) schrieben deshalb unter dem
11601.02.1991 (Blatt 602 d. A.) an das Aufsichtsratsmitglied
117H:
118Insbesondere bedingt durch den Golfkrieg hat die Branche
119zunehmend mit erheblichen Einbrüchen im Passagierauf-
120kommen zu kämpfen. Dies hatte auch für die M2-Gruppe
121zur Folge, das geplante Leasingoperationen nicht mehr
122programmgemäß durchgeführt werden konnten.
123Die M2 hat deshalb die Kapitalbasis mit dem Einver-
124ständnis unseres Aufsichtsratsvorsitzenden um GBP
12590 Mio. sehr bedeutend erweitert. GBP 40 Mio. neue Bar-
126mittel werden von Aktionären und weitere GBP 50 Mio.
127durch Umwandlung von Bankkrediten in Kapital durch die
128M4 Bank (Hauptbank der M2) zur Verfügung ge-
129stellt...."
130Um den wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu begegnen, sollte
131die Klägerin auf Veranlassung der P einen viel-
132fachen Millionenbetrag zur Sanierung der M2 leisten. In
133einem persönlichen Gespräch des Aufsichtsratsvorsitzenden L
134mit dem Beklagten zu 3) riet dieser hiervon ab.
135Streitig ist, ob er in diesem Gespräch auch davon abgeraten
136hat, der P unmittelbar einen Kredit zu geben.
137Jedenfalls schrieb L unter dem 11.02.1991 an den Vorstand
138der Klägerin folgendes:
139"J
140Sehr geehrte Herren,
141ich danke Ihnen für Ihren Brief vom 01.02.1991 und möchte wie
142folgt dazu Stellung nehmen:
143In Übereinstimmung mit meiner Haltung anläßlich des
144Telefongespräches von Ende Januar mit den Herren
145J6 und S3, als es um die erste
146Orientierung über die Probleme in England ging, möchte
147ich Sie bitten, das Engagement von J3 in diesem Ge-
148schäft nicht zu erhöhen, bis der Aufsichtsrat einen
149neuen Beschluß gefaßt hat.
150Auf der J3 Aufsichtsratssitzung vom 11. März 1991
151ist eine eingehende Orientierung fällig, die u. a. be-
152inhalten sollte:
153... - Kreditlinien mit Angabe der Sicherheiten, Fällig-
154keiten und wesentlichen Convenants
155Im Hinblick auf die Welle negativer Publizität muß auch
156die allgemeine Lage von J3 eingehend geprüft
157werden, vor allem im Hinblick auf die Liquidität und die
158Vorkehren bei Kreditkündigungen von Banken.
159Ich danke Ihnen für Ihren Einsatz in dieser schwierigen
160Zeit."
161Die Beklagten sahen - insbesondere auf Betreiben des Be-
162klagten zu 3.) - daher auch davon ab, unmittelbar Gelder in
163dieses Projekt zu stecken. Es wurde vielmehr vereinbart, der
164P ein kurzfristige Darlehen in Höhe von 15 Mio.
165DM zu gewähren. Diese sollte dann das Geld an die J weiter-
166leiten und damit das Insolvenzrisiko übernehmen.
167Im einzelnen erfolgte die Kreditvergabe wie folgt:
168Die Beklagten zu 1) und 2) beschlossen die Kreditvergabe und
169unterrichteten den Beklagten zu 3) hiervon. Der Beklagte
170zu 2) übersandte am 04.02.1991 eine "Zahlungsinstruktion"
171(Anlage 2), auf die der Beklagte zu 3) "o. K. S3"
172schrieb, nachdem er zunächst zwischen 9.05 Uhr und 9.33 Uhr
173mit seinen beiden Vorstandskollegen eine telefonische Unter-
174redung wegen des Kredits gehabt hatte.
175Das der P gegebene, als "time-deposit" deklarierte
176Darlehn war mit 10 % zu verzinsen und konnte mit 48stündiger
177Frist gekündigt werden. Sicherheiten waren nicht verlangt
178worden.
179Die liquiden Mittel wurden dadurch beschafft, daß die Be-
180klagten in einem Optionsgeschäft über den Verkauf von Be-
181teiligungen an der C3 sich diesen Betrag, zahlbar zum
18204.02.1991, versprechen ließen. Der Verkauf dieser Anteile
183war schon längere Zeit geplant und erfolgte mit Billigung
184des Aufsichtsrats. Die Zustimmung der Aufsichtsratsmitglieder
185war im schriftlichen Umlaufverfahren am 29.01.1991 und
18604.02.1991 erfolgt. Am 04.02.1991 wurde die 1. Rate von
18715. Mio. DM an J3 gezahlt.
188Zeitlich parallel zu diesem Vorgang hatte die Klägerin ge-
189wisse Schwierigkeiten mit einem von dem Bankhaus U
190gewährten Kredit:
191Am Freitag, den 01.02.1992, hatte die Klägerin einen Anruf
192des Herrn S2, Angestellter des Bankhauses, erhalten, in welchem auf
193die Rückzahlung von 15 Mio. DM aus einem am 04.02.1991 aus-
194laufenden 30 Mio. Kredit bis zum nächsten Werktag, dem
19504.02.1991, hingewiesen wurde. Der Gesprächspartner der
196Klägerin, damalige Finanzprokurist L3, fertigte hierüber
197einen Vermerk (K 17), der für die Beklagten zu 1) bis 3)
198bestimmt war. Hierin heißt es:
199Am 04.02.1991 stehen die gezogenen 30 Mio. DM zur Ver-
200längerung an. Heute morgen 8.20 Uhr erhielt ich einen
201Anruf von Herrn S2, U.
202Er teilte mir mit, daß das Engagement U bei P und
203J3 mittlerweile so hoch geworden sei, daß am
20404.02.1991 eine Teilrückzahlung von 15 Mio. DM seitens
205J3 erforderlich sei. Desweiteren wünscht U,
206verunsichert über die J- und B-Transaktion eine
207Besicherung der verbleibenden 15 Mio. DM. Herr S2
208erwähnte dabei die Möglichkeit, die uns aus dem S5
209- Deal - zufließende Zahlung als Sicherheit zu nehmen.
210S2 erbittet kurzfristige Antwort.
211Am 04.02. fertigte Herr L3 einen weiteren Vermerk,
212bestimmt für die Beklagten zu 1) bis 3) (K 18) in dem es
213heißt:
214Heute morgen, 7.55 Uhr, erhielt ich einen weiteren Anruf
215von Herrn S2, U
216In Ergänzung und Abänderung seines Anrufs von Freitag
217teilte er mir mit, daß die gesamten 30 Mio. DM heute von
218J3 zur Rückzahlung fällig sein.
219Nur dann, wenn keine ausreichende Liquidität vorhanden
220sei, wäre er eventuell für wenige Tage bereit, mit einer
221Besicherung des Restbetrages zufrieden zu sein.
222Wie sollen wir verfahren?.
223Dieses Schreiben will der Beklagte zu 3) erst nach der Dar-
224lehensvergabe am Morgen des 04.02.1991 erhalten haben. Herr
225L3 habe ihn auch nicht vorher hierauf angesprochen.
226Unstreitig ist, daß U am 04.02.1991 ein
227Telefax, eingegangen bei der Klägerin um 14.50 Uhr, schickte,
228in welchem es u. a. heißt:
229Sehr geehrter Herr J6,
230Wir haben Ihnen eine Kreditlinie in Höhe von DM
23130.000,000,-- bis auf weiteres eingeräumt. Diese wird
232nach Rückzahlung von DM 15.000.000,-- am 4.2.1991 zur
233Zeit noch mit 15.000.000,-- genutzt.
234Unter Bezugnahme auf Paragraph 19, Abs. 1 der Allge-
235meinen Geschäftsbedingungen fordern wir Sie auf, in Höhe
236der verbliebenen Inanspruchnahme Sicherheiten zu be-
237stellen. Dies könnte insbesondere durch Verpfändung der
238bereits bei uns in Ihrem Depot lagernden B-Aktien
239erfolgen. Den Text einer Verpfändungserklärung fügen wir
240diesem Schreiben bei.
241Von einer Inanspruchnahme der überschießenden Linie
242wollen Sie vor Bestellung weiterer Sicherheiten absehen.
243Für die Verpfändung vorstehend genannter Aktien haben
244wir uns eine Frist bis zum 6.2.1991 vorgemerkt. Alter-
245nativ dürfen wir Sie zu diesem Zeitpunkt um Rückführung
246der restlichen Inanspruchnahme bitten.
24715 Mio. DM wurden rechtzeitig an U zurückgezahlt.
248Am 05.02 - um 16.58 Uhr - ging ein Schreiben der
249M-Bank (Anlage 24) ein, indem es
250u. a. heißt:
251Inzwischen erreichten uns über die Presse irritierende
252Nachrichten wie z. B. Berichte über die von der P
253übernommene M2-Beteiligung.
254Noch unter dem 12.12.1990 hatten Sie uns mitgeteilt,
255J3 unterstreiche "mit dieser Transaktion seine aktive
256unternehmerische Neuausrichtung auf das europäische
257Merchant-Banking-Geschäft". "Dieser Neuerwerb ist eine
258interessante und substanzstarke Erweiterung in unserem
259Unternehmensportefeuille", versicherten Sie uns weiter.
260Schon kurze Zeit danach wird M2 in der Presse als
261sanierungsreifes Unternehmen dargestellt (z. B. Observer
262vom 3.2.1991). Von Bedeutung ist hierbei, daß M2 offen-
263bar kein freiakquiriertes Engagement, sondern Teil einer
264Gruppentransaktion ist. Für uns ist deshalb von Be-
265deutung, ob und inwieweit sich seit der Mitte des
266letzten Jahres die Geschäftspolitik von J3 ge-
267ändert hat.
268Unsere Sorge wird vertieft durch die anhaltende negative
269Presse über Liquidationsschwierigkeiten der P. Des-
270halb benötigen wir kurzfristig detaillierte Informa-
271tionen über die inzwischen getätigten Geschäfte zwischen
272der P-Gruppe und der J3-Gruppe.
273In den Kreditverhandlungen wurde Ihrerseits deutlich
274gemacht, die J3-Gruppe werde ihr Grundvermögen
275nicht belasten. Zur Unterstreichung dieser Absicht
276bitten wir Sie, sich uns gegenüber in einer Negativ-
277erklärung zu verpflichten, Grundvermögen ohne unsere
278Zustimmung nicht zu belasten, solange ein Kreditver-
279hältnis besteht.
280Wir bitten um Verständnis, daß wir nach § 18 des Kredit-
281wesengesetzes verpflichtet sind, die wirtschaftlichen
282Verhältnisse wichtiger Kreditnehmer fortlaufend zu über-
283prüfen, insbesondere dann, wenn ungünstige Nachrichten
284bekannt werden. Bei einer wesentlichen Verschlechterung
285des Vermögens eines Kreditnehmers müßten wir Sicher-
286heiten einfordern oder notfalls die Rechtsfolgen nach
287Nr. 17 unserer Allgemeinen Geschäftsbedingungen herbei-
288führen. Deshalb liegt es in unserem gemeinsamen
289Interesse, wenn Sie uns kurzfristig folgende Fragen
290beantworten würden:
2911. Von welchen wirtschaftlichen Erwägungen hat sich die
292J3 bei der M2-Transaktion leiten lassen?
2932. Wie hoch war der Kaufpreis?
2943. Lag der Veräußerung ein Wertgutachten zugrunde und
295können Sie uns eine Kopie dieses Gutachtens zur Ver-
296fügung stellen?
2974. Werden mit dem Geschäft Interessen der P-Gruppe
298verfolgt oder entspricht es einem normalen Drittge-
299schäft? .Gibt es Verknüpfungen mit anderen Trans-
300aktionen?
3015. Welche Probleme bestehen bei M2, und lassen sie sich
302mit zusätzlichen Finanzmitteln lösen? Wie hoch ist
303der Anteil von J3 an der beabsichtigten
304Kapitalerhöhung?
3056. Gibt es seit Mitte des letzten Jahres andere Gruppen-
306geschäfte zwischen Pund J3, liegen sie voll
307im Interesse von J3 und sind weitere beabsichtigt?
308Wir bitten um Verständnis, daß wir entsprechend Ziff. 13
309des Darlehensvertrags den Wunsch nach Unterrichtung über
310die aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse vorbringen
311müssen.
312In den folgenden Tagen überschlugen sich die Ereignisse. Am
31307.02.1991 fand eine Vorstandsbesprechung statt, über die es
314im Protokoll heißt (A 25):
315Herr J6berichtete über das Gespräch bei U
316am 5. Februar 1991, an dem Herr J7 und er
317teilgenommen haben:
318Der Ernst der Situation zwingt zu folgenden Maßnahmen,
319die bereits mit dem AR-Vorsitzenden abgesprochen worden
320sind:
321- Die Akquisition M2/J wird rückgängig gemacht. Alle
322notwendigen Maßnahmen für die Rückabwicklung werden
323vorbereitet und eingeleitet.
324- Das Vertragswerk mit D wird abgetreten. D hat
325ohnehin den Put von J3 nicht akzeptiert.
326Vorbereitung der Texte durch Herrn J2.
327- Ein Liquiditätsstatus muß erstellt werden; Lösungen
328für die Rückzahlungen der Kredite müssen gefunden
329werden. Eine Kreditrückzahlung hatte U
330gefordert. Die M-Bank hat die Rückforderung massiv angedroht, sofern
331nicht ihr Wissensdurst zur Zufriedenheit gestillt
332würde. Die X-Bank hat ebenfalls mit einer
333Kündigung gedroht; die E-Bank wünschte zusätzliche
334Informationen etc.
335Am selben Tage entschloß sich der Vorstand, an die Banken
336wegen der Bildung eines Bankenpools zum Zwecke der Um-
337schuldung und Besicherung der Kredite heranzutreten.
338In den folgenden Tagen häuften sich die Nachrichten in der
339Presse über die finanziellen Probleme der P und des
340Herrn S
341Gleichwohl wurden der P von mehreren Banken,
342insbesondere schweizer Banken, weitere Kredite eingeräumt.
343Dies verhinderte jedoch nicht, daß die P in
344Vermögensverfall geriet.
345Am 07.03.1990 verlangte die Klägerin offiziell die Rück-
346zahlung des gewährten Darlehens, allerdings vergeblich.
347Sie nimmt deshalb die Beklagten zu 1) bis 3) und im abge-
348trennten Verfahren das Aufsichtsratsmitglied H auf
349Schadensersatz in insgesamt von 6 Mio. DM in Anspruch, und
350zwar den Beklagten zu 1) für den ersten Teilbetrag von
3511,5 Mio. DM, den Beklagten zu 2) für den zweiten Teilbetrag
352von 1,5 Mio. DM und den Beklagten zu 3) für den dritten Teil-
353betrag von 1,5 Mio DM und in dem abgetrennten Verfahren das
354Aufsichtsratsmitglied H für den vierten Teilbetrag
355von 1,5 Mio. DM.
356Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagten zu 1) bis 3)
357hätten nicht die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissen-
358haften Kaufmanns angewendet, als sie der P ein Darlehen
359über 15 Mio. DM ohne Bestellung von Sicherheiten und ohne die
360ausdrückliche Aufsichtsratsgenehmigung gewährt hätten. Sie
361seien nach der Satzung der Klägerin verpflichtet gewesen,
362dieses Geschäft zur Zustimmung dem Aufsichtsrat vorzulegen.
363Außerdem verstoße die Darlehensgewährung gegen § 57 AktG. Sie
364stelle eine unzulässige Einlagenrückgewähr dar, da eine an-
365gemessene Sicherheit von der P nicht gegeben worden sei. In
366der unzulässigen Einlagenrückgewähr sei zugleich eine steuer-
367rechtlich und zum Schadensersatz verpflichtende verdeckte
368Gewinnausschüttung an die Hauptgesellschafterin, der P,
369zu sehen. Deshalb sei sie auch - wie unstreitig
370ist - wegen verdeckter Gewinnausschüttung steuerlich mit über
3718 Mio. DM belastet worden.
372Die Klägerin behauptet, die Beklagten hätten bei Hingabe des
373Darlehens von der "finanziellen Schieflage" der P
374gewußt, zumindest aufgrund negativer Presseartikel wissen
375müssen. Außerdem habe der damalige Sachbearbeiter L3
376vor Darlehenshingabe - wie bereits ausgeführt - auf die
377Liquiditätsprobleme und insbesondere auf die Gespräche mit
378der U- Bank hingewiesen (Beweisangebot:
379L3). Darüber hinaus seien die Kreditlinien der Klägerin
380in Höhe von 240,5 Mio. DM zu diesem Zeitpunkt bereits voll in
381Anspruch genommen worden (Beweisangebot: M3).
382Im übrigen meint die Klägerin, die Beklagten hätten
383spätestens mit Kenntniserlangung des Telefaxes des Bankhauses
384U am 04.02.1991 um 14.50 Uhr sofort einen
385Vorstandsbeschluß auf Rückführung des Darlehens und die
386Kündigung des Darlehens herbeiführen müssen. Eine Rückzahlung
387wäre auch zu erwarten gewesen, da die U - Bank in E
388noch am 20.02.1991 einen Kredit von
389mehreren Millionen DM zurückbezahlt bekommen habe.
390Die Klägerin beantragt dementsprechend,
391jeden der Beklagten zu verurteilen, an sie einen Betrag
392von jeweils 1,5 Mio. DM nebst im einzelnen angebener
393Zinsen seit dem 01.08.1991 zu zahlen.
394Die Beklagten beantragen,
395die Klage abzuweisen.
396Die Beklagten zu 1) und 2) rügen die internationale
397Zuständigkeit der erkennenden Kammer und bestreiten ein
398Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Klage. Der Beklagte
399zu 2) hat ausdrücklich betont, daß er sich deshalb nicht zur
400Sache einlasse. Er trage nur im Hinblick darauf vor, daß er
401auch nur eine in Deutschland vollstreckbare Entscheidung
402vermeiden möchte.
403Sämtliche Beklagte machen den Einwand der unzulässigen
404Rechtausübung geltend, weil gerade sie in rechtsmißbräuch-
405licher Weise in Anspruch genommen würden und die Klägerin damit
406gegen § 421 BGB verstieße.
407Im übrigen bestreiten sie, von der "finanziellen Schieflage"
408der P gewußt zu haben. Sie hätten keinen Einblick
409in die Geschäftslage der P gehabt. Daß die P
410zu diesem fraglichen Zeitpunkt und auch später in
411internationalen Bankkreisen noch über eine uneingeschränkte
412Bonität verfügt hätte, zeigten die ihr noch eingeräumten
413Kredite. So hätte
414die L2 am 28.02.1991 einen Kredit über 27,7 Mio. Schweizer Franken,
415die S4 am 28.02.1991 über 51 Mio. Schweizer Franken,
416die M-Bank am 27.02.1991 über 21 Mio. Schweizer Franken,
417die C-Bank am 25.02.1991 über 31,1 Mio. Schweizer Franken,
418die C2-Bank am 19.02.1991 ein Darlehen über 21,3 Mio. Schweizer Franken
419gewährt. Selbst im März 1991 seien noch umfangreiche Darlehen
420zur Verfügung gestellt worden ( Einzelheiten siehe Blatt 131 d. A.).
421Sie seien vor Hingabe des Darlehens auch nicht über die
422Schwierigkeiten mit der U- Bank unter-
423richtet gewesen.
424Im übrigen seien Gruppengeschäfte innerhalb des Konzerns in
425der Aufsichtsratsitzung vom 21.02.1990 im Zuge der Neuaus-
426richtung hin zur Merchant-Banking generell genehmigt worden
427(Beweisangebot: Niederschrift der Aufsichtsratssitzung vom
42821.01.1991 und Zeugnis des Herrn L).
429Zum Beweise dafür, daß Kredite in dieser Art auch außen-
430stehenden Dritten gegenüber gewährt worden seien, führt der
431Beklagte zu 3) an, daß die J5 Caymen Islands
432an den R, Caymen Islands, am
43312.07.1990 ein Darlehen über 28,277 Mio. DM gegeben habe,
434das bis zum 01.12.1990 befristet und mit 10,125 % pa. zu
435verzinsen gewesen wäre. Auch dieses Darlehen sei - wie es der
436Geschäftsüblichkeit entspreche - ohne Sicherheiten gewährt
437worden (Anlage B 18). Im übrigen sei die Liquidität der
438Klägerin im Zeitpunkt der Darlehenshingabe durch den Verkauf
439der C3-Aktien gewährleistet gewesen. Die Kreditlinie sei
440noch lange nicht ausgeschöpft gewesen (Beweisangebot: Zeugnis
441L3 und L). Gleichzeitig habe man über ein Tages-
442festgeld in Höhe von 18 Mio. DM verfügt (Beweisangebot:
443M3). Bedenken wegen der Rückzahlung durch die P
444hätten sich schon deshalb nicht ergeben, weil bereits früher
445gewährte Darlehen pünktlich zurückgezahlt worden seien.
446Unstreitig ist insoweit, daß zwei im Dezember fällig ge-
447wordene Darlehen, über 255.526,07 Britische Pfund und über
44815.237.500,00 US-$, durch Verrechnung mit dem Kaufpreis der
449Anteile in dem Komplex J/M2 zurückgezahlt worden sind.
450Die Beklagten weisen ferner daraufhin, daß die Liquidität der
451P nicht in Zweifel gestanden habe. Es sei nämlich
452bekannt gewesen, daß diese einen großen Teil ihrer liquiden
453Mittel im Ankauf von B-Aktien gebunden gehabt hatte. Durch
454die Pressemitteilung der Holding vom 17.01.1991, aber auch
455aus internen Papieren habe der Vorstand noch vor dem
456O4.02.1991 erfahren, daß der Verkauf der B-Aktien an die
457D-Holding unmittelbar bevorstehe (Vorlage der Presse-
458mitteilung vom 17.01.1991 Anlage B 19). Der Vorstand hätte
459daher davon ausgehen können, daß der P vielleicht am
46004.02.1991 keine ausreichenden liquiden Mittel zur Verfügung
461ständen, um in dem J/M2-Komplex ein Darlehen über 15 Mio.
462DM zu gewähren, die Liquidität der Holding in den nächsten
463Tagen und Wochen sei jedoch gesichert gewesen.
464Unstreitig ist, daß P ihren Anteil an B von 53 % der
465stimmberechtigten Kapitals an die D-Holding AG, C,
466eine Tochter der B3, T,
467verkaufte und gleichzeitig 48 % des Aktienskapitals der D
468Holding erwarb, während B3 einen gleich großen Anteil des
469D-Aktienkapitals hielt. Der endgültige Vollzug der Ver-
470einbarungen stand allerdings noch unter dem Vorbehalt der
471kartellrechtlichen Genehmigung durch die EG-Kommission.
472Tatsächlich ist das Geschäft Ende März 1991 mit anderen
473Partnern und zu deutlich schlechteren Konditionen durchge-
474führt worden.
475Im übrigen - so der Vortrag des Beklagten zu 3) - seien be-
476reits Anfang Februar 1991-zuverlässige Prognosen für den
477Jahresabschluß 1990 vorhanden gewesen. Man hätte davon aus-
478gehen können, daß eine Dividende zwischen 26 und 30 % an die
479P ausgeschüttet werden würde. Allein aus der
480Ausschüttung dieses Gewinns wären der Holding 30 Mio. DM
481zugeflossen.
482Aus den von der Klägerin vorgelegten Presseberichte habe man
483keine negativen Schlußfolgerungen ziehen können. Die übrigen
484Presseberichte seien durchaus positiv gewesen.
485Der Beklagte zu 3) weist zusätzlich daraufhin, daß die Ent-
486scheidung über die Darlehnsgewährung nicht in sein Vorstands-
487ressort gefallen sei. Es sei ihm auch nicht möglich ge-
488wesen, den Vorstandsbeschluß rückgängig zu machen. Eine früh-
489zeitige Kündigung des Darlehns - die erfolgt sei - sei schon
490deshalb erfolglos gewesen, weil die P Holding weder vor
491noch nach der Darlehnshingabe finanzielle Mittel zu einer
492Rückzahlung gehabt hätte.
493Die Beklagten bestreiten schließlich die Höhe des Forderungs-
494ausfalls sowie den Zinsanspruch dem Grunde und der Höhe nach.
495Hinsichtlich der Höhe des Schadens hat die Kammer Beweis
496erhoben durch Einholung einer schriftlichen Auskunft der
497Liquidatoren D2. Auf die beiden Rechenschaftsberichte
498wird Bezug genommen.
499Entscheidungsgründe
500Die Klage ist zulässig (siehe unten A) und begründet (siehe
501unten B):
502A
5031. Die Klägerin ist im vorliegenden Verfahren durch ihren
504Aufsichtsrat wirksam vertreten (BGH WM 1991, 941, 942,
505Rellermeyer in ZBR 1993 Seite 79 ff.). Die frühere Recht-
506sprechung, nach der der Vorstand zur gerichtlichen Ver-
507tretung gemäß § 78 AktG berufen ist, wenn es um Ansprüche
508gegen ein ausgeschiedenes Mitglied des Vorstandes geht,
509ist überholt. Ein folgerichtiges System für die Vertretung
510der Gesellschaft gegenüber künftigen, amtierenden oder
511ehemaligen Vorstandsmitgliedern läßt sich nur durch eine
512umfassende Anwendung des § 112 AktG erzielen. Die Zu-
513teilung der Vertretungsmacht kann nur im Rahmen eines
514klaren und einfachen Systems folgen, bei dem die Gesichts-
515punkte des Einzelfalles außer Betracht zu bleiben haben.
516Steht der Klageanspruch im Zusammenhang mit der ehemaligen
517Anstellung als Vorstandsmitglied, so obliegt die Ver-
518tretung der Gesellschaft dem Aufsichtsrat (Rellermeyer
519a.a.O. mit weiteren Zitaten).
5202. Die erkennende Kammer ist zuständig - auch soweit die
521Beklagten zu 1) und 2) schweizer Staatsangehörige sind.
522Die Frage der Zuständigkeit ist nach deutschem Recht zu
523prüfen (BGH NJW 1976, 1581). Die internationale Zuständig-
524keit unterscheidet sich zwar ihrem Wesen und nach ihrer
525Funktion von der örtlichen Zuständigkeit (BGH NJW 1979
5261104). Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung
527folgt sie jedoch grundsätzlich deren Regeln (BGHZ 69, 730,
52844, BGHZ 80, 1, 3, BGHZ 94, 157). Soweit daher nach den
529Vorschriften der §§ 12 ff. ZPO über den Gerichtsstand ein
530deutsches Gericht zuständig ist, liegt - wenn keine ab-
531weichenden Vorschriften bestehen - gleichzeitig die er-
532forderliche internationale Zuständigkeit vor (BGHZ 63,
533219, 220).
534Die Zuständigkeit des Landgerichts Dortmund folgt aus § 29
535ZPO. Danach bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach
536dem Erfüllungsort des Vertragsverhältnisses. Die Haftung
537der ehemaligen Vorstandsmitglieder knüpft an ihre organ-
538schaftliche Sonderrechtsbeziehung zwischen ihnen und der
539Gesellschaft an. Auf ein solches, nicht gesetzlich be-
540gründetes Pflichtverhältnis ist § 29 ZPO anwendbar (BGH DB
5411992, Seite 830). Hierfür spricht insbesondere auch, daß
542die den Beklagten vorgeworfene Verletzung der Organ-
543pflichten zugleich einen Schadensersatzanspruch aus posi-
544tiver Vertragsverletzung durch schuldrechtlichen An-
545stellungsvertrages begründet, für den unstreitig § 29 ZPO
546gilt. Die Begründung eines abweichenden Gerichtsstandes
547hätte ein Auseinanderfallen der örtlichen Zuständigkeit
548trotz desselben Streitgegenstandes zur Folge. Da die
549Klägerin ihren Sitz in Dortmund hat, hatten die Beklagten
550auch dort ihre Aufgaben zu erfüllen, so daß die örtliche
551Zuständigkeit und damit zugleich die internationale ge-
552geben ist.
5533. Bedenken gegen die Bestimmtheit des Klageantrags bestehen
554nicht.
555Die Klägerin hat eindeutig durch ihre Anspruchsstaffelung
556zu erkennen gegeben, welchen Teilbetrag sie jeweils als
557Schadensersatzforderung gegen die Beklagten geltend macht.
558Sie begehrt insgesamt 6 Mio. DM, davon den ersten Teilbe-
559trag von 1,5 Mio. DM von dem Beklagten zu 1), den zweiten
560Teilbetrag von 1,5 Mio. DM von dem Beklagten zu 2), den
561dritten Teilbetrag von 1,5 Mio. DM von dem Beklagten zu 3)
562und den vierten Teilbetrag von 1,5 Mio. DM von dem nunmehr
563gesondert verklagten Aufsichtsratmitglied H. Der
564jeweilige Anspruch ist auf die Darlehnsgewährung vom
56504.02.1991 und damit verbundenen Ausfall vom Konkursver-
566fahren der P gestützt, hilfsweise auf die gegen
567die Klägerin geltend gemachte Steuernachzahlung des
568Finanzamtes in Höhe von 7,3 Mio. DM wegen verdeckter Ge-
569winnausschüttung.
570Bedenken bestehen auch nicht, weil die Klägerin in dem
571Verfahren 10 0 221/91 (S3 gegen J3) die
572Hilfsaufrechnung mit Schadensersatzforderungen
573gegen mögliche Ansprüche des Beklagten zu 3) erklärt hat,
574da sie mit dem Zinsanspruch aus einem Ersatzanspruch für den
575Zeitraum vom 01.03.1991 bis zum 31.07.1991 aufgerechnet
576hat und im vorliegenden Verfahren lediglich Zinsen ab dem
57701.08.1991 geltend gemacht werden.
5784. Die Beklagten zu 1) und 2) können auch nicht damit gehört
579werden, daß wegen mangelnder Vollstreckbarkeit ein
580Rechtsschutzinteresse für die Kläger nicht gegeben sei.
581Das Gericht hatte nicht zu prüfen, ob eine Vollstreckung
582aufgrund internationaler Vereinbarungen aus einem
583deutschen Urteil in der Schweiz möglich ist. Die Klägerin
584hat - auch wenn eine solche Vollstreckungsmöglichkeit
585nicht gegeben sein sollte - ein berechtigtes Interesse an
586einem Urteil. Abgesehen davon, daß es den Beklagten auch
587als schweizer Bürgern unbenommen bleibt, die Konsequenzen
588eines deutschen Urteils zu akzeptieren, besteht die
589theoretische Möglichkeit, gegebenenfalls auf inländisches
590Vermögen zurückzugreifen. Nicht auszuschließen ist auch,
591daß - selbst wenn ein deutsches Urteil zur Zeit nicht in der
592Schweiz vollstreckt werden kann - die Rechtslage sich im
593Laufe der folgenden Jahre ändert.
5945. Dadurch, daß die Klägerin die Beklagten und das gesondert
595verklagte Aufsichtsratsmitglied Hin Anspruch
596nimmt, kann ihr nicht vorgeworden werfen, in rechtsmiß-
597bräuchlicher Weise gegen die Auswahlfreiheit des § 421 BGB
598verstoßen zu haben. In der Literatur wird teilweise unter
599Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH die Ansicht ver-
600treten, daß ein Vorstandsmitglied Anspruch auf die Treue
601und Fürsorge der Gesellschaft habe, wenn seine persönliche
602und wirtschaftliche Existenz betroffen sei (Henze, Höchst-
603richterliche Rechtsprechung zum Aktienrecht 1992,
604Seite 112). Der BGH hat insoweit entschieden, daß der An-
605stellungsvertrag eine Treuepflicht gegenüber dem Organ
606schaffen könne, obwohl dieses rechtlich nicht als Arbeit-
607nehmerverhältnis zu qualifzieren sei (BGHZ 10, 192, BGH
60815, 77, BGH 49, 32). Dabei hat er jedoch immer herausge-
609stellt, daß die Treuepflicht nicht die Intensität des
610Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer besitzt. Dies
611beruhte auf der grundlegenden Überzeugung der Recht-
612sprechung, daß ein Vorstandsmitglied in seiner autonomen
613Leitungsbefugnis nach § 76 AktG nicht als Arbeitnehmer zu
614qualifizieren sei (BGH a.a.O., BGH BM 1988 Seite 299).
615Auch die vom Beklagten zu 3) zitierte Rechtsprechung des
616Bundesarbeitsgerichts und dem Oberverwaltungsgerichts
617Münster ist hier nicht einschlägig. In der letzteren Ent-
618scheidung (OVG Münster NVwZ 1992, 597, 599) handelt es
619sich um den Fall eines Beamten, bei dem aufgrund von
620Artikel 33 GG andere Regelungen und Grundsätze zur An-
621wendung kommen. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
622(BAGE 18, 190, 200), behandelt einen Fall mit Drittbe-
623teiligung, indem das Gericht als Kernaussage feststellt,
624daß sich der Arbeitgeber unter Fürsorge der Gesichtspunkte
625zunächst an den Dritten zu halten habe. Aber das gilt auch
626hier im vorliegenden Falle nicht, da eine haftungsrecht-
627liche Drittbeteiligung nicht zur Diskussion steht.
628Im übrigen dient die Vorschrift des § 93 AktG, auf den
629sich die Klage stützt, auch dem Gläubigerschutz. Es könnte
630deshalb sogar eine Pflichtwidrigkeit der Klägerin dar-
631stellen, wenn diese es unterlassen würde, die Vorstands-
632mitglieder zur Verantwortung zu ziehen, selbst wenn
633weitere Organmitglieder des Aufsichtsrates im Zusammenhang
634mit der Darlehnsgewährung pflichtwidrig gehandelt hätten.
635Sie hat im Hinblick auf das bestehende Prozeßrisiko auch
636ihren Aktionären gegenüber zur Verpflichtung, den Kreis
637der Beklagten nicht ohne sachlichen Grund auszuweiten.
638Abgesehen davon hat die Klägerin ihren Anspruch ohnehin
639jeweils nur auf einen Teilbetrag gegenüber den Beklagten
640beschränkt und nicht willkürlich einen der Beteiligen auf
641den vollen Schadensersatz in Anspruch genommen.
642B
643Die Beklagten sind gemäß § 93 Abs. 2, Abs. 1 (siehe unten l)
644und Abs. 3, 5 1 AktG (siehe unten II) zum Ersatz des durch
645die Darlehnshingabe der Klägerin entstandenen Schadens ver-
646pflichtet. Die gesetzlichen Regelungen nach §§ 311 ff. AktG
647stehen der Haftung nicht entgegen (siehe unten III).
648Ob eine Haftung der Klägerin allein schon deshalb gegeben
649ist, weil möglicherweise der Aufsichtsrat der Darlehnsge-
650währung nicht zugestimmt hat, kann dahingestellt bleiben
651(siehe unten V).
652l.
653Nach § 93 Abs. 2 hat ein Vorstandsmitglied, das seine
654Pflichten verletzt, den der Gesellschaft entstandenen Schaden
655zu ersetzen. Eine Pflichtverletzung liegt vor, wenn die Vor-
656standsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt
657eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters ver-
658letzten. Zu entscheiden war daher, wie ein pflichtbewußter
659selbständig tätiger Leiter eines Unternehmens der konkreten
660Art, der fremden Vermögensinteressen verpflichtet ist, zu
661handeln hat (vgl. OLG Koblenz ZEP 1991, 871, Hefermehl in
662Geßler/Hefermehl AktG, § 93 Rn. 10 ff., Mertens in Kölner
663Kommentar, AktG, § 93 RZ 6, Pfeffer, AktG, § 93 RZ 4).
664Durch die Hingabe des als "time-deposit" deklarierte Darlehn
665vom 04.02.1992 an die P ohne die Bestellung einer
666Sicherheit haben die Beklagten nach Ansicht der Kammer diese
667ihr obliegende Pflicht verletzt, da sie bei der Darlehns-
668hingabe den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Konzern-
669finanzierung zuwider gehandelt haben.
670Es besteht zwar kein Zweifel daran, daß konzerninterne Dar-
671lehn einen wesentlichen Bestandteil der konzerninternen
672Finanzierung bilden können. Im Rahmen der Kapitalversorgungs-
673funktion dienen sie dem schnellen und unkomplizierten Trans-
674fer von Liquidität. Sie können deshalb ein bedeutender Faktor
675im Rahmen der Konzernfinanzierung sein (Eichholz, Das Recht
676konzerninterner Darlehn II, 1993, Seite 208). Die Ausnutzung
677des sogenannten Leverage-Effekts - die Erhöhung der Eigen-
678kapitalrentabilität durch Fremdfinanzierung - ist legitim und
679kann wirtschaftlich sinnvoll sein.
680Das kann jedoch dann nicht gelten, wenn sich der Darlehns-
681nehmer in derartig großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten
682befindet, daß mit einer Rückzahlung des Darlehns nicht zu
683rechnen ist.
684Unstreitig befand sich die P in solch wirtschaft-
685lichen Schwierigkeiten. Das Gericht ist der Ansicht, daß die
686Beklagten bei Darlehnshingabe hiermit hätten rechnen müssen
687und deshalb Gelder nur gegen ausreichende Sicherheiten als
688Darlehn hätten geben dürfen.
689Eine ordnungsgemäße Konzernfinanzierung liegt nämlich nur dann
690vor, wenn
691- entweder ein Informations- und Berichtssystem innerhalb des
692Konzerns besteht oder
693- die finanzierende Gesellschaft selbständig eine Bonitäts-
694prüfung vornimmt oder
695- ein Konzernkredit gesichert wird.
Dies folgt aus den nachstehenden Überlegungen:
697Jedes einzelne Unternehmen im Konzern - erst Recht im
698faktischen - stellt eine rechtliche Einheit dar, die nicht
699zu Lasten der Konzernfinanzierungsvorgänge umgangen werden
700darf (Theisen, Der Konzern, Seite 315, Schneider, Betriebs-
701berater 1986, 1997, Eichholz a.a.O., Seite 107 f.). An-
702knüpfend an die rechtliche Selbständigkeit und die eigenunter
703nehmerisohe Verantwortlichkeit ist primäre Voraussetzung für
704jede Form der ordnungsgemäßen Finanzwirtschat die Errichtung
705einer geeigneten finanzbezogenen Berichterstattung und eines
706entsprechenden Informationssystems. Die Konzernfinanzierung
707muß - unabhängig von der Frage, ob diese zentral oder de-
708zentral durchgeführt wird - sicherstellen, daß sowohl bei der
709Muttergesellschaft als auch bei den abhängigen Unternehmen
710das Verbot der Unterkapitalisierung, der Grundsatz der
711Kapitalerhaltung, der Grundsatz der Risikobegrenzung und der
712Grundsatz der Liquiditätssicherung beachtet werden
713(Schneider, ZGR 1984, 522). Die Beachtung dieser Grundsätze
714ist jedoch im Falle der Konzernfinanzierung wegen der Be-
715teiligungsverhältnisse nur wirkungsvoll möglich, wenn die
716einzelnen Gesellschaften über die finanzielle Ausstattung
717anderer Konzernunternehmen informiert sind. Ein solches In-
718formationssystem, welches die der P ange-
719hörenden Gesellschaften zeitnah über die Finanzausstattung im
720Konzern informierte, bestand nicht.
721Die Beklagten hätten deshalb entweder eine eigene Bonitäts-
722prüfung vornehmen oder das Darlehn Besichern lassen müssen.
723Da die Konzernfinanzierung die Einschaltung professioneller
724Kreditgeber verhindern soll, andererseits aber die rechtliche
725Selbständigkeit der Unternehmen zu beachten ist, erscheint es
726sachgerecht, daß die geforderte Bonitätsprüfung sich den
727allgemeinen Grundsätzen der Kreditwirtschaft anzulehnen hat.
728Sie hat sich deshalb an § 18 Satz 1 KWG (in der damaligen
729Fassung) zu orientieren, wonach sich das darlehnsgewährende
730Unternehmen die wirtschaftlichen Verhältnisse offenlegen
731lassen muß. Dabei muß die Prüfung durch das Unternehmen
732selbst erfolgen; die Berufung auf Kredite Dritter ist allein
733schon wegen der Unkenntnis jener genauen Darlehnsbedingungen
734nicht ausreichend. Soweit die kreditierende Gesellschaft auf
735eine solche Prüfung verzichtet, verlangt die Sicherung der
736treuhänderisch verwalteten Aktionärsinteressen, daß - soweit
737keine sicheren Erkenntnisse über die Bonität und die
738Liquidität des Darlehnsnehmers vorliegen -, das Darlehn in
739geeigneter Weise zu besichern ist. Für diese Forderung nach einer
740Besicherung spricht auch, daß gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 KWG
741Kredite an mit 25 % beteiligten Unternehmen, die nicht be-
742sichert worden sind, nicht der Eigenkapitalausstattung zuge-
743rechnet werden dürfen. Die Kapitalausstattung dient, wie § 10
744Abs. 1 Satz 1 KWG verdeutlicht, der Sicherung der Gläubiger,
745insbesondere zur Sicherheit der den Kreditinstituten anver-
746trauten Vermögenswerte. Diese Treuhänderfunktion obliegt der
747AG und damit auch dem einzelnen Vorstandsmitglied einer
748Aktiengesellschaft.
749Im vorliegenden Fall haben die Beklagten weder eine Bonitäts-
750noch Liquiditatsprüfung bei der P vorgenommen,
751noch den gewährten Kredit besichern lassen. Sie hätten
752aufgrund ihrer eigenen jüngsten Erkenntnisse und der
753negativen Presseberichte gegenüber der P miß-
754trauisch sein und entsprechend handeln müssen. Zu diesem
755Schluß ist die Kammer aufgrund folgender Überlegungen ge-
756kommen :
757Die Beklagten können sich nicht daraufberufen, daß die Banken
758im Februar oder auch noch später
759Kredite an die P gegeben haben. Dabei spielt es
760keine Rolle, ob es sich hierbei um neue Kredite oder nur um
761die Verlängerung ausgelaufener Darlehn handelt. Zum einen war
762den Beklagten nicht bekannt, zu welchen Konditionen und auf-
763grund welcher äußeren Umstände die der P Dar-
764lehn gegeben bzw. verlängert worden waren. Selbst wenn objektiv
765gleiche Konditionen gewährt worden sind, so können wirt-
766schaftliche Überlegungen dahinterstehen, die eine Kredit-
767vergabe in einem Fall rechtfertigen, in einem anderen Fall
768als grob pflichtwidrig erscheinen lassen.
769Abgesehen davon läßt das Schreiben der M - Bank vom
77005.02.1991 (Anlage 24) erkennen, daß zu-
771mindest bei dieser Bank "Sorge wegen anhaltener negativer
772Presse über Liquidationsschwierigkeiten der P" bestanden.
773Entscheidend ist hier nicht, daß die Beklagten von diesem
774Schreiben erst nach Vergabe des Darlehns,
775nämlich erst am Nachmittag des 05.02.1991, erfahren haben.
776Bedeutend ist vielmehr, daß ein außenstehender Dritter Sorgen
777um die finanzielle Situation der P hatte.
778Entsprechendes gilt hinsichtlich des Verhaltens des Bank-
779hauses U, die Anfang Februar - vor Darlehnsvergabe –
780auf Rückzahlung von 15 Mio. ihres Kredites
781bestanden, weil "das Engagement U bei P und J3-
782mittlerweile so hoch geworden sei, daß eine Gesamtrückzahlung
783oder Teilbesicherung des Kredites an die Klägerin notwendig"
784erscheine. Auch hier ist nicht entscheidend, daß die Be-
785klagten von diesen Rückforderungen erst nach Vergabe des
786Darlehns Kenntnis erhalten haben wollen. Entscheidend ist
787vielmehr, daß auch bei dieser Bank eine Beunruhigung zu ver-
788zeichnen war.
789Eine solche "Beunruhigung" hätte man im damaligen Zeitpunkt
790auch von den Beklagten verlangen können. Bei der Darlehnsvergabe
791wußten sie, daß das J-M2-Geschäft aufgrund der finan-
792ziellen Schwäche dieser Gruppe nur gesichert war, wenn
7934O Mio. GBP Barmittel von den Aktionären und weitere 50 Mio.
794GBP durch Umwandlung von Krediten in Kapital durch die M4
795Bank zur Verfügung gestellt würden. Dies ergibt sich ein-
796deutig aus dem Schreiben der Beklagten zu 1) und 2) an das
797Aufsichtsratsmitglied H vom 01.02.1991 (Blatt 602
798d.A.). Deshalb war S seinerseits auch an den Vorstand der
799Klägerin herangetreten, um diese zur Bereitstellung eines
800Darlehns an die B4 in Höhe von 15 Mio. DM zu veranlassen.
801Nach eigener Einlassung hatte der Beklagte zu 3)
802Bedenken gegen B4 als Darlehnsnehmerin geäußert und
803die P als Darlehnsnehmerin gefordert. Alle drei
804Beklagten wußten, daß das gewährte Darlehn im Zusammenhang
805mit diesem Komplex stand. Auch dieser Umstand hätte sie ver-
806anlassen müssen, mit besonderer Sorgfalt die Bedingungen des
807Darlehns zu prüfen, zumal der stellvertretende Aufsichtsrat-
808vorsitzende L unstreitig darum bat, "das Engagement von
809J3 in diesem Geschäft nicht zu erhöhen, bis der Auf-
810sichtsrat einen neuen Beschluß gefaßt habe". Dieses un-
811streitig vor dem 04.02.1991 stattgefundene Gespräch hat L
812noch einmal in seinem Schreiben vom 11.02.1991 bestätigt. Es
813kann dahingestellt bleiben, ob er hiermit auch - wie die
814Klägerin behauptet - auch ausdrücklich die Darlehnshingabe an
815die P verbieten wollte. Jedenfalls hätte auch
816dieses Gespräch - im Zusammenhang mit dem bereits erörterten
817und den noch im folgenden aufgeführten Umständen - Anlaß zur
818erhöhten Sorgfalt gegeben müssen.
819Denn zu diesem Zeitpunkt waren bereits mehr als
820kritische Stimmen in der .Presse über die finanzielle
821Situation der P laut geworden:
822Zwar haben die Beklagten eine Vielzahl von Pressemitteilungen
823vorgelegt, in denen nicht negativ über die finanzielle
824Situation über die P berichtet worden ist.
825Vielmehr wird in diesen Artikeln auf die durch den B Ver-
826kauf zu erwartende Liquidationsspritze und Konsolidierungs-
827möglichkeit hingewiesen. Aber auch hier ist zu beachten, daß
828diese Zukunftsprognose in überwiegenden Fällen erkennbar auf
829den Angaben der Presseerklärung bzw. des Pressesprechers der
830P beruhten.
831Im übrigen ist nicht entscheidend., ob die Mehrzahl der Presse
832im damaligen Zeitpunkt überwiegend positiv oder negativ über
833die wirtschaftliche Situation der P berichtet hat. Von Be-
834deutung ist vielmehr, daß die Beklagten aufgrund der
835negativen Stimmen in der Presse hellhörig und mißtrauisch
836hätte werden müssen.
837So weist der Mannheimer Morgen in seiner Ausgabe vom
83805.12.1990 (Blatt 558) schon auf die Nöte des "Finanzgenies"
839S, wenn es in dem Artikel heißt:
840Doch mit den steigenden Zinsen und der drohenden
841Rezession in den USA scheint sich das Blatt für den
842Finanzierungskünstler gewendet zu haben. S will ange-
843sichts der ungünstigen Finanzierungsbedingungen einige
844seiner Beteiligungen und Unternehmen loswerden, um sich
845Liquidität zu verschaffen.
846Es heißt dann weiter:
847"Wir wollen unser Portefeuille aus Kostengründen
848straffen", begründet P-Sprecher O die Ver-
849kaufsabsichten "im gegenwärtigen Zinsumfeld" angesichts
850einer "befürchteten Rezession". Doch in Finanzkreisen
851ist die Formulierung unverblümter. Der Selfmademan S
852wolle in erster Linie seine Schulden in Milliardenhöhe
853abbauen. "S steht mit dem Rücken zur Wand". Bankier
854M5 zufolge muß der Finanzfachmann verkaufen,
855weil er ein "Abschreibungsproblem" von geschätzten
856500 Mio. Franken hat. Dieser gigantische Abschreibungs-
857bedarf sei aus der Überbewertung der B-Aktien in der
858Bilanz nach dem Kursverfall in diesem Jahr ent-
859standen. Daß die Finanzanalysten auch hier auf
860Schätzungen angewiesen sind, liegt an der verschach-
861telten und unüberschaubaren Firmenbeteiligungen in S's
862Imperium."
863Auch die Frankfurter Allgemeine vom 14.12.1990 (Blatt 559)
864weist auf die Schwierigkeiten hin, wenn sie schreibt:
865"S beschafft sich durch den Verkauf weitere l.iquide
866Mittel, die er offensichtlich im Geschäft benötigt. ...
867Die Methoden des Financiers und der von ihm be-
868herrschten P wurden stets argwöhnisch beob-
869achtet: Zu undurchsichtig war das Geflecht seiner Be-
870teiligungen und als zu kühn mitunter die Finanzierung.
871Das Mißtrauen bekommt S vor allem jetzt zu spüren, da
872hohe Zinsen und fallende Börsenkurse das "Finanz-Genie"
873plagen. Wie lange, so fragen sich Züricher Analysten,
874halten die Kreditgeber still, die seine vielen Be-
875teiligungen finanzieren halfen?
876P ist kein Papier für die breite Anlegerschaft. Denn
877selbst Fachleute haben angesichts der laxen Konsoli-
878dierungsvorschriften in der Schweiz Schwierigkeiten,
879hinter den Globalzahlen den Wert der einzelnen P-
880Beteiligungen zu ermitteln und sich ein detailliertes
881Bild über die Situation in der Gruppe zu verschaffen."
882Weiter heißt es dann;
883"Zu bedenken ist allerdings, daß hohe liquiditätswirk-
884same Erträge aus dem Geschäftsbereich notwendig sind,
885um die laufenden Fremdkapitalkosten zu decken, da die
886anteilig konsolidierten Gewinne der Minoritätsbeteili-
887gungen nur zu einem geringen Teil (Dividendenzahlungen)
888liquiditätswirksam werden. Die laufende Realisierung
889von Buchgewinnen wird für die P somit zur
890Überlebensfrage.
891...
892Müßte der konsolidierten Rechnung nämlich der Börsen-
893wert zugrunde gelegt werden, so wäre das Aktienkapital
894von 667 Mio. Fr. nur noch zu 60 % mit Eigenkapital
895gedeckt. (Blatt 559, 560 d.A.)"
896Im "Effecten-Spiegel" vom 10.01.1991 (Blatt 551) wird auf den
897wirtschaftlichen Engpaß hingewiesen, wenn dort geschrieben
898wird:
899"J3-Großaktionär S scheint zunehmend unter Druck
900zu geraten, berichtet ein Wirtschaftsmagazin. Wie es
901dort weiter heißt, würden die Banken S drängen, Kasse
902zu machen; nur eine Großbank halte noch zu ihm."
903Wenn es sich bei diesem Blatt - wie die Beklagten behaupten -
904um eine "Bild-Zeitung" der Börse handelte und hier nur Ge-
905rüchte ohne Tatsachenkern verbreitet worden seien, so ändert
906dies doch nichts an der Tatsache, daß - zumindest im Zusam-
907menhang mit anderen Veröffentlichungen - ein ordentlicher und
908gewissenhafter Kaufmann solchen Hinweisen nachzugehen hat.
909Die Schweizer Handels Zeitung vom 10.01.1991 (Blatt 552
910d. A.) weist zwar darauf hin, daß durch die Verkäufe der
911Beteiligungen kurz vor Jahresende Liquidität und Buchgewinne
912geschaffen worden seien, wodurch die Gruppe für 1990 einen
913stabilen Gewinn ausweisen könne. Es heißt danach weiter:
914"Bei anhaltend hohen Zinsen und sohlechter Börsenlage
915sind aber weiterhin liquiditätswirksame Erträge nötig,
916um die laufenden Fremdkapitalkosten zu decken. Da die
917Gewinne der Beteiligungen dazu nicht ausreichen, werden
918weitere Verkäufe für die P zur Überlebensfrage. ...
919Müßte der konsilidierten Rechnung der Börsenwert zu-
920grundegelegt werden, wäre das Aktienkapital von
921667 Mio. Fr. nur noch zu 60 % mit Eigenkapital gedeckt."
922In den folgenden Tagen berichtet die Börse dann über den
923B-Verkauf, der überwiegend positiv beurteilt wird, weil
924hierdurch der P Liquidität zufließen würde.
925Hierbei sei aber noch einmal betont, daß aus dem Bericht
926hervorgeht, daß die positiven Aspekte auf Selbstauskünften
927beruhten.
928So schreibt die Frankfurter Allgemeine am 18.01.1991
929(Blatt 554 d. A.):
930"Dem Financier S, dem offenbar hohe Zinsen und Eigen-
931mittelbedarf zu schaffen machen, wurden schon längere
932Zeit Verkaufsabsichten nachgesagt.
933Mit dem Verkauf von D erreichte P das Ziel,
934das Portefeuille an strategischen Beteiligungen so
935zu straffen, daß es weitgehend mit Eigenkapital finan-
936ziert sei, wurde mitgeteilt."
937Am 20.01.1991 (Blatt 555 d. A.) berichtet die Welt am Sonntag
938über den B-Komplex, allerdings schon mit deutlichen Warn-
939zeichen:
940"B ... hat sicherlich gute Zukunftsaussichten. Was
941der Börse indes weniger gefällt, ist B3's weitere Ver-
942knüpfung mit der etwas undurchsichtigen S-Gruppe. Der
943Schweizer erregte bereits vor Jahren durch die Mehr-
944heitsübernahme an der deutschen Grundstücksgesellschaft
945J3 Mißtrauen.
946Angeblich soll sich S zunehmend finanziellen Problemen
947gegenüber sehen. Der Verkauf der B-Mehrheit würde
948diesen Versionen nicht gerade widersprechen."
949Die Züricher Zeitung sieht in ihrer Ausgabe vom 1. Februar
9501991 (Blatt 556 d. A.) die finanzielle Lage der S -Gruppe
951sehr kritisch:
952"H. A. Wer wollte die auf der obersten Führungsebene der
953P (Bern) eingetretene Erleichterung nicht
954verstehen? Wäre es nämlich nicht gelungen, die ge-
955wichtige Beteiligung am Westschweizer Dienstleistungs-
956konzern B zu einem den Umständen entsprechend
957unrealistisch hohen Preis zu versilbern, hätten auf
958dieser Portefeuille-Position zum Jahresende substan-
959tielle Abschreibungen vorgenommen werden müssen. Ab-
960schreibungen, die die Bilanzproportionen der P spür-
961bar verschlechtern bzw. ein Loch in die Eigennnttel-
962ausstattung gerissen hätten. Dieser bittere Kelch, so
963glaubt man in Bern, ist nun an S's P
964vorbeigegangen. Denn jetzt, da man besagtes Mehrheits-
965paket der bisher unbekannten D zu
966einem Stückpreis hat andienen können (vgl. NZZ Nr. 14),
967den das S -eigene Wirtschaftsmagazin "Bilanz" in der
968Gegend des durchschnittlichen Einstandspreises von
9691.700 Fr. ansiedelt, hält man sich für berechtigt, die
970fraglichen Aktien in der Jahresendbilanz nicht mehr den
971"Beteiligungen" zuordnen (und als solche bewerten) zu
972müssen, sondern sie zu den "Wertschriften" schlagen und
973zum erwähnten Veräusserungspreis einstellen zu dürfen.
974- Ob sich die Revisionsstelle dieser bilanzschonenden
975Betrachtungsweise anschliessen mag, ungeachtet der
976Tatsache, daß die Transaktion erst im Januar 1991 ver-
977bindlich beschlossen worden ist und bis zum Vorliegen
978der EG-Zustimmung gar nicht rechtskräftig abgewickelt
979werden kann, bleibt abzusehen.
980...
981Und das Entgelt in der Gesamthöhe von "gut und gerne
982einer Milliarde Franken" ist der P zu weniger als
983der Hälfte in Form disponibler Barmittel zugeflossen
984bzw. zugesprochen. Diesen Barerlös muss P wenn nicht
985zur Gänze so zweifellos zum grossen Teil umgehend
986weitergeben an jene Gläubiger, die ihr die letztes Jahr
987umfangreich getätigten Aktienzukäufe finanziert haben.
988Viel eher vermittelt sie den Eindruck einer in wachs-
989ender Bilanzierungs- und Bewertungsbedrängnis hastig
990inszenierten und unter kalendarischem Druck noch im
991Blaupausen-Stadium durchgepeitschten Entlastungsaktion.
992Denn wie das erwähnte Pressegespräch offenbart hat,
993sind wesentliche Punkte noch reichlich ungeklärt."
994Es mag zutreffen, daß der Verfasser dieses Artikels als
995früherer von S entlassener Pressesprecher bis zu einem
996bestimmten Grade gegen diesen voreingenommen gewesen sein
997könnte. Gleichwohl durften deshalb seine Recherchen nicht von
998vornherein als unseriös abgetan werden.
999Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß es negative
1000Stimmen in der Presse gab, die Mißtrauen gegen das Finanz-
1001gebahren der P äußerten und ihre wirtschaftliche
1002Situation schlecht einschätzten. Darüber hinaus war sich die
1003Presse - auch in den von den Beklagten vorgelegten Presse-
1004artikeln - darüber einig, daß die angespannte finanzielle
1005Situation nur durch den Verkauf der B-Aktien ausgeglichen
1006werden könne. Dabei ist aber zu beachten, daß der Verkauf
1007- wie die Beklagten wußten - noch unter dem Vorbehalt der
1008Genehmigung der zuständigen Kartellbehörden stand. Es war
1009daher im damaligen Zeitpunkt gar nicht abzusehen, ob die
1010Genehmigung überhaupt und zu welchem Zeitpunkt sie erteilt
1011werden würde. Jedenfalls stand eine unmittelbare Liquiditäts-
1012zufuhr nicht bevor.
1013Ob die Beklagten die negativen Presseberichte zum damaligen
1014Zeitpunkt gelesen haben, kann dahingestellt bleiben. Als
1015ordentliche und gewissenhafte Vorstandsmitglieder hätten sie
1016jedenfalls dafür Sorge tragen müssen, daß ihnen solche Arti-
1017kel vorgelegt wurden.
1018Abgesehen davon hätten sie aufgrund ihrer Verbundenheit mit
1019der P zumindest auch die Kenntnisse haben
1020müssen, die außenstehende Journalisten gehabt haben.
1021Der Einwand des Beklagten zu 3.), der zuständige Sachbear-
1022beiter bei D2, Herr S6, habe nach
1023Durchsicht der Akten mitgeteilt, daß er erstmals mit dem
1024Artikel von B2 in der NZZ vom 06.02.1991 ein Indiz für die
1025finanzielle Schwierigkeiten der P nach außen
1026gesehen habe, vermag die Beklagten nicht zu entlasten. Der
1027Umstand, daß jemand, der zum damaligen Zeitpunkt ohne kon-
1028krete Verantwortung solche Artikel nicht gelesen oder anders
1029bewertet haben mag, befreit nicht die im engeren Sinne Ver-
1030antwortlichen von ihrer Sorgfaltspflicht.
1031Auch der Einwand, man habe vor Darlehensvergabe aufgrund vor-
1032läufiger Zahlen damit gerechnet, daß der P von
1033der Klägerin eine Dividende von rund 30 Mio. DM ausgezahlt
1034würde, ist unbeachtlich, weil der Beklagte zu 3.) in der
1035mündlichen Verhandlung vom 27.10.1993 erklärt hat, bei diesen
1036Zahlen handele es sich um das rein operative Ergebnis, wel-
1037ches noch nicht um die außerordentlichen Verluste vermindert
1038worden sei. Das Gericht ist der Ansicht, daß ein sorgfältiger
1039und gewissenhafter Kaufmann die Gefahr der finanziellen Ver-
1040luste durch das J/M2 -Geschäft - wie sie auch später tat-
1041sächlich eingetreten sind - hätte erkennen und in seine Über-
1042legungen einbeziehen müssen. Zudem hatte der Aufsichtsrat
1043überhaupt noch nicht über die Verwendung eines
1044möglichen Gewinns beschlossen. Schließlich war die P
1045nicht unmittelbar dividenden berechtigt; dies war vielmehr die
1046eingeschaltete Zwischengesellschaft.
1047Unbeachtlich ist auch, daß die zwei im Dezember fällig ge-
1048wordenen Darlehen "ordnungsgemäß zurückgezahlt" worden sind.
1049Hier handelte es sich nämlich im Grunde nicht um Rückzahlun-
1050gen, sondern lediglich um Verrechnungen mit dem Kaufpreis der
1051Anteile in dem Komplex J/M2, dessen "Überleben" schon im
1052Januar 1991 erkennbar gefährdet war.
1053Die Berufung auf die erwartete Gewinnausschüttung und den
1054erwarteten Gewinn durch den Verkauf der B-Aktien spricht
1055im übrigen auch dafür, daß das Darlehen keinesfalls als "kurz-
1056fristig" betrachtet wurde. Dies spielt aber im Ergebnis
1057keine Rolle, weil die Grundsätze der Kreditfinanzierung
1058innerhalb eines Konzerns zur Sicherung der Fremdaktionäre
1059auch für kurzfristige Darlehen gilt.
1060Das Gericht brauchte nicht darüber zu entscheiden, ob die
1061Klägerin im Zeitpunkt der Darlehensvergabe selbst über aus-
1062reichende Liquidität verfügt hat. Die Grundsätze zur Prüfung
1063der Bonität des Darlehensnehmers oder die ausreichende
1064Sicherung sind nicht davon abhängig, ob der Darlehensgeber
1065über ausreichende Mittel verfügt oder sich diese selbst be-
1066sorgen muß. In jedem Falle gebietet die treuhänderische
1067Funktion die Wahrung der Vermögensinteressen der Aktionäre.
1068Zusammenfassend ist die Kammer der Ansicht, daß - zumindest
1069aus der Gesamtschau - im Zeitpunkt der Darlehenshingabe so
1070viele Umstände einen ordentlichen und gewissenhaften Vorstand
1071an der Bonität der Darlehensnehmerin hätte zweifeln lassen
1072müssen und deshalb im Interesse der außenstehenden Aktionäre
1073eine Darlehensvergabe nur gegen
1074ausreichende Sicherheiten hätte veranlaßt werden dürfen.
1075Die Beklagten können sich auch nicht darauf berufen, daß die
1076Darlehenshingabe hätte "eilig" erfolgen müssen. Der oben
1077dargestellte Zeitablauf zeigt deutlich, daß es sich nicht um
1078eine Entscheidung gehandelt hat, die innerhalb von wenigen
1079Stunden gefallen ist. Vorbereitende Gespräche, die auch dazu
1080geführt haben, daß das Darlehen nicht unmittelbar an B4,
1081oder M2/J sondern an die P gegeben wurde, sind erfolgt,
1082so daß ausreichend Zeit zu Überlegungen bestanden hat.
1083Ob - wie die Beklagten behaupten - der Aufsichtsrat in der
1084Sitzung vorn 21.02.1990 generell die Vergabe von Darlehen ,ohne
1085Sicherheiten genehmigt hat, konnte dahingestellt bleiben,
1086weil nach § 93 Abs. 4 Satz 2 AktG die Haftung dadurch
1087nicht ausgeschlossen wird.
1088Somit steht für die Kammer fest, daß die Beklagten die ihnen
1089obliegenden Pflichten als Vorstandsmitglieder im Zusammenhang
1090mit der Darlehenshingabe verletzt haben. Jedenfalls haben sie
1091sich nicht ausreichend entlasten können, was prozessual ihre
1092Aufgabe gewesen wäre. Dies gilt auch, soweit die Beklagten
1093noch auf die nachstehend erörterten Gesichtspunkte hinweisen,
1094mit denen sie versuchen, sich individuell zu entlasten.
1095Soweit der Beklagte zu 3.) sich darauf beruft, nach der Ge-
1096schäftsverteilung innerhalb des Vorstandes nicht für die
1097Darlehensvergabe zuständig gewesen zu sein, kann er nicht
1098gehört werden, weil - wie er selbst einräumt - an der Vor-
1099bereitung der Darlehenshingabe beteiligt war. Gerade er will
1100veranlaßt haben, daß Darlehensnehmerin nicht die B4,
1101sondern die P geworden ist.
1102Der Beklagte zu 2.) kann sich auch nicht darauf berufen, in
1103einem Interessenkonflikt gewesen zu sein, weil er zugleich in
1104der Generaldirektion der P tätig gewesen war. Die
1105Rechtsprechung hat zu Recht entschieden, daß man sich auf
1106eine solche mögliche Interessenkollision nicht zurückziehen
1107kann. Solche Interessenkollisionen sind grundsätzlich nicht
1108in dem Sinne entlastend, daß die Pflichterfüllung gegenüber
1109der einen die Pflichtverletzung gegenüber der anderen Gesell-
1110schaft rechtfertigen könnte (RGZ 165, 68, 82, Mertens in
1111Kölner Kommentar, § 93, Anm. 22 m. w. Z., BGH WM 1980, 173,
1112BGH ZIP 1984, 578).
1113Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Rechtsabteilung
1114der Klägerin die Beklagten unter dem 06.11.1990 auf die
1115Pflichten des Vorstandes einer abhängigen Gesellschaft im
1116faktischen Konzern, hingewiesen hat .(Anlage Nr. 12 in der
1117Beiakte S3 ./. J3, 10 0 221/91). Der Hin-
1118weis erfolgte durch eine Ablichtung der diesen Komplex be-
1119treffenden Fragen aus dem Münchener Handbuch des Gesell-
1120schaftsrechts, Band IV, Aktiengesellschaft, § 69 Rz. 34 und
112135. Unter Rz. 35 ist insbesondere auch zur Frage der oben
1122erwähnten Interessenkollision hingewiesen, daß solche nicht
1123in der Form zu lösen seien, daß es dem Vorstandsmitglied
1124gestattet wäre, die Interessen des einen oder des anderen
1125Unternehmens den Vorzug zu geben.
1126Durch das pflichtwidrige Verhalten der Vorstandsmitglieder
1127ist der Klägerin ein Schaden entstanden. Nach Auskunft der
1128die Liquidation durchführenden Wirtschaftsprüfer D2
1129bewegt sich die zu erwartende Auszahlungsquote
1130zwischen 4,6 und 22,6 %. Damit ist ein Gesamtschaden von
1131mindestens 6 Mio. DM bewiesen.
1132Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob der Klägerin auch
1133durch die steuerliche Nacherhebung ein Schaden entstanden
1134ist.
1135II.
1136Das Verhalten der Beklagten verstößt insbesondere auch gegen
1137den speziellen Tatbestand der unzulässigen Einlagenrückge-
1138währ, der nach § 93 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 57 AktG die
1139Haftung nach § 93 l AktG begründet.
1140Die ungesicherte Darlehenshingabe ist eine unzulässige Ein-
1141lagenrückgewähr im Sinne des § 57 Abs. 1 .AktG:
1142Unter Einlage ist das gesamte Vermögen der Aktiengesellschaft
1143mit Ausnahme des förmlich, festgestellten Bilanzgewinns zu
1144verstehen (Lutter in Kölner Kommentar zum Aktiengesetz,
11452. Aufl., Band l, §§ 1 bis 75, 2. Aufl., § 57 Rz. 5
1146m. u. N.). Danach ist alles, was nicht unter die Bilanzge-
1147winnverteilung fällt, als Einlagenrückgewähr zu qualifizieren
1148(herrschende Meinung, siehe Lutter in Kölner Kommentar
1149a.a.O., § 57 Rz. 5). Dieser Ansicht steht nicht der Wort-
1150laut des § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG, der an die konkrete Ein-
1151lageleistung des Aktionärs anzuknüpfen scheint, entgegen.
1152Eine derartige Einschränkung würde dem Normzweck des § 57
1153AktG entgegenlaufen. Diese Vorschrift verwirklicht das Gebot
1154der Kapitalerhaltung. Damit dient es sowohl dem Gesell-
1155schaftsgläubiger als auch dem einzelnen Aktionär. Es wird
1156verhindert, daß die Grenze zwischen Gesellschafts- und Ge-
1157sellschaftervermögen zu Gunsten einzelner Aktionäre unter
1158Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung verschoben
1159wird (RGZ 107, 168, Lutter/Zöllner in Kölner Kommentar
1160a.a.O., § 53 a Rz. 38, 73, Lutter in Kölner Kommentar, § 57
1161Rz. 2). Darüber hinaus sichert § 57 AktG die Kompetenzver-
1162teilung innerhalb der Aktiengesellschaft, da gemäß § 119
1163Abs. 1 Nr. 2 AktG die Entscheidung über die Gewinnverwendung
1164in die unentziehbaren Zuständigkeiten der Hauptversammlung
1165fällt.
1166Auch eine Darlehensgewährung kann und ist im vorliegenden
1167Falle als Einlagenrückgewähr zu betrachten. Zwar hat gemäß
1168§ 607 BGB die Gesellschaft als Darlehensgeberin einen Rück-
1169zahlungsanspruch gegen den Aktionär. Andererseits trifft die
1170Gesellschaft das Insolvenzrisiko des Darlehensnehmers. Auch.
1171der Normzweck des § 57 Abs. 1 AktG stützt diese Annahme. Die
1172Vorschrift dient dem Gläubiger und dem Minderheitsaktionärs-
1173schutz (siehe oben). Der Entzug liquider Mittel aus der Ge-
1174sellschaft führt dazu, daß die Haftungsgrundlage geschmälert
1175wird. Der Ersatz besteht in einer Ungewissen Forderung aus
1176§ 607 BGB. Das Risiko der Realisierung würde auf die
1177Gläubiger abgewälzt.
1178Aber auch systematische Überlegungen sprechen für
1179eine Einlagenrückgewähr. Nach § 27 Abs. 1 AktG
1180bestehen strenge Mitteilungs- und Prüfungspflichten für den
1181Fall, daß die grundsätzliche Bareinlagenverpflichtung durch
1182eine Sacheinlage ersetzt wird. Diesem Fall vergleichbar ist,
1183daß die zunächst gezahlte Bareinlage in ein Darlehen umge-
1184wandelt wird, so daß anstelle der liquiden Mittel nunmehr
1185eine Forderung steht. Die Regelungen der §§ 27, 57 AktG
1186stehen im Kontex mit dem Grundsatz der Kapitalaufbringung
1187und -erhaltung. Ihr gemeinsames Ziel ist die Sicherung der
1188Gläubiger, so daß die systematischen Überlegungen auf beide
1189Vorschriften anzuwenden sind (vgl. hierzu auch Eichholz
1190a. a. 0., Seite 140 f.).
1191Gleichwohl wäre die Hingabe des Darlehens erlaubt und keine
1192unzulässige Einlagenrückgewähr, wenn es sich hier um ein
1193Rechtsgeschäft gehandelt hätte, wie es die Klägerin zum
1194damaligen Zeitpunkt auch mit einem außenstehenden Dritten
1195abgeschlossen hätte oder hat.
1196Dies kann insoweit bejaht werden, als kein auffälliges Miß-
1197verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung hinsichtlich
1198der Zinsbedingungen bestand. Die Darlehensgewährung erfolgt
1199mit einem Zinssatz zu 10 % p. A. Im Jahre 1991 betrug die
1200durchschnittliche Verzinsung von Kontokorrentkrediten über
12011 Mio. DM 10,35 %, wobei die Streuung von 9,30 % bis 11,75 %
1202ging (Monatsbericht der Deutschen Bundesbank, 43. Jahrgang,
1203Nr. 2, Februar 1991, Seite 51, Statistischer Teil). Der Zins-
1204satz für 3-Monats-Geld betrug in diesem Zeitraum 9,35 %
1205(Monatsbericht der Deutschen Bundesbank a. a. 0.). Die
1206Klägerin selbst hatte einen Kredit des Bankhauses U
1207zu 9,25 %, so daß hiervon Sonderkonditionen
1208gegenüber der P nicht gesprochen werden kann.
1209Eine besondere Kondition des Darlehens ist jedoch die Tat-
1210sache, daß es ungesichert vergeben worden ist. Lutter (Kölner
1211Kommentar a.a.O., § 57 Rz. 28) sieht in der ungesicherten
1212Kreditvergabe den Standardfall einer unzulässigen Einlagen-
1213rückgewähr. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Ansicht
1214zu eng ist. Jedenfalls haben und hätten die Beklagten im
1215damaligen Zeitpunkt einem Dritten einen Kredit in solcher
1216Höhe nicht ungesichert gegeben und auch nicht geben dürfen.
1217Soweit die Beklagten sich darauf berufen, daß sie ent-
1218sprechende Gelder auch ungesichert an Banken gezahlt hätten,
1219vermag dieser Vergleich nicht zu überzeugen; die Banken
1220unterstehen nach dem KWG einer strengen Aufsicht und sind mit
1221anderen Wirtschaftsunternehmen insoweit nicht zu vergleichen.
1222Auch bei der Hingabe des Darlehens an die R
1223handelt es sich nicht um ein echtes Drittgeschäft, da auch
1224diese Gesellschaft Mitglied des faktischen Konzerns der P war.
1225Wie bereits oben ausgefühft, kann zwar die Vergabe von kon-
1226zerninternen Darlehen zwecks Ausnutzung des sogenannten
1227Leverage-Effekts sinnvoll sein, um die Eigenkapitalrentabili-
1228tät durch Fremdfinanzierung zu erhöhen. Um einen positiven
1229Effekt hier zu erreichen, muß die Fremdfinanzierung unterhalb
1230dessen liegen, was die Gesellschaft mit ihrem Eigenkapital
1231erwirtschaften kann. Die Gefahr besteht jedoch darin, daß der
1232Anteil des Fremdkapitals bei sinkender Eigenkapitalrenta-
1233bilität zu einer Überschuldung der Gesellschaft führt. Das
1234hohe Risiko, welches hiermit verbunden ist, zeigt, daß die
1235Ausnutzung des Leverage-Effekts nicht gegen die Bestellung
1236von Sicherheiten spricht. Darüber hinaus gibt dieses
1237Finanzierungsinstrument darüber keinen Aufschluß, ob ein
1238ordentlicher und gewissenhafter Kaufmann Fremdmittel ohne
1239Sicherheiten erhält bzw. Finanzierungskredite ohne solche
1240gewährt.
1241Im Ergebnis ist die Kammer deshalb der Ansicht, daß die Dar-
1242lehenshingabe am 04.02.1991 eine unzulässige Einlagenrückge-
1243währ ist.
1244Aber selbst wenn man der Ansicht ist, daß die mangelnde
1245Bonität des Darlehensnehmers noch hinzukommen muß, um die Hingabe
1246des Darlehens als unzulässige Einlagenrückgewähr- zu quali-
1247fizieren, ist auch diese Voraussetzung erfüllt. Objektiv war
1248die Bonität der P nicht gegeben. Aus den Aus-
1249führungen zu oben II. folgt, daß die Beklagten, die keine
1250Bonitätsprüfung durchgeführt haben, entsprechende Zweifel
1251hätten haben müssen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird
1252auf diese Ausführungen verwiesen. Auch hier ist - wie sich
1253aus § 93 Abs. 4 Satz 2 AktG ergibt - nicht entscheidend, ob
1254der Aufsichtsrat in der Sitzung vom 21.02.1990 die Vergabe
1255entsprechender Kredite generell genehmigt und die Entwicklung
1256zur "merchant bank" gebilligt hat.
1257III.
1258Die Haftung aus § 93 AktG wird im vorliegenden Falle durch
1259die §§ 311 ff. AktG nicht ausgeschlossen.
1260Zwar kommt in diesen Vorschriften die Auffassung zum Aus-
1261druck, daß das Konzerninteresse eine Schädigung der ab-
1262hängigen Gesellschaft - gleichgültig welcher Art sie sei -
1263rechtfertigte, sofern sie nur ausgeglichen wird. Hieraus wird
1264unter dem Vorbehalt des nachträglichen Schadensausgleiches
1265gefolgert, daß insoweit das in § 57 enthaltene Verbot der
1266Einlagenrückgewähr und der verdeckten Gewinnausschüttung
1267aufgehoben sei, der Vorstand der abhängigen Gesellschaft,
1268falls er eine seine Gesellschaft schädigende Weisung befolgt,
1269nicht gegen § 76 verstoße und auch nicht nach § 93 AktG ver-
1270antwortlich sei. Dies kann jedoch nicht gelten - so
1271Würdinger, Aktiengesetz, § 311 Anm. 5 -, wenn die Vermögens-
1272interessen der abhängigen Gesellschaft gefährdet werden. In
1273der amtlichen Begründung zu § 311 (Zitat bei Würdigner
1274a. a. 0.) ist gesagt: "Bei den Interessen des herrschenden
1275Unternehmens handelt es sich, ebenso wie bei den Interessen
1276der Gesellschaft und ihrer Aktionäre, stets um Vermögens-
1277interessen. Sie sind unabhängig von ihrer Größe für das Recht
1278gleichwertig. Kein Gesichtspunkt unserer Rechts- und Wirt-
1279schaftsordnung gestattet es, den Vermögensinteressen eines
1280Konzerns nur deswegen den Vorrang einzuräumen, weil sie
1281quantitativ größer sind". Geboten ist daher die Auffassung,
1282daß der in § 311 enthaltene Nachteilsausgleich in Erweiterung
1283der bürgerlich-rechtlichen Grundsätze der Kompensation ledig-
1284lich die Art der Ersatzleistung betrifft, daß er aber die
1285Schadenszufügung so wenig legalisiert wie die Schadenser-
1286satzleistung nach bürgerlichem Recht.
1287Ähnlich sieht dies Eichholz (a. a. 0., Seite 114), wenn er
1288ausführt, daß die Privilegierung des herrschenden Unter-
1289nehmens im faktischen Konzern gegenüber den anderen
1290Aktionären sich nur auf solche Fälle beziehen könne, in denen
1291der Nachteilsausgleich überhaupt möglich sei. Ähnlich der
1292Rechtslage bei Vertragskonzernen unterliegen im faktischen
1293Konzern unzulässige Weisungen zur Darlehensgewährung den
1294allgemeinen Kapitalerhaltungsvorschriften. Auch Lutter
1295(a. a. 0., § 57 Rz. 81) sieht den Fall, daß § 311 AktG nicht
1296zur Anwendung kommt.
1297Selbst wenn man dieser engen Meinung nicht folgt, steht
1298im vorliegenden Falle die Vorschrift des § 311 AktG der
1299Haftung des Vorstandes nicht entgegen.
1300Nach Koppensteiner (Kölner Kommentar, a. a. 0., Rz. 93) darf
1301der Vorstand des faktisch abhängigen Unternehmens Rechts-
1302geschäfte nicht vornehmen, wenn er Zweifel daran hat, ob das
1303herrschende Unternehmen imstande ist, den Nachteil auszu-
1304gleichen, z. B. weil die Bonität des herrschenden Unter-
1305nehmens schon derzeit schwach ist oder auch deshalb, weil ein
1306Ausgleich wegen der Natur der Nachteile nur so langfristig
1307möglich ist, so daß ein begründetes Urteil über die
1308Leistungsfähigkeit des Ausgleichsschuldners nicht mehr ab-
1309gegeben werden kann (ebenso Kropff in Geßler/Hefermehl,
1310Rz. 43 m. w. N.). Der Vorstand muß in solchen Fällen das
1311Rechtsgeschäft ablehnen (Kropff a. a. 0., § 311 Rz. 55).
1312Rechtsgeschäfte mit unübersehbaren Risiken dürfen vom
1313herrschenden Unternehmen nicht veranlaßt und vom Vorstand der
1314abhängigen Gesellschafter auf Veranlassung des herrschenden
1315Unternehmens nicht eingegangen werden (§ 311 Rz. 40
1316m. w. Z.), (ebenso Koppensteiner in Kölner Kommentar, § 311
1317Rz. 106 und 107).
1318Zusammenfassend bedeutet dies, daß § 311 zwar in der Regel die
1319Haftungsvorschriften aus §§ 93, 57 AktG als lex specialis
1320verdrängt, dies jedoch dann nicht der Fall ist, wenn der-
1321Vorstand der abhängigen Gesellschaft pflichtwidrig die Ver-
1322mögensinteressen seines Unternehmens nicht beachtet.
1323Daß dies aber der Fall war - die Beklagten haben sich zu-
1324mindest insoweit nicht entlasten können - ist oben ausge-
1325führt worden, so daß das Haftungsprivileg der § 311 ff. nicht
1326zum Zuge kommt.
1327IV.
1328Ob die Beklagten auch deswegen haften, weil sie möglicher-
1329weise nicht unmittelbar nach dem 05.02.1991 das Darlehen
1330gekündigt haben, kann dahingestellt bleiben, weil eine
1331Haftung bereits besteht. Im übrigen kann auch davon ausge-
1332gangen werden, daß die P unmittelbar nach dem
133305.02. genauso illiquide wie vor diesem Stichtag gewesen
1334ist.
1335v.
1336Eine Haftung der Beklagten, weil sie die Zustimmung des Auf
1337sichtsrats zu der Darlehensgewährung nicht eingeholt haben,
1338besteht dagegen nicht.
1339Es kann dahingestellt bleiben, ob der Aufsichtsrat Inder
1340Sitzung vom 21.02.1990 eine generelle Genehmigung für der-
1341artige Rechtsgeschäfte gegeben hat. War dieses der Fall, so
1342ist insoweit die Haftung aufgrund dieser Anspruchsgrundlage
1343nicht gegeben.
1344Sollte dies jedoch nicht der Fall sein, haften die Beklagten
1345ebenfalls nicht, da die entsprechende Bestimmung der Satzung
1346der Klägerin unwirksam ist.
1347§ 10 Ziff. 1 g bestimmt, daß für die Gewährung von Darlehen
1348und sonstigen Krediten außerhalb des üblichen Geschäftsbe-
1349triebes die Zustimmung des Aufsichtsrats erforderlich sei.
1350Dieser Zustimmungsvorbehalt ist unwirksam.
1351Zu Recht vertritt Geßler die Ansicht, ein Zustimmungsvorbe-
1352halt, der sich auf alle außergewöhnlichen Geschäfte bezieht,
1353sei wegen der starken Einschränkung des Vorstandes und auf-
1354grund der unzureichenden Praktikabilität unzulässig
1355(Geßler/Hefermehl, a. a. 0., § 111 Rz. 66, zustimmend
1356Meyer-Landrut in Kommentar zum Aktiengesetz, § 111 Anm. 15,
1357Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats 1988,
1358§ 2 Rz. 21). Mertens sieht eine solche Satzungsklausel als
1359unwirksam an, da § 111 Abs. 4 Satz 2 im Zusammenhang mit
1360Abs.4 S. 1 zu lesen sei und die Anordnung der Zustimmungspflicht
1361nicht zu einer Verlagerung der Geschäftsführung führen dürfe
1362(Mertens in Kölner Kommentar § 111 Rz. 61 mit Schrifttums-
1363nachweis). Dieser Ansicht ist zu folgen. Zum einen führt ein
1364solcher Zustimmungsvorbehalt bei einer Auslegung aus der
1365Sicht des Aufsichtsrats zu einer Kompetenzverlagerung in
1366weiten Bereichen. Aber auch die Frage, wann ein solches
1367außergewöhnliches Geschäft vorliegt, führt zu Rechtsunsicher-
1368heiten zwischen den Verwaltungsorganen der Aktiengesell-
1369schaft. Gerade der vorliegende Rechtsstreit verdeutlich,
1370welche Haftungsrisiken der Vorstand bei dem Vorliegen einer
1371solchen Klausel ausgesetzt ist. Die Rechtsunsicherheit, die
1372aufgrund einer solchen unbestimmten Klausel besteht, wider-
1373spricht dem, was der Gesetzgeber mit der Novellierung im
1374Jahre 1965 erreichen wollte. Es sollte die aufgrund der Soll-
1375bestimmung des Aktiengesetzes 1937 entstandene Rechtsun-
1376sicherheit hinsichtlich der Frage, wann der Vorstand den
1377Aufsichtsrat zur Mitwirkung heranzuziehen hat, beseitigt
1378werden (Begründung RegE abgedruckt bei Kropff, Aktiengesetz
1379§ 111 Seite 155). Diese Unsicherheit mittels unbestimmter
1380Satzungsbestimmungen durch eine neuere zu ersetzen, wider-
1381spricht dem Normzweck des § 111 Aktiengesetz.
1382Diese Überlegungen gelten auch, wenn - wie hier - der Zu-
1383stimmungsvorbehalt lediglich an außergewöhnliche Kreditver-
1384gaben verknüpft ist. Für die Unzulässigkeit spricht, daß auch
1385der Begriff der ungewöhnlichen Kreditvergabe zu vage und unbe-
1386stimmt ist. Zum einen tritt erneut die Frage auf, wann der
1387Bereich des gewöhnlichen Geschäfts überschritten wird; zum
1388anderen bestehen Abgrenzungsschwierigkeiten aufgrund der
1389Konzernlage: Wie auch die Klägerin zugesteht, können Kredit-
1390vergabe im Konzern zur Ausnutzung des sogenannten Leverage-
1391Effekts wirtschaftlich sinnvoll sein. Diese Kredite werden
1392dann rechtlich anders zu behandeln sein als Darlehnsvergabe
1393mit gleicher Höhe an Dritte. Schon allein diese Differen-
1394zierung, die ihren Höhepunkt, wenn man Kreditvergaben an
1395SchwestergeselIschafter überprüft, zeigt, daß die mangelnde
1396Praktikabilität zu einer der Kompetenzordnung der Aktienge-
1397sellschaft zuwiderlaufenden Verschiebung der Zuständigkeiten
1398führt. Im Ergebnis wäre der Vorstand zum Zwecke der eigenen
1399Entlastung gehalten, fast jede Kreditvergabe an die Zu-
1400stimmung des Aufsichtsrats zu knüpfen. Dementsprechend ver-
1401langen Lutter/Krieger (Rechten und Pflichten des Aufsichts-
1402rats, 1988, § 2 Rz. 21), zurecht, daß der Zustimmungsvorbe-
1403halt im Zusammenhang mit Kreditgeschäften diese summenmäßig
1404genau bestimmt.
1405Da somit die entsprechende Klausel wegen Verstoßes gegen § 23
1406Abs. 5 Aktiengesetz unwirksam ist, bestand auch keine Ver-
1407pflichtung des Vorstandes, die Genehmigung des Aufsichtsauf-
1408rates insoweit einzuholen.
1409Der Zinsanspruch ergibt sich aus einer entsprechenden An-
1410wendung des § 849 BGB. Die Inanspruchnahme von Kredit und die
1411Zinshöhe hat die Klägerin durch die Vorlage entsprechender
1412Unterlagen bewiesen.
1413Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
1414Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
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